Russische Kriegsfilme

Spielfilme, Serien, Soaps, Comedy und alles was es im Kino und Fernsehen gibt.
Traitor
Administrator
Administrator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 17500
Registriert: 26.05.2001
Fr 26. Okt 2007, 05:00 - Beitrag #1

Russische Kriegsfilme

Dank des hiesigen Filmabendprogramms bin ich zuletzt in den Genuss zweier russischer Kriegsfilme gekommen. Ich zitiere mal meine Score11-Kommentare:

Иди и смотри / Idi i smotri / Come and See / Komm und Sieh (Elem Klimow, 1985):
Stellenweise wirkt der Film auf meinen Geschmack zu verkünstelt, wenn übertrieben lange auf verzerrte Gesichter draufgehalten wird oder am Ende die Dokuszenen rückwärts ablaufen. Ansonsten handelt es sich aber um die wohl realistischste und härteste Kriegsgreueldarstellung, die mir in einem Spielfilm bisher untergekommen ist, und die wohl auch nur aus russischer Perspektive so gedreht werden konnte. Wie mein Vorredner sagt, kommt es nicht auf Handlung an, sondern auf die reine Darstellung des Schreckens dieser Zeit, die hervorragend gelingt. Besonders gelungen ist der Eindruck von Partisanenromantik, der anfangs entsteht, dann aber völlig in sich zusammenbricht.
Letztlich eine mehr als klare Empfehlung, wegen des mir nicht ganz liegenden Stils dabei "nur" 8 Punkte.

Иваново детство / Ivanovo detstvo / My Name Is Ivan / Iwans Kindheit (Andrei Tarkowski, 1962)
Mein zweiter russischer Kriegsfilm, und er gefällt mir noch besser als "Come and see" letzte Woche. Störten mich in jenem einzelne übertrieben künstlerische Szenen, ist hier der gesamte Film in einem konsistenten künstlerischen Stil gehalten, was sehr überzeugend wird. Hauptthema ist auch nicht die allgemeine und realistische Darstellung von Kriegsleid, sondern die Verstörtheit und Desorientierung der jugendlichen Hauptfigur und der Personen um ihn, was durch die Traum-Rückblenden und schiefen Kameraeinstellungen treffend unterstützt wird.
Somit gibt es hier 9 Punkte für die Kombination scharf beobachteten Kriegsgeschehens und intensiver psychologischer Darstellung in virtuoser Optik.

Hat jemand einen dieser Filme schonmal gesehen oder etwas zu anderen Vertretern von Genre und Herkunft zu sagen? Ipsissimus habe ich da so besonders "im Verdacht".

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Mi 9. Feb 2011, 15:09 - Beitrag #2

"Geh und sieh" habe ich irgendwann mal zwischen 1985 und 1990 in einem Kino in der DDR anlässlich eines Verwandtenbesuchs gesehen. ich habe leider keine großen Erinnerungen mehr daran, außer, dass er auf eine dermaßen schreckliche Weise gewalttätig und verstörend war, dass mir andere Antikriegsfilme im Vergleich dazu immer wie Kindergarten vorgekommen sind. Der Film rekurriert, ohne es zu explizieren, auf das Massaker von Chatyn, und ich muss sagen, ja, so könnte es gewesen sein. Und jedenfalls: So und nicht anders ist Krieg.

"Iwans Kindheit" ist für mich als Tarkowski-Fan natürlich Plicht; peinlicherweise habe ich den Film, von dessen Existenz ich natürlich wusste, aber das erste Mal erst vor etwa 6 Wochen gesehen, als ich in einem ganz anderen Kontext darauf aufmerksam wurde^^ ich bin ziemlich begeistert davon, sofern man von einem Film dieses Genres im eigentlichen Sinne "begeistert" sein kann^^ die Herausarbeitung dessen, was sich hinter dem anscheinend kriegsbegeisterten Pfadfindertum des Protagonisten verbirgt, ist aus meiner Sicht eine der intensivsten und bedrückendsten Charakterstudien, die ich je in einem Film gesehen habe. Ich glaube nicht, dass es sich dabei um einen Antikriegsfilm im engeren Sinne handelt, obwohl er natürlich dem Genre zuzuordnen ist, jedenfalls ist der Übergang zu einem Psychogramm fließend.

Weitere beeindruckende russische Antikriegsfilme mit WK2-Thematik sind z.B.

Im Morgengrauen ist es noch still (Stanislaw Rostozki, 1972, ein Antikriegsfilm aus einer ungewöhnlichen Perspektive)
Die Kraniche ziehen (Michail Kalatosow, 1957, kein echter Antikriegsfilm, aber sehr nahe am Genre und ein absolutes Meisterwerk der Filmgeschichte)
und natürlich
Ein Menschenschicksal (Sergei Bondartschuk, 1959, nach der gleichnamigen Erzählung von Michail Scholochow, ebenfalls ein absolutes Meisterwerk der Filmgeschichte)

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Do 10. Feb 2011, 10:27 - Beitrag #3

ich habe gerade noch mal mit zwei russischen Kollegen gesprochen; der erstgenannte Film heißt im russischen wie von Traitor korrekt geschrieben Иди и смотри (Idi i smotri). Die Übersetzung des "Иди" ist allerdings nicht ganz eindeutig, das Verb kann im Russischen tatsächlich sowohl "kommen" als auch "gehen" bezeichnen, wird aber im Allgemeinen außer in sehr speziellen Situation als "gehen" verwendet.

Die englische Titelgebung "Come and see" und ihre deutsche Rückübersetzung, unter der der Film dann auch in Westdeutschland berühmt wurde, sind also tatsächlich haltbar, die ursprüngliche deutsche Titelgebung "Geh und sieh" wird dem russischen Sprachgebrauch allerdings eher gerecht.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Do 10. Feb 2011, 17:14 - Beitrag #4

(Wenn man den Panzerkreuzer Potemkin nicht an den Haaren als solchen herbeiziehen will, ist mir das Genre russicher Kriegsfilm idT unbekannt, daher nur eine OT-Randanmerkung...)

Danke für den Hinweis auf Komm/Geh und sieh - dadurch bin ich auf Beschreibungen des Chatyn-Mahnmals gestoßen, das ich unheimlich beeindruckend finde.

Traitor
Administrator
Administrator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 17500
Registriert: 26.05.2001
Fr 11. Feb 2011, 22:03 - Beitrag #5

Was mir bei beiden Filmen damals auch noch auffiel, war die im Vergleich zu westlichen Kriegsfilmen realistischere Landschaftsdarstellung. Da wurde weniger in Studios und gezielt hergerichteten Naturkulissen gedreht, sondern die Wälder und Hügel sahen viel mehr wie gleich um die Ecke aus.

Der Übersetzungsaspekt hatte mir damals auch einiges Kopfzerbrechen bereitet, da sich eben beide Varianten finden. Wobei ich "Geh und sieh" irgendwie etwas ungelenk finde, "Geh hin und sieh" wäre eine interessante Alternative.

Lykurg, die Bilder im WP-Artikel wirken nicht sonderlich beeindruckend. Aber verstehe ich den Text richtig, dass die Gedenkstätte die Ausmaße des gesamten ehemaligen Ortes hat? Dann schon eher.
PS: Gerade dachte ich mir, "gab es da nicht auch einen aktuellen Film zu?" Aber:
Zitat von Wikipedia:Dieses Massaker [von Chatyn] ist nicht zu verwechseln mit dem Massaker von Katyn.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Sa 12. Feb 2011, 01:59 - Beitrag #6

Ja, und dabei die Grundrisse der ehemaligen Gebäude sichtbar macht. Besonders stark stelle ich mir aber die Wirkung der Glocken in den 26 abstrakten 'Schornsteinen' vor, die über das Gelände verteilt alle gemeinsam synchron alle 30 Sekunden einmal schlagen. Schon die Vorstellung davon an so einem menschenleeren Ort treibt mir Schauer über den Rücken...

(an Katyn hatte ich beim ersten Blick aufs Filmthema auch gedacht, und vermutete in dem Film daher eine Geschichtsklitterung der UdSSR...)


Zurück zu Filme, Kino & TV

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 5 Gäste