Die größten Regisseure aller Zeiten

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Traitor
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Mo 7. Feb 2011, 01:10 - Beitrag #1

Die größten Regisseure aller Zeiten

Nachdem im Thread über aktuelle große Regisseure andauernd der Wunsch aufkam, diese in Relation zu den echt größten Filmschaffenden der bisherigen Geschichte zu setzen, hier nun ein Thread dazu.

Meine persönliche Top3 besteht aus Sergio Leone, Stanley Kubrick und Alfred Hitchcock.
Leone ist dabei mit Abstand führend, bei bisher keinem anderen habe ich diese Fähigkeit gefunden, einen Film absolut perfekt durchzukomponieren, nicht nur Szene für Szene, nicht nur Einstellung für Einstellung, sondern Einzelbild für Einzelbild. Zumindest in seinen drei größten Werken erschafft er eine einfach unvergleichliche Kinomagie.
Kubrick hat ähnliche visuelle Stärken, ist dabei viel vielfältiger (2001 und Barry Lyndon in seiner Werksliste zu haben, das ist schon etwas), hat aber meines Erachtens immer ein bisschen die Handlungen und den Unterhaltungsaspekt seiner Filme vernachlässigt. Dennoch sicher einer der Großen, über die wir am wenigsten diskutieren müssen.
Hitchcock ist von den dreien am wenigsten künstlerisch wertvoll, aber vielleicht der perfekteste Handwerker, den das Kino je hervorgebracht hat. Spannungserzeugung, Schauspielerführung, optische Tricks, grandios.

Weitere Kandidaten?
Aus der Frühzeit Fritz Lang, Ernst Lubitsch, Eisenstein und Charlie Chaplin.
Aus Old Hollywood Michael Curtiz, Carol Reed, Billy Wilder und David Lean.
Aus New Hollywood Martin Scorsese, Francis Ford Coppola und Roman Polanski.
Als weitere Angloamerikaner Orson Welles, Sam Peckinpah, Sidney Lumet, Clint Eastwood, Woody Allen.
International auf jeden Fall Andrej Tarkowski und Akira Kurosawa; vielleicht Jean-Luc Godard, Giuseppe Tornatore, Costa-Gavras, Bernardo Bertolucci und Werner Herzog (Persönliche Stichprobe von bisher jeweils nur einem, sehr guten, Film).

Ipsissimus
Dämmerung
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Mo 7. Feb 2011, 15:27 - Beitrag #2

dann wiederhole und ergänze ich mal meine Vorschläge aus dem anderen Thread^^

Legende

b.k.w.B. - bedarf keiner weiteren Begründung (bei Bedarf kann sie trotzdem geliefert werden^^)

Ingmar Bergmann b.k.w.B.

Luis Buñuel b.k.w.B.

Marcel Carné

Carné war neben Jean Renoir der bedeutendste französische Regisseur der 30er Jahre; seine beiden Filme "Le Quai des brumes" ("Hafen im Nebel", 1938) und "Le jour se lève" ("Der Tag bricht an", 1939), beide mit Jean Gabin in den Hauptrollen, zählen zu den Spitzenleistungen des poetischen Realismus; die Filme sind ungemein bedrückend, und auch wenn ich es nicht billigen kann, kann ich doch nachvollziehen, warum sie 1939 als "demoralisierend" verboten wurden^^

Sein mit Abstand berühmtestes und bedeutendstes Werk ist allerdings das opus absolutus "Les Enfants du paradis", bei uns unter dem Titel "Kinder des Olymp" bekannt, das unter den Bedingungen der deutschen Besatzung zwischen 1943 bis 1945 unter widrigsten Umständen gedreht wurde (Uraufführung 1945 kurz nach der Befreiung von Paris). Ich bin jedes Mal neu von der extrem stringenten, folgerichtigen und dabei höchst verwickelten Handlung fasziniert, bei der alle beteiligten Personen in äußerster Kompromisslosigkeit ihre jeweiligen Handlungsmaximen verfolgen. Selbst wenn es sein einziges Werk gewesen wäre, bliebe damit Carnés Anspruch auf einen Platz im Regie-Olymp für alle Zeiten unumstößlich.

John Cassavetes
Der Begründer der Independent-Film-Szene in den USA

Bekannteste Filme:
Shadow
A Child is waiting
Husbands
The Killing of a Chinese Bookie
Big Trouble

André Cayatte

Er war ursprünglich Rechtsanwalt; nach einer kurzen Phase im heiteren Genre löste er sich zu Beginn der 50er Jahre völlig vom Unterhaltungskino ab und begann mit der "Analyse der Gerechtigkeit", einer ganzen Serie von Filmen, die Missstände in der französischen Justiz zum Thema haben.

Bekannte Filme aus dieser Phase sind "Justice est faite" (1950, deutscher Titel "Schwurgericht") und "Avant le déluge" (1954, deutscher Titel "Vor der Sintflut").

Sein bekanntestes Werk ist "Mourir d'aimer" (1971, deutscher Titel "Aus Liebe sterben"), ein Film, der einen Schock fürs Leben verpasst, wenn man ihn in der Hoffnung auf eine romantisch verklärte Liebestragödie mit Happy End anschaut. Einer meiner Lieblingsfilme.

Bekannte Filme aus späterer Zeit sind "À chacun son enfer" (1977, deutscher Titel "Jedem seine Hölle") und "La Raison d'état" (1978, deutscher Titel "Staatsräson")

Charly Chaplin b.k.w.B.

Sergej Eisenstein b.k.w.B.

Rainer Werner Fassbinder b.k.w.B.

Federico Fellini b.k.w.B.

Abel Ferrara
der Mann treibt mich in den Wahnsinn^^ einerseits: er kann. Er kann so subtil, hintergründig, bösartig, virtuos, genau zeichnend, stilistisch herausragend, großartig wie kaum ein Zweiter. Und dann: diese kleinbürgerliche Moral, auf die seine großen Filme wie Bad Lieuenant, The Addiction, The Funeral oder King of New York allzuoft hinauslaufen. Okay, aber das ist Metakritik, er gehört auf jeden Fall dazu

John Ford
ja, doch^^ er hat ein ganzes Genre fast im Alleingang erschlossen

Joris Ivens
kaum noch bekannt, in seinem Spezialbereich, dem Dokumentarfilm, bis heute aber herausragend, mit Filmen, die ganz sicher nicht Nachrichtenformat-kompatibel sind - er mutet den Leuten nämlich zu^^

Bekannteste Filme:
Misère au Borinage (über das Elend belgischer Bergarbeiter)
Spanish Earth (über den spanischen Bürgerkrieg)
400 Millions (über den chinesisch-japanischen Krieg)
Yü Gung versetzt Berge (sein wohl bekanntester Film, über die Kulturrevolution)

Jim Jarmusch b.k.w.B.

Buster Keaton

müßig, ihn mit Chaplin zu vergleichen. Wo sich Chaplin in pathetisch-tragischen Posen gefiel, setzte Keaton trockenen Realismus entgegen, in dessen Rahmen Pathos höchstens zur ironischen Brechung verwandt wurde. Wo Chaplin Frauen rettete, agierten sie bei Keaton als gleichberechtigte, autarke Partnerinnen. Wo Chaplin slapstickte, setzte Keaton Stunts ein, bei denen er selbst der Stuntman war, so sein legendärer Stunt in Steamboat Bill Jr., bei dem eine Hauswand auf ihn kippt und er unversehrt bleibt, weil just an der Stelle, an der er steht, ein offenes Toilettenfenster "einschlägt". Mit anderen Worten, die beiden sind nicht zu vergleichen^^

Die Bedeutung Keatons im Vergleich zu Chaplin liegt sicher in den technischen Innovationen seiner Filme und weniger in der inhaltlichen Dimension. Sie beeindrucken darüber hinaus durch die ungemein intensive mimische Ästhetik und Darstellungskunst dieses "stummsten aller Stummfilmkomiker" (James Agee, Time Magazine, 9/1949)

Mizoguchi Kenji
weil er sich Zeit ließ, mit einer unauffällig-eindringlichen narrativen Struktur seiner Filme, deren Ästhetik er treu blieb, als alle um ihn herum schon längst nach "Tempo, Tempo!" riefen

im Westen bekannteste Werke:
Die Erzählung von den späten Chrysanthemen
Ugetsu – Erzählungen unter dem Regenmond
Die Legende vom Meister der Rollbilder
Die Straße der Schande

Krzysztof Kieślowski
unauffällig, bescheiden, großartig, künstlerisch 10mal mehr wert als Polanski, in dessen Schatten er zeitlebens stand

Bekannteste Filme:
Dekalog
Drei Farben
Ein kurzer Film über das Töten

Takeshi Kitano b.k.w.B.

Sidney Lumet
in meinen Augen einer der größten Hollywood-Regisseure überhaupt, auch wenn Hollywood das nie verstanden hat^^

Bekannteste Filme:
Fail Safe
Serpico
Hundstage
Der Morgen danach

Pier Paolo Pasolini b.k.w.B.

Wsewolod Illarionowitsch Pudowkin
weil es in Russland nicht nur Eisenstein gab^^

bekannteste Filme:
Die Mutter
Das Ende von Sankt Petersburg
Sturm über Asien

Jean Renoir
der Sohn des berühmten impressionistischen Malers Pierre-Auguste Renoir war ein Exponent des poetischen Realismus im französischen Film der 30er Jahre

als opera absoluta der Filmgeschichte gelten seine beiden Filme

La grande illusion (1937) und
La règle du jeu (1939)

außerdem bekannt dürften sein

La Bête Humaine (1938)
The Southerner (1945, dafür erhielt er den Regie-Oscar)
French Cancan (1954)


Alain Resnais
ein Regisseur der Nouvelle vague, der sich aber auch immer wieder mit herausragenden Dokumentarfilmen hervorgetan hat, als berühmteste vielleicht

Nuit et brouillard (1955) - vergesst Schindlers Liste und andere KZ-Filme, das hier ist das ultimative Grauen
Hiroshima, mon amour (1959)
Gershwin (1992)

ansonsten sehr bekannt sind

La vie est un roman (1983)
L'amour à mort (1984) - "Ghost" für Intellektuelle^^
Pas sur la bouche (2003)
Cœurs (2006)
uvm.

auf dass ich geschlagen werde^^
Leni Riefenstahl
weil ich ihr glaube, dass es ihr um Ästhetik und nicht um Ideologie ging, auch wenn sie damit auf fürchterliche Weise unbedarft war

Roberto Rossellini b.k.w.B.

Mrinal Sen
doch, es gibt ein indisches Kino außerhalb von Bollywood^^ sogar hervorragendes, wie seine Kolkata-Trilogie beweist^^

Vittorio de Sica

de Sica war als Schauspieler weitgehend auf die Rolle des jugendlichen Liebhabers festgelegt; als Regisseur kann er im Rahmen des italienischen Neorealismus verortet werden.

"Schuhputzer" (1946)
"Fahrraddiebe" (1948)

gelten als Meisterwerke des Neoliberalismus und "Fahrraddiebe" führte einige Jahre die Liste der besten Filme aller Zeiten von Sight & Sound (British Film Institute) an, die nicht anähernd so auf Filme eines einzigen Landes zentriert ist wie ihr Äquivalent des American Film Institute. Ich hatte die Filme vor mehr als 20 Jahren mal gesehen. Beide würden heute gnadenlos untergehen, geben aber in brillianter Manier und ohne jede Sentimentalität das Lebensgefühl armer Bevölkerungsschichten im Nachkriegsitalien wieder. Nicht wirklich spannend nehmen sie aufgrund der vorgestellten Schicksale doch mit.

Berühmt sind des weiteren "Boccaccio" (1962), eine Gemeinschaftsproduktion mit Fellini, sowie der oskarprämierte Episodenfilm "Gestern, heute und morgen" (1963) mit Sofia Loren in der Hauptrolle, der allerdings von der Kritik zerrissen wurde.

Andrei Arsenjewitsch Tarkowski
Ingmar Bergman sagte über ihn: „Tarkowski ist für mich der bedeutendste, weil er eine Sprache gefunden hat, die dem Wesen des Films entspricht: Das Leben als Traum.“

"Solaris" und "Stalker" dürften ein Begriff sein, insofern b.k.w.B.

Jacques Tati
ich mag diesen Regisseur mit seinem nervtötenden absurd-linkischen Humor^^

François Truffaut b.k.w.B.

Orson Welles b.k.w.B.

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fast unmöglich, daraus Top Drei zu benennen. Wenn ich gezwungen wäre, dann würde ich wahrscheinlich Ingmar Bergmann, Pier Paolo Pasolini und Andrei Tarkowki nennen, aber dann müsste ich mich mindestens bei Bunuel, Carné, Eisenstein, Fellini, Renoir und Welles entschuldigen, im erweiterten Kreis auch bei Ferrara, Ivens, Kieślowski und Kitano

blobbfish
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Mo 7. Feb 2011, 15:35 - Beitrag #3

Ich möchte dir den Leone nicht schlecht reden, ich finde ihn ebenfalls sehr gut, obgleich auch nur fünf Filme von ihm kenne, allerdings, was allen diesen Filmen überhaupt den so unglaublichen Schliff verleiht ist die Filmmusik. Immerhin ist die Stichprobe aber größer als bei den anderen beiden (eins und drei).

Es ließe sich etwa "Der Gehetzte der Sierra Madre" hernehmen, von Sergio Sollima, der sich übrigens mit dem Film vor keinem aus der Dollarreihe verstecken muss. Dieser Film hat ebenfalls eine Reihe, u.A. ich meine "Lauf um dein Leben", sehr gut, und das obwohl nichtmal eine stilgebende Ikone wie Fonda, Easwood oder van Cleef mitwirkt. So gut wie dieser Film ist, hinter dem Bild bleibt der Ton zurück und der Film fällt in die untere Mittelklasse ab.

Traitor
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Di 8. Feb 2011, 14:26 - Beitrag #4

@fish: Morricones Musik ist sicher ein wesentliches Element seiner Filme. Aber gerade durch die bei einigen davon praktizierte Methode, erst die Musik schreiben zu lassen und diese dann während des Drehs laufen zu haben, um Bild und Ton einander anzupassen, zeigt für mich, dass die kreative Hoheit auch über diesen Aspekt ganz klar bei Leone blieb, der mit starkem Ausgangsmaterial so erst diese einmalige Synthese schaffen konnte.

@Ipsi: Mit Chaplin, Eisenstein, Lumet und Tarkowski haben wir für unsere Verhältnisse ja schon fast viele Überschneidungen. ;) John Ford hätte ich zudem noch fast auf meine eigene Liste gesetzt, scheiterte nur an bisher zu wenigen selbst gesehenen Werken.
Lehnst du meine übrigen Kandidaten alle ab, oder fandest sie nur nicht kommentierungswert?

Von deiner Liste kannte ich einige peinlicherweise bisher gar nicht (Ivens, Kenji, Pudowkin, Sen), von anderen habe ich viel gehört, aber noch nichts gesehen (Bergmann, Cassavetes, Fellini, Pasolini), von wieder anderen zu wenig (Truffaut, "Fahrenheit 451" ist wohl weder inhaltlich noch qualitativ repräsentativ für ihn; Bunuel, nur den Andalusischen Hund).
Bei Jarmusch scheinst du vom "deutlichen aktuellen Anwärter" im Nachbarthread zu "b.k.w.B." ja einen enormen Entscheidungssprung gemacht zu haben. ;)
Kennst du von Tarkowski "Iwans Kindheit"? Wenn ja, siehe diesen Thread. ;)

PS: Bei uns beiden taucht Chaplin auf, aber jeweils nicht der oft als gleichwertig genannte Buster Keaton. (Von anderen großen Stummfilmkomikern wie Harold Lloyd ganz zu schweigen.) Bei mir liegt das daran, dass ich von den anderen nichts kenne, das nicht nur komisch und verdammt gut gemacht ist, sondern auch tragisch-poetisch-tiefsinnige Dimensionen hat, wie Chaplins Great Dictator und City Lights. Siehst du das ebenso, oder übersieht man da entsprechende Werke?

Ipsissimus
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Di 8. Feb 2011, 17:50 - Beitrag #5

meine Liste ist noch nicht vollständig, Traitor^^

bezüglich deiner Liste ist es teilweise so, dass ich prinzipiell mit dir konform gehe (Fritz Lang, Martin Scorsese, Carol Reed, Clint Eastwood, Jean-Luc Godard,Werner Herzog, Orson Welles, Akira Kurosawa), aber trotz meiner generellen Anerkennung dieser Regisseure die ein oder andere unangenehme Erinnerung mit einem oder mehrerer ihrer Filme verbinde. Andere lehne ich wegen ihrer Persönlichkeit ab (Billy Wilder, Giuseppe Tornatore, Woody Allen, Roman Polanski - ich anerkenne, dass das ein Metakriterium ist und in einer rein werkspezifischen Liste nichts zu suchen hat^^ aber trotzdem^^) und der Rest außer den auch von mir genannten mich trotz genereller Anerkennung nicht so sehr beeindruckt, dass ich sie in einer Topliste aufführen würde.

Keaton und Lloyd werde ich auf meiner Liste noch nachtragen, wobei mir beide beinahe noch besser gefallen Chaplin.

Padreic
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Di 8. Feb 2011, 21:57 - Beitrag #6

Eine wirklich qualifizierte Meinung meinerseits scheiterte wohl weitgehend an meiner Unkenntnis. An vor-45-Regisseuren kenne ich beispielsweise nur von Chaplin, Lang und Lubitsch mindestens zwei Filme. Diese drei sind natürlich alle sehr gute Regisseure.
Von Lang habe ich Metropolis und M gesehen; Metropolis hat zwar eine etwas hanebüchene Story und leidet auch unter teils übertriebenem Schauspiel, hat aber sehr bildgewaltige Szenen; M überzeugt mich im Gesamtton auch nicht vollends, hat aber eine ungeheuer gelungene Motivarbeit mit dem 'M' und der Halle des Bergkönigs.
Chaplin ist natürlich brillant, aber mögen tue ich wohl den Lubitsch noch mehr. Ich kenne wohl niemanden, der Komödien so toll inszenieren kann wie Lubitsch; nicht mal Billy Wilder. 'Sein oder nicht-Sein' halte ich für einen Geniestreich. Billy Wilder, der übrigens zum Teil auch Drehbücher für Lubitsch schrieb, mag ich übrigens auch sehr gern; sowohl vom Komödiantischen her als vor allem auch von 'Zeugin der Anklage', der vielleicht nicht direkt tiefsinnig, aber geradezu perfekt inszeniert ist. Magst du Wilder nicht wegen seiner Haltung zu den Hollywood Blacklists?

Ich muss sagen, dass mir in meiner politischen Naivität, eine gute Story und eine zwingende, vielleicht ästhetisch brillante Inszenierung wichtiger ist, als eine gesellschaftskritische oder zumindest -sezierende Leistung. Dementsprechend sind Stanley Kubrick und Quentin Tarantino zwei meiner absoluten Favoriten; von beiden habe ich das meiste gesehen. Bei Kubrick ist aus irgendeinem Grunde, den ich bis heute nicht ganz begreife, vielleicht Barry Lyndon mein Liebster. Die Story ist zwar ordentlich, aber nicht überwältigend, der Hauptdarsteller hat außer Weinen nur einen Gesichtsausdruck.... und doch gibt es nur wenige Filme, die mich so überwältigt haben. Er hat etwas außerirdisches - so wie viele seiner anderen Filme wohl auch. Ihnen fehlt sehr deutlich die Wärme. Dafür gibt es eine Qualität (in den Filmen von Strangelove bis Full Metal Jacket), die manchmal noch deutlich über das hinaus geht, was man bei anderen Regisseuren als 'perfekt inszeniert' bezeichnen würde.

Zu den klassischen hochgehaltenen: ich kenne mich insgesamt zu wenig aus hier. Von Truffaut, Godard und Bunuel habe ich jeweils nur einen Film gesehen, der mir aber jeweils gut gefiel, besonders 'Jules und Jim' von Truffaut. Ich müsste mir da einfach mehr anschauen. Zu Bergmann habe ich mich im Nachbarthread schon geäußert.

Ipsissimus
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Do 10. Feb 2011, 17:07 - Beitrag #7

ich habe noch Einträge für Buster Keaton, Jean Renoir, Alain Resnais und Orson Welles ergänzt. Harold Lloyd ist wohl doch eher als Schauspieler einzustufen und weniger als Regisseur, sonst stünde er auch dabei^^

Vittorio de Sica, Marcel Carné und André Cayatte muss ich noch ergänzen, dann wäre ich soweit fertig^^

Traitor
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Fr 11. Feb 2011, 21:44 - Beitrag #8

@Ipsi: Die Persönlichkeiten der fraglichen Regisseure sind für mich kein Kriterium, schon allein deshalb, weil ich von ihnen keine Ahnung habe. ;)
Was sollte man sich von Keaton ansehen, dass an Tiefgang an Chaplin herankommt?
Zu Sica, Carné und Cayatte darfst du gerne mehr schreiben, mir bisher völlig unbekannt.

@Padreic: M fand ich in Anbetracht von Genre und Entstehungsjahr nahezu perfekt. Meinst du mit "im Gesamtton" künstlerische Mängel oder "nur" persönliche Differenzen zu vom Film getroffenen Aussagen?
Bei Wilder bin ich mir noch nicht ganz sicher, seine berühmtesten "1-2-3" und "Manche mögen's heiß" haben beide, obwohl sehr lustig, meine vielleicht überhöhten Erwartungen etwas enttäuscht. "Das Appartement" gefiel mir dafür umso besser.

Dass dir von Kubrick Barry Lyndon am besten gefällt, überrascht mich eigentlich wenig, ich denke, den Aspekt, der dich so überwältigt, habe ich auch gefühlt, er traf bei mir nur nicht so ganz. Mir sind 2001 und Clockwork Orange etwas lieber, Barry Lyndon ist aber auch ohne Zweifel jenseits von meisterhaft.

Padreic
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Sa 12. Feb 2011, 13:05 - Beitrag #9

@Traitor: Zum Teil mag es bei 'M' einfach an dem zeitlichen Abstand liegen, der einen Stil verursacht, der mir ein wenig fremd ist. Insgesamt ist wohl aber mein "Vorwurf" an den Film etwas, wodrin gerade auch seine Stärke liegt: seine Konstruiertheit. Er fließt nicht von selbst, der künstlerische Wille tritt nicht zurück. Das beschert einem einerseits solche starken Szenen wie die, wo der Mörder mit dem 'M' markiert wird oder die musikalische Motivarbeit. Andererseits entfernt sich damit der Film auch von dem Ideal der Natürlichkeit.

'Das Appartement' hat mich auch mehr überzeugt als 'Manche mögen's heiß'. '1-2-3' ist bei mir schon recht lange her, aber in meiner Kindheit habe ich ihn wiederholt gesehen und fand ihn ziemlich gut - der Eindruck könnte sich bei einem nochmaligen Schauen natürlich ändern.

Zu Clockwork-Orange: es ist für mich irgendwo ein Paradebeispiel für eine Literaturverfilmung. Im Buch ist es so, dass das eine Gangmitglied ein Messer hat, das andere einen Stock etc. Im Film haben sie alle den gleichen Stock. Im Buch ist es so, dass Alex mal Haydn, mal Beethoven hört. Im Film ist es immer Beethovens Neunte. Alles im Sinne der Konzentration und Bündelung. Die politische Dimension des Buches wird etwas reduziert, dafür eine beeindruckende visuelle geschaffen. Im dritten Teil, wo das Buch ein wenig nachlässt, beginnt der Film erst recht sein Genie zu zeigen. Die Szene, wo sie ihn verprügeln, ist, ohne einen einzigen Tropfen Blut zu zeigen, gewalttätiger als der ganze 'Kill Bill' zusammen. Die Szene, wo er danach ins selbe Haus, wo er vorher die Frau vergewaltigt und den Mann verprügelt hat, zurückkommt - schlicht genial. Aber eigentlich vorher schon im ersten Teil - man muss sich nur mal rein visuell reinziehen, wie es aussieht, wenn sie autofahren... inhaltlich ist der erste Teil hat mitunter etwas dünn, das ist seine Schwäche, aber visuell ist der ganze Film absolut brillant.

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Sa 12. Feb 2011, 16:15 - Beitrag #10

Zitat von Traitor:@fish: Morricones Musik ist sicher ein wesentliches Element seiner Filme. Aber gerade durch die bei einigen davon praktizierte Methode, erst die Musik schreiben zu lassen und diese dann während des Drehs laufen zu haben, um Bild und Ton einander anzupassen, zeigt für mich, dass die kreative Hoheit auch über diesen Aspekt ganz klar bei Leone blieb, der mit starkem Ausgangsmaterial so erst diese einmalige Synthese schaffen konnte.


Richtig, das betrifft natürlich eher die technische Seite, und ich finde das Vorgehen im Endeffekt auch sehr lohnend, hängt aber eben auch stark von der Musik ab, die Symbiose verfehlt möglicherweise die Wirkung wenn die Musik selbst nicht mit der Aufnahme mithalten kann, egal wie gut die Verflechtung praktiziert ist.

Ipsissimus
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Mo 14. Feb 2011, 15:22 - Beitrag #11

Vittorio de Sica, Marcel Carné und André Cayatte sind ergänzt; meine Liste ist damit fertig

Traitor, wenn du mit Chaplinschen Tiefgang Filme wie "Modern Times" und "The Great Dictator" meinst, hat Keaton nichts entgegenzusetzen. "The Navigator", "The General", "Go West" oder "Battling Butler" dürften aber klarmachen, dass Keaton eine durchaus eigene Note ins Komiker-Genre einbrachte

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Mo 14. Feb 2011, 23:21 - Beitrag #12

@Ipsi: Bei Keaton muss ich zugeben, bisher nur recht kurze Werke zu kennen. Aber eine eigene Note und große Leistung möchte ich ihm natürlich keinesfalls absprechen. Und ja, diese zwei sind gute Beispiele bei Chaplin, dazu noch "City Lights", der zwar weniger expliziten thematischen Tiefgang hat, mit der Mischung aus Poesie und Sozialdrama meines Erachtens aber tiefer trifft.

@blobb: Kommt von dir keine eigene Liste?

@Padreic: Ja, die Konstruiertheit, Zugespitztheit von M ist Stärke und Schwäche zugleich, wobei ich die Stärke deutlich überbewerten würde. Es ist etwas, was viele frühe Filme an sich haben (Nosferatu von den mir bekannten am meisten), das Archetypische.

Ipsissimus
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Di 15. Feb 2011, 13:20 - Beitrag #13

unter dem Blickwinkel der Poesie betrachtet sind Keatons Filme meines Erachtens um einiges ausdrucksstärker und tiefer gehend als Chaplins Filme; Keatons persönliche Ausdruckskunst hat starke Tendenzen hin zu einem wirklich guten Pantomimen, sehr viel stärker, als das mir bei Chaplin je aufgefallen wäre. Dafür fehlen bei ihm die sozialdramatischen Aspekte oder sind bestenfalls sehr implizit enthalten, aber da muss man schon genau hinschauen. Dass du überwiegend Kurzfilme kennst, ist nicht verwunderlich, er hat erst recht spät mit abendfüllenden Filmen begonnen, und wirklich erfolgreich waren davon nur drei; sein eigentliches Metier sind Kurzfilme geblieben

Traitor
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Sa 22. Nov 2014, 18:58 - Beitrag #14

Ipsissimus, ist deine Liste immer noch "fertig", oder gab es in den letzten dreieinhalb Jahren noch Retro-Neuentdeckungen oder Erinnerungslückenauffüllungen?


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