Europäisches Niveau

[janw]

*Grummel*

Bei diesem Rasenpilz-Liga-Kram frage ich mich nur, was das mit europäischem Niveau zu tun hat - wenn man nicht die Koppelung zwischen der Existenz dieser Klasse per se und dem ihr innewohnenden Repräsentativitätsanspruch als entsprechende Aussage ansehen will.

Eine Niveauaussage erfordert normalerweise eine Begründung in einem den Betrachtungsraum umfassend repräsentierenden Stichprobenumfang, den die CL in meinen Augen nicht im Geringsten darstellt. Sie umfasst einen kleinen Kreis kapitalstarker Sportunternehmen, die aber mitnichten ein Bild des Leistungsstandes ihrer Länder vermitteln, das zu tun sie aber in Werbung und vermittelt durch Kommentatoren suggerieren.

[Traitor]

Aha, die Repräsentativität einer selektierten Spitzengruppe für die Gesamtverteilung - das ist doch genau das gleiche Thema, mit dem ich mich derzeit als Forschungsarbeit beschäftige.

Ein verwandter (quasi weiter zugespitzer) Aspekt ist der, dass der Champions-League-Sieg nur bedingt Rückschluss auf die "beste Mannschaft Europas" zulässt, insbesondere, weil es trotz des Namens keine Liga, sondern ein Pokalwettbewerb im KO-System ist (abzüglich Gruppenphase) und in 2 Begegnungen pro Runde (sogar nur eine im Finale) der Zufallsfaktor deutlich größer ist.

Umgekehrt werden aber die Teilnehmer der CL (und der darunter angesiedelten EL) in den (meisten) nationalen Ligen über 30 oder mehr Spiele ermittelt. Dass die Teilnehmer die spielstärksten Mannschaften ihrer Länder sind, ist also schon eine deutlich sicherere Korrelation.

Was damit aber noch nicht abgedeckt ist, ist die Frage, ob der Vergleich "beste 3 Vereine von Land A gegen beste 3 Vereine von Land B" repräsentativ für "beste 18 Vereine von Land A gegen beste 18 Vereine von Land B" ist, und so weiter hochskaliert. (Spätestens am Ender der jeweiligen 1. Liga abzuschneiden, ist aber relativ evident.) Das wird inzwischen auch in der Presse gerne mal diskutiert, insbesondere erfreut sich die These "Die Bundesliga ist im Schnitt / insgesamt gerechnet die stärkste Liga Europas" - gefolgert daraus, dass sie die ausgeglichenste ist, selbst Bayern München nicht so sehr dem Mittelfeld per Klassenunterschied überlegen wie Real und Barca in Spanien oder ManU, ManC, Arsenal, Chelsea in England - recht großer Beliebtheit, ist aber eben wegen der Selektiertheit der Europapokalwettbewerbe natürlich nicht datenuntermauert.

[Ipsissimus]

ist doch alles egal, München ist im Finale^^

[janw]

Traitor, in meinen Augen ging es von vorneherein nicht um einen sportlichen Wettbewerb, sondern es handelt sich um ein reines Drehen an der Marketing-Schraube.
Einfach ein paar scheinrationale Gründe mehr für Spiele, die sich vermarkten lassen.

Ipsi, ja, alles gal, wenn der Rubel rollt^^

[Ipsissimus]

Jan, wir sind hier im Bereich des Profisports, und das hat recht wenig damit zu tun, dass die Sportler von ihrem Sport leben können. Der Sport hat spätestens seit der Öffnung der olympischen Spieler für Profis seine Unschuld, die vorher mit den "Staatsamateuren" des Ostblocks schon angetastet war, ganz und gar verloren. Seither ist Sport ein Industriezweig wie jeder andere auch, und die Vision dessen, was Sport einmal gewesen sein mag - die Besseren sollen gewinnen -, existiert nur noch als zunehmend verblassende Halluzination in den Erinnerungen älterer Menschen.

Es kommt hinzu, dass Sport schon immer ein Ersatzkrieg war. Wenigstens diese Funktion erfüllt er heute noch, und wer weiß schon, wieviele echte Kriege verhindert wurden, weil im geeigneten Augenblick der richtige Sportler gewonnen hat.

Die großen europäischen Mannschaften erfüllen eine soziale Aufgabe im Rahmen der allgemeinen Brot und Spiele-Strategie, mehr nicht. Wenn du Sport um des Sports willen sehen willst, schau dir Fussballspiele in der Kreisliga C an^^

[janw]

Ipsi, mir geht es darum, daß zum einen diese Industrie sich selbst immer noch den Glorienschein des Sports um des Sports willen gibt, und dies durch die Medien weiter gestützt wird, zum anderen finde ich es bedenklich, welchen Raum diese Industrie durch die beständige Reichweitenausdehnung durch immer mehr solche vermeintlichen Spitzenspiele und deren mediale Verbreitung bekommt. Es ist Industrie, und hat damit IMHO nichts in den Programmen zu suchen - zumindest sollte es dort nicht mit dem Glorienschein versehen werden.

Weshalb es irgendeinen Wert haben solle, etwas nicht direkt Notwendiges höher, schneller oder weiter als andere zu machen, hat sich mir bisher nie erschlossen.

[Ipsissimus]

Weshalb es irgendeinen Wert haben solle, etwas nicht direkt Notwendiges höher, schneller oder weiter als andere zu machen, hat sich mir bisher nie erschlossen.

na ja, irgendwo habe ich mal gelesen, Menschen seien kompetitiv angelegte Wesen; sie definieren sich, und das heißt ihren Wert, über den Vergleich mit anderen Menschen. Nenne es dumm, aber die Beobachtung scheint doch erklärungsmächtig zu sein^^

daß zum einen diese Industrie sich selbst immer noch den Glorienschein des Sports um des Sports willen gibt

aber doch nicht im Fußball der Profiligen

und dies durch die Medien weiter gestützt wird

Brot und Spiele kann heute ohne Medien nicht mehr funktionieren

und ja, es ist Industrie, aber Menschen sind offenbar nicht nur kompetitiv, sie wollen offenbar auch betrügen und betrogen werden

[janw]

na ja, irgendwo habe ich mal gelesen, Menschen seien kompetitiv angelegte Wesen]
Menschen scheinen auch einen Hang zum magischen Denken zu haben...^^

Mag sein, daß meine eigene Lebenserfahrung mich sehr abweisend gegenüber Kompetitivätsideologien gemacht hat, zumindest im körperlichen Bereich.

aber doch nicht im Fußball der Profiligen

Dann ist dieser Zwanziger wohl ein 20er, daß er immer von Fainess und Sport tut gut redet, wenn er über Fussball spricht. Die Spieler kann man vielleicht entschuldigen, die wissen eh nicht, wovon sie reden.

Brot und Spiele kann heute ohne Medien nicht mehr funktionieren

und ja, es ist Industrie, aber Menschen sind offenbar nicht nur kompetitiv, sie wollen offenbar auch betrügen und betrogen werden

Und subtil gegeneinander aufgebracht werden.

[Ipsissimus]

Zwanziger

Zwanziger war zulange Funktionär, der hat zuletzt wahrscheinlich geglaubt, was er lügt^^ Berufsrisiko^^

Und subtil gegeneinander aufgebracht werden

Feindbilder haben etwas Entspannendes^^

[janw]

Zwanziger war zulange Funktionär, der hat zuletzt wahrscheinlich geglaubt, was er lügt^^ Berufsrisiko^^

Aber irgendwie hat sich das in die Köpfe gefressen, der Vater meines kleinen Neffen redet auch schon so, wenn er stolz begründet, warum der Kleine bald in die Kindergruppe von Arminia gehen soll.
Initiation in den Kreis der Sportisten^^

Feindbilder haben etwas Entspannendes^^

Sportismus ist das neue Yoga^^

[Ipsissimus]

tja, so einfach, wie es dieses Jahr hätte sein können, wird es so bald nicht wieder werden für die Münchner. Mal sehen, wie lange diese Mannschaft noch zusammen bleibt, ich rechne eigentlich mit massiven Spielerabwanderungen.

[janw]

Ist das nicht eigentlich das Gegenteil von Mannschaft, den immer wieder genannten 11 Freunden? Im Grunde ist es doch eine zusammengewürfelte Söldnertruppe und "die Münchner" damit schon länger tot.

[Ipsissimus]

Kennst du irgendeine andere Mannschaft von europäischem Niveau, bei der das anders ist? Oder auch nur in der Bundesliga? Bedauerlich, ja. Aber bedauerlich ist vieles.

[janw]

Das wird überall so sein, das stimmt.

Kennst Du ein Land auf dieser Erde, wo der Traum Wirklichkeit ist...?^^

[janw]

Tja, vor Kurzem noch die Nummer Eins, absolutes Schwergewicht des deutschen Fußballs, haben die Bayern ziemlich kläglich gegen Chelsea verloren.
Ein Patzer, Formtief oder Symptom von etwas Tiefergreifendem? Oder einfach nur Ausdruck dessen, daß nichts für endlose Dauer gilt?

[Ipsissimus]

aut Caesar aut nihil^^ also Hybris^^

Dreimal bestens dotierter zweiter Platz, da würden andere sich "von" schreiben.

[Padreic]

Kläglich? Sie haben eigentlich insgesamt ganz gut gespielt, nur ihre Elfmeter nicht so toll geschossen. Auch das Elfmeterschießen war natürlich eine knappe Kiste (bei Schweinsteiger waren es, wenn ich es recht gesehen hab, wirklich nur Cechs Fingerspitzen), aber man muss sagen, dass da Chelsea mehr individuelles Niveau gezeigt hat. Im eigentlich Spiel konnte ich zwar eine gute Verteidigungsleistung von Chelsea sehen, aber nicht, dass der FC Bayern irgendwie schlechter gespielt hat.

Einer Mannschaft europäisches Niveau abzusprechen, nur weil sie die Championsleague nicht gewonnen hat, finde ich übrigens ohnehin etwas gewagt. Chelsea hat immerhin auch vorher Barcelona rausgeschmissen, denen man das europäische Niveau ja auch nicht ganz absprechen würde. Und Bayern hat Real rausgeschmissen, die ihre beste Saison seit langem gespielt haben.

[Ipsissimus]

das sehe ich ganz ähnlich, Padreic. Andererseits ist es schon so, dass gerade Bayern München mehr an seinem Anspruch gemessen wird als andere, vielleicht gerade wegen ihres überselbstbewussten Auftretens

[Traitor]

tja, so einfach, wie es dieses Jahr hätte sein können, wird es so bald nicht wieder werden für die Münchner.

Ob die anderen so viel schwächer geworden sind, wage ich zu bezweifeln, und selbst wenn, dafür sind dann andere wiederum viel stärker geworden, oder willst du andeuten, Traitor, das spielerische Niveau der CL hat sich in diesem Jahr vorsätzlich so tief abgesenkt, dass sogar München wieder eine Chance hat?^^

]Tja, vor Kurzem noch die Nummer Eins, absolutes Schwergewicht des deutschen Fußballs, haben die Bayern ziemlich kläglich gegen Chelsea verloren.[/QUOTE] Siehe Padreic, kläglich war das definitiv nicht. Sie waren spielerisch deutlich überlegen, es fehlte "nur" die entscheidende Kreativität auf den letzten 5m und ein sicherer Chancenverwerter als Gomez. Ein Gegentor kann immer passieren, aber zwei eigene hätten es mindestens sein müssen.
Und ob die deutsche Nummer Eins genug für internationale Wettbewerbe ist, ist hier eben die Frage. Derzeit gilt aber offensichtlich, dass die deutsche Nummer Zwei gut genug zur Europäischen Nummer Zwei ist, und dass die Korrelation zwischen nationaler und internationaler Klasse nicht sehr eng ist - insbesondere, weil national eine Liga und international ein Pokalwettbewerb gespielt werden.

Andererseits ist es schon so, dass gerade Bayern München mehr an seinem Anspruch gemessen wird als andere, vielleicht gerade wegen ihres überselbstbewussten Auftretens

Das ist aber nur in Deutschland eine Besonderheit. Den anderen nationalen Spitzenklubs geht es mindestens genauso. In Madrid ist sogar schon ein Trainer nach dem Gewinn der Champions League entlassen worden, weil er sie nicht schön genug gewonnen hat - ein gewisser Jupp Heynckes übrigens. ]Mal sehen, wie lange diese Mannschaft noch zusammen bleibt, ich rechne eigentlich mit massiven Spielerabwanderungen.[/QUOTE]Was eine Besonderheit der Bayern ist, sind ihre dauernden Probleme zwischen Stamm- und Bankbesetzung. Die meisten anderen europäischen Spitzenklubs haben ihre Positionen doppelt bis dreifach stark besetzt, während bei Bayern für die nächste Saison schon eine große Krise droht, nur weil ein bis zwei offensive Mittelfeldspieler zu viel da sind. Da die Erfahrung lehrt, dass sie da keine Ruhe rein kriegen, sollten sie Robben wohl eigentlich gehen lassen. Und Müller wird wohl, wenn er nicht wieder eine grandiose Nationalmannschafts-Leistung zeigt, weitgehend in der Versenkung verschwinden. Ansonsten dürfte da aber kaum einer zu viel sein, nur vorne und hinten müsste Verstärkung/Verbreiterung her.

[Ipsissimus]

Hilfe^^ Matthias Sammer wird Sportdirektor beim FCB^^ die Endzeit ist angebrochen^^

http://www.spiegel.de/sport/fussball/fc-bayern-neuer-sportdirektor-matthias-sammer-vor-grossen-aufgaben-a-842122.html
http://www.stern.de/sport/fussball/bundesliga/fc-bayern-sammer-loest-nerlinger-als-sportdirektor-ab-1849719.html