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Literatur und Medien, die die Grenzen der bekannten Welt sprengen - die Zukunft der Menschheit und ihre Abenteuer in fantastischen Welten.
Ipsissimus
Dämmerung
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Do 3. Nov 2011, 13:44 - Beitrag #21

Tolkien hat selbst betont, dass Melkor und Sauron natürlich nicht als das absolut böse zu sehen sind (allein schon, weil es so etwas nicht geben könne). Die Orks und ihr Handeln als absolut verwerflich zu betrachten, hätte Tolkien sicherlich als unchristlich bezeichnet.

das mag so sein, aber im Herrn der Ringe findet sich nicht viel an Relativierung moralischer Positionen. Außerdem, was ist unchristlich daran, irgendetwas als absolut verwerflich zu betrachten?

Natürlich habe ich immer die Möglichkeit, mich der Sichtweise des Autors, wie sie im Werk Niederschlag findet, zu entziehen. Das ändert aber nichts daran, dass der Autor versucht, mir diese Sichtweise aufzudrücken.

Der Faust versucht keinen ernstzunehmenden Übergriff^^

janw
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Do 3. Nov 2011, 15:11 - Beitrag #22

Naja, der Faust richtet sich an Leute, für die der Teufel als Konzept und Figur kein Unbekannter ist, Tolkiens Gestalten brauchen dagegen ein Vergleichs-Image, um eingeordnet werden zu können.

Ipsissimus
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Do 3. Nov 2011, 15:57 - Beitrag #23

ist Mephistopheles geeignet, Angst einzuflößen?

janw
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Do 3. Nov 2011, 16:14 - Beitrag #24

Uns nicht, aber vielleicht zu Goethens Zeiten...?

Ipsissimus
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Do 3. Nov 2011, 16:43 - Beitrag #25

ich bezweifele, dass der Faust für´s gemeine Volk gedacht war^^

janw
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Do 3. Nov 2011, 19:24 - Beitrag #26

Touché^^

Traitor
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Mo 7. Nov 2011, 23:17 - Beitrag #27

Zitat von Ipsissimus:Man kann den Orks übrigens nur wünschen, dass sie nicht erlösbar sind, denn das hieße aufgrund der Tolkienschen Schlichtheit letztlich ja nur, dass sie das Weltbild der guten Seite annehmen und ihren Machthunger auf Grundlage geänderter Begründungen und teilweise eventuell gegen andere Gegner ausleben^^
Jenseitlich erlösbar, nicht diesseitlich.

Zitat von Ipsissimus:Natürlich habe ich immer die Möglichkeit, mich der Sichtweise des Autors, wie sie im Werk Niederschlag findet, zu entziehen. Das ändert aber nichts daran, dass der Autor versucht, mir diese Sichtweise aufzudrücken.
Und wenn er besser im Erzählen als im Aufdrücken ist, dann habe ich Glück und kann das Werk unbeeinflusst genießen. ]so ist er aber nur ein älterer Bruder eines Tad Williams, der womöglich noch langweiliger, wenn auch genauso langatmig ist^^[/QUOTE] Was verschafft Williams das Langweiligkeitsurteil? Ich sitze gerade erstmals an Otherland und kann es bisher absolut nicht teilen. Allerdings bin ich auch erst auf Seite 300 von 900 von 1 von 4 Bänden, Langatmigkeit mag also durchaus noch zur Langweile werden...

Ipsissimus
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Di 8. Nov 2011, 14:42 - Beitrag #28

(Transzendente) Jenseitigkeit spielt zwar im Silmarillion, aber so gut wie gar nicht im Herrn der Ringe eine Rolle. Die Welt der Nazgul ist kein Jenseits, und die einzige Entrückung findet am Ende statt, wenn die Elfen wieder auf ihre Inseln zurückkehren und Frodo mitnehmen (auch das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen - der Einzige, der eine ernsthafte Entwicklung durchgemacht hat, muss entrückt werden, damit seine Mit-Hobbits sich nicht irritiert fühlen, psychische Stasis als völkische Tugend)

Und wenn er besser im Erzählen als im Aufdrücken ist, dann habe ich Glück und kann das Werk unbeeinflusst genießen
eigentlich bemerkst du dann einfach nur nicht, dass und wie du beeinflusst wirst^^ beinahe dasselbe wie nicht beeinflusst werden, zumindest, wenn dir der Unterschied nicht wichtig ist^^ aus meiner Sicht erzählt Tolkien dafür allerdings nicht annähernd gut genug^^


Mag sein, dass ich hinsichtlich Tad Williams ungerecht und/oder voreilig bin; aber nach 500 Seiten Drachenbeinthron konnte ich wirklich nicht mehr. Andere Bücher von ihm habe ich dann gar nicht mehr erst angefangen

Lykurg
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Di 8. Nov 2011, 15:35 - Beitrag #29

Tolkien beschreibt doch letztlich eine verfallende Welt, in der Stabilität folgerichtig einen hohen Stellenwert hat. Das elysische Auenland mit seinen glücklichen Hobbits ist da ein herausgehobener Ort, der ja auch von Mithrandir und den Elben als eine Art versunkene Gegenwelt hochgeschätzt wird, und da paßt Frodo nach seinen Erlebnissen als Ringträger, vergiftet von dessen Macht, nicht mehr hinein (ebensowenig wie Bilbo oder schlimmer noch Sméagol).

Maglor
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Di 8. Nov 2011, 22:21 - Beitrag #30

Ich konnte diesen üblichen Schwarten-Reihen nie etwas abgewinnen.
An Tad Williams Osten Ard habe ich mich gewagt und Tolkiens Werk in Gänze. Beide Autoren werden oftmals nicht der Schundliteratur zugrechnet.
Ich selbst konnte mich, als ich noch jünger war, durchaus für Phantastereien begeistern. z. B. StarWars- u. StarTrek-Bücher
Sie funktionieren nach dem gleichen Schema. Eine fremdee Welt wird entworfen, die dem Leser jedoch besten bekannt, da er ja schon 10 Filme und 10 Bücher zum Thema kennt.
Je mehr diese Werke nur noch für sich selbst stehen und nur noch aus sich selbst heraus verständlich sind, um so armseliger finde ich sie.

Um so erschreckender finde ich, dass die Fantasy und Science-Fiction zunehmend universelle Normen entwickeln, die scheinbar über Jahrhunderte historisch gewachsene Mythologien verdrängen und ausrotten.

Achja, und warum ist Hermann Hesse: Das Glasperlenspiel nicht in der Liste? :crazy:

Traitor
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Do 24. Nov 2011, 21:59 - Beitrag #31

@Ipsissimus: Jenseitigkeit wird im HdR wenig diskutiert, da Mittelerde gerade viel zu schwerwiegende diesseitige Probleme durchmacht, um die Muße dafür zu haben. Die Erlösbarkeitsfrage diskutiert Tolkien tatsächlich nur in seinen Briefen (und vielleicht in einigen Apokrypha in den HoME, aber da bin ich mir nicht mehr sicher). Im HdR, den wir hier ja als literarisches Werk für sich allein bewerten wollen, ist die erwähnte Szene in Cirith Ungol wohl der einzige relevante Hinweis auf Einskommaeinsdimensionalität der Orks. ;)
Sam macht meiner Meinung (und der vieler Exegeten) nach übrigens eine deutlich größere Entwicklung durch als Frodo.

eigentlich bemerkst du dann einfach nur nicht, dass und wie du beeinflusst wirst^^ beinahe dasselbe wie nicht beeinflusst werden, zumindest, wenn dir der Unterschied nicht wichtig ist^^ aus meiner Sicht erzählt Tolkien dafür allerdings nicht annähernd gut genug^^
Doch, ich bemerke es, weil er ja nicht gut im beeinflussen ist. Würde ich es nicht bemerken, wäre er gut und subtil. ;)

Bei Otherland scheinen mir die Realwelt-SF-Szenen bisher auch deutlich stärker zu sein als die Fantasy-artigen VR-Szenen, also kann ich mir gut vorstellen, dass seine reine Fantasy weniger überzeugt. Aber Padreic würde sie vermutlich flammend verteidigen.

@Maglor: SW- und ST-Bücher sind oft eher armselig, ja, aber meines Erachtens eher aus Mangel an literarischer Qualität und inhaltlichem Abwechslungsreichtum. Reine Universumshermetizität würde ich nicht als negatives Kriterium einer Reihe sehen, dann wären Tolkiens erweiterte Werke ja genauso armselig, ebenso wie manches Monsterwerk der "Hochliteratur".

Und dass Hesse nicht auf der Liste steht, ist doppelt klar. Erstens ist er nicht anglophon, und zweiten hat er doch bekanntermaßen echte Literatur geschrieben, du Banause. ;)

Ipsissimus
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Mo 28. Nov 2011, 16:59 - Beitrag #32

Sam macht meiner Meinung (und der vieler Exegeten) nach übrigens eine deutlich größere Entwicklung durch als Frodo.
das sehe ich auch so, doch ist ein Unterschied in der Charakteristik der Entwicklung gegeben. Sam entfaltet entlang immer größer werdender Belastungen ein immer größer werdendes Potential an Opferbereitschaft und psychischer Kraft; es kostet ihn Kraft, aber seine Kraft wird daran auch entfaltet. Frodo hingegen wird in Frage gestellt, seine Integrität wird hinterfragt und für zu leicht befunden. Frodo scheitert nicht erst am Kraterrand, er wäre auf sich gestellt gar nicht erst bis dorthin gekommen, wäre viel früher der Verlockung des Rings erlegen. Und am Krater erlebt er seine finale Niederlage, er beansprucht den Ring für sich - und diese Niederlage wird nicht aufgrund seines Verdienstes in den triumphalen Sieg umgekehrt. Frodos Wertegewissheit wurde zermürbt. Wie die Hexerkönige, die dem Ring verfielen, ist auch Frodo nicht imstande, dem Bösen zu widerstehen.

Aber anstatt das als Chance für Entwicklung aufzufassen, nimmt Tolkien die Figur vom Spielfeld^^ damit Hobbits und Elfen bleiben können, wie sie sind^^

Lykurg
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Mo 28. Nov 2011, 17:46 - Beitrag #33

Naja, er hat immerhin in Smeagol eine ultimative Personifikation von Machtkorruption der Schwachen aufgebaut, die sich fast schon tragisch^^ (nämlich handelnd in Unkenntnis der Folge) zum Opfer für die gute Sache entwickelt. Frodos Konflikt wird so aufgelöst in einem größeren Ganzen, er ist an seiner Aufgabe gescheitert und wird dennoch als Held gefeiert - für mich ist das die wahre Größe des 'vergifteten' HdR-Schlusses, weitergeführt in der Auenland-Geschichte. Eben daß Elben und Hobbits bleiben können, wie sie sind, stellt Tolkien ja ganz massiv infrage; die Elben sind im Niedergang und wandern aus, und das Auenland verwandelt sich zwischenzeitig in ein zweites Manchester. Für einen Triumph der Kräfte des Lichts ist das schon ganz schön stark gebrochen.

Ipsissimus
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Mo 28. Nov 2011, 17:53 - Beitrag #34

die Elben kehren in ihre Heimat zurück, in irgendeine milde Form der Transzendenz^^ und die Zustände im Auenland werden als Zwischenzustand beschrieben, das wird schon wieder. Gerade dafür wäre Frodo ja eigentlich zu gebrauchen gewesen^^

Aber es bricht ja auch die Zeit der Menschen an^^

Lykurg
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Mo 28. Nov 2011, 18:12 - Beitrag #35

Eben, meinst du, das wäre ein positives Zeichen? Die Menschen aus dem Süden und Osten gehören ja auch dazu und dürften schon rein zahlenmäßig und waffentechnisch ein wesentlicher Faktor des neuen Zeitalters werden, über den wir nur wenig wissen, da HdR quasi nur den Westen beschreibt. Vielleicht ist das ja ein Zufall.^^ Aber irgendwie erinnert mich dann auch die Form Morias an die Türkei, und die Sache mit den zwei Städten, die eine schon gefallen, da gab es doch auch sowas.^^

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