Javier Mas

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Traitor
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Mo 5. Nov 2012, 22:57 - Beitrag #1

Javier Mas

Spanischer Gitarrist, der in den letzten Jahren als Teil von Leonard Cohens Band auf Tournee ist und dem Meister mit einigen Soli regelrecht die Show stiehlt, bzw. sie von ihm mit Verneigung übergeben bekommt. Hat mich vor 2 Monaten beim Konzert in Gladbach ziemlich beeindruckt.

Als Beispiel hier ein besonders langes Solo (Intro zu "Who By Fire"), auch später im Stück kommt er nochmal prominent.

Ipsi (und theoretisch Jan, falls er da wäre): nur ein guter Handwerker, oder kann er in der Liga der von euch bewunderten Iberogitarristen mitspielen?

Ipsissimus
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Di 6. Nov 2012, 10:46 - Beitrag #2

Zunächst mal spielt er auf einer modifizierten Konzertgitarre mit Plektrum (rechte Hand), wie ein Mandolinenspieler. Das ist nicht sooo ungewöhnlich, aber es legt schon mal eine Klangcharakteristik und die Spielweise fest. Für Gitarrenmusik zwischen Renaissance und Romantik ist das ungeeignet, ein Vergleich ist also schwierig. Etwas später wird diese Spielweise im Blues, Jazz und Rock zum Standard - sein musikalischer Ursprung dürfte also in diesen Bereichen liegen, jedenfalls wenn dieses Solo statistisch repräsentativ für ihn ist. Irgendwo ist bei ihm dann noch ein guter Schuss Flamenco dazu gekommen

Dann liefert er ein überwiegend lineares Spiel (also durch das Überwiegen melodischer Aspekte charakterisiert), schnelle Riffs, wenn Akkorde, dann arpeggiert (wegen des Plektrums nicht / nur schwer anders möglich).

Musikalisch sehr ausdrucksstark, sehr expressiv, aber technisch etwas einseitig. Beide Hände sind geläufig, aber nicht außergewöhnlich. Für einen klassischen Konzertgitaristen oder Lautenisten guter Standard, die Spitze fängt woanders an. Das heißt nicht, dass er nicht zu mehr in der Lage ist, sondern nur, dass er in diesem Video nicht mehr zeigt. Ein Al di Meola oder Paco de Lucia spielen teilweise die gleiche Art "romantisch verklärter" Flamencomusik, die sich weit von ihren Ursprüngen entfernt hat, aber mit deutlich mehr Tempo, dafür mit deutlich weniger Ausdrucksstärke. In diesem Bereich sehe ich die Stärken von Mas, also Ausdrucksstärke, nicht aber im Bereich der technischen Fertigkeiten.

Summarisch: als Gitarrist guter technischer Standard, als Musiker sehr ausdrucksstark

Traitor
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Mi 7. Nov 2012, 21:33 - Beitrag #3

Danke, mit so einer detaillierten Analyse hätte ich gar nicht gerechnet.

Er hat auch ein paar Mal die Instrumente gewechselt, Mandoline dürfte dabeigewesen sein (ist das auf dem dritten Bild hier eine?) und iirc noch was drittes. Nähe zu alter Musik würde ich ihm eher nicht zusprechen, habe bisher aber auch nichts brauchbares zu seinem Werdegang gefunden. Umgekehrt kann ich auch gerade nur deine Favoriten im alte-Musik-Thread finden, meinte mich bei der Anfrage aber zu erinnern, dass Jan und du euch auch irgendwo schonmal über Gitarristen moderneren Stils geredet ausgetauscht habt...?

Der anscheinend enge Zusammenhang der Begriffe "linear" und "melodisch" ist mir nicht klar, kannst du das ausführen?

Dass er die ganze Zeit recht einseitig spielt, war mir auch aufgefallen, tatsächlich hat es mich überrascht, dass er eine (für einen Laien) recht große klangliche Vielfalt aus sehr beschränkten Handbewegungen herausholt.


Ach ja, was dieser Beck am Ende von "Who by fire" mit dem Kontrabass (?) anstellt, ist irgendwie witzig. Hat der Stil / das Manöver eine Fachbezeichnung?

Ipsissimus
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Do 8. Nov 2012, 14:02 - Beitrag #4

schau dir mal das hier an, da hörst und siehst du, was die Weltspitze auch abseits klassischer Gitarre an Vielfalt im Dienste der Musik stehender Technik leistet (wobei ich fairerweise zugeben muss, dass Juanjo Dominguez ein Gitarrist aus einer anderen Welt ist).

das "linear" ist nur eine Umschreibung für die melodische Seite der alten musikalischen Unterscheidung zwischen eher melodisch geprägter und eher akkordisch geprägter Musik.

die Unterhaltung mit Jan fand hier statt, ziemlich weit unten

das mit dem Contrabass habe ich so auch zum ersten Mal gesehen, sehr beeindruckend^^ ob es für diese Spieltechnik einen eigenen Namen gibt, weiß ich nicht, technisch ist es ein Glissando, das auf mehreren Saiten gleichzeitig ausgeführt wird. Nur wird ein übliches Glissando mit den Fingerspitzen ausgeführt, nicht mit der Hand oder Faust.


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