Comics und der Nationalsozialismus

Klassische Comics und Trickfilme aller Art sowie die neue, aufregende Welt von Manga und Anime.
Monostratos
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Fr 1. Apr 2005, 21:10 - Beitrag #1

Comics und der Nationalsozialismus

Mir ist heute, wie vielleicht manch' Anderem auch, ein recht interessanter Artikel auf SPIEGEL-Online aufgefallen, der ein recht obskures Thema behandelt: Den Auftritt des Buches mit dem Titel "Mein Kampf" in der Neuauflage eines Barks-Comic in der neuen Micky-Maus. Es ist offensichtlich, dass damit Adolf Hitlers Buch gemeint ist. Zwar ist mit der Platzierung des Buches auf einer Müllkippe die Vereimerung dessen und des Nazi-Gedankengutes offensichtlich, ich halte es dennoch für bedenklich und deplatziert, in derart "unschuldigen" Comics "erwachsene" Themen aufzugreifen, oder zumindest anzudeuten. Es vernichtet den Charm dieser Comics, wenn man in den Geschichten eindeutige Parallelen zu historischen Ereignissen wie z.B. Kriegen feststellen muss, auch wenn es manchem jüngeren Leser nicht auffallen mag.

Weiterhin habe ich jüngst auch einen recht ... "interessanten" Internet-Artikel (englisch-sprachig) über politische / ethnische Cartoons auf Rotten gelesen, ebenfalls mit ähnlicher Thematik.


Was haltet ihr davon, Cartoons und Comics (Ausnahme Southpark), die ja zweifellos eher für's jüngere Publikum gemacht wurden, mit derart politischen Themen zu versetzen, oder gar zu einem Instrument der Propaganda zu machen?

Traitor
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Fr 1. Apr 2005, 21:28 - Beitrag #2

Erstmal verschiebe ich es in's Comicforum. Gerade einem Comicfreund sollte doch daran gelegen sein, dass das nicht den Ruf bekommt, alle ernsten Themen würden besser anderswo postiert ;)

Ich denke nicht, dass derart harmlose Anspielungen verbannt werden sollten. Eine komplette Geschichte, die sich um die Nazizeit dreht, wäre sicherlich angemessen, aber wenn man sich ansieht, dass so ziemlich jede historische Epoche irgendwann mal in Disney-Comics verwurstet wurde - auch durchaus ernste Themen, meine mich z.B. an eine recht explizite Erwähnung der Indianervernichtung zu erinnern - denke ich durchaus, dass soetwas mal vorkommen kann.

Den zweiten Link habe ich heute erstmal nicht gelesen (Derzeit zu faul zu Englisch ;) ). Spontan kann ich aber schonmal erwähnen, dass ich den Donald-Anti-Nazi-Propagandafilm mal gesehen habe. Absolut genial gemacht, das muss man sagen, aber auch absolut abartig und unangemessen.

Monostratos
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Fr 1. Apr 2005, 21:48 - Beitrag #3

"Der Fuehrer's Face", wie der Donald-Cartoon heisst, habe auch ich gesehen :D " , und fand ihn ebenfalls sehr genial. ABER ich habe ihn nicht als Cartoon für Kinder gesehen, sondern als... nja... historisches Dokument der Propaganda im 2. WK. Ähnlich, nur abgeschwächter, so in Comics, die diese Themen explizit behandeln: Ich würde sie nicht mehr als Comics für Kinder sehen, sondern als eine Art Southpark (Ja, auch dort werden Themen manchmal sogar ernsthaft behandelt), nur ohne Zynik und Brutalitäten. Dass in Comics die Grundgerüste dieser Thematiken behandelt werden ( Z.B.: xy besiegt bösen König, der andere Völker unterdrückt) ist für mich vollkommen ok, und es wäre auch schlecht möglich, Grundgerüste für Stories zu nehmen, die absolut nicht wiederzufinden sind in der Geschichte.

Eine, wie Du erwähntest, komplette Geschichte um die Nazi-Zeit müsste allerdings noch die Sache mit dem Rassismus und dem Holocaust beinhalten, und damit wäre für mich die Grenze des guten Geschmacks überschritten.

Gegen eine Verbannung solcher Elemente wie Mein Kampf auf der Müllkippe bin ich im Grunde auch, bin ja schliesslich recht liberal eingestellt, aber mir gefällt's halt einfach nicht. Aber noch weniger würde es mir gefallen, sowas im Zuge der Vergangenheitsbewältigung 'rauszutuschen (Wie in der dt. Erstauflage des Comics Mitte der 50er), denn so kann die nicht aussehen...

janw
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Fr 1. Apr 2005, 21:57 - Beitrag #4

Ich sehe es ähnlich wie Traitor, außerdem ist es IMHO schon nicht ganz verkehrt, auch das jüngere Publikum mit der realen Welt vertraut zu machen. Es ist immerhin so, daß in Umfragen ein erklecklicher Anteil der Jugendlichen auch hierzulande von Dingen in der Vergangenheit keine Ahnung hat, von usa zu schweigen.

Eine komplette Geschichte, die sich um die Nazizeit dreht, wäre sicherlich angemessen,

Traitor, fehlt da ein un, oder stimmt das so? ;)

Traitor
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Fr 1. Apr 2005, 22:05 - Beitrag #5

@Jan: Jep, das fehlt da ganz gewaltig.

@Mono: Für Kinder war er wohl nicht gedacht, jedoch als hemmungslos manipulativer Apell an die erwachsene Bevölkerung. Lief meines Wissens als Vorfilm in Kinos. Und zeigt in seiner Machart bemerkenswert gut, dass die Medienarbeit auf amerikanischer Seite damals nicht sonderlich viel besser als auf deutscher war.

Malte279
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Mi 22. Jun 2005, 20:15 - Beitrag #6

Demnächst muss ich an der Uni ein Referat über "Der Fuehrer's face" halten. Für mich ist der Film etwas ganz anders als die Comics, eine ganz andere Schublade, eine ganz andere Welt. Aber die umgeschriebene Version des Horst Wessel Liedes ist irgendwie schon witzig. Zu meiner allergrößten Schande muss ich allerdings gestehen, dass ich den Film für das Referat mittlerweile so oft gesehen habe, dass ich fast schon einen Ohrwurm von dem grässlichen Nazilied habe.

Maglor
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Mi 29. Jun 2005, 14:20 - Beitrag #7

Übrigens hat sich auch Chuck Jones am Führer vergriffen, also ich meine den Vater von Bugs Bunny und Co.

Im hessen-fernsehen gab es mal im Rahmen Late-Lounge einen ganzen Themenabend zu altem Zeichentrick. Da wurde unter anderem eine Version von die drei kleinen Schweinchen gezeigt. Adolf der olf (mit Hitler-Brätchen, Uniform und merkwürdigen Mantel) handelt erst mit den drei kleinen Schweinchen Friedensverträge aus. Die zwei dummen Ferkel bauen sich Häuser aus Stroh und Holz, da sie den Wolf nicht fürchten. Der pustet dann im Blitzkrieg ihre Häuser fort, sodass sie zu Schweinchen Schlau flüchten. Der hat sich nicht nur ein Haus aus Stein gebaut sondern gleich noch einige Haubitzen und so was ans Dach montiert mit denen er den bösen Wolf sofort beschießt. Ende des Filmchen.
Im Grunde handelt es sich um nette Kriegspropaganda für Kinder.

MfG Maglor

Amy
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Mo 14. Aug 2006, 20:29 - Beitrag #8

Vor ein paar Tagen war ich mit einer Freundin im Bücherladen und wir durchstöberten auch die Mangas im Kinder-Abteil. Und dort fand ich, umgeben von Büchern für Vorschulkinder (etc.), tatsächlich einen Manga mit dem Titel "Adolf."
Ein kurzes Durchblättern bestätigte den Verdacht: es handelte von Adolf Hilter und dem 2. Weltkrieg.
Ein Manga mit nationalsozialistischem Inhalt im Kinderabteil.

Doch sich darüber aufzuregen, habe ich schon lange aufgegeben. Seit ich herausfand, dass man den Anime "Die letzten Glühwürmchen" (ebenfalls ein Film über den Krieg) ab 6 Jahre freigibt. Nur weil es 'Zeichentrick' ist, scheint man ihn zu unterschätzen... Denn ich habe den Film einst mit 10 oder 11 Jahren gesehen und fand ich recht derb. Nun ja.

Aber ein Manga über Adolf Hitler... finde ich daneben.

Krautwiggerl
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Fr 1. Sep 2006, 13:53 - Beitrag #9

Bevor die Leute hierzulande kapieren, dass gezeichnet != für Kinder, bin ich schon 3x ausgewandert!

Maurice
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Fr 1. Sep 2006, 14:59 - Beitrag #10

Was meinst du mit "derb"? Er ist sehr traurig und bewegend, aber weder brutal noch blutig. Er zeigt eben nicht Soldaten an der Front, sondern das Leid der Zivilisten. Für Sechsjährige ist der Film zu anspruchsvoll, ich denke aber eine Freigabe ab 12 ist am passensten.

Aber ein Manga über Adolf Hitler... finde ich daneben.

Und warum?
Ich habe den Manga nicht gelesen und kenne ihn nur von Berichten und ein wenig blättern. Iirc ist der Manga ein Krimi, der zur Zeit des nationalsozialismus spielt und in dem mehrere Figuren mit dem Namen "Adolf" vorkommen. Es geht also nicht nur um Adolf Hitler. Und ich hatte nicht den Eindruck beim Durchblättern, dass Hitler irgendwie glorifiziert werden würde. Auf einigen Bildern sah er eher albern aus. Und warum soll es NS-kritische Filme aber keine NS-kritischen Mangas geben? Wer immer noch glaubt, dass alle Mangas Kinderkram hat sich mit dem Thema noch nicht auseinandergesetzt.

009
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Mo 28. Jan 2013, 09:21 - Beitrag #11

Dieses Thema könnte wieder aktuell werden.
Walter Moers mit seinem kleinen Arschloch versucht derzeit über diese Croudfounding-Plattform die Finanzierung eines Comicfilms über Adolf Hitler zu stemmen.
Es gibt einen, mit Bezügen auf die heutige Zeit versehenen Trailer, bei dem Winston Churchill Hitler einen Telefonstreich spielt.

Ob es ein solches Machwerk braucht kann wohl mannigfaltig berechtigt hinterfragt werden. Ich frage mich bei diesem Finanzierungsweg ob kein anderer gesehen wurde oder auf diesem Wege auch getestet werden soll, inweiweit der Film überhaupt angenommen würde.

GenomInc
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So 3. Mär 2013, 13:02 - Beitrag #12

Zitat von Monostratos:Eine, wie Du erwähntest, komplette Geschichte um die Nazi-Zeit müsste allerdings noch die Sache mit dem Rassismus und dem Holocaust beinhalten, und damit wäre für mich die Grenze des guten Geschmacks überschritten.


So ein Comic gibt es
Bild

Maus. Die Geschichte eines Überlebenden (Originaltitel: Maus. A Survivor's Tale) ist ein Comic von Art Spiegelman, der, schwarz-weiß im Stil eines Undergroundcomics die Geschichte seines Vaters, eines Auschwitzüberlebenden, und seiner Mutter erzählt und nebenbei eigene Reaktionen festhält. Das erste Buch Mein Vater kotzt Geschichte aus erschien 1989 auf deutsch. Das Original My Father Bleeds History war nach und nach in Spiegelman/Moulys Avantgarde-Comic-Magazin RAW erschienen[1] und 1986 bei Pantheon als Buch. Der zweite Band Und hier begann mein Unglück (And Here My Troubles Began) erschien 1991. Der Comic wurde von der Kritik hoch gelobt und gilt bis heute als eine der ambitioniertesten und besten Graphic Novels. 1992 wurde Spiegelman mit einem Pulitzer-Preis ausgezeichnet, ein Novum für einen Comic.


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