"Tote gehören zum Fußball dazu" - nur ein Alptraum?

[janw]

Nach den Fankrawallen von vor ein paar Tagen in Italien, bei denen ein Polizist getötet wurde, lies sich ein Vertreter des italienischen Fußballbundes mit den Worten vernehmen, Tote gehörten zum Fußball dazu, seien Teil des Veranstaltungsgeschehens.
Deutliche Worte, die an die Rechtfertigung antiker Gladiatorenkämpfe erinnern lassen, in dem Sinne, das Volk wolle Blut sehen. Worte, die aber eigentlich nicht in die moderne Zeit passen, wie diese landläufig gesehen wird - aber...wo bleiben die Proteste?
Ist es wirklich so weit, daß die angeblich schönste Nebensache der Welt - oder, hrm, war das nicht mal etwas anderes...?^^ daß jedenfalls aus einem Sport blutiger Ernst geworden ist, vielleicht noch heute nur unter den Fans, bald auch auf dem Platz?
Wenn, woran liegt das?
Ist es die allgemeine soziale Kälte, die um sich greift, das zunehmende jeder-für-sich, oder ist es die Kommerzialisierung, die der Fußball für sich geschaffen hat, die sich jetzt von ihrer anderen, grausamen Seite zeigt?
Warum wird einer wie dieser Fußball-Manager nicht sofort zurückgepfiffen, seine Aussagen als Mißverständlich oder ähnliches relativiert - United Colors of Benetton in Sound?

[Tille_65]

Ich finde es totalen Schwachsinn bei Fussballspielen zu randalieren. Feiern auf der Südtribüne oder sonstige Steh- und Sitzplätze - Ja, aber gewaltsam gegen Gegenstände oder gar Menschen anzugehen ist für mich unerklärlich. Daher verstehe ich auch die Rechtfertigung des Vertreters nicht. Sport ist da um Spass zu haben, sei es auf dem Platz oder als Zuschauer, aber nicht um gezielt Menschen zu verletzen oder Sachbeschädigung zu verursachen. Ich bin dafür dass Randalierer, die schonmal aufgefallen sind eine Sperre für Stadien bekommen oder gar ein komplettes Verbot. Doch dies muss man erstmal umsetzen können. Deshalb wird es wohl noch eine Weile dauern, bis die Störenfriede aus Stadien verbannt werden.

[Ipsissimus]

Grau, teurer Freund, ist alle Theorie und grün des Lebens goldner Baum

Seitens Funktionären und Sportlern müßte vielleicht irgendwann einmal verstanden werden, daß Fußball als soziales Phänomen nicht den aktuellen Rahmenbedingungen, sozialen Spannungen und Missständen einer Gesellschaft enthoben ist, sondern daß diese Sportart gerade durch ihren Massencharakter bestens dazu geeignet ist, dem tatsächlichen Geschehen einer Gesellschaft Ausdruck zu verleihen. Die politische Absichtshaltung ist dabei klar: Fußball ist Teil der uralten "Brot und Spiele"-Strategie, mit der die Massen schon im römischen Reich bei der Stange gehalten wurden.

Dieses Kalkül geht solange auf, bis es bricht, was immer mal wieder, wenn auch nur lokal begrenzt, passiert. Daß es gelegentlich bricht und warum es so selten bricht, kann mit ein und derselben Antwort beschieden werden: die Strategie ist halt gut, die Abspeisung der Leute mit Ersatzbefriedigungen funktioniert solange, wie die Leute kein elementares Elendserleben am eigenen Leib auszuhalten haben^^

Der Funktionär hat insofern die Wahrheit gesagt, als Tote Teil der Inszenierung sein können; es stört niemanden. Wurde die Übertragung vor zig Jahren denn abgeschaltet, als bei den Auseinandersetzungen im Heyselstadion in Brüssel an die 40 Fans getötet wurden? Die Inszenierung, die Quote, ist das Wichtige, ob es mit Freude oder mit Entsetzen dahergeht, ist demgegenüber völlig sekundär. Andererseits ist es schon verwunderlich, daß der Funktionär nicht gemaßregelt wurde, denn es ist natürlich politisch unklug, sowas so deutlich zu sagen^^