Propaganda hier und heute - ein Film, eine Serie

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Lykurg
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Fr 24. Feb 2006, 19:35 - Beitrag #1

Propaganda hier und heute - ein Film, eine Serie

Recht breit erwähnt wurde in den Medien der letzten Wochen die Aufregung um den türkischen Film "Tal der Wölfe", der, wenn man den Berichten trauen kann, in menschenverachtender Weise zeigt, wie amerikanische Soldaten von den Mitgliedern einer türkischen Eliteeinheit in einer Racheaktion umgebracht werden - was in türkischen und europäischen Kinos für Begeisterungsstürme und unter Politikern für einigen Wirbel gesorgt hat, auch weil manche damit die EU-Fähigkeit wieder in Gefahr sehen (ggf. wollen).

Eben las ich aber in meiner ach so proamerikanischen Lieblingszeitung von einem Gegenmuster, dessen letzte zwei Folgen heute und morgen abend 20:15 auf RTL 2 laufen: "24", eine Serie, in der eine US-Geheimdiensttruppe durch massiven Einsatz von Folter die Welt rettet. Der Artikel hier ist wirklich erschreckend.
Ein harmloser junger Mann wird mit "akustischer Überreizung bei verbundenen Augen" malträtiert. Angedroht werden Injektionen: "Jedes Nervenende in Ihrem Körper wird brennen wie Feuer." Eine verdächtige CTU-Kollegin erhält Elektroschocks. Kaum ist ihre Unschuld erwiesen, kehrt die wackere Lady an den Arbeitsplatz zurück. Sie fühlt sich gebraucht im Kampf gegen das Böse.

Die CTU-Zentrale in Los Angeles ist nicht Abu Ghraib. Hier wird nicht genüßlich gequält und gedemütigt, sondern nüchtern gemartert. Das Prozedere gehorcht einem angeblichen kategorischen Imperativ, und wer den nicht versteht, ist unreif oder dumm. Zweifel sind eher technischer Natur, etwa: "Könnt Ihr die Frau rechtzeitig knacken?" Der Verteidigungsminister empört sich: "Sie foltern meinen Sohn fast drei Stunden, ohne was dabei rauszukriegen?!"
Wie kann es sein, daß so eine Serie hierzulande oder sonst irgendwo in der westlichen Welt läuft, auch noch zur besten Sendezeit, ohne irgendwo Anstoß zu erregen? Offenbar gab es im Januar einen Artikel in der taz, von dem leider nur noch die Einleitung zugänglich ist -
Zitat von taz-Archiv:Brich ihnen einfach ihre verdammten Knochen, Jack!
In der heute anlaufenden vierten Staffel der US-Serie "24" wird Protagonist Jack Bauer wieder Terroristen foltern. Elfriede Jelinek und linke Redakteurinnen freuen sich schon
- in der sicherlich nicht objektiven Darstellung der 'Welt' wird Elfriede Jelinek wiedergegeben, 24
sei "wie permanentes Vögeln, ohne je zum Orgasmus zu kommen". Grausam und erregend.
- was zum Sprachduktus der Jelinek sehr gut paßt, auch nicht bedeutet, daß sie die Folterdarstellung verharmlose, nur, daß die Kritik des nicht mehr zugänglichen Artikels wohl mindestens teilweise an der Sache vorbeiging oder die Dimensionen nicht sieht.

Im Spiegel und auf heise.de habe ich jedenfalls bis jetzt nichts zum Thema gefunden, vielleicht kann mir jemand weiterhelfen. - Ich werde mir nachher selbst ein Bild zu machen versuchen. Wenn ich als meuchelnder Folterknecht wiederkomme, wißt ihr also, woran es liegt.

Habt ihr einen Teil davon gesehen oder weitere Berichterstattung darüber verfolgt?

janw
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Fr 24. Feb 2006, 20:47 - Beitrag #2

Ich habe bislang nur vom "Tal der Wölfe" erfahren, in einer besseren Magazinsendung wurde neulich darüber berichtet und wie er bei türkischen Jugendlichen ankommt.
Ich muss sagen, meine Empörung hält sich so lange in Grenzen, wie aus usa ein Actionfilm nach dem andern herüber schwappt, in dem "gute" Amerikaner "böse" andere auf beliebige Weise mißhandeln oder töten. Letztlich hat diese Weltdarstellung dort in gewisser Weise Tradition (bildet IMHO gar eine dortige Weltsicht der eigenen gottgegebenen Bevorrechtigung ab), sie zieht sich von den Western (gute Siedler vs. böse bzw. bestenfalls klischeeisierte Indianer oder Schwarze) zu Kriegsfilmen (Gute GIs vs böse andere) bzw. mit Verherrlichung der Gewalt durch special effects und Ausblendung der Leiden der Betroffenen (insbesondere Bevölkerung).
Wenn Macht so mit Menschen umgeht, muss Macht sich nicht wundern, wenn die Ohnmächtigen mit ihren Mitteln zurückschlagen.

Wobei "Empörung in Grenzen" nicht bedeutet, daß ich den Film gut heiße - der ewige Kreislauf von Vergeltung ist tragisch in meinen Augen, entsetzlich. Keinen Euro werde ich deshalb dafür ausgeben.

Das "Tal der Wölfe" zu verdammen, passt im Moment in Deutschland "in die Landschaft", wo von hier geborenen Moslems deutsche Kulturkenntnisse verlangt werden, die mancher hiesiger "Eingeborenener" nicht aufzuweisen hat.
Ebenso ist es Konsens offenbar, bei allem, was aus usa kommt, nicht so genau hinzugucken. Tragisch, wie ich finde.

Lykurg, lass Dir nicht Deine westintegrationsfreundliche Tageszeitung durch linke Spötteleien vergällen ;)

Lykurg
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Fr 24. Feb 2006, 23:02 - Beitrag #3

Hinsichtlich meiner Tageszeitung bin ich relativ schmerzbefreit.^^

Das Aufschlußreichste an der Serie bis jetzt war die Zusammenfassung der bisherigen Folgen zu Anfang, die tatsächlich eine Reihe von Folterszenen in rascher Folge zeigte, die alle aus der Zwangslage 'begründet' und durch den sofortigen Erfolg 'gerechtfertigt' wurden. Kritiker an diesen Praktiken wurden auf verschiedene Weise mundtot gemacht, besonders deutlich der "entscheidungsschwache" Präsident.

Ein sehr aussagestarkes Detail war übrigens der Name des Präsidenten, der nicht von der Notwendigkeit der äußersten Maßnahmen überzeugt ist: Logan. John Logan (1725-1780) war ein irokesischer Häuptling, der auf friedliche Kooperation und gute Nachbarschaft seines Dorfes mit den Weißen setzte - bis seine gesamte Familie von weißen Grenzern erschossen und skalpiert wurde (wobei bis heute umstritten ist, inwieweit der damalige Gouverneur von Virginia das begünstigt hatte). Daraufhin initiierte Logan mit seiner beeindruckenden Anklagerede einen Rachekrieg, der den Siedlern zwar erhebliche Verluste zufügte, letztlich aber seinen eigenen Stamm extrem dezimierte und zur Vertreibung der Indianer aus Ohio, Kentucky und Virginia führte. Damit wurde Logan aber auch eine schillernde Figur, die Benennung erfolgt wohl kaum zufällig.

Schroffe Rechtsbrüche werden als Selbstverständlichkeit akzeptiert - z.B. die blutig-gewaltsame Entführung eines Gastes des chinesischen Konsuls aus dem Konsulat, bei der etwa der Konsul selbst erschossen wird - die verschiedenen Folterfälle sind eigentlich nur Nebensächlichkeiten, die 'Skrupel' beruhen ausschließlich auf der Angst vor dem Widerwillen des Präsidenten (also dem Ende der persönlichen Karriere), etwa die Verfassung spielt keine Rolle. (Selbstverständlich übrigens, daß in einem Nebensatz Folter gegen Amerikaner als eine 'bedenklichere Entscheidung' bezeichnet wird als die gegen Ausländer.)

Maglor
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So 27. Nov 2011, 22:31 - Beitrag #4

Vor kurzem sah die besagtn Propagandafilm "Tal der Wölfe - Irak".
Es gibt einige Darstellungen von Folter und vor allem Übergriffe auf die Zivilbevölkerung. Noch brutaler als die Amerikaner werden deren kurdischen Verbündeten dargestellt. Die Antiamerikanismus- und Antisemitismusdebatte ist eigentlich schon ein Witz, beachtet man die stets präsente antikurdische Note.
Die Kriegsverbrechen basieren lose auf echten Ereignissen, quasi eine Art Best off von 5 Jahren Anti-Terror-Krieg in Afghanistan und Irak, tatsächlich haben einige Szenen ihr reales Vorbild im Afghanistan-Krieg. Lediglich die total verrückte Sache mit dem Organhandel, ist größtenteils fiktiv. Tatsächlich blüht im Irak zwar der Organhandel, aber von einer Verwicklung der US-Truppen ist nicht bekannt.

Zur Handlung: Türkische Geheim-Agenten planen eine Rachfeldzug, wohlbemerkt einen Rachefeldzug, keine Rettungsaktion. Das ist auch schon der Hauptplot. Sie wollen Sam William Marshall töten, ein skrupelloser Dandy, christlicher Extremist, Rassist ... man muss ihn einfach hassen.

Ansonsten lebt der Film vor allem von einer Art islamischer Folklore. Die Muslime seien die Guten, die Opfer und ihre Religion friedlich. Am deutlichsten ist da folgende Szene, in der der irakische Scheich seiner Ziehtochter, warum ein Selbstmordattentat den Abfall vom Islam bedeutet:
Der Scheich mit englischen Untertiteln

Die türkische Machtpolitik im Irak und Afghanistan wird nicht hinterfragt. Der Hintergrund der Sackaffäre bleibt außen vor. Dass die Türkei im Nordirak eigene militärische Ziele verfolgt ist bekannt. Dass diese nicht auf Friede-Freude-Eierkuchen für die dortige Bevölkerung hinauslaufen liegt auf der Hand.
Das Massaker nach der Schlacht von Mazar-i-Sharif (Afghanistan, 2001) diente der Filmhandlung zu Vorbild. Der usbekische Warlord Dostum ließ mehrere tausend Kriegsgefangene (Taliban, mutmaßliche Al Kaida) in Metallcontainer verladen und in der Wüste verrecken oder erschießen. Dostum wurde aufgrund türkisch-usbekischer Wahlverwandtschaft jahrelang durch die Türkei direkt und indirekt unterstützt.

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So 27. Nov 2011, 22:53 - Beitrag #5

Geschickt gemachte Lenkung - und gruslig. Danke für den Hinweis und das Wiederanstoßen!

Zum Organhandel las ich gerade letzte Woche etwas - CNN hat eine Reportage über die Verhältnisse auf dem Sinai gemacht; Flüchtlinge aus Afrika, die nach Israel wollen, werden vor der Grenze von ägyptischen Ärzten eingesammelt und 'verwertet'. Ziemlich eklig, und schlimmer. Da sind allerdings anscheinend Täter, Opfer (und Endverbraucher?) Muslime.

Maglor
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So 27. Nov 2011, 23:06 - Beitrag #6

Im Film gibt es in Abu Graib einen offensichtlich jüdischen Arzt, der den Gefangenen Organe entnimmt (oder doch Komplett-Verwertung?) und sie nach Amerika, England und Israel verschickt.

Tatsächlich gibt es auch eine israelische Organmafia. Diese grast jedoch vor allem Moldawien und den Balkan ab. Die Jagdgründe teilte sie sich mit türkischen Kriminellen.
Ob an dem gelegentlich von schwedischen Zeitungen geäußerten Vorwurf etwas dran ist, dass palästinensische Kriegsopfer auch verwertet wurden, sei mal dahin gestellt.
2009 flog ein von jüdischen Rabbinern geleiteter Organhandelring in New Jersey auf. Ihre Organe bezogen sie aus Israel.

Außerhalb des Films arbeiteten jüdische und israelische Ärzte bei der kriminellen Nierenbeschaffung im Kosovo sogar zusammen:
[INDENT]«Gegen zwei weitere Verdächtige wurde ein internationaler Haftbefehl ausgestellt.» Sie werden per Interpol gesucht. Es handelt sich um den türkischen Arzt Yusuf Sonmez und den Israeli Moshe Harel. Auf der Website von Interpol heisst es in den Akten der beiden: «Gesucht wegen: Verbrechen gegen Leben und Gesundheit, Menschenhandel, Schmuggel und illegale Immigration.»[/INDENT]
Tagesanzeiger, 16.12.2010

e-noon
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Mo 28. Nov 2011, 10:56 - Beitrag #7

Bei solchen Menschen sollte man darauf verzichten, von 'Ärzten' zu sprechen.

Lykurg
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Mo 28. Nov 2011, 11:42 - Beitrag #8

Maglor, du meinst im vorletzten Absatz im Zweifel "türkische und israelische"^^

e-noon, das stimmt natürlich. Gemeint ist einfach Menschen mit einer medizinischen Fachausbildung, die die Organe so entnehmen können, daß sie zur Transplantation verwendbar sind. Raubmörder wäre angemessener, aber dafür braucht man keine spezifische Ausbildung.

Maglor
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Mi 12. Feb 2014, 21:51 - Beitrag #9

Die wichtigste Information habe ich vergessen.
Es handelt sich um einen sehenswerten Actionfilm. Einige Szenen haben echtes Pathos. Handwerklich - im Sinne von Inszenierung - ist er sehr gut gemacht.
Der Filmbösewicht Sam ist einer der besten, den ich je gesehen haben. Allein diese Geschichte um das Klavier ist brilliant, um einen nichtsagenden Spoiler zu verschießen.


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