Bauer sucht Frau oder der Untergang des Abendlandes durch schwarze Magie?

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Anaeyon
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Di 6. Dez 2011, 23:09 - Beitrag #21

Wie kann man eigentlich wissen, wie man einen Fuß vor den anderen setzt, aber nicht bemerken, dass solche Sendungen gescripted sind? Ich meine die Frage ganz ernst, wirklich.

Was genau sorgt dafür, dass Menschen, die ja eigentlich von Natur aus wenigstens ansatzweise beurteilen können sollten, ob Mimik, Gestik, gesprochenes Wort usw. zusammenpassen, es nicht auf die Reihe kriegen, das zu erkennen? Ist das vergleichbar mit Sucht, die einen nicht erkennen lässt, dass man nicht nur konsumiert "weil man will"?

Ich habe meine Eltern mal angeschrien weil sie sich solch eine Sendung angeschaut haben und über den Humor dort lachen mussten. Kaum etwas anderes in dieser Welt sorgt in mir für ein so starkes Gefühl der Machtlosigkeit, wie der Anblick von Menschen, die sich des kritischen Denkens verweigern. Bild

Padreic
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Di 6. Dez 2011, 23:48 - Beitrag #22

es gibt durchaus gescriptet und gescriptet. Dass das nicht einfach das Abfilmen von Alltag ist, dürfte offensichtlich sein. Wenn man von Leuten einfach mal so ein Statement zu irgendwas verlangt (sie damit also in eine künstliche Situation bringt), verhalten sich viele etwas komisch, so dass unter Umständen schlecht zu unterscheiden ist, ob sie sich das selbst ausgedacht haben, was sie da sagen, oder ob es ihnen aufgeschrieben wurde. Meine eigenen Erfahrungen mit solchen Sendungen sind höchst gering, aber ich fand es selbst nicht offensichtlich, wie hoch der Script- wie hoch der Echtheitsanteil ist. Und ist es mir noch immer nicht - scripten muss nicht heißen, dass es keine Ähnlichkeit der dargestellten und der darstellenden Person gibt. Macht's insgesamt aber auch nicht besser.
Einen "Warnhinweis", dass es gescriptet ist, fände ich eine gute Maßnahme; dürfte sowohl etwas von der Wirkung wie auch von der Einschaltquoten nehmen.

Privatfernsehen abzuschaffen würde ich übrigens eindeutig als einen Eingriff in die Pressefreiheit sehen. Dass man es irgendwann einmal explizit erlaubt hat, ist dabei unerheblich.

Ipsissimus
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Mi 7. Dez 2011, 12:44 - Beitrag #23

Wer spricht von abschaffen? Niveau erzwingen.

Davon abgesehen hat für mich Privatfernsehen nichts mit Pressefreiheit zu tun. Es geht ja nicht um die Nachrichtensendungen und auch nicht um politische Sendungen sondern um Unterhaltung. Und wenn wir es mit den Menschenrechten ernst meinen - meinen wir nicht, ich weiß, aber solange wir so tun, als ob - gilt es genau so, Menschen vor sich selbst zu schützen wie darum, sie vor anderen zu schützen.

Lykurg
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Mi 7. Dez 2011, 12:59 - Beitrag #24

janw sprach in #17 davon. Niveau zu erzwingen würde allerdings eine Verstärkung des Skriptzwangs bedeuten - möchtest du festlegen, daß bei Interviews grundsätzlich zunächst eine auf ihre geistige Schöpfungshöhe zu prüfende Schriftform vorliegt? :D

Schutz des Individuums und der Öffentlichkeit sind gewichtige Rechte und staatlich-gesellschaftliche Aufgaben, müssen aber stets auch mit der jeweiligen Freiheit abgewogen werden. Wenn Leute sich dazu hergeben wollen (und davon gibt es anscheinend wirklich viele! Es scheint schwer zu sein, in diese Sendungen hineinzukommen...), finde ich es eine Grenzüberschreitung der staatlichen Fürsorge, sie dahingehend zu entmündigen, indem man es verbietet. Das fällt schon in den Bereich einer Geisteskontrolle. Das Publikum kann man aber ohnehin kaum noch wirksam daran hindern, zu gucken, was ihm paßt; und was hier nicht produziert werden darf, wird eben importiert.

Selbstverständlich sind auch die Privatsender durch das Presserecht geschützt. Ein staatliches Fernsehmonopol ist nicht zufällig der Status quo in vielen Diktaturen. Auch wenn die Privatsender durch Werbung und Unterhaltungssendungen Einnahmen und Publikum generieren müssen - schließlich haben sie kein GEZ-System mit dessen grenzenloser Selbstbedienungsfunktion Bild - liefern sie doch Ergänzungen zur Nachrichtenlandschaft, seien es Spiegel TV oder Wissenssendungen oft meinetwegen fragwürdigen Niveaus, aber jedenfalls ein Mehrangebot über das staatlich gebotene hinaus; wichtig finde ich jedenfalls, daß es eine Alternativstruktur gibt.

@Anaeyon/Padreic: Ich bin ebenfalls eher unbegabt darin, "Scripting+schlechtes Schauspiel" von "Befangenheit vor der Kamera" zu unterscheiden. Insofern wäre mir ein solcher Hinweis prinzipiell auch sehr recht; allerdings gehöre ich generell nicht zu den Betrachtern derartiger Sendungen, da bevorzuge ich dann doch echte, offene Fiktion.

Ipsissimus
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Mi 7. Dez 2011, 13:31 - Beitrag #25

wie gesagt, es geht mir nicht um Nachrichtensendungen oder politische Magazine sondern lediglich und explizit um den Bereich "Unterhaltung". Soviel Differenzierungsvermögen ist auch anderen Orts möglich, warum soll hier ausschließlich die Subsumierung möglich sein?

Der Schutz, der hier hinterfragt wird, ist ja gar nicht der Schutz der Pressefreiheit sondern der Schutz kommerzieller Interessen. DIE stehen aus meiner Sicht ganz gewiss nicht über dem Schutz der Persönlichkeit. Und es geht dabei auch weniger um die Gestaltung eines einzelnen Interviews sondern um die Bewertung eines Sendungs-Konzepts. Warum soll das nicht über diverse, zu diskutierende Kontrollmechanismen möglich sein? Die Filmindustrie kontrolliert sich ja auch per FSK. Warum soll das der Unterhaltungssendungs-Industrie nicht zumutbar sein?

Und schlimmer umgekehrt: warum sollen deren Zumutungen einer wehrlosen Öffentlichkeit pauschal zumutbar sein?

janw
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Mi 7. Dez 2011, 23:37 - Beitrag #26

Naja, ich sehe konkret in diesen gescripteten Formaten, aber letztlich auch in der allgemeinen Programmgestaltung der Privatsender eine Verletzung der in den Lizenzvereinbarungen genannten Anforderungen, die IMHO Konsequenzen haben müsste. Sofern diese Anforderungen noch irgendeine Bedeutung haben sollen, muss ihre Verletzung auch zum Lizenzentzug für die Sender führen können.

Vielleicht wäre es aber in der Tat wirkungsvoller, den Sendern eine Änderung ihrer Programme aufzuerlegen, hin zu mehr Information und mit Ausschluss gescripteter Formate. Dann würden sie sich vielleicht aus wirtschaftlichen Gründen selbst erledigen.


Allerdings kommt man nicht ganz umhin, die Niveau-Diskussion auch bei einigen öffrechtlichen Sendern zu führen, z.B. hinsichtlich des Vorabend-Programms.
Es ist schon bemerkenswert, wie sehr vertiefende Programminhalte in die späten Abendstunden verlagert werden, außerhalb des Wahrnehmungsraumes der breiten Bevölkerung. Von wirklich querdenkerischen, nicht systemkonformen Interviews zu schweigen. Bedenklich in meinen Augen auch, wie sehr durch die talkshows den Akteuren des Politbetriebs eine Bühne zur weitgehend unreflektierten Präsentation gegeben wird.

e-noon
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Do 8. Dez 2011, 10:56 - Beitrag #27

Wenn Leute sich dazu hergeben wollen (und davon gibt es anscheinend wirklich viele! Es scheint schwer zu sein, in diese Sendungen hineinzukommen...), finde ich es eine Grenzüberschreitung der staatlichen Fürsorge, sie dahingehend zu entmündigen, indem man es verbietet.

Offenbar gibt es, wie Maglors im anderen Thread verlinkter Thread zeigt, Menschen, die (hier am Beispiel der Sendung 'Frauentausch') tatsächlich aus hehren Motiven an diese Sendungen herangehen, die nicht wissen, dass alles gescriptet ist, und den Zuschauern einmal eine nette, friedliche Familie zeigen wollen. Gegen die Klauseln des Vertrages oder deren Umsetzung sollte man tatsächlich rechtlich vorgehen können, beispielsweise eine Ausstrahlung verhindern, wenn man sich dadurch in seiner Würde verletzt fühlt oder nachweisen kann, dass man manipuliert oder getäuscht wurde.

Etwas anderes ist die Ausstrahlung freiwillig gedrehten und freiwillig gesendeten Materials an Menschen, die sich das ebenso freiwillig ansehen.

Und wenn wir es mit den Menschenrechten ernst meinen - meinen wir nicht, ich weiß, aber solange wir so tun, als ob - gilt es genau so, Menschen vor sich selbst zu schützen wie darum, sie vor anderen zu schützen. [...] warum sollen deren Zumutungen einer wehrlosen Öffentlichkeit pauschal zumutbar sein?

Eine herrliche Begründung eines absoluten Rauchverbots, aber auf das Fernsehen angewandt ergibt es wenig Sinn. Die 'wehrlose' Öffentlichkeit ist in keiner Weise wehrlos, sie kann weggucken, umschalten, ausschalten, den Fernseher verkaufen, hinauswerfen oder - der Königsweg - sich erst gar keinen Fernseher anschaffen. Wehrlos ausgeliefert ist man den Sendungen ganz sicher nicht...

Lykurg
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Do 8. Dez 2011, 16:09 - Beitrag #28

Ipsissimus, ich sehe solche Sendungen als direkte Folge des Vorhandenseins der Privatsender bei gegenwärtig herrschendem Geschmack - und ihnen einen bestimmten, wesentlichen Teil ihres Angebots zu verbieten, ist entsprechend ein absoluter Schlag gegen sie. Möglicherweise wären Alternativen denkbar, ich sehe sie aber nicht und sehe als Alternative, daß ausländische Sendungen die Lücke füllen.
Zitat von e-noon:Offenbar gibt es, wie Maglors im anderen Thread verlinkter Thread zeigt, Menschen, die (hier am Beispiel der Sendung 'Frauentausch') tatsächlich aus hehren Motiven an diese Sendungen herangehen, die nicht wissen, dass alles gescriptet ist, und den Zuschauern einmal eine nette, friedliche Familie zeigen wollen. Gegen die Klauseln des Vertrages oder deren Umsetzung sollte man tatsächlich rechtlich vorgehen können, beispielsweise eine Ausstrahlung verhindern, wenn man sich dadurch in seiner Würde verletzt fühlt oder nachweisen kann, dass man manipuliert oder getäuscht wurde.

Etwas anderes ist die Ausstrahlung freiwillig gedrehten und freiwillig gesendeten Materials an Menschen, die sich das ebenso freiwillig ansehen.
Dem stimme ich zu, allerdings ist die Unterscheidung aus der Außensicht schwierig, möglicherweise stellt es sich zT auch für den Teilnehmer der Sendung im Moment ihres Drehs anders dar als wenn er sie drei Monate später am Bildschirm bewundern kann und feststellt, daß er nicht so cool rüberkommt, wie er eigentlich dachte. Oder wenn andere das feststellen und ihm freundlich mitteilen. ;) Nachträgliches Vorgehen ist dann in meinen Augen schwierig, irgendwo brauchen auch die Sender eine gewisse Rechtssicherheit.

Besonders schwierig wird es übrigens mE für Verfechter einer Einschränkung dieser Sendungen, wenn die Drehbuchautoren und Regisseure sich auf ihre künstlerische Freiheit berufen. Ein Kunstwerk, an dem die Teilnehmer aus eigenem Willen gegen Bezahlung partizipieren, durch staatliche Maßnahmen verbieten oder einschränken? Finde ich sehr fragwürdig; allenfalls kann man den Zugang erschweren, also Jugendschutzkriterien anlegen, aber dafür würde ich dann gern eine ausgefeilte Begründung sehen, die auch vor Gericht Bestand hat.

Maglor
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Do 8. Dez 2011, 19:05 - Beitrag #29

Das Publikum kommt gewissermaßen das Programm, das es verdient. Ich selbst zähle wahrscheinlich eher zu den nicht werberelevanten.

Viele kennen vielleicht den beliebten Untertitel: Während der Dreharbeiten wurden keine Tiere verletzt oder getötet.
In Filmen Abwandlungen kommt die diese Floskel im Abspann von aufwendigen Spielfilmen mit tierischen Darstellern.
Der Satz ist glaube ich nicht aus rechtlichen Gründen hinzugefügt, sondern für die Zuschauer, deren Empörungskultur seit vielen Jahr hoch (ggf. auch flach) entwickelt ist - ich glaube seit Free Willy.

Vielleicht wäre ja sowas angebracht:
Während der Dreharbeiten wurden keine Familien zerstört.
Während der Dreharbeiten wurden keine Bauern entwürdigt oder gedemütigt.
:crazy:

Bauer sucht Frau ist insofern harmlos, als das Kinder und Minderjährige in der Regel nicht vorkommen.

aimless
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Fr 9. Dez 2011, 10:03 - Beitrag #30

Ich schau regelmäßig Bauer sucht Frau :)
Die Agrarwissenschaften an meiner Uni veranstalten sogar zum Staffel-Finale eine Weihnachtsvorlesung - mit einer guten Portion Selbstironie.

Im Laufe der Staffeln konnten man immer mehr feststellen, dass nach Drehbuch gearbeitet wurde, so offensichtlich, dass es in der letzten Staffel zu heftigen Diskussionen kam, ob RTL sich ihre Bauern selbst zurecht caste.
Die Produzenten von Bauer sucht Frau spielen doch eigentlich nur mit Emotionen und vor allem mit Vorurteilen und Stereotypen von einer Bevölkerungsschicht. Der dumme Bauer, der nichts im Haushalt kann, der plump, grob und naiv im Umgang mit den zumeist städtischen Damen umgeht und am besten noch so weltfremd ist, dass er nicht mal mehr des Hochdeutsch fähig ist und deshalb in der eigenen Sprache untertitelt werden muss.

"Unterschichten-Fernsehen" funktioniert doch auch so. Stereotypische Arbeitslose, die sich mit der ARGE streiten, die unrealistische Unternehmenspläne haben, Teeniemütter sind usw.
Fernsehen erfüllt für mich bisher immer die Funktion, entweder irgendwas unterhaltsames oder etwas neues, informatives, nicht erreichbares zu sehen. Weshalb für die "Unterschicht" ihr eigenes Leben produziert wird, ergibt für mich keinen Sinn.

Deutschland möchte seine Vorurteile und Vorstellungen von bestimmten Bevölkerungsschichten bestätigt sehen und das Privatfernsehen lieferts.
Bauer sucht Frau in anderen Ländern zeigt übrigens weniger verschrobene Bauern, in Übersee waren es meistens attraktive, junge Bauern. Da kann man sich nur die Frage stellen, weshalb man in Deutschland ein eher negatives Bild von Bauern hat.

Ipsissimus
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Fr 9. Dez 2011, 11:16 - Beitrag #31

ich nehme weniger an, dass diese Menschen zurecht gecastet werden als vielmehr, dass sie in Stresssituationen allein gelassen werden. Das Bewusstsein, jetzt hält eine Kamera auf mich, das, was ich jetzt rede und mache wird bald von Millionen Menschen gesehen und wahrscheinlich belacht werden, kann auch bei eloquenten Menschen, die derartige Situationen nur einfach nicht gewohnt sind, zu unsicherem Verhalten führen. Kommt noch die Pseudointimität derartiger Situationen hinzu und, zumindest bei einigen, dass sie wohl tatsächliche Sehnsucht und Hoffnung mit diesem Weg der Partnerfindung verbinden - ich möchte nicht in der Haut dieser Vorgeführten stecken. Für mich ist das Körperverletzung, Freiwilligkeit hin oder her.

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