Ich frage mich nun, wann der Dudelsack in Deutschland abhanden gekommen ist und wodurch.
Ein "wann" kann ich dir nicht liefern. In Michael Praetorius' "Syntagma musicae" von 1619 sind noch eine Masse verschiedener Dudelsacktypen abgebildet und beschrieben, und auch im 18. Jh. gab es noch Weiterentwicklungen und Rezeption in entsprechenden Quellen. Aber bis zum 19. Jh. wird es immer dünner, ein Rückzug in entlegenere Gebiete (Böhmen, Schottland, Wales, Nordspanien?, Bretagne, Süditalien) kann beobachtet werden.
War es der tiefgreifende Wandel im ländlichen Raum im Gefolge der napoleonischen Besetzung, der Realteilungen ab 1815, oder führte die Ausbreitung militärisch orientierter Stilrichtungen wie Marschmusik zum untergang einer Musiktradition, die seit dem Mittelalter her rührte?
Nein, an militärischen Entwicklungen kann es nicht gelegen haben, dafür eignet sich der Dudelsack wegen seines durchdringenden Klanges und der "Ein-Mann-Orchester"-Eigenschaft seiner Bordunpfeifen besonders gut. (Siehe schottische Traditionsregimenter^^). Ich würde diese Änderung wie auch andere Verluste mittelalterlicher Instrumente (s.u.) mit der massiven Weiterentwicklung im Instrumentenbau in Verbindung bringen, die zugleich den Hörergeschmack schulte. Der Dudelsack hat einen quäkenden, sehr nasalen, oft unsauberen Klang. Wer einmal ein gut gestimmtes Holzbläserensemble mit Flöte, Oboe, Englischhorn und Fagott gehört hatte, gab sich mit einem Dudelsack nicht mehr zufrieden. (Vielleicht spielten hier auch die wachsenden Möglichkeiten heimischer Musikpflege eine Rolle, die Ensembles anwachsen ließen?)
Traditionelle Dudelsäcke (daß es diverse Weiterentwicklungen gab, ist klar, die waren aber oft anfälliger oder haben sich aus anderen Gründen nicht so durchgesetzt) sind durch ihren Bau (ständig mitklingende Bordunpfeifen) auf eine Grundtonart beschränkt, von der sie also nicht abweichen können. Das macht sie zum Ensemblespiel (außer mit Schlaginstrumenten) wenig geeignet. Außerdem waren sie nicht überblasbar, also meist auf den Tonumfang einer Oktave beschränkt und boten meist keine Möglichkeit, Halbtöne zu spielen. Damit war ihr Bedeutungsverlust wohl spätestens mit dem sich ausbreitenden Denken in Harmonien vorprogrammiert.
Was ist damit noch verloren gegangen...oder ist es aus heutiger Sicht überhaupt als Verlust zu bezeichnen?
Dasselbe galt für andere Borduninstrumente wie die kürzlich erwähnte
Drehleier, aber auch für klanglich vergleichbare Instrumente wie Schalmei, Krummhorn und Zink. Einige Saiteninstrumente starben möglicherweise ebenfalls eher deshalb aus, weil ihre Nachfolger bessere Ensembleeigenschaften aufwiesen (verbesserte Stimmbarkeit, größere Lautstärke, Transportfähigkeit und gewandelte Klangvorstellungen): Fiedel, Trumscheit, Laute, Theorbe uvm.