Lykurg, eine musikwissenschaftlich wirklich stichhaltige und belastbare Begründung für die Größe eines Komponisten dürfte so einfach gar nicht zu formulieren sein, jedenfalls nicht, wenn man Willkürlichkeiten und Zufälligkeiten der Rezeptionsgeschichte gänzlich vermeiden will.
Warum ist Sainte Colombe musikwissenschaftlich über 200 Jahre in der Bedeutungslosigkeit verschwunden, obwohl er kompositorisch wahrscheinlich der Einzige ist, der mit Johann Sebastian auf Augenhöhe angesiedelt ist? Warum werden Schein und Scheidt nicht in den Listen der "Großen" genannt? Warum nicht Marin Marais, warum nicht Boccerini, der tatsächliche Erfinder des Streichquartetts? Manchmal spielt sicher nationales Pathos eine Rolle, zumindest Letzterer wird in Deutschland außerhalb esoterischer Fachleutezirkel schlichtweg nicht zur Kenntnis genommen. Und die Ignoranz Sainte Colombe gegenüber ist einfach nur ein Skandal, oder sollte ich sagen ein blinder Fleck innerhalb der deutschen Musikwissenschaft.
Ich denke jedenfalls, dass diese ganze Wertungsgedöns einer energischen Revision bedarf, die frei von nationalem Pathos zu halten wäre. Kategorien wie Originalität, Komplexität, Wirkung u.dgl. müssten viel stärker berücksichtigt werden, und ganz am Ende kann dann meinetwegen kurz die Rezeptionsgeschichte erwähnt werden^^ derzeit verkauft sich die Legende vom Genie besser als tatsächliches Können^^
damit wäre die Größe von Komponisten mehr das Produkt ihrer Zeit als ihres Könnens...
ich bin mir dessen ziemlich sicher, dass kein einziger Komponist ohne Erklärung seiner Zeit angemessen erklärt werden kann. Woher haben sie denn ihr Können, wenn nicht von ihrer Zeit?