Nach dem peinlichen 0:0 gegen Island in der EM-Qualifikation liegen die Nerven blank. Nach dem Schlusspfiff gab es hitzige Wortgefechte zwischen DFB-Teamchef Rudi Völler und den anwesenden Berichterstattern des übertragenden Senders ARD.
Experte Günter Netzer hastete nach dem zwischenfall eiligst aus dem Laugardalsvöllur-Stadion von Reykjavik und wollte sich zu den überzogenen Äußerungen von Rudi Völler nicht mehr erklären, Waldmar Hartmann nahms dagegen eher locker und dachte über ein gemeinsames Weißbier mit dem DFB-Teamchef nach - und Gerhard Delling dachte laut und sehr bestimmt über die Grundsätze seiner Arbeit und die seiner ARD-Kollegen auf.
"Das Spiel war nicht besser, als wir es gesagt haben. Das ist unsere journalistische Arbeit. Das kann ich mir auch von Herrn Völler nicht verbieten lassen", meinte der Moderator, nachdem der Teamchef die Berichterstatter des "Ersten" auf unflätige Weise wegen ihrer Kritik über das 0:0 angegriffen hatte. "Wir haben ihn nicht unter der Gürtellinie angegriffen", stellte Delling klar und reagierte damit vor allem auf die Angriffe von Völler auf seine Person ("Ich kann den Scheiß von dem nicht mehr hören. Der soll doch lieber 'Wetten, dass...' machen").
Erste Konsequenzen gab es allerdings: Zu einem gemeinsamen Weißbier von "Waldi" Hartmann mit dem Teamchef am Sonntag kam es nicht. Das zuvor fest zugesagte Interview in der ARD-Sportschau wurde von DFB-Pressesprecher Gerhard Meier-Röhn noch am Samstagabend abgesagt. Dieser Version widersprach am Sonntag vor dem Rückflug nach Deutschland allerdings der für TV-Auftritte im Deutschen Fußball-Bund (DFB) zuständige Meier-Röhn: "Es gab keine Absage, weil es auch keine Zusage gegeben hat."
Trotz - oder gerade wegen - des Völler-Ausrasters will die ARD auch beim nächsten EM-Qualifikationsspiel gegen Schottland am Mittwoch keinesfalls zur Schönrednerei übergehen. "Wir werden unsere Arbeit keinen Deut verändern", erklärte Delling kategorisch. Auf eine förmliche Entschuldigung besteht der NDR-Sportchef nicht, meinte aber: "Ich fände es schön, wenn er darüber noch einmal nachdenken würde."
Während Chef-Kritiker Netzer von Völler noch relativ harmlos attackiert wurde ("Ich kann mich noch gut erinnern, was die früher für schlechte Spiele gemacht haben"), unterstellte der Teamchef "Waldi" Hartmann mit Weißbier-Anspielungen eine schlechte Arbeitsmoral - entschuldigte sich aber noch in der laufenden Sendung dafür. Für den jovialen Bayern, der sich über ein Aufsehen erregendes Interview freute, war die Sache damit auch vergessen. Schließlich habe er Völler ja auch gar nicht kritisiert. "Ich war nur der Kollateralschaden", meinte Hartmann grinsend.
Der Teamchef entschuldigte sich zumindest bei Hartmann für seine Entgleisung, die knallharten Vorwürfe gegen die Chefkritker der Nation verschärfte er nach seinen ersten Attacken im ARD-Live-Interview nach dem Spiel aber noch einmal. "Alle diese Gurus wie Beckenbauer, Netzer oder Breitner, die total mit ihren Aussagen überziehen, kann ich nicht mehr hören. Die müssen zwar irgendwie ihren Lebensunterhalt verdienen, aber alleine diese Respektlosigkeit dem Gegner gegenüber ist eine Unverschämtheit. Und bei uns, immer wieder alles in den Dreck zu ziehen, ist nicht richtig. Das lasse ich mir im Gegensatz zu meinen Vorgängern nicht mehr lange gefallen. Ich klebe nicht wie Berti Vogts oder Erich Ribbeck an meinem Stuhl", drohte der 43-Jährige, noch bis zur WM 2006 beim DFB unter Vertrag, sogar unverblümt mit Rücktritt.
Bei einem möglichen Scheitern in der EM-Qualifikation, die nach wie vor auf direktem Wege aus eigener Kraft in den ausstehenden Heimspielen am Mittwoch gegen Schottland am 11. Oktober in Hamburg im Rückspiel gegen die Isländer geschafft werden kann, scheint Völlers Demission beschlossene Sache.
Durch den Zwist zwischen Völler und den ARD-Journalisten wurde zumindest von den Hauptschuldigen des fußballerischen Offenbarungseids abgelenkt - den Spielern. Ob sie den Schalter bis zum Mittwoch umlegen können, wenn es gegen Berti Vogts' Schotten geht, bleibt angesichts diverser Aussagen fraglich. Siehe Christian Wörns: "Ich hoffe, dass Rudi Völler den Job noch lange macht und nicht Erich Ribbeck zurückkommt."
An langfristigem Ärger sind zumindestaber offenbar beide Seiten nicht interessiert. Die ARD hat schließlich unlängst zusammen mit dem ZDF für 390 Millionen Euro vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) ein umfangreiches Rechte-Paket erworben. Darin unter anderem enthalten: alle Heimspiele der deutschen Fußball-Nationalmannschaft und der DFB-Pokal bis 2009.