A Canticle for Leibowitz / Lobgesang auf Leibowitz

Literatur und Medien, die die Grenzen der bekannten Welt sprengen - die Zukunft der Menschheit und ihre Abenteuer in fantastischen Welten.
Traitor
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Mi 1. Okt 2014, 22:18 - Beitrag #1

A Canticle for Leibowitz / Lobgesang auf Leibowitz

Aus dem Welches-Buch-lest-Ihr-gerade-II:

Zitat von Traitor:Walter M. Miller - A Canticle for Leibowitz
Großartige Postapokalypse über einen Orden von Kopisten-Mönchen und den Effekt, den nach Jahrhunderten die erste Entdeckung neuer Reliquien ihres verehrten (aber erst selig, noch nicht heilig, gesprochenen) Gründervaters hat. Nicht nur für SF-Freunde zu empfehlen, sondern auch für die der Bewahrung des geschriebenen Wortes.


Zitat von Traitor:Nachtrag zu Leibowitz: Das Buch besteht aus drei Teilen in großen zeitlichen Abständen. Die bereits gegebene Kurzrezension
Zitat von Traitor:Großartige Postapokalypse über einen Orden von Kopisten-Mönchen und den Effekt, den nach Jahrhunderten die erste Entdeckung neuer Reliquien ihres verehrten (aber erst selig, noch nicht heilig, gesprochenen) Gründervaters hat. Nicht nur für SF-Freunde zu empfehlen, sondern auch für die der Bewahrung des geschriebenen Wortes.

bezog sich erstmal nur auf den ersten davon, "Fiat Homo". Die beiden anderen ("Fiat Lux" und "Fiat Voluntas Tua") sind dann meines Erachtens deutlich weniger dicht und formvollendet. Aus Perspektive zweier Leibowitz-Äbte werden zentrale Episoden der Post-Post-Apokalypse, also der wiedererstehenden/-erstandenen Zivilisation, gezeigt. Da sind wirklich interessante Aspekte drin, und auch die historisierenden Rückbezüge auf den/die früheren Teil(e) sind schön gemacht. Aber doch bin ich mir nicht sicher, ob "Fiat Homo" als alleinstehende Novelle nicht noch stärker wäre.


Zitat von Lykurg:Schwer beeindruckt von William Miller Jr.: "A Canticle For Leibowitz", das ich eben gerade zuendegelesen habe. Vielen Dank für die Empfehlung, Traitor!
Der Autor war beteiligt an der Zerstörung des Klosters von Monte Cassino, und das hat ihn offensichtlich sein Leben lang nicht mehr losgelassen.


Auf den biographischen Aspekt wurde in meiner Ausgabe auch deutlich hingewiesen, der macht auch den Nebenfokus auf handwerkliche und architektonische Aspekte (Francis' Steinhaufen, die Holzschnitzerei etc) verständlich.

Wie stehst du zur Qualität der drei Teile? Neben dem bereits angemerkten Stilnachlassen störte mich auch etwas, dass Fokus und anscheinende Autorsympathie vom Bücherretterorden auf die katholische Kirche in ihrer Gesamtheit überzugehen schienen, gerade deren betonte Universalität wirkt in so einem Szenario etwas an den Haaren herbeigezogen. Vermutlich klinge ich aber mal wieder kritischer, als ich es ob des Gesamtfaszinosums eigentlich sein will.

Es gibt übrigens auch einen Nachfolger, "St. Leibowitz and the Wild Horse Woman", aber nach meiner Ansicht der (wenn auch immer noch auf hohem Niveau) abfallenden Qualität der 3 Teile bin ich bisher nicht überzeugt, den unbedingt lesen zu müssen. Dagegen fällt mir jetzt wieder ein, dass ich mir eigentlich noch die Übersetzungen so einiger lateinischer Zitate ansehen wollte...

PS: SF-Quiz, anno 2002:
Zitat von Fargo:Dann mache ich Euch jetzt das Leben etwas schwerer.

Im Mittelpunkt dieses vielgerühmten SF-Klassikers steht eine Institution, die einem sonst eher als Zentrum eines historischen Romans begegnet. Es ist nämlich schon eine Weile her, dass an solchen Orten das Wissen der Menschheit (und jene Irrtümer, die man damals für Wahrheit und Erkenntnis hielt) gehütet wurde.

In der Zukunft des gesuchten Romans aber hat sich die Menschheit mit Hilfe ihres Nukleararsenals zurück in die finsterste Barbarei geschleudert. Das wenige an Wissen, die Bruchstücke an Informationen, die aus der Hochtechnologievergangenheit übrig geblieben sind, wird nun wieder in dieser alten Institution bewahrt und studiert. Es ist keine Behörde, es ist eine Lebensgemeinschaft.

Was ist das für ein Wissensbewahrungsort? Wie heißt der Autor? Wie der Roman? Wann ist er erschienen?

Fargo

Zitat von Marc Effendi:Das Orakel vom Berg ists nicht zufällig?

Zitat von Fargo:Nein, Marc Effendi. In Philip K.Dicks "The Man In The High Castle - Das Orakel vom Berge" - für die. die's nicht kennen: ein Parallelweltroman, in dem Nazideutschland und Japan den Zweiten Weltkrieg gewonnen haben - bleibt die technologische Zivilisation vorerst gut erhalten, nur die Humanität ist vernichtet worden.

Im gesuchten Roman hat die Menschheit dagegen im nuklearen Tobsuchtsanfall keinen Stein auf dem anderen gelassen.

Noch ein Tipp: hätte man die Nummer des Autors aus dem Telefonbuch einer US-Großstadt heraussuchen müssen, hätte man ziemliche Schwierigkeiten bekommen.

Fargo

Zitat von Marc Effendi:Danke für den Tipp. Damit ist alles klar:

- Das Kloster von St.Leibowitz
- Walter M(ichael) Miller
- Lobgesang auf Leibowitz
- 1960 (das Original, in Deutshcland erschien es 1971).

Zitat von Fargo:Exakt so ist es. Noch einer meiner SF-Favoriten übrigens. Du bist dran, Marc Effendi.

Fargo

Lykurg
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Do 2. Okt 2014, 10:56 - Beitrag #2

Ja, die späteren Abschnitte sind deutlich anders, wobei ich das auch im Zusammenhang mit der Perspektive von Francis bzw. der des jeweiligen Abts sowie der veränderten Zeit sehen würde. Gegenstand der Handlung^^ ist ohnehin weniger der Mensch als die Abtei, und deren funktionaler Wandel spiegelt sich auch im Erleben. Ich fand den zweiten Teil auch relativ schwach, etwas disfunktional; den dritten dagegen in seiner Hilflosigkeit einerseits und ethischen Problematik andererseits wieder sehr stark. Ja, es sind nachher recht 'gesamtkatholische' Problematiken, aber vielleicht auch eher, weil eben durch den Orden die Kirche eine gewisse Relevanz für die Gesellschaft behalten/zurückerhalten hat, die vor allem im zweiten Teil erledigt schien.

Offen bleibt für mich die Rolle des Ewigen Juden im dritten Abschnitt, ohnehin ein etwas sehr loser Faden des Romans; schade, wenn auch nachvollziehbar finde ich, daß die illuminierte Pergamentkopie des Schaltplans nicht doch noch irgendwo in Hannegans Schatzkammer auftaucht, dafür aber immerhin Francis' Schädel in der Abtei - ich mag solche (ggf. nur dem Leser erkennbare) Bezüge.
Auch wenn es die in "Saint Leibowitz and the Wild Horse Woman" vielleicht gibt und der Band auf dem Cover von meiner Ausgabe breit beworben wurde, werde ich darum nach gelesenen Rezensionen aber eher einen Bogen machen. Ich finde es nur - und auch daher meine biographische Anmerkung - faszinierend, daß der Autor 40 Jahre nach Canticle und mithin 55 Jahre nach dem Krieg zu dem Thema zurückgekehrt ist.
(Ups, ich habe seinen Vornamen verfälscht, das dürfte die Telefonbuch-Aktion noch ein bißchen schwieriger machen. ;) )

Traitor
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Fr 3. Okt 2014, 11:28 - Beitrag #3

List of Latin phrases in A Canticle for Leibowitz - was in der enWP nicht alles als Artikel durchgeht. *g*

Zwischen den drei Teilen sehe ich Unterschiede in zwei Aspekten: Perspektive/Themen einerseits und stilistische Klasse andererseits.
Thematisch fand ich den zweiten eigentlich am interessantestens, Thaddeos Ein-Mann-Renaissance ist zwar nur bedingt glaubwürdig, aber schon beeindruckend, und die Politik im Hintergrund funktioniert auch sehr gut. (Schön finde ich, dass die neuen Reiche konsequenterweise aus Kleinstädten wie Laredo (zumindest zur Schreibzeit) und Texarkana entstehen; nur Denver war eigentlich auch schon damals zu groß, um den Krieg zu überleben.) Im dritten Teil überzeugt dann die zyklisch-fatalistische Erwartung des neuen Krieges, die Euthanasiedebatte war mir aber zu stark im Vordergrund und zu einseitig katholisch geprägt.
Stilistisch ist der erste Teil einfach ungleich geschlossener und eleganter als die beiden anderen, mit seiner fabel-haften Anmutung quasi ein anderes Genre. Der dritte ist dann wieder etwas stärker als der zweite, vermutlich wegen der stärkeren Abtfigur.
Worin sahst du konkret die Dysfunktionalität des Zweiten? Figurenkonstellation, zuviel Hintergrund?

Dass es gerade der Orden ist, der die Kirche stark gehalten/gemacht hat, finde ich nicht unbedingt herauslesbar - "New Rome" scheint ja schon reich, mächtig und einflussreich zu sein, als die Leibowitzenser noch komische Exoten in der Wüste sind.

Zur Bio-/Bibliographie noch: dass die drei Teile ursprünglich unabhängige Kurzgeschichten waren, erschien mir zwar von Anfang an naheliegend, habe ich aber erst jetzt auf WP bestätigt gefunden.

Lykurg
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Fr 3. Okt 2014, 18:23 - Beitrag #4

Die Lateinlastigkeit des Textes war mir ungemein sympathisch. ;) Ich war etwas überrascht, daß tatsächlich relevante Teile davon unübersetzt blieben. Stimmungsvoll und authentisch eingebunden jedenfalls. In meiner gegenwärtigen Lektüre (dazu demnächst mehr) benutzt eine postapokalyptische Zivilisation imperiale Maßeinheiten, und der noch metrisch geprägte^^ Protagonist muß sich im Gedankenstrom ständig ärgerlich selbst korrigieren, ein schöner Weg, beiderlei Leser entgegenzukommen...

Thaddeos Ein-Mann-Renaissance fand ich nicht so extrem wie du; zwar ist er natürlich als 'Entdecker' der Memorabilia sehr wichtig, verweist aber auch selbst auf die Forschergenerationen und -Persönlichkeiten vor ihm, die ebenfalls Bedeutendes leisteten, gerät in Rivalität mit Bruder Kornhoer, dem Praktiker; und im dritten Teil ist das Wissen darum, welcher der Gelehrten eigentlich der Wiederentdecker war, offenbar nicht mehr verbreitet, was mE sehr gegen eine solche Einzelrolle spricht.
Im zweiten Teil fehlte mir ein bißchen die generelle Richtung bzw. die Spannung; natürlich liefs auf die Frage des Fortbestands der Abtei hinaus, und die Verwendung des gesammelten Wissens, aber die wirklichen Machtoptionen waren nicht nennenswert, so daß es nicht wirklich interessierte, was geschehen würde, eher vielleicht, wie; zudem fehlte der Charme des frühmittelalterlichen Denkens [Fallout Refuge Shelter -> ...] aus dem ersten Teil, ohne durch etwas gleichartig Schönes ersetzt zu sein.

Gerade die Beschreibung von New Rome im ersten Teil fand ich sehr passend: Bruder Francis ist zwar zunächst beeindruckt von den Gebäuden, den Fanfaren, den zahlreichen Geistlichen und ihren Gewändern, sieht dann aber auf den zweiten Blick bzw. bei seinem zweiten Betreten der Basilika, daß die Gebäude sehr baufällig, die Vorhänge, Teppiche und Kleidungsstücke verschlissen bzw. fadenscheinig sind (und ich meine, besonders wohlgenährt wären sie auch nicht). Mag sein, daß es ihnen in manchem besser geht als dem Wüstenkloster, aber das ist auch lagebedingt nicht weiter überraschend.
Denver dürfte eine komplett neue Siedlung auf den Ruinen des alten sein, sonst wäre es in der Tat zu groß. Überraschend wäre dagegen, wenn gar keiner der alten Städtenamen unverändert überlebt hätte; Ortsschilder etc. dürfte es ja zur Genüge (ge)geben (haben).

Lykurg
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Di 7. Okt 2014, 12:53 - Beitrag #5

Bis ich eben zufällig auf eine Zeitungsmeldung von dort stieß, war ich davon ausgegangen, daß "Texarkana" ein fiktiver Ortsname wäre. ;)

Traitor
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Di 7. Okt 2014, 22:28 - Beitrag #6

Dass Thaddeo im dritten Teil nicht mehr so bekannt ist, wie es Leonardo bei uns ist, könnte man auch darauf zurückführen, dass aus seiner Zeit vor allem der große Krieg in Erinnerung geblieben sein dürfte und wissenschaftliche (Wieder-)Errungenschaften dann eher mit seinen Nachfolgern verbunden werden. Seine Verweise auf Kollegen wirkten auf mich auch eher als Pflichtschuldigkeits-Geste, nicht als diese ernsthaft als Gleichrangige anerkennend. Kornhoers Leistung dagegen ist schon bemerkenswert, so richtig wird ja auch nicht erklärt, wie er zu diesem Sprung kam.

Als Thaddeo zur Abtei kommt, ist die doch noch ein Kuriosum, die Kirche insgesamt aber weiter/wieder ein großer Machtfaktor (wenn auch halt nicht Hannegan ebenbürtig), die Finanzkrise zu Francis' Zeit muss sie also weggesteckt haben. (Eine sehr schöne Szene mit den Wandteppichen und so aber, zweifellos.) Wurde im dritten Teil dann eigentlich erwähnt, was aus Hannegans Schisma langfristig geworden ist?

Texarkana sind sogar zwei echte Städte. ;) Dank dieses Kuriosums und einer Erwähnung bei den Beach Boys kannte ich es bereits vor Leibowitz. Vor allem mit dem [spoiler]a great an ancient city died[/spoiler] in Teil 3 wird dann dieser Kleinstadt-zu-Metropole-Aspekt schön betont.

Ach ja, noch zum Vorbeitrag:
Offen bleibt für mich die Rolle des Ewigen Juden im dritten Abschnitt, ohnehin ein etwas sehr loser Faden des Romans
Ja, eine sehr kuriose Nebengeschichte. Er kam doch auch schon im zweiten Teil vor? Und unterstützt damit natürlich das Zyklik-Thema. Und das mystische Element, insbesondere mit seiner möglichen Verbindung zum wiedergekehrten Leibowitz.

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Mi 8. Okt 2014, 12:06 - Beitrag #7

Er kommt sehr eindeutig auch im ersten Teil vor, insofern auch neben der Abtei, den Memorabilia und Lucifer am ehesten das, was den Roman zusammenhält. Schließlich ist er neben seiner Rolle für die Auffindung der Memorabilia auch das Vorbild für das hölzerne Standbild des Leibowitz. Möglicherweise ist er tatsächlich auch Leibowitz selbst, wenn auch dessen Bindung an Em eher dagegen spräche (und die kolportierte Tatsache seines Martyriums) - dafür aber, daß er als Wanderer 'seinen' Namen in hebräischen Buchstaben abkürzt.

Nach den Folgen des Schismas habe ich mich auch gefragt, ich meine, das kam am Rande auch vor, aber ich erinnere mich nicht mehr genau. Zumindest scheint die Verbindung zwischen New Rome und der Abtei ja wieder gut zu funktionieren, wenn es drauf ankommt.

Ich meinte, daß Thaddeos Entdeckungen zT einem seiner Vorgänger oder Zeitgenossen zugeschrieben wurden, bin mir da aber unsicher und kanns grad nicht nachschlagen.

Traitor
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So 12. Okt 2014, 22:23 - Beitrag #8

Die Holzfigur ist dann aber doch auch das eindeutigste Indiz, oder? Die Verbindung wird dem Leser stark nahegelegt, aber intern schon aufgrund der beschränkten Perspektiven aller (anderen) Figuren halt nie explizit hergestellt.

An die beiden anderen Details erinnere ich mich auch nicht mehr genau genug, auf der Suche bin ich gerade nur auf zwei sehr schöne humoristische Elemente am Anfang von "Voluntas Tua", die mir zwischendurch schon wieder entfallen waren, gestoßen: die grotesken Verteidigungsminister-Interviews und der Abominable Autoscribe. :D

Lykurg
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Mo 13. Okt 2014, 06:50 - Beitrag #9

Stimmt! :D

Und nein, nicht explizit bestätigt, aber immer wieder angedeutet und von einem der Äbte und von Francis "beinahe" erkannt. ich denke, die späteren erkennen es nur deswegen nicht, weil die Statue so alt ist, daß sie das Vorbild eigentlich ausschließen müßte.


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