Eure Lieblingsoper?

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Ipsissimus
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Mi 7. Apr 2010, 17:21 - Beitrag #21

vielleicht die Stockhausen-Stiftung

Lykurg
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Mi 7. Apr 2010, 17:27 - Beitrag #22

Von denen habe ich gerade heute im Institut ein Plakat gesehen (regenbogenfarben). Die wünschen sich einen Praktikanten, der eine Einführung in ein Konzert gibt und dafür kostenlos an ihrem Kursangebot teilnehmen kann. Ich verzichte dankend...

Traitor
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Sa 24. Apr 2010, 12:03 - Beitrag #23

Eigenes Material, du meinst Auftragskompositionen, auf deren Entstehung sie Einfluß nehmen könnten? Da würde ja ihre eigene gestalterische Arbeit verschwinden und dem Komponisten zugeschrieben. Das gefällt Regisseuren so wenig wie dem Publikum, das lieber Vertrautes in geringfügig erneuertem Gewand sehen will (bzw. nicht einmal das, wenn man sich etwa die Erfolge von Met und Bayreuth ansieht).
Solcherart eigenes Material, ja. Oder vielleicht gar ganz eigenes Werk, also Regisseur, Komponist und Schreiber in Personalunion, aber das ist wohl unrealistisch. Im Film dagegen funktioniert das ja recht gut, und selbst im Theater einigermaßen. Wohl eine Folge davon, dass die Oper stärker verschiedene oder gar unvereinbare Talente verlangt - Unvereinbarkeit von Intellekt und Gefühl, überspitzt ausgedrückt?

mit der Entführung habe ich mehr Probleme
Die Entführung habe ich auch als Paradebeispiel für platten Text in Erinnerung. Ein wenig Schulunterrichts-Malus in der Rezeptiion spielte sicher mit rein, aber grob dürfte das Urteil bei Wiederbeschäftigung wohl bestehen bleiben.

Ipsissimus
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Sa 24. Apr 2010, 15:35 - Beitrag #24

na ja, Tendenzen zu Personalunionen gab es immer wieder mal, nicht zuletzt bei Wagner und vor allem Stockhausen. Meist ging dieser Wunsch von Komponisten aus, vielleicht deswegen, weil der musikalische Teil der schwierigste ist - um vernünftig zu komponieren, musst du tatsächlich was können. Allerdings rettet musikalische Kompetenz nicht wirklich vor sprachlicher und raumgestalterischer Inkompetenz, siehe auch wieder Stockhausen.

Bei vielen alten Opern frage ich mich immer wieder, ob ihrer ganzen Rezeptions- und Aufführungsgeschichte nicht ein Missverständnis zugrunde liegt. Die meisten wenden sich ganz klar an ein adliges, erst sehr viel später auch großbürgerliches Publikums. Der Adel konnte mit dem "wahren Leben" im Prinzip gar nichts anfangen, ertrug es nur in Form von Stilisierungen. Eine Musik so zu schreiben, als seien die Gefühle in den Libretti echt, scheint mir daher im Grunde unangemessen, und das auch noch später, als sich das Publikum wandelte. Wir haben sozusagen zwei inkompabible Komponenten, Libretti voll falscher Gefühle, und Musik, die darauf echte Gefühle aufbauen will. Ich denke, ein Großteil des heutigen Publikums empfindet diese Diskrepanz zunehmend und zunehmend als peinlich, zurecht, meines Erachtens. Diese Opern würden sicherlich ein sehr viel breiteres Publikum gewinnen, wenn sie nur konzertant aufgeführt würden, eventuell sogar mit Vokalisen statt Libretto-Text singenden Sängern und Sängerinnen.

Um so mehr ragen dann die wenigen Ausnahmen von Opern mit zur Musik kongenialen Libretti daraus hervor. Die kann man aber an ein bis zwei Händen abzählen und sie stammen - beinahe - alle aus dem 20ten Jahrhundert.

Lykurg
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Sa 24. Apr 2010, 21:31 - Beitrag #25

Traitor, ich stimme Ipsisismus und dir darin zu, daß das Zusammenspiel der erforderlichen Talente selten gelingt und meist eher auf mehrere Personen verteilt wirkt. Dichterkomponisten gibt es ein paar, auch schon früher, aber nur in wenigen Fällen ist das Ergebnis wirklich ein großer Erfolg (gewesen), Wagner noch am ehesten, wie skeptisch auch immer man seinen 'Dichtungen' gegenüber auch sein muß. Ich habe bei Stockhausen den Eindruck, daß er das Publikum systematisch überforderte - aber der stützt sich nur auf eine sehr kleine Grundlage. Da wäre dann genau die mangelnde Ansprache des Gefühls zu bemängeln, die du nennst.

Ipsissimus, für die alten Opern gilt das, wie du selbst ja schon andeutest, nur teilweise. Einerseits gab es, wenn auch quantitativ als Randerscheinung gegenüber der höfischen, mancherorts auch frühe städtische, bürgerliche Opernhäuser (Venedig und Hamburg, später auch in weiteren italienischen Städten, gemischte Nutzungen in London und an vielen Höfen, die auch zahlendes Publikum zuließen). Teilweise sind die für diese Spielstätten geschriebenen Opern auch vom Inhalt her dem Volk näher. Ohnehin gilt dies aber natürlich für die opera buffa, deren gesamte Tradition mit nicht unbedingt realistischen, aber imerhin der Realität näheren Gefühlswelten durchsetzt ist. Noch genereller ließe sich der alte Einwand anbringen, daß Oper ohnehin nicht realistisch ist - wer unterhält sich schon singend - und also auch im Bezug auf Gefühlsdarstellung hochgradig artifiziell verfahren kann und muß (Standardisierung der Affekte etc.) Größtmögliche Stilisierung war eine Art des Umgangs, im 20. Jh. sind dann manche ins andere Extrem gegangen (etwa Janacek mit der Nachahmung von Sprechintonation). Ich zweifle aber daran, daß die Affektdarstellung in der Musik 'echter' sein sollte als die in den Libretti. Möglicherweise empfinden wir sie stärker, weil die Musik für den Liebhaber ihre Frische nicht verloren hat, oder jedenfals in geringerem Maße als der Text.

Das Problem eines überalterten, wegsterbenden Konzert-, Theater- und Opernpublikums sehe ich ebenfalls, bezweifle aber eben aus diesen Gründen, daß wirklich konzertante Opern eine Lösung des Problems wären.

Traitor
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Sa 24. Apr 2010, 21:52 - Beitrag #26

Ipsissimus, von den soziologischen Hintergründen der Opernentstehung habe ich noch weniger Ahnung als von ihren Ergebnissen. ;) Daher folgende Frage: Willst du ausdrücken, dass die Librettisten selbst statistisch überwiegend aus dem Adel stammten und daher den Volksgefühlen entrückt waren, während die Komponisten eher dem Volke entstammten, es also besser ansprachen und ansprechen? Oder nur, dass die Librettisten verstärkt auf die Erwartungshaltung des adeligen Publikums schielten?

Lykurg
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Sa 24. Apr 2010, 22:07 - Beitrag #27

Es gab zwar ganz vereinzelt auch Librettisten aus dem Adel, normalerweise waren aber (bei der höfischen Oper) sowohl Librettisten als auch Komponisten am Hof angestellte oder freischaffende Künstler bürgerlicher Abkunft, deren bezahlte Aufgabe es eben war, den Fürstenhof zu unterhalten und die höfischen Feste mit einem Prunk zu versehen, der auch aus großem Abstand als Zeichen der Macht des Fürsten wahrgenommen wurde.

Daß die Musik weniger spezifisch die Erwartungen des Hofes reflektiert als der Text und damit auch weniger der Vergänglichkeit unterliegt als etwa der Text einer festlichen Serenata zur Fürstenhochzeit, obwohl beides zusammen für eine einzige Aufführung geschrieben wurde, liegt einfach an ihrer Uneindeutigkeit. Diese erlaubt es dann ja auch, die Musik oder Teile davon in einem anderen Zusammenhang wiederzuverwenden - anders als den Text, der mit seinen feingeistigen Anspielungen direkt auf Ab- und Herkunft des Brautpaares hin verfaßt wurde und daher dann 'erledigt' ist.

Ipsissimus
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Mo 26. Apr 2010, 12:01 - Beitrag #28

Zitat von Traitor:Oder nur, dass die Librettisten verstärkt auf die Erwartungshaltung des adeligen Publikums schielten?


das war gemeint, ja. Wes Brot ich ess, des Lied ich sing^^ ansonsten, Zustimmung zu den Erläuterungen Lykurgs

e-noon
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Fr 22. Apr 2011, 23:18 - Beitrag #29

Zitat von Ipsissimus:ich hatte Dienstag, Donnerstag und Freitag gesehen, danach war mein Bedarf an Stockhausens Musik für den Rest meiner Lebenszeit gedeckt^^

Respekt. Warum gibt es dazu noch keinen Thread? ^^

Lykurg
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Sa 23. Apr 2011, 01:07 - Beitrag #30

Vermutlich dank der Lebenszeitdeckung - ich nehme an, Ipsissimus wird 'Sonntag' nicht besucht haben, und ich habe zwar die Berichterstattung darüber am Rande verfolgt, aber mich auch nicht bemüßigt gefühlt, dahinzugehen, auch wenn ich im Rahmen einer kurzfristigen Reise tatsächlich noch kurzfristiger mit dem Gedanken spielte. ;) Allerdings wäre man wohl kaum an Karten gekommen?

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Sa 31. Dez 2011, 01:37 - Beitrag #31

Zitat von Traitor:
Oder vielleicht gar ganz eigenes Werk, also Regisseur, Komponist und Schreiber in Personalunion, aber das ist wohl unrealistisch.


Es wäre ja schon begrüßenswert, wenn die Regisseure Ahnung von Musik hätten. Leider hat auch das schon seltenheitswert.
Da wird ohne Rücksicht auf Verluste (Musik... :crazy: ) inszeniert: Kontraproduktive Bewegungen, behindernde Kostüme, kein Kontakt zum Dirigenten...

Aber jetzt nenne ich mal noch ein paar Lieblingsopern :-)

Als erstes muss ich natürlich von Mozart Mitridate nennen.
Einiges von Händel ( Alcina, Idomeneo, Giulio Cesare in Egitto, ... ),
Der Zwerg von Zemlinsky,
auch bei Dido und Aeneas gehe ich mit,
Debussy Pelléas et Mélisande ,
und viele andere...

Ipsissimus
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Mo 2. Jan 2012, 09:46 - Beitrag #32

Da wird ohne Rücksicht auf Verluste (Musik... :crazy: ) inszeniert: Kontraproduktive Bewegungen, behindernde Kostüme, kein Kontakt zum Dirigenten...
der eine Teil des Grauens, der andere Teil: es wird oft auch ohne Rücksicht auf das Libretto inszeniert. So manches Mal hatte ich den Eindruck, es geht eher um Selbstverwirklichung als um Werkerschließung

Aspasia
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Di 3. Jan 2012, 02:14 - Beitrag #33

Das sowieso. Und darum, zu schockieren. Aber ich glaube, ich wäre inzwischen viel schockierter, wenn ich mal nicht in leeren, schwarzen Bühnenraum starren müsste und keine Nackten vorkommen würden.

janw
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Di 3. Jan 2012, 14:48 - Beitrag #34

Andererseits...sind die Libretti von entsprechender Bedeutung? Ist die Oper nicht an sich ein reines Unterhaltungsmedium, jener Zeit, der es noch der bewegten Bilder des Films ermangelte?
Andersrum, ist sie nicht eigentlich deshalb auch als Raum zur Selbstverwirklichung der Ungeeignetste?

Lykurg
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Di 3. Jan 2012, 18:47 - Beitrag #35

Libretti gibt es so und so, janw - und daß die Oper unterhalten sollte (gerade in der Zeit vor dem Film) heißt ja nicht, daß sie nicht auch eine Botschaft hatte - oder mehrere - die herauszupräpeln sich eventuell mehr lohnt als die Selbstdarstellung des xten Wir-machen-alles-in-nackt-und-schwarz-dann-sind-wir-modern-und-sparen-sogar-Geld-Regisseurs.*

Damit allerdings prägt er die Wahrnehmung eines Werks und drückt ihm schon seinen Stempel auf. Dann merkt man sich halt nicht - ah, das ist das Stück mit den sieben Leichen im fünften Akt, darunter die schwangere Geliebte des durchgedrehten Helden, sondern - ah, das ist das Stück, in dem das Huhn der dritten männlichen Nebenrolle ein Ei auf den Kopf gelegt hat.

_________
*Wobei Opern hier ja schon deutlich bildhafter präsentiert werden als Theaterstücke im Thalia^^

Ipsissimus
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Mi 4. Jan 2012, 17:54 - Beitrag #36

was das angeht, bin ich vielleicht etwas konservativ^^ aber wenn ein Regisseur sich selbstverwirklichen will, sollte er ein eigenes Werk schreiben, nicht aber die Werke von anderen verunstalten.

Ja, ich weiß, die Werkidee ist obsolet. Ich hoffe, diese Sorte Regisseur wird auch bald obsolet sein; manches regelt sich ja biologisch. Leider befinde ich mich diesbezüglich in einer ungünstigen Altersklasse, die meisten von denen sind jünger als ich^^

Lykurg
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Fr 24. Feb 2012, 19:03 - Beitrag #37

Eben stieß ich auf diese britische Initiative - einen Schreibwettbewerb für Mini-Opern, der dreistufig aufgebaut ist - Librettowettbewerb, Komposition und Verfilmung, offenbar sollen jeweils zehn Preisträger dabei rauskommen, die dann in der nächsten Stufe weiterverarbeitet werden.

Vielversprechend sind die Jurymitglieder - unter anderem dabei: Neil Gaiman und Terry Gilliam. Vielleicht kommt da eine passende Lieblingsoper für Traitor auf die Welt.^^

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