Jane Eyre (2011)

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Amy
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Fr 1. Jul 2011, 14:39 - Beitrag #1

Jane Eyre (2011)

[align=center]Trailer zu "Jane Eyre"[/align]

„Jane Eyre“. Ein Titel, der vielen ein Begriff ist. Nicht nur als Werk der britischen Autorin Charlotte Bronte, sondern wohl auch dank zahlreichen Verfilmungen – mochten sie großen Produktionen entsprungen sein oder lediglich für das Fernsehen bestimmt sein.
Trotzdem scheint die Geschichte um die unauffällige Gouvernante noch nicht ihren Reiz verloren zu haben, da sich Cary Fukunaga erneut an eine Verfilmung wagte, die am 01. Dezember 2011 in den deutschen Kinos anlaufen wird und mit Schauspielern wie Mia Wasikowska (The Kids Are Allright, Alice in Wonderland), Michael Fassbender (X-Men: First Class, Fish Tank) und Jamie Bell (Jumper, Billy Elliot) zu überzeugen weiß.

Trotz des Ruhms der Romanvorlage muss ich gestehen, dass ich die Geschichte um Jane Eyre vor dem Film nicht kannte. Während andere Mädchen die Geschichten der Bronte-Schwestern verschlungen haben, gingen sie an mir schlichtweg vorüber. Nach der sehr stimmigen Verfilmung bin ich aber am Überlegen, ob ich die Werke noch nachholen werde – sobald der Rest meiner ungelesenen Bücher abgearbeitet ist. Aber nun zum Film!

„Jane Eyre“ von Fukunaga beginnt mit einer jungen Frau, die wir später als Jane Eyre kennenlernen, welche unter Tränen bei Anbruch des Tages von einem Anwesen flieht. Als unwissender Zuschauer ohne Roman-Background weiß man zuerst nicht, wieso sie flieht. Und vor allem: vor wem. Das zierliche Mädchen läuft und läuft, verirrt sich in der Ungewissheit und scheint dabei verloren zu gehen. Erst im Nachhinein begreift man, dass Jane Eyre in diesem Moment in Wahrheit vor ihrem Herzen davonlief.
Unterschlupf und Schutz findet sie schließlich bei John Rivers und dessen beiden Schwestern, die sie liebevoll aufnehmen und um die erschöpfte Jane kümmern, welche unter falschen Namen zu einem Teil des Haushalts wird, schließlich fast zu einem Familienmitglied selbst.
Vor dem prasselnden Feuer im Hause der Rivers erlebt der Zuschauer die schreckliche Vergangenheit der jungen Jane Eyre in Form von Rückblenden. Lieblose Verwandte, Schläge, ein Leben im Internat, begleitet von Psychoterror und Verlust – all das zeichnet die sensible Seele der intelligenten und ruhigen Jane.
Nach der Beleuchtung ihrer Kindheit rückt die eigentliche Geschichte in den Vordergrund: Als junge Erwachsene kann Jane Eyre (Mia Wasikowska) das Internat verlassen und nimmt einen Platz als Gouvernante auf Thornfield an, wo sie erst nach Monaten den eigentlichen Hausherrn – Mr. Rochester (Michael Fassbender) – bei einem Unfall im Wald kennenlernt. Das erste Aufeinandertreffen der beiden verläuft weniger gut; Mr. Rochester gibt sich kühl, distanziert und deutlich genervt. Und trotzdem wird das Verhältnis der beiden im Laufe der Wochen und Monate intensiver. Gefühle entwickeln sich zwischen Mr. Rochester und Jane, wo eigentlich keine sein sollten. Wer nun eine problemlose Liebesgeschichte erwartet, wird enttäuscht. Nicht nur, dass Mr. Rochester unerwartet um die Hand der schönen Miss Ingram anhält, nein, vielmehr trägt er ein anderes, erschreckendes Geheimnis mit sich herum, das schließlich dazu führt, dass Jane unter Tränen von Thornfield flieht …

Es sind ruhige Bilder, die „Jane Eyre“ in der jüngsten Verfilmung auszeichnen. Ruhige, aber sehr schöne Bilder in gedeckten, sanften Farben, welche die Stimmung und die damalige Zeit perfekt widerspiegeln. Die Kameraführung, Schnitte und Bilder von „Jane Eyre“ gehören zu den schönsten, die ich – objektiv betrachtet – die letzten Wochen in Filmen gesehen haben. Alles ist stimmig und lässt zu, dass sich die Atmosphäre um das Drama der Jane Eyre entfalten und ausbreiten kann. Optisch gibt es daher nichts, was ich bemängeln kann. Auch der Soundtrack von Dario Marianelli fällt einem ausschließlich im positiven Sinne auf; er drängt sich nicht zu sehr in den Vordergrund und ist trotzdem so schön, dass jeder Soundtrack-Liebhaber ihm etwas Aufmerksamkeit zukommen lassen sollte.
Schauspielerisch war mir Mia Wasikowska die erste Hälfte des Films etwas zu blass in ihrer Rolle. Im Laufe der Geschichte bessert sich das, zum Glück. Doch obwohl sie der titelgebenden Protagonistin Leben einhaucht, ist nicht sie es, die für mich der eigentliche Star des Films ist. Denn Applaus und Aufmerksamkeit hat Michael Fassbender als innerlich zerrissener Mr. Rochester verdient. Ich habe jüngst auch mit einer Dame gesprochen, die alle möglichen „Jane Eyre“-Verfilmungen sah und meine Ansicht teilte, indem sie sagte, dass Michael Fassbender bisher die beste Darbietung als undurchsichtiger Hausherr abgab. In seiner Rolle als Mr. Rochester hat Fassbender einfach eine Präsenz auf der Leinwand, der man sich nicht entziehen kann, während Wasikowska als Jane farblos und unauffällig neben ihm verblasst.
Somit ist es kein Wunder, dass vor allem das Drama auf Thornfield die Verfilmung interessant machen. Natürlich ist auch Janes Erinnerung an ihre Kindheit interessant und für den Verlauf der Geschichte von Nöten, aber nichts, was einen zwingend an den Sitz fesselt. Die Szenen im Hause der Rivers empfand ich sogar als langweilig, schleppend und uninteressant – was aber nichts gegen Jamie Bell ist, sondern schlicht gegen dieses Fragment des Plots. Und so wartet man am Ende des Films nur auf den Moment, in welchem Jane sich losreißt und zurück nach Thornfield kehrt. Auch wenn ich nicht verrate, was Jane dort erwartet, hatte ich zum Schluss hin doch das erste Mal ein paar rebellische Tränen in den Augen.

„Jane Eyre“ ist ein schöner Film, wird aber wegen seiner ruhigen Geschichte wohl leider keinen (verdienten) Anklang im Kino finden – zumindest ist das meine Vermutung. Optisch mit der Einfachheit der Bilder bezaubernd, ist der Plot der Geschichte wie eine Achterbahnfahrt: mal sehr interessant, mal weniger interessant.
Für Drama-Fans, Leseraten und Historien-Liebhaber eindeutig ein empfehlenswerter Film.

[align=center]7,5 von 10 brennenden Schlafzimmern und ein Sternchen für Michael Fassbender.[/align]

P.S. Habe mir jetzt extra die Pferde-Geschichte vom Dreh gespart, dabei finde ich die nach wie vor herrlich ;)

Traitor
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Fr 1. Jul 2011, 22:07 - Beitrag #2

Im Kino werde ich ihn wohl eher nicht sehen, da mir die klassischen britischen Kostümdramen dafür meist zu schleppend sind. Für irgendwann in mittlerer Zukunft merke ich mir "Jane Eyre" aber sicher vor, die ersten Besprechungen (nicht nur deine) sind schon vielversprechend. Vermutlich werde ich vorher aber auch mal das Buch gelesen haben wollen, auf der Bronte-Liste steht aber vorher noch "Wuthering Heights", und davor auf der britische-Autorinnen-Liste wohl irgendwas von Austen... das kann sich also ziehen.

Der Trailer schmiss für meinen Geschmack etwas zu sehr mit Spezialeffekt-Phantasieszenen um sich. War das ein typisch selektiv verzerrender Trailer (à la Pans Labyrinth und Terabithia), oder ist das tatsächlich ein starkes Element des Films?

Amy
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Sa 2. Jul 2011, 23:27 - Beitrag #3

Nein. Meiner Meinung nach wirft der Trailer ein vollkommen falsches Licht auf den Film. Zum einem wegen dieser übertriebenen Dramatik, zum anderem wegen dem von dir angesprochenem Punkt. Ich habe - bevor ich den Film sah - auch in irgendeiner Filmbesprechung etwas von "Gothic-Drama mit Märchentouch" gelesen und ging daher auch erst einmal etwas skeptisch in den Film.

Es ist ein ganz normaler Kostüm-Film ohne jegliche fantasieangehauchten Szenen (abgesehen davon, dass sich Jane im Laufe des Films mal von Rochester gerufen fühlt und seine Stimme im Wind vernimmt oder eben der Kamin-Szene aus dem Trailer).

Schleppend ... ja, kommt auch leider in dem Film vor. Hatte ich vor allem bei den Rückblicken und den Parts nach ihrer Flucht. Wirklich interessant waren für mich nur die Thornfield-Momente, weil man ja wusste, dass da etwas nicht stimmt.

Traitor
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So 3. Jul 2011, 12:05 - Beitrag #4

Gut, dann stimmte meine Einschätzung des Trailers ja zum Glück. Aus einem Bronte-Werk Gothic zu machen, wäre schon reichlich daneben.

Amy
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Mo 1. Aug 2011, 20:24 - Beitrag #5

Mittlerweile gibt es einen deutschen Trailer zu "Jane Eyre".
Die Synchronisation empfinde ich, nachdem ich das Original schon kenne, sehr gewöhnungsbedürftig - werde ich mir aber trotzdem im Dezember antun. Die Synchro von Michael Fassbender gefällt mir, zumal man sie nun auch schon aus "X-Men: First Class" kennt und eine mmn der besten Synchros für ihn im deutschen Raum darstellt. Aber die Synchro von Mia Wasikowska - ganz schlimm! ;)

Ipsissimus
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Di 2. Aug 2011, 15:44 - Beitrag #6

worin besteht eigentlich der Reiz solcher Filme? Ist der identisch mit dem Reiz der Bücher?

Amy
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Mi 3. Aug 2011, 00:10 - Beitrag #7

Die Frage mit dem Reiz solcher Filme könnte man wohl an alle Cineasten stellen, die nicht in jeden Hollywood-Blockbuster laufen, der Action oder dergleichen versprüht.

Ich schätze, der größte Anreiz von "Jane Eyre" ist für die weiblichen Zuschauer die knifflige Liebesgeschichte, für die anderen eben die (erneute) Verfilmung eines Klassikers. An dieser Stelle bin ich ganz ehrlich, dass für mich mein Hauptreiz einer der Darsteller war - bereut hätte ich es aber ohne ihn wohl auch nicht sonderlich. Kostümfilme haben ihren eigenen kleinen Charme und Bilder, wie auch Soundtrack von "Jane Eyre" haben mich glücklich gestimmt, was die letzte Zeit eher seltener passiert, wenn ich mir ansehe, welche Filme die Leinwände überfluten.

Aber wer mit dem Buch (bzw. solchen Büchern) nichts anfangen kann, wird wohl auch an der Verfilmung keinen Spaß haben. ;)

Lani
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Mi 3. Aug 2011, 10:38 - Beitrag #8

Obwohl ich die Wasikowska unabhängig von ihrer Synchro schlimm finde, Fassbender mich nicht so sehr anspricht und ich Liebesgeschichten meistens auch nicht sehr viel abgewinnen kann, interessiert mich der Film. Kann's nicht wirklich begründen, mir gefällt das Setting und das ganze Drumherum. ^^

Habe das Buch übrigens bei Thalia vorgestern (auf englisch) für 3,10€ rumliegen sehen, falls es jemanden interessiert. Im Onlineshop gibt es eins für 2,90€, aber das scheint eine Art "Leichtleseversion" zu sein. ^^

janw
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Mi 3. Aug 2011, 13:44 - Beitrag #9

Ipsi, ich würde ketzerisch mal vermuten, der Reiz liegt in ein paar Darstellern, die schöner...ähem, gestylt und gerendert sind, als es die Vorstellungskraft beim lesen erlauben würde^^

Ipsissimus
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Mi 3. Aug 2011, 14:33 - Beitrag #10

das kann ich mir auch vorstellen, Jan, allerdings wäre das kein Alleinstellungsmerkmal^^ was in vielen Action- und anderen Filmen als Handlung zugemutet wird, lässt sich auch oft nur durch den optischen Liebreiz der Darstellenden ertragen^^ und bei vielen Filmen selbst damit nicht^^

ich meinte die Frage aber schon ernst. Wenn ich z.B. Wuthering Heights oder auch Jane Eyre lese, kann ich in eine anderen Welt eintauchen. Stelle ich mir jetzt vor, dass all die unzähligen kleinen Details, die dazu notwendig sind, zugunsten eines opulenten Bilderrauschs entfallen - z.B. weil sie als psychisches Geschehen gar nicht adäquat umgesetzt werden können - frage ich mich schon, was mir diese Filme wirklich bieten. Wobei ich mit dem "kleinen Charme", den Amy erwähnt, durchaus etwas anfangen kann, ich mich aber frage, ob mir das reicht. Bei mir müsste wohl noch ein grundlegendes Interesse am Stoff und/oder Sujet hinzu treten. Damit wäre dann meine Faszination bezüglich Filmen wie "Hero" oder "Tiger and Dragon" erklärt, die als Geschichten auch nicht wirklich berauschend sind^^

Traitor
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Mi 3. Aug 2011, 21:36 - Beitrag #11

Im Gegensatz zu welchen anderen Genres suchst du eine Reizbegründung, Ipsi? Im Vergleich zu den von dir erwähnten asiatischen Kostümfilmen tragen sicher die Grundvertrautheit mit dem Gezeigten und die höhere emotionale Ansprache durch auch über die Zeiten hinweg halbwegs vergleichbare Lebens- und Denkmuster zum Reiz des klassischen britischen Kostümfilms bei. Im Vergleich zu Jetztzeit-Dramen, die ähnliche Inhalte verarbeiten, wird die Trockenheit durch die Ausstattung und des Eskapismus-Effekt abgeschwächt.

Dass die Darsteller für große Publikumsteile Hauptreiz sind, erkennt man aber auch daran, dass die Besetzung mit aktuellen Lieblingen eigentlich die einzige Rechtfertigung ist, Klassiker alle 5 Jahre neu zu verfilmen. Alle 20, das wäre mit Kameratechnikfortschritten und sich änderndem Regiestil vertretbar, aber manche Stoffe bringen es auf eine deutlich höhere Frequenz.

Amy
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Mi 3. Aug 2011, 23:45 - Beitrag #12

Zitat von Traitor:Dass die Darsteller für große Publikumsteile Hauptreiz sind, erkennt man aber auch daran, dass die Besetzung mit aktuellen Lieblingen eigentlich die einzige Rechtfertigung ist, Klassiker alle 5 Jahre neu zu verfilmen.

Wasikowska & Fassbender als aktuelle Lieblinge zu bezeichnen - so weit würde ich nicht gehen :) Zumindest habe ich nie etwas von einem großen Hype um Wasikowska mitbekommen, die ja sogar bei "Alice im Wunderland" irgendwie bei Presse & Co neben ihrem Co-Star Johnny Depp unterzugehen schien. Ansonsten sieht man sie in ein oder anderem, kleinerem Film, aber als Hollywood-Liebling würde ich sie nicht bezeichnen.
Fassbender hat aktuell eine Rolle als Liebling - auch wenn man seinen Interviews glauben darf, in denen er ganz begeistert davon berichtet, dass er nicht mehr direkt um Castings "betteln" muss, sondern großzügig eingeladen wird. Aber das ist eigentlich erst mit "X-Men: First Class" ins Rollen gekommen. Infos zu "Jane Eyre" liegen bei mir aber schon seit gut einem Jahr und in Amerika erschien er im März, während "XMFC" erst im Juni (oder Juli?) auf die Leinwand kam. Vorher würde ich behaupten, war er ein nicht sonderlich bekannter Schauspieler - zumindest nicht, um ihn für die Masse zum Liebling zu machen.

(In GB & den restlichen Ländern, in denen "Jane Eyre" erst noch anläuft, dürftest du aber Recht behalten: soweit ich das im Internet verfolgen kann, wird der Kinofilm da - eben nach der "XMFC"-Schwärmerei - sehnsüchtig wegen ihm erwartet.)


Und danke für den Tipp, Lani :) Wollte es mir neulich schon kaufen, griff aber dann eher zu "Wuthering Heights", weil ich da den Plot noch nicht kannte.

Ipsissimus
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Do 4. Aug 2011, 09:45 - Beitrag #13

Im Vergleich zu den von dir erwähnten asiatischen Kostümfilmen tragen sicher die Grundvertrautheit mit dem Gezeigten und die höhere emotionale Ansprache durch auch über die Zeiten hinweg halbwegs vergleichbare Lebens- und Denkmuster zum Reiz des klassischen britischen Kostümfilms bei.


das ist eben die Frage. Ich kann auch nach inniger Selbstbefragung nicht bestätigen, dass ich über eine höhere Grundvertrautheit mit den Mustern des Viktorianischen Zeitalter - und sei es in Form von Kostümfilmen - verfüge und eine höhere emotionale Ansprache liegt schon gar nicht vor. Auch bei den erwähnten und weiteren asiatischen Filmen resultiert der Reiz nicht aus dem Aspekt "Kostümfilm".

Ich hätte die Frage wahrscheinlich nicht gestellt, wenn es sich um die 25te Wiederholung von Sherlock Holmes, Jack the Ripper, Graf Dracula oder anderen Filmen im Ambiente der Viktorianik gehandelt hätte, da wäre es evident, dass die Kostümierung im Dienst der Geschichte steht. Bei diesen reinen Kostümfilmen scheint es sich aber um l´art pour l´art zu handeln, ohne dass die Bildgewalt in der Lage wäre, die wegfallenden Elemente der Geschichten aus den Büchern zu kompensieren - was in einem Buch als Geschichte funktioniert, tut das noch lange nicht in einem Film, jedenfalls nicht automatisch. Vielleicht hätte ich besser gefragt, was der Reiz an massiv handlungsreduzierten Filmen ist?

janw
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Do 4. Aug 2011, 17:23 - Beitrag #14

Zitat von Ipsissimus:das kann ich mir auch vorstellen, Jan, allerdings wäre das kein Alleinstellungsmerkmal^^ was in vielen Action- und anderen Filmen als Handlung zugemutet wird, lässt sich auch oft nur durch den optischen Liebreiz der Darstellenden ertragen^^ und bei vielen Filmen selbst damit nicht^^

ich meinte die Frage aber schon ernst. Wenn ich z.B. Wuthering Heights oder auch Jane Eyre lese, kann ich in eine anderen Welt eintauchen. Stelle ich mir jetzt vor, dass all die unzähligen kleinen Details, die dazu notwendig sind, zugunsten eines opulenten Bilderrauschs entfallen - z.B. weil sie als psychisches Geschehen gar nicht adäquat umgesetzt werden können - frage ich mich schon, was mir diese Filme wirklich bieten. Wobei ich mit dem "kleinen Charme", den Amy erwähnt, durchaus etwas anfangen kann, ich mich aber frage, ob mir das reicht. Bei mir müsste wohl noch ein grundlegendes Interesse am Stoff und/oder Sujet hinzu treten. Damit wäre dann meine Faszination bezüglich Filmen wie "Hero" oder "Tiger and Dragon" erklärt, die als Geschichten auch nicht wirklich berauschend sind^^

Ich hatte das schon nicht unernst gemeint; für mich stellen solche Verfilmungen letztlich eine mehr oder weniger starke Absage an den Gehalt der Vorlage dar, insbesondere an durch subtextuelle Anteile vermittelte Vorstellungsbereiche. All das, was durch variiertes Erzähltempo, Wortwahl, Ausdrucksweise, situative Schilderungen vermittelt wird, wird weitgehend zugunsten filmspezifischer Inszenierungsregeln und mutmaßlicher Verständnisfähigkeit eines heutigen Publikums verändert oder entfernt.
Wenn dies nicht sogar schon aufgrund der Verständnisfähigkeit der Filmemacher geschieht.

Unabhängig davon würde denke ich die Existenz eines victorianischen Kostümfilmes die Filmgeschichte ein wenig verändern^^

Amy
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Do 4. Aug 2011, 22:54 - Beitrag #15

Zitat von Ipsissimus:Vielleicht hätte ich besser gefragt, was der Reiz an massiv handlungsreduzierten Filmen ist?

Bezogen auf "Jane Eyre" passiert ja doch die ein oder andere Sache.
Ansonsten würde ich antworten: das Gesamtbild. Zumal handlungsreduzierte Filme oft vom Talent der Schauspieler leben.

Diesbezüglich fällt mir noch ein anderer Film mit Fassbender ein, der "Hunger" heißt. Würde ich ebenfalls in die Kategorie "handlungsreduzierte Filme" packen, weil - trotz der Geschichte um das IRA-Mitglied Bobby Sands - nicht wirklich viel passiert ist. 1/3 des Films sieht man Häftlinge in ihrem Alltag, 1/3 des Films einen Dialog zwischen Bobby Sands und einem Pfarrer und 1/3 dürfen wir zusehen, wie sich Bobby zu Tode hungert. Kaum Handlung, abgesehen von der Dialog-Szene kaum großer Text. Und trotzdem funktioniert der Film, weil er von seinem Hauptdarsteller lebt (und das Gesamtpaket stimmt, allen voran den Bildern).
Rein von den Schauspielern in "Jane Eyre" lebt der Film ja auch von Michael Fassbender. Mia schafft es einfach nicht, an die Präsenz heranzukommen, die er auf der Leinwand hat.

janw
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Fr 5. Aug 2011, 01:19 - Beitrag #16

Zitat von Amy:Rein von den Schauspielern in "Jane Eyre" lebt der Film ja auch von Michael Fassbender. Mia schafft es einfach nicht, an die Präsenz heranzukommen, die er auf der Leinwand hat.

Dieser Satz kommt dem Kern meines Problems mit solchen Verfilmungen recht nahe - das Buch "lebt" von der imaginativen Präsenz der beschriebenen Personen, der Film von der Präsenz und dem Styling der die Personen darstellenden Schauspieler.

Traitor
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Fr 5. Aug 2011, 17:47 - Beitrag #17

@Amy: Ok, "Jane Eyre" ist sicher kein Paradebeispiel für primär an Stars ausgerichtete Produktionen. Ich dachte da an andere Filme, beispielsweise an den 2005er "Pride & Prejudice", dessen Hauptexistenzberechtigung gegenüber dem 1995er wohl Keira Knightley gewesen sein dürfte.

Mit "handlungsreduziert" meint Ipsi vermutlich eher Fälle, bei denen die Vorlage viel Handlung hat, die Verfilmung aber weniger. Originelle Filme mit wenig Handlung an sich dürfte er sogar eher lieben. (Fragezeichen an jenen.)

@Ipsi: Mir liegt die viktorianische Denkweise durchaus näher als die altchinesische, und ich schätze mal, großen Teilen des Publikums auch. Und die genannten asiatischen Filme haben sicher den unfairen Vorteil, neben Kostümen auch Action zu bieten.

Sprichst du Filmen grundsätzlich ab, soziale Stoffe so intensiv behandeln zu können wie Bücher? Wenn nicht, wüsste ich nicht, warum ein Kostümfilm das grundsätzlich schlechter könnte als ein Gegenwartsdrama. Dass eine Verfilmung einem Buchklassiker aber nur bedingt gerecht werden kann, das sehe ich natürlich genauso. Bis zu einem gewissen Grad können gute Regisseure die inhaltliche Arbeit des Autors aber auch in filmeigene Mittel übertragen und adäquat ersetzen. Leider machen sich große Regisseure im Genre traditionell (oder zumindest in jüngerer und mittlerer Vergangenheit) eher rar. Spontan fiele mir nur Kubricks "Barry Lyndon" und Ang Lees "Sense and Sensibility"-Version ein, wobei ich letztere nicht kenne. Meist wird eher routiniert runtergedreht, da trifft deine Kritik dann voll zu.

@Jan: Zu den filmischen Mitteln, die schreiberische teils ersetzen können, siehe oben.
das Buch "lebt" von der imaginativen Präsenz der beschriebenen Personen, der Film von der Präsenz und dem Styling der die Personen darstellenden Schauspieler.
Wirklich gute Schauspieler schaffen es, ihre Rolle präsent sein zu lassen, nicht nur sich selbst. Außer natürlich, sie sind schon so berühmt, dass sie, egal wie gut sie sind, nur noch sich selbst spielen, weil jede Rolle in ihrem eigenen Ruf aufgeht. Aber es gibt einen Balancepunkt zwischen Können und Ruhm, auf dem sie es schaffen können.

Amy
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Fr 5. Aug 2011, 22:17 - Beitrag #18

Zitat von Traitor:Mit "handlungsreduziert" meint Ipsi vermutlich eher Fälle, bei denen die Vorlage viel Handlung hat, die Verfilmung aber weniger. Originelle Filme mit wenig Handlung an sich dürfte er sogar eher lieben. (Fragezeichen an jenen.)

Das kann ich leider nicht beurteilen, da ich "Jane Eyre" (noch) nicht gelesen habe. Aber da ich positive Stimmen von Fans des Buches mitbekommen habe, zweifle ich, dass man etwas von der Handlung der Vorlage weggelassen hat, um sich ausschließlich an den Schauspielern zu ergötzen ]Wirklich gute Schauspieler schaffen es, ihre Rolle präsent sein zu lassen, nicht nur sich selbst.[/QUOTE]
Das kann ich unterschreiben und meinte ich auf Hinblick Fassbender/"Jane Eyre" auch. :)
Ich schätze, die männlichen Hauptrollen der Bronte-Werke haben allgemein mehr Präsenz*, was auf der Leinwand der neuen "Jane Eyre"-Verfilmung perfekt umgesetzt wurde.

(*Siehe Heathcliff/"Wuthering Heights")

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Mo 8. Aug 2011, 13:14 - Beitrag #19

Sprichst du Filmen grundsätzlich ab, soziale Stoffe so intensiv behandeln zu können wie Bücher?


grundsätzlich ganz sicher nicht. Speziell bei Literaturverfilmungen frage ich mich aber, ob die Behandlung des sozialen Stoffs im Film an das Buch herankommt

janw
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Mo 8. Aug 2011, 19:25 - Beitrag #20

Zitat von Traitor:Bis zu einem gewissen Grad können gute Regisseure die inhaltliche Arbeit des Autors aber auch in filmeigene Mittel übertragen und adäquat ersetzen. Leider machen sich große Regisseure im Genre traditionell (oder zumindest in jüngerer und mittlerer Vergangenheit) eher rar. Spontan fiele mir nur Kubricks "Barry Lyndon" und Ang Lees "Sense and Sensibility"-Version ein, wobei ich letztere nicht kenne. Meist wird eher routiniert runtergedreht, da trifft deine Kritik dann voll zu.
@Jan: Zu den filmischen Mitteln, die schreiberische teils ersetzen können, siehe oben.

Das Problem liegt vielleicht darin, daß filmische Mittel eben nicht schreiberische sind und damit nicht dieselbe Wirkung erzielen können. Die von Worten getragene Atmosphäre ist denke ich nicht in gleicher Weise durch Bilder zu evozieren, zumindest wenn es um kulturell weiter entfernte Räume geht, die längeres Eintauchen erfordern.

Wirklich gute Schauspieler schaffen es, ihre Rolle präsent sein zu lassen, nicht nur sich selbst. Außer natürlich, sie sind schon so berühmt, dass sie, egal wie gut sie sind, nur noch sich selbst spielen, weil jede Rolle in ihrem eigenen Ruf aufgeht. Aber es gibt einen Balancepunkt zwischen Können und Ruhm, auf dem sie es schaffen können.

Zitat von Amy:@ Jan:

Das kann ich unterschreiben und meinte ich auf Hinblick Fassbender/"Jane Eyre" auch. :)
Ich schätze, die männlichen Hauptrollen der Bronte-Werke haben allgemein mehr Präsenz*, was auf der Leinwand der neuen "Jane Eyre"-Verfilmung perfekt umgesetzt wurde.

(*Siehe Heathcliff/"Wuthering Heights")

Nun, vielleicht sind die Schauspieler nicht allein das Problem, sondern die Zuschauer eben auch: Da agiert eben nicht die Filmperson xy, sondern da ist ja Johnny Depp, Fassbender, wer auch immer, der/die ja schon da und da, und dort und hier...
Gut, vielleicht bin ich da etwas übersensibel, weil Mitmensch beim Filmgucken immer erkennt, wer da spielt, und warum, wieso...

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