Bob Dylan und Cover seiner Lieder

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Traitor
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Do 26. Feb 2009, 01:45 - Beitrag #1

Bob Dylan und Cover seiner Lieder

Abgetrennt aus dem Letzer-gehörter-Musik-Thread 2 - Traitor

Bob Dylan - Mr. Tambourine Man
Allmählich gefällt mir das Original tatsächlich besser als das Byrds-Cover, eine Seltenheit bei Dylan.

Padreic
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Mo 2. Mär 2009, 11:19 - Beitrag #2

Jethro Tull - Jeffery Goes to Leicester Square

@Traitor: Ich kenne kaum einen Song, bei dem mir das Dylan-Original (zumindest eine Variante, die er gesungen hat) nicht am besten gefällt. "All along the watchtower" gecovert von Jimmy Hendrix ist natürlich z. B. eine harte Konkurrenz, auch wenn ich hier das Original (mit den Mundharmonikasoli!) auch traumhaft finde. Andere Leute können vielleicht in mancher Hinsicht schöner singen, aber Dylan ist auf seine Art ein sehr guter Sänger, weil er die Emotionen und sein Verständnis des Songs sehr gut rüberbringen kann. Ich kenne beim Tambourine Man primär diese Version von Dylan. Ich will nicht sagen, dass die Version der Byrds schlecht ist; es wäre z. B. sicherlich die bessere Version zum tanzen oder zum darin abtauchen in der Nacht. Aber in der Dylan-Version wird, finde ich, sehr viel besser deutlich wie unglaublich gut die Lyrics von dem Song sind. Es ist gar nicht selten so, dass Dylan-Covers auf den ersten Hör schöner klingen, aber letztlich doch verflachen. Sehe ich z. B. auch so bei Simon&Garfunkels Cover von "The Times They Are A-Changing". Bei ihnen ist es schlicht ein fröhlicher hoffnungsvoller Song. By Dylan kommt viel besser die ganze Schärfe durch; das ganze Gedachte hinter den Lyrics kommt besser raus, dass all diese Wörter doppelbödig sind.
Oder vergleiche das Cover http://www.youtube.com/watch?v=lhoeZdVRvLA von It's All Right Ma mit dem Dylan-Original http://www.youtube.com/watch?v=2bjqYPH7rAo . Im Cover sind die Strophen gesprochen, während Dylan auf schwer-beschreibliche Weise das Sprechen durch die Kontrolle des Rhythmus und des Atems zu einem Singen macht.
Vielleicht kann man auch sagen, dass viele Songs von Dylan so großartig gemacht werden durch seine Zurückhaltung beim Vortrag, durch die die Großartigkeit der Lyrics erst richtig zu scheinen beginnt.

Traitor
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Do 5. Mär 2009, 00:42 - Beitrag #3

Vom Tambourine Man war meine zuletzt gehörte und auch reguläre Version eine Studioaufnahme, die weniger Instrumentalstrecken hat und natürlich einen besseren Tonumfang.

Insgesamt mag ich vor allem Dylans Stimme nicht so sehr, er ist zweifellos einer der grandiosesten Songwriter des Jahrhunderts, aber so richtig singen kann er halt nicht, steht zu oft an oder sogar knapp jenseits der Grenze zum Lallen oder Überschlagen. Seine Stärke ist aber zweifellos die Energie und Authentizität, die er in seine Darbietungen steckt, da ist er fast immer den Covern überlegen, das ist sicher auch das, was du als größere Tiefe siehst.

Allerdings gibt es für mich einige Cover, die musikalisch sehr viel besser und von der Intensität nur sehr wenig schwächer sind, sodass die Bilanz insgesamt positiv ausfällt.
Das sind insbesondere die Times von Simon&Garfunkel, die hatten wir vor Ewigkeiten ja schonmal diskutiert, diese erscheinen mir durch die extrem jungen Stimmen des Duos vielleicht weniger doppelbödig, aber gerade noch authentischer und dringlicher. Oder auch "Blowin in the Wind" von Joan Baez, klasse von Dylan, aber sehr viel schöner und für mich auch noch intensiver von Baez. "House of the Rising Sun" von den Animals vs. Dylan zählt nicht ganz, da es entgegen meiner langjährigen Annahme gar nicht von Dylan, sondern ein Traditional ist.
Beim Tambourine Man nun mochte ich lange die Byrds-Version lieber, da Dylan mir einfach zu viele Singschwächen zeigte, aber inzwischen bin ich überzeugt, dass hier die Intensität des Textes bei den Byrds völlig untergeht und Dylans eigene Version deutlich stärker ist.
Das Watchtower-Cover von Hendrix kenne ich gar nicht, glaube ich, mal danach umschauen.

Padreic
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Do 5. Mär 2009, 12:23 - Beitrag #4

Zu den wechselnden Zeiten: ich denke, Simon&Garfunkel klingen da authentischer, weil sie den Song nicht recht verstanden haben ;). Dylan sagte einmal, dass er den Times den Ton von Brechts Lied von der Moldau mit dem von Jesaja verbinden wollte. Und es ist beeindruckend, wie ihm dies gelingt, er aus auf die damalige Zeit schmiedet und es wie eine absolute Einheit klingt. Es ist klar, dass das da nicht einfach der schlicht hoffnungsvolle Song ist, den viele in ihm gesehen haben. Und es ist auch klar, dass man, wenn man schlicht eine Emotion in einen Song steckt und an diese glaubt, authentischer klingt, als wenn man aus einem Gemisch von Prophetie, Hoffnung und dunkler Ironie singt. Ich glaube auch nicht, dass Dylan jemals wirklich an diese gesamte politische Hoffnungsbewegung geglaubt hat, die ihn vereinnahmen wollte.

Bei 'Blowin in the Wind' gebe ich dir vielleicht sogar recht. Auch wenn ich manchmal mit Baez Stimme auch Schwierigkeiten habe (etwas nervtötend auf Dauer ;)). Es liegt natürlich unter anderem daran, dass der Text des Songs zwar stark ist, aber nicht wirklich doppelbödig.

Zu Dylans Gesangsstil muss man auch zwei Sachen bemerken: erstens, dass er durchaus bewusst so gesungen hat, wie er gesungen hat, und zweitens, dass er seinen Gesangsstil auch weiterentwickelt hat.
Kein 21jähriger klingt natürlicherweise so, wie er auf Rising Sun gesungen hat. Ich muss zugeben, dass ich seine Version zwar nicht schlecht finde, aber die von Animals durchaus besser finde. (wozu die folgende Geschichte ganz nett ist: als er seinen ersten Plattenvertrag bekommen hat, hat er wohl vorher gar nicht genau geplant, was er so spielen würde, sondern hat so die Songs gespielt, die ihm dort so eingefallen sind. Kurz nachdem er die Aufnahmen gemacht hat, fragte er den Typen, der ihm Rising Sun beigebracht hat, ob es ihm was ausmachen würde, wenn er es aufnehmen würde. Der meinte, dass ja, denn er wollte selber bald Aufnahmen damit machen. Worauf Bob Dylan wohl 'Ups' sagte ;). Dem Typen haben dann nachher immer Leute vorgeworfen, er hätte den Song von Bob Dylan gecovert, bis dann schließlich Bob Dylan erzählt wurde, dass er den Song von den Animals gecovert hätte...). Besser kommt dieser spezifische Gesangsstil, denke ich, z. B. bei Don't Think Twice, wo er sehr gut passt. Dylan ist selbst kein guter Coverer...
Ich glaube, so etwas wie It's Allright Ma so zu singen, wie auf der verlinkten Perfomance, hätte er damals noch gar nicht hinbekommen. Genauso so tolle Darbietungen wie It's all over now baby blue oder Visions of Johanna (beim letzteren waren z. B. zusätzlich ein Haufen Drogen nötig ;)). Was vielleicht mein liebster Song von Dylan ist, Tangled up in Blue, finde ich leider nicht in einer vernünftigen Version auf YouTube.
Er konnte aber auch ganz anders singen, wie z. B. auf Nashville Skylines: Lay Lady lay.

So, jetzt bin ich etwas mehr ins Schwärmen geraten, als bloß auf deinen Beitrag zu antworten. Fest steht für mich, dass Schönheit letztlich mehr im Ausdruck liegt als in einer netten Stimme. Die nette Stimme ist das, was einem als erstes gefällt; der Ausdruck berührt einem im Herz und fährt einem durch den Geist, kann einen schreien, kann einen weinen lassen, sagt: "Das ist Kunst." Und Dylan ist einer der ganz wenigen, die für mich (von den modernen) in diesen Bereich kommt, gerade auch mit seinen Darbietungen. Echte Authentizität ist nicht, hinter einem Song zu stehen; echte Authentizität ist, dieser Song zu sein.

Die Jimmy Hendrix-Version solltest du übrigens unbedingt mal auschecken. Einer der größten Rock-Songs überhaupt, denke ich, vermutlich hast du ihn auch schonmal gehört....findet man z. B. hier. Zwar stellenweise etwas unsauberer gespielt als auf der Studioversion, aber vielleicht auch noch etwas energetischer. Aber richtig gut singen konnte er auch nicht ;).

Noriko
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Fr 6. Mär 2009, 00:59 - Beitrag #5

Bob Dylan?
Cover?
Manfred Mann!

Dylan selber sagte einst, Mann sei der beste Interpret seiner Lieder.
Während Dylan meistens ne echt seltsame stimmlage hat, schafft es Mann, den Lieder irgendwie eine Weitere Dimension zu verschaffe durch sein Congeniales Sythesizer-Spiel.
Natürlich ist es dasnach etwas vollig anderes, aber mir Persöhnlich geällt dir Mann version im allgemeinen besser.

Thats Manfred Mann!

Padreic
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Fr 13. Mär 2009, 16:29 - Beitrag #6

@Noriko: 'Mighty Quinn' scheint ganz gut zu sein, aber z. B. 'Just like a woman' finde ich nicht so toll.

Vielleicht ist ein weiterer Grund, warum ich Dylans Originale meist besser finde, dass ich Dylan als Person sehr faszinierend finde und jede seiner Interpretationen natürlich viel mehr von seiner Persönlichkeit ausdrückt als jedes Cover.

Traitor
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Sa 21. Mär 2009, 19:04 - Beitrag #7

Times: Deine Argumente zugunsten Dylans eigener Version kann ich allesamt nachvollziehen und sehe sie auch selbst so. Inhaltlich / aussagetechnisch haben also beide Versionen ihre Stärke, vielleicht ist Bobs auch wirklich die tiefere. Aber die musikalische Genialität von S&G wiegt das für mich eben letztlich doch auf.

Mit Dylans Gesangsstil kenne ich mich nicht allzu gut aus; prinzipiell ist er sicher in der Lage, eine Menge gezielt durch dessen Schwankungen auszudrücken, aber zu oft gibt es eben Stellen, die sauberer gesungen besser wären.

"Don't think twice" ist klasse, die anderen von dir genannten Stücke auch allesamt sehr stark. Aber ob's nicht doch noch etwas besser gegangen wäre? Das frage ich mich bei wenigen Spitzen-Musikern so oft wie bei Dylan. ;)

Fest steht für mich, dass Schönheit letztlich mehr im Ausdruck liegt als in einer netten Stimme. Die nette Stimme ist das, was einem als erstes gefällt; der Ausdruck berührt einem im Herz und fährt einem durch den Geist, kann einen schreien, kann einen weinen lassen, sagt: "Das ist Kunst." Und Dylan ist einer der ganz wenigen, die für mich (von den modernen) in diesen Bereich kommt, gerade auch mit seinen Darbietungen. Echte Authentizität ist nicht, hinter einem Song zu stehen; echte Authentizität ist, dieser Song zu sein.
Für mich kann (moderne) Musik auf drei Arten Kunst sein:
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  • Rein durch ihren Klang, der so genial ist, dass er tiefgehende Emotionen erreicht. Also analog zu klassischer Musik. Diese Stufe der Kunst spreche ich vor allem dem Progressive Rock zu; wenn ich ihn denn nur mögen würde, vermutlich auch manchem Metal.
  • Als vertonte Lyrik, die Sätze von unglaublicher Perfektion raushaut und musikalisch in genau dem richtigen Ton untermalt. Das wären beispielsweise Simon & Garfunkel oder Leonard Cohen.
  • Indem sie irgendwie durch einen besonderen Esprit ebenfalls diesen von dir genannten Effekt erreicht, ohne vielleicht in den beiden genannten Aspekten so perfekt zu sein wie manch andere Musik. Das wäre Bob Dylan.

  • Natürlich mit der üblichen "und beliebige Mischformen"-Einschränkung jedweden Kategorisierungsversuchs.

    Was Manfred Mann angeht, habe ich ihn übrigens quasi bewusst ausgelassen - er macht extrem guten Rock, ignoriert die Inhalte aber fast vollständig. Damit für mich auf Dylan-Cover bezogen ein Fall von "ebenfalls hörenswert, aber nicht übertreffend", wie die Byrds.


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