Bauer sucht Frau oder der Untergang des Abendlandes durch schwarze Magie?

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Ipsissimus
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Di 6. Dez 2011, 10:32 - Beitrag #1

Bauer sucht Frau oder der Untergang des Abendlandes durch schwarze Magie?

http://www.stern.de/kultur/tv/bauer-sucht-frau/bauer-sucht-frau-inka-bauses-nullmedium-1759256.html

... Und manchem Laien-Mimen fallen die kruden und gestelzten Sätze hörbar schwer: "Aber es ist ja nicht das Ende, sondern der Anfang von einem ganz tollen Leben", holpert Uwe am Bahnhof seiner Iris am Ende der Hofwoche als kleiner Alltagsphilosoph hinterher - kein Wunder, denn wie formulierte schon Enzensberger die große Herausforderung so treffend: "Es ist bekanntlich recht schwierig und erfordert Übung und Konzentration, über längere Strecken hinweg absolute Nonsens-Sätze zu produzieren, denen keine wie auch immer geartete Deutung unterlegt werden kann."

Nun, nach einer (Be-)Deutung jenseits von Quoten und verkauften Werbeminuten zu suchen, verbietet sich bei diesem TV-Format tatsächlich von selbst. Nein, viel lieber lassen wir an dieser Stelle noch einmal den weisen Essayisten zu Wort kommen, der schon 1983 konstatierte, der Idealfall bleibe allerdings auch fürs Fernsehen unerreichbar, denn der vollkommenen Leere könne man sich nur asymptotisch annähern: "Die Meditation führt nicht ins Nirwana, die Versenkung gelingt allenfalls punktuell, aber nicht endgültig, der kleine Tod ist nicht der große." Weshalb der Bildschirm auch nie sein großes Vorbild einholen werde - Kasimir Malewitschs "Schwarze Quadrat aus dem Jahre 1915, das, strenggenommen, alle Sendungen des Nullmediums überflüssig macht".
Der Enzensberger aber auch, hätte ich ihm gar nicht zugetraut. Was das ganze mit Karl Kraus zu tun hat? Vermutlich nichts^^ der würde sich bedankt haben^^

was haltet ihr so vom Prekariatsfernsehn? Eine Zumutung, auch für´s Prekariat, oder?

e-noon
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Di 6. Dez 2011, 10:51 - Beitrag #2

Es ist schwer zu sagen, was das Prekariat als Zumutung empfindet, dazu müsste ich erst einmal wissen, wer darunter zählt; ich denke nicht, dass ich da jemanden kenne. Es sei denn, der Umkehrschluss wäre gültig und jene, die sich so etwas ansähen, gehörten zum Prekariat, dann würde ich schon Leute kennen, die dazugehören.

Für mich ist es jedenfalls eine Zumutung, ich denke, es gibt aber einige, für die es das nicht ist. Ich kenne jedenfalls eine Dame, die regelmäßig so etwas guckt, überhaupt sind (ältere) Damen (Hausfrauengeneration) prädestiniert für derartige Sendungen.

Für mich ist Fernsehen generell zu einer Zumutung geworden, es gibt sehr wenige Sachen, die ich mir anschaue, und die gibt es auch auf DVD. Vielleicht würde ich anderes sagen, wenn ich noch einen Fernseher hätte, wer weiß. Es gibt jedoch viele Menschen, die sich gerne sinnlos berieseln lassen, ich kenne solche Menschen auch und die empfinden es nicht als Zumutung, sondern eher als eine Art Freak Show, einen Jahrmarktswagen komplett mit Kleinwüchsigen, Haarigen Damen und sprechenden Hunden.

Padreic
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Di 6. Dez 2011, 11:28 - Beitrag #3

Ich kenne eine Reihe intelligenter Leute, die häufiger 'Bauer sucht Frau' schauen - die es wohl ebenfalls als eine Art Freak-Show betrachten.

Ipsissimus
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Di 6. Dez 2011, 11:31 - Beitrag #4

offenbar sind das aber keine Freaks, das Konzept bedient sich gescripteter Realität. Ich frage mich, was für ein Menschenbild die Macher der Sendung haben müssen.

Lykurg
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Di 6. Dez 2011, 12:48 - Beitrag #5

Eben das macht es ja noch fragwürdiger, insbesondere diejenigen, die es sich mit spöttischem Grinsen über "die da" ansehen, fallen letztlich darauf herein, daß das gezeigte Menschenbild, selbst wenn es realistisch sein sollte, ein künstliches ist; damit wird das ganze eine reichlich zynische Angelegenheit.

janw
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Di 6. Dez 2011, 13:46 - Beitrag #6

Ipsi, ich fürchte, in deren Augen handelt es sich um Konsumenten^^

Vor einigen Tagen wurde in den Nachrichten über eine Dame berichtet, die an einer ähnlichen Sendung teilgenommen hatte und sich durch die - für sie unerwartete - Scriptung verletzt, sinngemäß zum Freak degradiert fühlte.
Offenbar ist demnach die Tatsache der Scriptung oder deren Bedeutung in weiten Teilen des Publikums nicht bekannt, die Teilnehmer werden damit überrumpelt - und machen entweder mit, weil sie ja unbedingt einen Partner finden, die Wohnung oder Kneipe günstig und mit Beratung neu einrichten oder ähnliches wollen, oder sie steigen aus und schweigen, aus Scham oder wegen der drastischen Schweigeklauseln in den Verträgen.

In meinen Augen ist das ein Fall, den sich die für die Lizenzvergabe zuständige Behörde ansehen sollte, das läuft auf arglistige Täuschung der Beteiligten hinaus und anderes.
Im Grunde müssten die Sendungen mindestens, wie bei Krimis gelegentlich praktiziert, mit einem Disclaimer versehen werden.

Zumutung fürs Prekariat...nun, meine dieser Schicht zuzuordnenden Schöler sehen die entsprechenden Sender offenbar mit Vergnügen, und auch außerhalb dieser Schicht finden sie scheinbar Anklang. Der Hinweis auf die Scriptung wird dann mit "...aber etwas wird ja da schon noch stimmen, oder?" beantwortet.

Ipsissimus
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Di 6. Dez 2011, 14:22 - Beitrag #7

die eigentlichen Freaks sind in meinen Augen die Macher derartiger Sendungen, die sind ähnlich schwer zu goutieren wie manche Politiker.

Das mit dem Prakariat, ich weiß nicht, Jan. Ich mag diesen Begriff eigentlich überhaupt nicht und verwende ihn fast immer nur mit einem ironischen Unterton. Andererseits wäre es dumm zu bestreiten, dass derartige Sendeformate diese spezifischen Zielgruppe im Auge haben, so inhomogen diese Gruppe auch sein mag, und zumindest die Werbeleute achten drauf, dass diese Formate auch geschaut werden. Es scheint also tatsächlich ein Publikum zu geben. Und das kann ich mir im Grunde nicht vorstellen.

Lykurg
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Di 6. Dez 2011, 14:46 - Beitrag #8

Eindeutig gibt es ein Publikum, ich kenne sogar im studentischen Umfeld Leute, die es sich ansehen, ähnlich, wie manche Bild lesen, [vorgeblich] um sich daran zu erheitern. Die Mechanismen sind ähnlich (und mein gelegentliches Lesen von Bildblog, eben um sich an dessen Ereiferung darüber zu ergötzen, betreibt das Spiel ja ebenfalls). Dinge zu ignorieren, ist ab einem gewissen Bedrängungsgrad eben nicht genug - und der ist bei "Bauer sucht Frau" wohl erreicht, wenn mich die neuesten Ereignisse daraus schon auf der GMX-Startseite ansprungen. :rolleyes:

Möglicherweise würden die Leute sogar das Testbild gucken, wenn man ihnen nichts anderes vorsetzte. Die Möglichkeit, sich an der Dummheit anderer zu erbauen (unabhängig davon, was daran 'wahr' ist; eine so weit gehende Frage dürfte sich den meisten auch nicht stellen), wird demgegenüber aber deutlich bevorzugt.

e-noon
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Di 6. Dez 2011, 14:54 - Beitrag #9

Von der Scriptung nicht gewusst zu haben, können Matrixmember spätestens seit diesem Thread nicht mehr für sich beanspruchen. Ich denke aber, dass die genannten Punkte (im Wesentlichen eine Freakshow bzw. Gelegenheit für billige Lacher und Überlegenheitsgefühle) der wesentliche Auslöser sind.

Noch eine These: Manche Leute haben einfach nichts besseres zu tun. Das Elend der Menschen, die ihre Würde für einen Bauernhof verkaufen, ist immer noch angenehmer zu beobachten als das eigene.

janw
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Di 6. Dez 2011, 15:05 - Beitrag #10

Ipsi, ich tue mich mit dem Begriff ähnlich schwer, benutze ihn sonst auch eher selten. Er trifft ja auch von seiner ursprünglichen Bedeutung her nur unvollständig zu, er wurde ja geprägt zu Charakterisierung zunehmender Instabilität in der Arbeitswelt, und die greift ja nun weit in die Gesellschaft hinein.

Mein Beobachtungsraum sind Männer meist mittleren Alters, die aus irgendwelchen Gründen frühzeitig aus dem Bildungssystem ausgeschieden sind, irgendwann mit dem Gesetz in Konflikt geraten und nun wieder etwas lernen wollen, vielleicht mit dem Ziel eines Schulabschlusses.
Dort scheint RTL das meistkonsumierte Fernsehpogramm zu sein, und deutliche Kritik oder Distanzierung ist kaum zu vernehmen.

Daneben habe ich mal in einem anderen Forum festgestellt, daß die gescripteten Sendungen auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen, etwa Hausmenschen oder Büroangestellte mit Haupt- bis Realschulabschluss, nicht wenig gesehen werden, auch dort offenbar mit wenig Wissen oder Reflektiertheit über die Scriptung, aber teils deutlichem Interesse an den Personen - wer kennt sie real?, manche sind sogar an den Höfen vorbei gefahren, um selbst etwas zu sehen.

Es gibt also leider ein Publikum, die Frage ist nur, ob es sich um dasselbe handelt, das früher mißgebildete Menschen und Tiere auf Jahrmärkten angesehen hätte, oder ob es eine neue Form von Voyeuren ist, durch das Fernsehen allmählich in diese Richtung geprägt.

Die Macher...ich vermute mal, früher wären sie Wirte geworden^^
Die Arbeitssklaven ihrer Sender, denen sie ausgeliefert sind.

IMHO gibt es nur ein Mittel, und das hieße Lizenzentzug.

Lykurg
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Di 6. Dez 2011, 15:46 - Beitrag #11

Lizenzentzug ist, wie immer, ein viel zu hart greifendes Mittel; wenn das hier praktiziert würde, fände ich es angemessen, für die Pressefreiheit auf die Barrikaden zu steigen. Denn mit welcher Maßgabe willst du hier die Lizenz entziehen, meinst du, daß das Programm der geistigen 'Volksgesundheit' schadet? Ich könnte die Argumentation in gewisser Weise ja sogar teilen, aber das gilt doch mindestens so sehr für die derzeitige Berichterstattung über (man setze ein beliebiges Thema ein, von NPD-Parteitag bis Castor-Demo)...

Allenfalls könnte man gerichtlich die Verletzung von Persönlichkeitsschutzrechten ahnden, wobei zu ermitteln wäre, inwieweit die Sender sich mit den Verträgen dagegen abgesichert haben. Möglicherweise könnte man auf diesem Weg hohe Geldstrafen oder sogar die Einstellung entsprechender Formate erreichen. Wenn die Verträge aber wasserdicht sind (und nicht gegen die guten Sitten verstoßen und daher ungültig sind, was ja auch noch sein könnte), sehe ich wenig Handhabe. Es ist eine der unschönen Eigenschaften von Freiheit, daß man sie zu sehr verschiedenen Zwecken gebrauchen kann; und viele sehen darin einen Mißbrauch - ich eventuell auch.

Das bedeutet aber auch, daß man (soll ich Rosa Luxemburg zitieren?^^) selbst "Bauer sucht Frau" auch einfach toll finden darf, wenn man das möchte. Und daran sollte einen keiner hindern (dürfen).

Ipsissimus
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Di 6. Dez 2011, 15:56 - Beitrag #12

100prozentige Versteuerung aller Werbeeinnahmen wäre auch nicht schlecht^^

ad Pressefreiheit: ich habe das immer als Makel empfunden, dass Pressefreiheit nicht an qualitative Mindeststandards gebunden ist. Tatsächlich sehe ich die Pressefreiheit durch das Verbot, beschissene Sendungen zu produzieren, bei weitem nicht so sehr bedroht wie die Demokratie durch eine derartige Auffassung von Pressefreiheit.

Die Ahndung derartiger Verträge wäre ein ganz gutes Mittel. Manche Verträge gelten per se als sittenwidrig, warum das nicht auf die Vorführung und Demütigung von Menschen ausweiten?

Niemandem soll übrigens Bauer sucht Frau genommen werden^^ man könnte nur vielleicht eine Sendung draus machen^^ es ist so ähnlich wie bei den Casting-Shows, sie können DSDS-like aufgezogen werden, geladen mit Häme für ihre Protagonisten, oder wie The Voice of Germany, getragen von Respekt. Natürlich kann der eigene Stil und Gusto niemandem abgesprochen werden. Einen Bildungsauftrag darf man aber trotzdem allen Medien zumuten.

Lykurg
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Di 6. Dez 2011, 16:14 - Beitrag #13

Zitat von Ipsissimus:ad Pressefreiheit: ich habe das immer als Makel empfunden, dass Pressefreiheit nicht an qualitative Mindeststandards gebunden ist. Tatsächlich sehe ich die Pressefreiheit durch das Verbot, beschissene Sendungen zu produzieren, bei weitem nicht so sehr bedroht wie die Demokratie durch eine derartige Auffassung von Pressefreiheit.
Platon bestimmt auch. Wenn nur diejenigen Leute sich öffentlich äußern dürfen, die bestimmte Standards erfüllen, ist es schon mal sehr viel ruhiger im Land. Ob man Qualität mit geistigem Anspruch oder mit einem Kreuzchen im Personalausweis verbindet, ist dann eigentlich nur noch eine (Welt-)Anschauungsfrage. Bild

Die Zwangsversteuerung von Werbeeinnahmen ist eine Form von Enteignung, auch ihrerseits nur verkappte Kontrolle. Wer soll darüber entscheiden, Gerichte? Die FSK-Kommission? Der Presserat? Ein staatliches Kontrollgremium? Ich habe große Zweifel daran, daß das die Sache verbessern könnte.
Einen Bildungsauftrag darf man aber trotzdem allen Medien zumuten.
Es wäre schön, wenn man das könnte. Erfahrungsgemäß gucken die Leute dann aber weg. Welche Videos haben auf Youtube die meisten Treffer? Stars mit ihren Musikvideos ziehen natürlich immer, und alles, was nur im Entferntesten in den Freakshow-Bereich gehört. Unter den aktuellen Youtube-Kategorien hat Bildung jedenfalls nur Videos mit geringer Trefferzahl (und das, obwohl die Inhalte auch schon kaum unter diesen hehren Titel passen). Noch schlimmer steht es da höchstens im Bereich Gemeinnütziges Engagement ("In dieser Liste sind keine Videos vorhanden."), möglicherweise ist das symptomatisch.^^

e-noon
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Di 6. Dez 2011, 16:41 - Beitrag #14

Ein gelegentlicher Perspektivwechsel soll ja gut für die geistige Beweglichkeit sein. ^^


Tatsächlich sehe ich die Pressefreiheit durch das Verbot, beschissene Sendungen zu produzieren, bei weitem nicht so sehr bedroht wie die Demokratie durch eine derartige Auffassung von Pressefreiheit.
Ich vermute, mit diesem Satz stimmt irgendetwas nicht.

Einen Bildungsauftrag darf man aber trotzdem allen Medien zumuten.
Allen Medien? Auch privaten Fernsehsendern? Das wäre die Abschaffung oder grundlegende Veränderung nicht nur aller "X sucht Y"- Formate, sondern auch der meisten Talkshows, Gewinnshows, durchaus auch beliebter wie "Wetten, dass...?", der Pseudonachrichten und der Pornokanäle. So sehr man das auch wollen kann, man darf es nicht erzwingen. Und wer würde denn bestimmen, welche Bildungsinhalte vermittelt werden dürfen oder müssen und welche nicht?

Manche Verträge gelten per se als sittenwidrig, warum das nicht auf die Vorführung und Demütigung von Menschen ausweiten?

Ja, warum. Zum einen, weil es sehr schwierig ist, für alle zu bestimmen, was Vorführung und Demütigung ist, insbesondere, wenn man sich freiwillig und bewusst für diese meldet (diese würde ich bei 'Bauer sucht Frau' ausschließen, man bekommt das Skript zu lesen und kann sich dann immer noch weigern, denke ich). Zum anderen, weil es meines Wissens (noch?) nicht verboten ist, Menschen lächerlich zu machen, solange man sie nicht beleidigt, was hier wohl nicht unbedingt der Fall ist. Ich denke auch, dass man Menschen gutes Benehmen nicht aufoktruieren kann, man muss es ihnen beibringen und sie dazu erziehen.

Lizenzentzug ist, wie immer, ein viel zu hart greifendes Mittel; wenn das hier praktiziert würde, fände ich es angemessen, für die Pressefreiheit auf die Barrikaden zu steigen.

Das sehe ich ebenso. Es gibt natürlich eine 'nette' Alternative zu solchen Shows, aber gerichtlich anzuordnen, dass Fernsehen nur noch nett und lehrreich zu sein habe, wäre ein grober Eingriff in die Pressefreiheit.
Anders sieht es aus mit Schmutzkampagnen eines uns allen bekannten, verabscheuungswürdigen Boulevardblatts. Hier sollte man deutlich strikter vorgehen und Menschen, die eindeutig nicht eingewilligt haben, vor Eingriffen in ihre Privatsphäre schützen. Das passiert zu selten, darf aber deswegen nicht in einen Topf geworfen werden mit Sendeformaten, die ein sehr niedriges Niveau haben - Niveaulosigkeit darf man nicht verbieten, da man sonst in die Lage gerät, als Minderheit für eine Mehrheit zu bestimmen, was Niveau ist. Wie Jan schreibt - der größte Teil des Publikums ist sich der Verwerflichkeit, die diese Sendungen in unseren Augen innehaben, nicht bewusst.

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Di 6. Dez 2011, 17:05 - Beitrag #15

Anders sieht es aus mit Schmutzkampagnen eines uns allen bekannten, verabscheuungswürdigen Boulevardblatts. Hier sollte man deutlich strikter vorgehen und Menschen, die eindeutig nicht eingewilligt haben, vor Eingriffen in ihre Privatsphäre schützen. Das passiert zu selten, darf aber deswegen nicht in einen Topf geworfen werden mit Sendeformaten, die ein sehr niedriges Niveau haben - Niveaulosigkeit darf man nicht verbieten, da man sonst in die Lage gerät, als Minderheit für eine Mehrheit zu bestimmen, was Niveau ist. Wie Jan schreibt - der größte Teil des Publikums ist sich der Verwerflichkeit, die diese Sendungen in unseren Augen innehaben, nicht bewusst.
Ich stimme dir zu, mein Vergleich war gegenüber "Bauer sucht Frau" eine unzulässige Herabsetzung.^^ Der Wahrheitsgehalt der Sendung dürfte auch größer sein als der einer durchschnittlichen Ausgabe ebendieses Mediums. Vermutlich braucht der Presserat deutlich härtere Werkzeuge als die z.Zt. praktizierte Rüge bzw. Mißbilligung; sinnvoll wären ggf. zu verhängende hohe Strafzahlungen an wohltätige Zwecke bzw. an die Opfer, mit automatischer Steigerung im Wiederholungsfall. Die Sanktion würde die Angemessenheit ihrer Höhe genau dann zeigen, wenn sie die sofortige Einstellung entweder der Praxis oder des nicht genannten Mediums erreicht.^^

Ipsissimus
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Di 6. Dez 2011, 17:20 - Beitrag #16

Brot und Spiele^^ die Idee greift immer noch^^

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Di 6. Dez 2011, 17:22 - Beitrag #17

Zitat von Lykurg:Lizenzentzug ist, wie immer, ein viel zu hart greifendes Mittel]
Nun, zunächst mal ist das Privatfernsehen nicht selbständig aus dem Nichts erschienen wie die Presse, sondern es wurde aktiv gesetzgeberisch ermöglicht, um 1985 unter Kohl. Mithin könnte es auch jederzeit wieder abgeschafft oder in seiner Ausprägung beeinflusst werden, ohne daß dies zwangsläufig in jedem Falle einen justiziablen Eingriff in die Pressefreiheit darstellen würde.
Die Regulierungsbehörde knüpft sogar die Lizenzen an bestimmte einzuhaltende Standards, wie Mindestinformationsanteile u.ä., sie könnte diese auf bestimmte Sendungsformen, die für den Zuschauer eine Trennung von Realität und Scriptung nicht mehr erlauben, oder in denen Teilnehmer mit falschen Versprechungen geködert und dann mit Verträgen geknebelt werden, ausdehnen.

Ehrlich gesagt, trifft die Sache mit der "geistigen Volksgesundheit" nach meinem Eindruck die Sache leider auf den Kopf, das Fernsehen ist das manipulative Medium schlechthin, Neil Postman hat hierzu eigentlich alles Wesentliche gesagt.

Die Berichterstattung über aktuelle Themen ist immer noch journalistische Berichterstattung, über reales Geschehen, nicht immer gelungen, aber mit dem Ziel der Vermittlung der jeweiligen Themen.

Zitat von e-noon:Ja, warum. Zum einen, weil es sehr schwierig ist, für alle zu bestimmen, was Vorführung und Demütigung ist, insbesondere, wenn man sich freiwillig und bewusst für diese meldet (diese würde ich bei 'Bauer sucht Frau' ausschließen, man bekommt das Skript zu lesen und kann sich dann immer noch weigern, denke ich). Zum anderen, weil es meines Wissens (noch?) nicht verboten ist, Menschen lächerlich zu machen, solange man sie nicht beleidigt, was hier wohl nicht unbedingt der Fall ist. Ich denke auch, dass man Menschen gutes Benehmen nicht aufoktruieren kann, man muss es ihnen beibringen und sie dazu erziehen.

Die Tatsache der Scriptung wird den Teilnehmern erst offenbar, wenn der/die Aufnahmeleiter/in sie auffordert, dies oder jenes zu tun, und sie Mißfallen erkennen lassen. Dann erfahren sie, daß sie es tun müssten, weil es im Script so vorgegeben sei und sie ja unterschrieben hätten, den Anweisungen der Aufnahmeleitung Folge zu leisten.

Das Maß an Vorführung der Teilnehmer in den Sendungen läuft für mich auf das programmierte Gegenteil von gutem Benehmen und Erziehung hinaus.

Maglor
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Di 6. Dez 2011, 19:19 - Beitrag #18

Der Sendeplatz um 20:15 Uhr, wenn ich nicht irre, zielt klar auch auf ein berufstätiges Publikum ab. Die Sendung ist sicher nicht speziell für Hausfrauen, gelangweilte Arbeitslose, Schüler etc. konzipiert worden, sondern für die ganze Familie - oder schlimmeres.
Meiner Einschätzung nach spricht die Sendung vor allem Frauen (jeden Alters) an, für die vorgeführten angeblichen "Bauern" gilt das nur bedingt.

Die Sendung unterscheidet sich von ähnlichen Formaten wie Herzblatt, Big Brother, dass hier gezielt gegen genau bestimmte Bevölkerungsgruppen polemisiert wird: Sogenannte "Bauern", Leute vom Land, alleinstehende Männer.
Das Muster ist natürlich simpel, der Zuschauer gekommt Leute auf die er herabschauen kann. Zum Glück treffe im realen Leben schon genug innerlich wie äußerlich häßliche Menschen, sodass ich nicht mehr so viel fernsehen muss. :rolleyes:

Einigen gescheiterten Existenzen gelingt so immerhin der Aufstieg in B-Prominenz. Einzelne "Bauern" konnten nach Sendung und weiteren medialen Auftritt ihre Schulden bezahlen oder lange überfällige Renovierungen auf dem Hof finanzieren.
So gesehen bringt die Show auch etwas. ;)

Im übrigen teile ich die Befürchtung, dass nur eine Minderheit der Zuschauer die Inszenierung durchschaut und verweise darauf, dass ich noch immer zu haben. :crazy:

Lykurg
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Di 6. Dez 2011, 19:40 - Beitrag #19

@janw: Wenn man die Privatsender abschaffte oder ihren Informationsanteil massiv zu Ungunsten der Unterhaltung erhöhte, wäre das der große Durchbruch fürs Internetfernsehen. Das werden wir im Zweifel eh in wenigen Jahren als Selbstverständlichkeit haben, aber ein solches Verhalten würde es beschleunigen.
Die Tatsache der Scriptung wird den Teilnehmern erst offenbar, wenn der/die Aufnahmeleiter/in sie auffordert, dies oder jenes zu tun, und sie Mißfallen erkennen lassen. Dann erfahren sie, daß sie es tun müssten, weil es im Script so vorgegeben sei und sie ja unterschrieben hätten, den Anweisungen der Aufnahmeleitung Folge zu leisten.
Wer bei Vertragsunterschrift nicht merkt, daß er dabei zugestimmt hat, sich den Anweisungen der Aufnahmeleitung gemäß zu verhalten, ist für die Folgen im Zweifel auch selbst verantwortlich. Wir können natürlich eine bedingte Vertragsmündigkeit für die gesamte Unterschicht einführen, vielleicht gekoppelt an das einmalige Einschalten von RTL, zu vermerken im Perso. Zack, weg ist die Geschäftsfähigkeit, vielleicht auch gleich das Wahlrecht. Ein gutes Modell?

@Maglor: Generell teile ich deine Einschätzung, gerade was den Durchschauungsgrad angeht. Darauf kommt es aber auch weniger an, die Leute sehen es ja nicht aus Informations-, sondern aus Unterhaltungsbedürfnis, und dafür ist der Wahrheitswert letztlich irrelevant. Über Zeiten, in denen Texte ihre Wahrhaftigkeit mit (fingierten) Quellenbelegen oder -behauptungen bewerben mußten, wären wir, dachte ich, seit einigen Jahrhunderten hinaus (auch wenn gerade wieder die 'nach einer wahren Begebenheit'-Filme rollen).

OT: Komischerweise hätte ich aber forenintern bei "Bauer sucht Frau" immer eher an Bauer-Ranger als an dich gedacht... /OT

janw
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Di 6. Dez 2011, 22:55 - Beitrag #20

Zitat von Lykurg:@janw: Wenn man die Privatsender abschaffte oder ihren Informationsanteil massiv zu Ungunsten der Unterhaltung erhöhte, wäre das der große Durchbruch fürs Internetfernsehen. Das werden wir im Zweifel eh in wenigen Jahren als Selbstverständlichkeit haben, aber ein solches Verhalten würde es beschleunigen.

Das ist mir auch durch den Kopf gegangen, allerdings wären dann diese Sendungen eben Teil des universellen Datenmülls im Netz, anstatt letztlich unter öffentlicher Regie befindliche Sendekanäle zu verstopfen. Ob es diese Sendungen dann noch gäbe, wo im Netz die Werbeerreichbarkeit der Zuschauer so schwer zu messen ist, damit wömöglich weniger Werbeeinnahmen zu erzielen wären als im Fernsehen...?
Darin sehe ich generell die Crux des Internet-Fernsehens.

Wer bei Vertragsunterschrift nicht merkt, daß er dabei zugestimmt hat, sich den Anweisungen der Aufnahmeleitung gemäß zu verhalten, ist für die Folgen im Zweifel auch selbst verantwortlich. Wir können natürlich eine bedingte Vertragsmündigkeit für die gesamte Unterschicht einführen, vielleicht gekoppelt an das einmalige Einschalten von RTL, zu vermerken im Perso. Zack, weg ist die Geschäftsfähigkeit, vielleicht auch gleich das Wahlrecht. Ein gutes Modell?

Zu unterschreiben, sich an Weisungen zu halten, besagt nicht, um Art und Ausmaß dieser Weisungen zu wissen. Menschen, die an solchen Sendungen teilnehmen, tun dies, weil sie sich etwas davon erhoffen, auf das ihnen von den Sendervertretern Hoffnung gemacht wird, und dann vertrauen sie eben. Und nicht nur sie werden getäuscht, auch die Zuschauer denken, daß das wahr sei, was da in den Sendungen passiert.

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