Sehr frisch ist die Erinnerung nicht mehr, dafür habe ich ihn aber auch zumindest zweimal gesehen (Deutsch und Englisch, kein großer Unterschied), sodass sie etwas zementierter waren.
Insgesamt für mich ein sehr gelungener Film, den man, um ihn voll zu genießen, nicht primär als intelligentes Verwirrspiel angesehen sollte, sondern eher als Spaß-Actioner, der gerade soviel Intelligenz mitreinnimmt, dass er sich über den Genrestandard hinaus interessant macht.
Das erklärt dann wohl auch den häufigsten Kritikpunkt, der auch mein eigener ist - die Phantasielosigkeit bei den Träumen. Es ist halt eben kein Film über das Träumen, sondern ein Actionfilm, dem die Träume den nötigen Hintergrund liefern. Daher wurde die Traummechanik so zugeschnitten, dass sie recht stringente, gewöhnliche Träume erzwingt (von wegen "sie müssen als Realität glaubwürdig sein"). Schade, ich hätte gerne mehr und anderes gesehen, aber es funktioniert auch, wie es ist.
Und es funktioniert sehr gut, "Inception" war für mich perfekt durchkomponiert, optisch sehr edel und durchgängig äußerst unterhaltsam.
Zitat von blobbfish:Die Vermengung von Traumebenen und der Realität ist ja schon als gefährlich hingestellt, ich fand aber durch Rückschnitte die Vermengung wieder aufgehoben - rein als Zuschauer war es schwer zu entscheiden wie fies die Verschachtelung ist. Darzustellen wie sich die Welten bedingen ist die eine Sache, die andere ist aber, ob man sie ständig als Erklärung hinzufügen möchte. Ich denke nicht.
Die Erklärung wurde meines Erachtens eher in der ersten Filmhälfte absolviert, danach sollte jeder die Mechanik verstanden haben. Das Hin-und-her-Schneiden in der zweiten Hälfte war dann weniger Erklärung, mehr Spannungserzeugung. Dadurch, dass alle Ebenen parallel auf dramatische Höhepunkte zusteuerten, ergab sich ein effektiver Weg, das Publikum unter Dauerstress zu setzen, den es so bisher wohl in keinem Film gab. Allerdings fand ich es durch dieses Stilmittel sehr schwer, dem Film die temporale Konsistenz abzunehmen. Beim ersten Sehen ging ich davon aus, dass diese zugunsten des Spannungsaufbaus komplett geopfert wurde, die paar Sekunden Fahrzeugüberschlagung schienen auch in der tieferen Ebene nur einer sehr kurzen Zeitspanne zu entsprechen, und analog bei anderen Abschnitten. Bei Zweitsichtung stellte ich dann fest, dass die Sache doch nicht ganz so schlimm ist, einigermaßen passt es schon. Aber das Gefühl für die Zeitverfielfachung ging trotzdem weitgehend verloren, weil die nächste Ebene immer nur in die Schlussphase der vorherigen gepackt wurde. Am Anfang der Inception redeten sie ja noch davon, Jahre in der untersten Ebene zubringen zu müssen, das wäre sicherlich interessanter gewesen als das kurze Schneefestungs-Geballer.
Zitat von blobbfish:Wenig gefallen haben mir die Actionszenerien, zum einen fand ich sie sehr oft sehr bedeutungslos, überhaupt nicht dienlich für die Entwicklung (etwa im Schnee), zum anderen auch nicht gut so gemacht.
Das sah ich wie gesagt genau anders. Der Schneeteil war zwar schon der schwächte, wirkte auf den ersten Blick irgendwie unpassend 80er-trashig, was aber wohl als Genre-Hommage verstanden werden konnte. Aber auch hier, und in den anderen Ebenen noch mehr, fand ich das handwerklich äußerst gut gemacht. Und bedeutungslos? Wie gesagt waren die Actionszenen meines Erachtens der Grund, aus dem es den Film überhaupt gibt.
[spoiler]Wieso zum Geier kann sich Eames im Lagerhaus einen Granatwerfer herbeizaubern, ohne daß sie auf die Idee kämen, sich einen Panzerwagen oder wenigstens ein gepanzertes Fahrzeug zu holen? Wie kommt es, daß bei all diesen Schießereien insbesondere in der 1. Traumebene außer Saito niemand verletzt wird (actionfilmtypisch, aber überflüssig...) - ohnehin: was sollen die Schießereien? Wenn man sich zur Abwehr von Eindringlingen einen Güterzug herbeiträumen oder die Welt massiv verändern kann (Paris), sollte es doch auch viel wirkungsvollere außerphysikalische Methoden als Schußwaffen geben, um Eindringlinge auf der Traumebene direkt zu töten oder ihnen jeglichen Zugang zu verwehren? Fast noch schlimmer ist das auf der 3. Ebene, die ja offensichtlich zum Schutz angelegt ist - nun gut, zeigt offensichtlich die mangelnde Phantasie der Architekten der Traumabwehr.[/spoiler]
Wie blobbfish sagt, das ist das für die Macher sehr praktische Realismus-Argument. Der Granatwerfer zeigt aber schon, dass, wenn niemand hinguckt, eine Menge Freiheit dabei ist, die ansonsten dann doch zu selten genutzt wird.
Warum reicht das Kippmoment beim Überschlagen (!) des Fahrzeugs nicht aus, die Narkotisierten zu wecken, wenn der Brückensturz (für die meisten) reicht?
Wenn ich mich richtig erinnere, funktioniert ein Kick doch nur, wenn er mit dem geplanten Aufwecksignal (Musik) synchronisiert ist? Oder zumindest funktioniert er dann besser, was schon ausreichen würde, um unterschiedliche Intensitätsschwellen zu erklären.
Zitat von Lykurg:Logischerweise kommt für uns noch eine weitere dazu, wir müssen uns in die Figuren hineinversetzen und können nicht im selben Maße nachvollziehen, wie verwirrend für sie die Schachtelung ist. Immerhin wird deutlich, daß die Profis über ihre aktuelle Position in der Ebenenstruktur gut informiert sind, und es ist immerhin eine freundliche Geste, daß die gut unterscheidbaren Schauplätze es dem Publikum erleichtern, mitzukommen.
Der ganze Charakter der Ariadne war ja primär für so eine Veranschaulichungsgeste da. Ihren Namen und einige Nachfrage-Szenen fand ich da übrigens schon arg platt. Aber insgesamt funktionierte diese Methode recht gut.
Zitat von blobbfish:Ich meine der Güterzug ist keine Abwehrreaktion gewesen sondern sagen wir mal ein ungewolltes Mischgeschick. Aber ja, ich weiß was du meinst.
Meines Erachtens eine der stärksten Szenen des Films, so ein ganz wörtliches "Hineinbrechen" unterbewusster Urgewalten in die strukturierte Szenerie. Und ja, der war nicht vom Abwehrarchitekten, sondern von Cobb mitgebracht.
Wie sieht's mit der auf anderen Seiten sehr beliebten Enddiskussion aus? Meines Erachtens hat Herr Nolan die bewusst offen gehalten, sich mit der letzten Kreisel-Einstellung schon recht eindeutig sogar darüber lustig gemacht, wie andere Filme dieser Machart immer noch letzte entscheidende Informationsschnipsel einspielen, die alles umwerfen, oder eben doch nicht. Hat auf jeden Fall bei beiden Kinobesuchern zu Lachern und Kommentaren à la "das macht der jetzt nicht wirklich" im Saal geführt. Und da ich noch keine völlig konsistente und/oder zwingende Interpretation gehört habe, ist das wohl wirklich der beabsichtigte Effekt gewesen.