Robert Enke gestorben

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Ipsissimus
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Do 12. Nov 2009, 13:18 - Beitrag #21

natürlich wird der Lokführer seinen Schock erlitten haben; wenn er aber ein auch nur einigermaßen rationaler Mensch ist und den Vorfall nicht mystifiziert, sollte er genauso schnell und folgenlos wieder drüber weg kommen können. Das Leid, das Enke seiner Frau angetan hat - "du reichst nicht aus, du warst nicht genug, um mich zu halten" - schätze ich da als schwieriger zu überwinden ein.

Da ich die Käßmann nicht persönlich kenne, kann ich deine Einschätzung nicht überprüfen, Lykurg. Von einem Selbstmörder zu sagen, er habe das Leben geliebt, erscheint mir aber in benahe jedem Kontext als dummes Geschwätz.

Nur kann ich mir persönlich auch schlecht vorstellen, dass wenn ich seit einigen Wochen quasi den Entschluss gefasst habe, zu sterben und mich vor allen, die mich kennen verstelle - dann denk ich mir doch bestimmt nicht "Hey, ruf ich doch einfach mal irgendwen Wildfremden an. Der wird's richten!"


das sehe ich im wesentlichen genauso, Lani. Die Seelsorgen können hilfreich für jene sein, die noch Hilfe wollen; für die entschiedenen Selbstmordkandidaten sind sie irrelevant

Lykurg
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Do 12. Nov 2009, 15:08 - Beitrag #22

Ipsissimus, ich bin mir ganz sicher, daß die Lokführer das mal eben so locker wegstecken, und schnell und folgenlos darüber hinwegkommen. Bild
Darüber hinaus beschrieb mir einmal ein Bekannter, der bei der Feuerwehr war, wie es ist, die weit verteilten Leichenteile aus den Gleisen sammeln zu müssen. Hoffentlich kann man sich davon rational distanzieren, und selbstverständlich ist das nicht vergleichbar mit dem täglichen Leid der Angehörigen (die aber auch ihren Weg finden werden, damit zurechtzukommen!). Aber es gehört sicherlich nicht zu den angenehmsten Erfahrungen jemandes Lebens.

Aus der wiedergegebenen Passage wird nicht deutlich, in welchem Zusammenhang das gesagt wurde. Möglicherweise sagte sie auch etwas wie "Er hat das Leben geliebt, berichteten mir Freunde und Familie, aber dann traf ihn ein Schicksalsschlag, den er nie mehr verwinden konnte, der ihn tiefgreifend veränderte und in dessen Folge er es nicht mehr ertragen konnte, weiterzuleben." Ich weiß nicht, ob Käßmann mit der Witwe gesprochen hat oder mit wem auch immer (persönlich kenne ich sie natürlich auch nicht), bin aber jedenfalls mißtrauisch gegenüber einer so offensichtlich schludrigen Zusammenfassung und würde ihr keinerlei Wert als Beweisstück für "Zynismus" beilegen.
Die Seelsorgen können hilfreich für jene sein, die noch Hilfe wollen; für die entschiedenen Selbstmordkandidaten sind sie irrelevant
Das ist so korrekt wie banal. Wer nicht mehr anrufen will, dem kann auf diese Weise nicht mehr geholfen werden. Für andere ist es eine unter Umständen lebensrettende Möglichkeit.

Ipsissimus
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Do 12. Nov 2009, 15:49 - Beitrag #23

Zitat von Lykurg: Das ist so korrekt wie banal. Wer nicht mehr anrufen will, dem kann auf diese Weise nicht mehr geholfen werden. Für andere ist es eine unter Umständen lebensrettende Möglichkeit.


daraus folgt eben, dass die Seelsorgen den wirklich Selbstmord-Entschlossenen nicht helfen können, sondern nur denen, deren Selbstmordwunsch oder -drohung tatsächlich nichts anderes als ein verkappter Hilfeschrei ist. Das schmälert nicht die Leistung der Seelsorgen, aber hier ging es eben nicht um die Spiegelfechter oder Erpresser, denen auch bei normaler Aufsuchung eines Psychologen hätte geholfen werden können

Die Käßmann hat das wohl in ihrer Predigt beim Gedenkgottesdienst gesagt. Mehr weiß ich auch nicht drüber. So pauschal, wie du die Möglichkeit einer verbalen Gedankenlosigkeit zurückweist, scheinst du allerdings doch mehr über sie zu wissen^^

e-noon
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Do 12. Nov 2009, 17:03 - Beitrag #24

@Lykurg: Sehr gute Artikel. Es ist offensichtlich, dass der Selbstmörder mit dieser speziellen Art zu sterben andere tief traumatisieren und sogar deren Leben ruinieren kann. Bei den Angehörigen lässt sich das bei keiner Art des Selbstmords vermeiden - aber das Leid des Zugführers ist vermeidbar und daher umso schlimmer. Es gibt andere sichere Methoden. Verbrennen. Erschießen. Was auch immer. Wieso auch noch andere da mit reinziehen? Kann sein, dass der Selbstmörder in dem Moment nicht darüber nachdenkt. Trotzdem ist diese Art zu sterben eine der egoistischsten, die es gibt, im negativen Sinne, eben nur übertroffen davon, auch andere mit in den Tod zu reißen. Dass jemand depressiv ist, heißt nicht, dass er von jeder Schuld freigesprochen werden kann, zumindest für mich nicht. Wenn ich mich irgendwann vor den Zug werfen würde, wäre ich mir bewusst, dass ich beim Zugführer, bei meinen Angehörigen, bei den Rettungskräften, bei den Zuginsassen und allen anderen möglichen Beteiligten unnötig großes Leid auslöse. Und dann fände ich es auch richtig, wenn man mich dafür verurteilt. Depressiv und Arschloch schließen sich nicht aus, um es anders zu formulieren.

Ipsissimus
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Do 12. Nov 2009, 17:10 - Beitrag #25

ich könnte mir wirklich keinen besseren Beruf als Lehrerin für dich vorstellen, e-noon ^^

Padreic
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Do 12. Nov 2009, 19:14 - Beitrag #26

Ich will folgendes noch einmal zur allgemeinen Problematik des "asozialen" Selbstmords bemerken:
Es kennen sicherlich viele von sich, dass, wenn sie einmal richtig schlechte Laune haben, sich gegenüber anderem auch nicht in jedem Moment möglichst schonend verhalten. Es gibt Fälle von einem rational motivierten Selbstmord (beispielsweise in einem gesellschaftlich gefordertem Fall, wie z. B. zum Teil im alten Japan, oder mitunter auch bei schwerer Krankheit etc.), häufiger dürfte wohl eine sehr tiefgreifende seelische Krise der Grund sein. Auch wenn man sich wünschen mag, dass man auch in einer solchen noch versucht, alles möglichst schonend für alle durchzuführen, doch so richtig erwarten kann man das nicht. Depressionen bestehen ja gerade auch in diesem Gefühl der Kraftlosigkeit, des nicht-mehr-anders-Könnens, der teilweisen geistigen Umnachtung und gerade nicht in dem Bewusstsein der freien Wahl zwischen mehreren Möglichkeiten. Da von Arschloch zu sprechen, nunja, das finde ich ein wenig zynisch. Man mag sein Tun als schlecht empfinden, aber es ist schlecht aus Schwäche (vermutlich). Was nicht heißt, dass es nicht denkbar ist, dass er ansonsten ein Arschloch war, ich kenne ihn nicht persönlich, aber das aus der Selbstmordart zu schließen finde ich nicht angemessen.

e-noon
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Do 12. Nov 2009, 19:28 - Beitrag #27

Man mag sein Tun als schlecht empfinden, aber es ist schlecht aus Schwäche (vermutlich).
Schlecht aus Schwäche ist immer noch schlecht. Natürlich weniger schlecht, als wenn man schlecht aus Bösartigkeit ist, aber immer noch gravierend schlecht. Wie es einer der Lokfahrer in den Artikeln ausdrückte - "Wenn er sich nicht umgebracht hätte, hätte ich es wohl getan für das, was er mit mir gemacht hat." (sinngemäß).
Es kennen sicherlich viele von sich, dass, wenn sie einmal richtig schlechte Laune haben, sich gegenüber anderem auch nicht in jedem Moment möglichst schonend verhalten.
Ja, natürlich, das ist menschlich. Menschlich heißt aber nicht gleich gut. Egal wie verständlich das Verhalten ist, es ist immer noch schlecht. Anders gesagt: Ich würde mir wünschen, dass wenn schon jemand seine Frau und seine 8 Monate alte Tochter im Stich lässt, er dann wenigstens nicht auch noch X andere mit hineinzieht. Und wenn das jemandem in einem bestimmten Moment nicht möglich ist - wobei es nie jemandem möglich war, der es nicht tat - dann verhält sich dieser jemand in diesem Moment wie ein Arschloch.

Ipsissimus
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Do 12. Nov 2009, 19:54 - Beitrag #28

ich hatte mal einen Lehrer in Sozialkunde, der hat so was ähnliches versucht wie du, e-noon, absolute Werte bis zur Erbarmungslosigkeit zu vermitteln. Als ihm irgendwann überhaupt niemand mehr zugehört hat, musste er bemerken, dass er seinen eigenen Wertevorstellungen in der Praxis doch nicht gewachsen war. Er hat seinen Selbstmordversuch zwar überlebt, aber seine Ehe war da schon aussichtslos zerrüttet. Deine Werte lassen offenbar keinerlei Spielraum für Schwäche. Pass auf, dass du nicht eines Tages selbst an ihnen gemessen wirst, in einem Augenblick, in dem du unvorhergesehen und unverzeihlich schwach bist.

Milena
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Fr 13. Nov 2009, 00:17 - Beitrag #29

..der freitod eines menschen sollte respektiert werden...
immerhin hat er niemanden mit in seinen tod gezogen...
dass das ganze jetzt so aufgebauscht wird in den medien, klar, liegt in der natur der medien... er war halt bekannt....
nichtsdestotrotz liegst du e-noon mal wieder voll daneben mit deinen kommentaren und bezeichnungen dabei...

Amy
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Fr 13. Nov 2009, 01:29 - Beitrag #30

Zitat von e-noon:Depressiv und Arschloch schließen sich nicht aus, um es anders zu formulieren.

Meine Güte ...

Anderes Beispiel: Der Mann meiner Mutter hat sich ebenfalls umgebracht. Er hat nicht nur ihr damit großes Leid angetan, sondern auch seiner Tochter, die viel zu jung war, um wirklich eine fassbare Erinnerung von ihm behalten zu haben.

Wenn Elternteile, die - vor allem noch junge - Kinder haben, macht mich Selbstmord besonders fassungslos. Vielleicht spielt auch in manchen Fällen ein bisschen Wut mit. Natürlich auch der Gedanke: Weiß er nicht, was er damit den Hinterbliebenen antut?

Aber eine solche Aussage, von wegen "Arschloch und depressiv schließen sich nicht aus", bringt mich wirklich auf die Palme. (Nebenbei erstaunt es mich immer mehr, wie sehr du dich teilweise verändert hast. Bei deinen Kommentaren lese ich teilweise eigentlich nur noch Maurice heraus, was damals nicht der Fall war.)

Als Außenstehende kommt so ein Satz vielleicht leicht von den Lippen, aber hast du dich schon einmal in einen depressiven, selbstmordgefährdeten Menschen versetzt?
Sie sind sich sicherlich bewusst, welchen Schmerz und welche Lücken sie hinterlassen - und leiden unter diesen Schuldgefühlen noch mehr.
So sehr sie auch davon wissen ... wenn du einen bestimmten Punkt erreichst, sind sie nichtig. Nenn es egoistisches Verhalten, aber irgendwann blendest du das aus. Wenn du eine gewisse Grenze einer Depression erreicht hast, wo du nur noch den Tod als Ausweg siehst, wird die Stimme der Vernunft (die dich an Familie & Bekannte erinnert) ziemlich leise. Sie ist da, ja - aber leise. Und der Wunsch nach dem Tod ist lauter.
Man ist sich bewusst, was man "anstellt" und vertröstet sich mit Sätzen, wie "Die Zeit wird ihre Wunden schon heilen". Wären alle "depressiven Arschlöcher", die sich das Leben nehmen, so, wie du es beschreibst, würde es sicherlich nicht in den meisten Fällen einen Abschiedsbrief geben, in dem man sich entschuldigt. Für alles, was man den Geliebten angetan hat und mit dem Tod antut.

Nebenbei ... wenn ich mich jetzt entscheiden würde, meinem Leben ein Ende zu setzen und vor einen Zug zu springen, würde ich nur an meine Familie denken. Ganz ehrlich: an den Lokführer - egal, welchen Schock er durchgemacht hat - würde ich keinen einzigen Gedanken verschwenden. Ich bin mir nicht sicher, habe aber mit einem Kommilitonen gesprochen, der mir erzählte, dass der Zug es gar nicht "mitbekommen" hat. Also, dass auch der Lokführer sich gar nicht wirklich bewusst gewesen wäre, dass jemand erfasst wurde - aufgrund der Geschwindigkeit des Zuges.
Und wieso sollte auch den Zuginsassen bedacht werden? Wie gesagt: ein riesiger Zug gegen einen Menschen - die Erschütterung oder ähnliches dürfte minimal sein. (Natürlich kann ich es nicht bestätigen, weil ich noch nie in einem Zug in einer solchen Situation gesessen bin.) Als Insasse bekommst du wohl gar nicht wirklich mit, was passiert ist. Bis zu dem Moment, wo der Zug eben dann hält und eine Durchsage kommt.
Sicherlich ist es erschütternd für einen Insassen, an einem Selbstmord "teilgehabt" zu haben, aber ... denkst du, deren Leben ist jetzt ruiniert? Denkst du, die quälen sich jetzt Jahre mit dem Gedanken "Oh mein Gott, ich saß im Zug, der Robert Enke getötet hat!!"?
Das sind höchstens ein paar Wochen. Einige, die scharf auf Geld sind, werden als "Zeugen" ihre Geschichten, wie sie alles erlebt haben, an alle möglichen Blätter verkaufen, das war es.

Ich sage das nur, weil ich finde, dass man sich in solch einem Fall bitte nur auf die Familie (und Freunde, bzw. Kollegen) versteifen sollte und nicht auf Lokführer, Insassen und was weiß ich. Sonst müssen wir uns auch um den Rettungsdienst sorgen, der einen toten Mensch gesehen hat, etc.

Robert Enke wollte wohl einen schnellen und vor allem sicheren Tod - der Sprung vor den Zug war da wohl seine einzige Aussicht.
Alle anderen Varianten, die möglicherweise keine anderen Menschen betroffen hätte, wären dies nicht gewesen. (Jedenfalls fällt mir jetzt keine ein)

Und nach meinem ganzen Blabla möchte ich noch einmal betonen, dass auch ich den gewählten Freitod respektiere. So sehr ich mit seiner Frau und dem Kind auch mitleide. Aber er hat einfach keinen Ausweg mehr gesehen ...
Er hatte fast täglich psychologische Gespräche und hat allen etwas vorgespielt. Alles reines Schauspiel. Der Selbstmord war geplant und er wollte nur noch die Fassade aufrecht erhalten, bis er seine Chance sah.
Gespräche haben hier nichts geholfen ... Seine Entscheidung stand fest und er hat alle über seinen Zustand belogen.

Wenn dieser Schmerz so stark in ihm war, dass er den Tod gewählt hat, hätte ihn dieses Schauspiel - wenn er es noch länger für seine Familie aufrecht erhalten hätte - vollkommen ruiniert. Er hätte seine Frau erneut mit Leid belastet. Leid, noch bevor es zu dem endgültigen Schritt gekommen wäre.

Auch ich denke, dass der Verlust der Tochter eine Wunde bei ihm hinterlassen hat, die selbst die Zeit und auch die Adoptivtochter nicht heilen konnten.
Ehrlich gesagt denke ich, dass er vor seinem Tod auch beim Grab seiner Tochter gewesen war und dort fest entschlossen hat, dass er ihr folgen will ... Immerhin ist der Unfallsort nur 200 m von dem Friedhof entfernt.

Bei einem Gespräch mit meiner Mutter vorhin meinte sie, dass sie denke, dass ihn die Angst, man könnte ihm die Adoptivtochter nehmen, wenn die Sache mit den Depressionen ans Licht käme, in den Freitod getrieben hat. Das glaube ich aber nicht. Seine Frau hat zwar diese Angst ebenfalls in der Konferenz geäußert, aber ... ich weiß nicht, ob es wirklich jemals so weit gekommen wäre. Zwar kenne ich mich in dem Bereich nicht aus, aber entreißt man ein Kind der Familie bereits, wenn nur ein Elternteil depressiv ist ...? Da hätte es doch sicherlich Abhilfe gegeben, z.B. Kindermädchen und andere Unterstützung. Vielleicht auch nicht, da kenne ich mich nicht aus. Aber wieso sollte man einem - durch den Sport gewordenen - prominenten Paar das Kind nehmen, nur weil der Vater Depressionen hat? Hm.

Ich schließe mich bei diesen Vermutungen eher Traitor an.
Gleichzeitig kann ich mir den Schmerz vorstellen, wenn man über den Verlust der eigenen Tochter doch nicht hinweggetröstet wird, sondern vielleicht sogar jeden Tag wieder daran erinnert wird. Würde ich ein Kind verlieren, sähe ich wohl in jedem anderen Kind das meine. Jedes fremde Kindergesicht würde die Erinnerung wieder aufwirbeln und der Wunde somit keine Chance geben, zu verheilen.

Ach, ich mache jetzt Schluss ... irgendwie habe ich das Gefühl, ich drehe mich im Kreis. Und sicherlich vernichtet Sarah meinen Kommentar sowieso, von daher ... ;)

Lykurg
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Fr 13. Nov 2009, 03:29 - Beitrag #31

Mir gefällt der recht scharfe persönliche Tonfall nicht besonders, der in einigen der letzten Beiträge teilweise anklingt. Ich weiß, daß ich in der Hinsicht manchmal ebenfalls unsensibel bin, aber laßt uns lieber bei der Sache bleiben. -

Amy, ich kann mir ebenfalls schlecht vorstellen, daß Depressionen des Vaters ein Grund wären, den Eltern das Sorgerecht zu entziehen. Eine solche Regelung würde ja eine erhebliche zusätzliche Gefahr eben für den Betroffenen bedeuten.
Und auch ich respektiere selbstverständlich seine Entscheidung zum Suizid, wenn ich auch jedem wünschte, daß er eine Möglichkeit bekommt, in ein normales Leben zurückzufinden und es lebenswert zu finden.

Meine Kritik der gewählten Form bleibt erhalten. Die drei von mir verlinkten Artikel befassen sich mit den teilweise lebenslangen Traumatisierungen von Lokführern; wenn ihr das vernachlässigbar findet, dann brauchen wir nicht darüber zu reden. Der eine Artikel beschreibt auch, daß man im Führerstand jede Vogelkollision hört, um so mehr den Aufschlag eines Menschenkörpers. Aber das soll meinetwegen für diesen Einzelfall unerheblich sein. Nur - wenn wir jedem das Recht einräumen, so zu sterben, wie es ihm paßt, was haben wir dann gegen Selbstmordattentäter?

Auch ich denke, dass der Verlust der Tochter eine Wunde bei ihm hinterlassen hat, die selbst die Zeit und auch die Adoptivtochter nicht heilen konnten.
Ehrlich gesagt denke ich, dass er vor seinem Tod auch beim Grab seiner Tochter gewesen war und dort fest entschlossen hat, dass er ihr folgen will ... Immerhin ist der Unfallsort nur 200 m von dem Friedhof entfernt.
Das wußte ich nicht, finde es ebenfalls sehr wahrscheinlich (alternativ, daß er zuletzt von ihr Abschied genommen hat). In jedem Fall erklärt das auch die Todesart.

Ipsissimus
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Fr 13. Nov 2009, 13:12 - Beitrag #32

aber Lykurg, ich war doch geradezu um Milde bemüht^^ noch milder, ohne zu schweigen, kann man es doch beinahe nicht sagen, jedenfalls wäre das auch sehr viel schärfer möglich gewesen^^

aber zur Sache: Robert Enke war also egoistisch in seinem Selbstmord. Na und? Ist das außer für Lehrer, Inquisitoren und Moralphilosophen für irgendjemanden von Belang?

Erstens kenne ich keinen, absolut keinen Menschen, der nicht eine unsaubere Mischung aus egoistischen, sozialkompatiblen und jede Menge weiteren mehr oder weniger sinistren Antriebsmomenten ist. Warum wird dies dem Selbstmörder so besonders übel genommen?

Zweitens wird dieser Egoismus festgestellt von Menschen, deren eigene Egoismen sich vielleicht gerade nicht auf dem Gebiete des Suizids austoben - sie leben ja noch - dafür aber an 1000 anderen verborgenen und offenen Stellen. Was ist so besonderes am Selbstmörder?

Drittens ist das ein Multi-Perspektiven-Problem. Warum soll plötzlich die Perspektive des Lokführers zur ausschlaggebenden Bewertungsperspektive des ganzen geraten? Ach so, Robert Enke taugt nichts mehr zur Identifikationsfigur, sein Vorbildcharakter ist infrage gestellt. Scheiß drauf und scheiß auf die Medien, die Helden gerieren und darüber den Menschen vergessen. Ursprünglich hielt ich es übrigens für eine gute Idee von Frau Enke, das mit der Pressekonferenz. Mittlerweile könnte ich nur noch kotzen. "Die Frau, die Deutschland fasziniert" - das und anderer Geifer mistiger Journaille ist ihr zwar nicht anzukreiden, aber wenn sie nur eingermaßen etwas von dem ist, wie sie wirkt, dürfte sie das kalte Grausen nach der ersten entsprechenden Titelzeile gepackt haben (soviel auch zum Thema "Schärfe" ^^).


Wenn Menschen irgendwann anfangen, wirklich in sich hinein zu schauen und zu lauschen, entdecken sie dort Licht und Schatten in bunter Verteilung. Wenn sie das verstanden haben, wenn sie damit wirklich verstanden haben, was das über die Individuen der Gattung Mensch aussagt, dann erübrigen sich moralphilosophische Perspektiven. Bis dahin haben sie halt nichts vom Wesen des Menschen verstanden.

Ich glaube, darin liegt der einzige wirkliche Trost, den Frau Enke oder andere Angehörige oder Freunde von Selbstmördern jemals haben werden, auch wenn es ein harter Trost ist, der erst nach einiger Zeit seine Wirkung entfaltet. Aber er gräbt sich in die Abgründe.

e-noon
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Fr 13. Nov 2009, 15:02 - Beitrag #33

Zitat von Amy: Sonst müssen wir uns auch um den Rettungsdienst sorgen, der einen toten Mensch gesehen hat, etc.
Und das wäre natürlich absurd.

Robert Enke wollte wohl einen schnellen und vor allem sicheren Tod - der Sprung vor den Zug war da wohl seine einzige Aussicht.
Alle anderen Varianten, die möglicherweise keine anderen Menschen betroffen hätte, wären dies nicht gewesen. (Jedenfalls fällt mir jetzt keine ein)
Seit wann gilt ein Kopfschuss nicht mehr als sichere Selbstmordmethode?
Der Kopfschuss ist (neben dem Blattschuss des Jägers) eine der wenigen Schussarten, bei denen der Schütze beinahe sichergehen kann, dass das Opfer sofort oder wenige Sekunden später sterben wird.


Aber er hat einfach keinen Ausweg mehr gesehen ...
Er hatte fast täglich psychologische Gespräche und hat allen etwas vorgespielt. Alles reines Schauspiel.

Vielleicht wäre der Ausweg gewesen, sich auf diese Gespräche einzulassen und die Wahrheit über seinen Zustand zu sagen...

Wenn dieser Schmerz so stark in ihm war, dass er den Tod gewählt hat, hätte ihn dieses Schauspiel - wenn er es noch länger für seine Familie aufrecht erhalten hätte - vollkommen ruiniert.
Ganz im Gegensatz zu dem, was unter dem Zug mit ihm passiert ist... oder doch nicht?
Sie sind sich sicherlich bewusst, welchen Schmerz und welche Lücken sie hinterlassen - und leiden unter diesen Schuldgefühlen noch mehr.
So sehr sie auch davon wissen ... wenn du einen bestimmten Punkt erreichst, sind sie nichtig. Nenn es egoistisches Verhalten,
Genau das tue ich: Ein Verhalten, das im Bewusstsein um den sehr großen Schmerz anderer Personen ohne jede Chance auf Wiedergutmachung oder Rückgängigmachen nur das eigene Ziel im Auge hat, nenne ich egoistisch. Das ist fast schon eine Definition des Wortes "egoistisch". Nun ist egoistisch natürlich nicht immer schlecht]Und wieso sollte auch den Zuginsassen bedacht werden? Wie gesagt: ein riesiger Zug gegen einen Menschen - die Erschütterung oder ähnliches dürfte minimal sein. (Natürlich kann ich es nicht bestätigen, weil ich noch nie in einem Zug in einer solchen Situation gesessen bin.) Als Insasse bekommst du wohl gar nicht wirklich mit, was passiert ist. Bis zu dem Moment, wo der Zug eben dann hält und eine Durchsage kommt.[/QUOTE]
Hast du mal die Artikel gelesen, die Lykurg verklinkt hat?
Wenn EIN Mensch für EINE Tat das Leben seiner Angehörigen, das des Zugführers, vielleicht noch das der ein oder anderen Rettungskraft - oder einer Person, die ihm dabei zusehen muss, gern retten würde und nicht kann sowie das der Zuginsassen, die im harmlosesten Fall eine Verspätung, im schlimmsten ebenfalls psychische Belastung hinnehmen müssen - wenn er all das bereit ist, in Kauf zu nehmen, um sein Ziel zu erreichen, dann wird man diese Tat wohl schon als egoistisch bezeichnen können.

Nur - wenn wir jedem das Recht einräumen, so zu sterben, wie es ihm paßt, was haben wir dann gegen Selbstmordattentäter?
Der Frage schließe ich mich an.

Ipsissimus
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Fr 13. Nov 2009, 15:18 - Beitrag #34

wie schön, dass es nur gut und schlecht gibt, nur richtig und falsch^^ die Myriaden von Zwischentönen, in denen sich das wahre Leben von Menschen abspielt, sind wohl doch zuviel der Komplexität^^

Nur - wenn wir jedem das Recht einräumen, so zu sterben, wie es ihm paßt, was haben wir dann gegen Selbstmordattentäter?


ist es möglicherweise gar keine Frage von Recht?

Was ist, wenn ein Selbstmörder kein Recht darauf hat, sich in der ihm gemäßen Weise zu töten und es trotzdem macht? Muss er im Misslingensfalle ins Gefängnis, so wie früher schon mal? Oder noch besser, päppeln wir ihn hoch, und lassen ihn dann die Kosten für die Rettungseinsätze, Wiedergutmachung am Lokführer und die Behandlung bezahlen, damit er nächstes Mal gefälligst die Brücke wählt? Aber was, wenn er da einer alten Frau vor die Füße springt, die gerade unter der Brücke hervorkommt?

Ach so, ich verstehe^^ Gerade weil es keine Frage von "Recht" ist, sondern nur von "wollen" - wie ihr selbst ganz genau wisst - muss es im Vorfeld derart diskreditiert werden, dass die Zahl derer, die zu sozialinkompatiblen Suizid-Methoden greifen, möglichst minimiert wird - wo kämen wir denn schließlich tatsächlich hin, wenn wenigstens die Frage der eigenen Todesart den Menschen selbst überlassen bliebe^^


Ich habe gegen die Selbstmordattentäter, dass nicht Selbstmord das primäre und ausschließliche Ziel ihrer Aktionen ist, sondern die Tötung anderer Menschen. Ihr Selbstmord ist lediglich ein Mittel zu Mord. Wenn das kein Unterschied ist, dann weiß ich nicht, was überhaupt ein "Unterschied" sein soll^^

Malte279
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Fr 13. Nov 2009, 20:27 - Beitrag #35

aber zur Sache: Robert Enke war also egoistisch in seinem Selbstmord. Na und? Ist das außer für Lehrer, Inquisitoren und Moralphilosophen für irgendjemanden von Belang?
Für den Zugführer und dessen Angehörige zum Beispiel?
Darum geht es doch nicht um irgendwelche moralischen philosophien ohne direkten Bezug zur Realität. Wenn man bereit ist das Leben anderer so zu ruinieren dann finde ich dass durch den eigenen tragischen psychologischen Zustand nicht automatisch eine Absolution erfolgt die einen von jeder Kritik frei nimmt. Über die Toten nur gutes, besonders wenn sie sich selber umbringen weil sie depressiv waren?
Ich glaube nicht.
Es ist wichtig, dass das Problem Depression entstiegmatisiert und es den Menschen erleichtert wird offener mit diesem Problem umzugehen um damit zumindest in einigen Fällen solch tragische Ereignisse wie den Selbstmord des Robert Enke zu verhindern.
Von aller Verantwortung gegenüber anderen Menschen entbinden aber weder Depression noch der Selbstmord. Ich finde das die von Lykurg eingebrachten Artikel das Problem für die Bahnfahrer sehr gut veranschaulichen und finde nicht das diese und ihre Angehörigen ihr Recht nicht unter den Folgen von anderer Leute Selbstmorde Leiden zu müssen (oder gar selbst in den Suizid getrieben zu werden) nicht einfach dadurch verlieren das Selbstmörder dannach nuneinmal tot und davor möglicherweise depressiv waren.

Heute hat eine Bahn in der Ich saß das Vorderrad eines Motorads getroffen dessen Fahrer meinte noch in letzter Sekunde über die Gleise fahren zu müssen. Der Motoradfahrer, dem von der Wucht des Anpralls der Helm vom Kopf und die Schuhe von den Füßen gerissen wurden hatte dabei anscheinend noch "glück" da er selber nicht unter die Räder gekommen ist, ansprechbar war, aufrecht stehen konnte und an äußeren Verletzungen nur eine blutige Hand hatte. Der Fahrer der Bahn war so bleich, und zittrig dass ich ihm erstmal ein paar Stücke Traubenzucker gegeben habe.

Ipsissimus
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Fr 13. Nov 2009, 21:49 - Beitrag #36

Für den Zugführer und dessen Angehörige zum Beispiel?


Und warum sollte ein Selbstmörder das noch mitdenken? (ganz davon abgesehen, dass du die Einbettung des Themas Egoismus übergangen hast^^)

Malte, ich habe nicht versucht, aus Enke einen Helden des Suizids zu machen. Er war in allen damit verbundenen Facetten so menschlich wie nur irgend ein Mensch. Weder toll noch verdammenswert, wie ich oben schon mal schrieb, einfach nur menschlich. Und wenn der Tod in unserer Gesellschaft nicht so stigmatisiert würde - Alte und Selbstmörder an den Rand - dann bestünde selbst für die Lokführer eine Chance, eine angemessene Haltung dazu zu entwickeln. Möglicherweise sogar durch Vorbereitungskurse der Bahn.

Lykurg
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Sa 14. Nov 2009, 01:44 - Beitrag #37

Und warum sollte ein Selbstmörder das noch mitdenken?
Weil ihn der Wunsch, sich zu töten, noch nicht vom Menschsein befreit, jedenfalls in meinen Augen nicht. Und weil ich von einem Menschen ein gewisses Maß an Empathie erwarte.
dann bestünde selbst für die Lokführer eine Chance, eine angemessene Haltung dazu zu entwickeln.
Das finde ich ziemlich anmaßend. Schließlich sind auch die Lokführer ab dem Moment, in dem sie zum Werkzeug einer solchen Tötung instrumentalisiert werden, Patient und nur eingeschränkt für ihr Verhalten verantwortlich. Ihnen vorzuwerfen, daß sie nicht rational und kaltblütig genug damit umgehen, gefällt mir nicht.
Ach so, ich verstehe^^ Gerade weil es keine Frage von "Recht" ist, sondern nur von "wollen" - wie ihr selbst ganz genau wisst - muss es im Vorfeld derart diskreditiert werden, dass die Zahl derer, die zu sozialinkompatiblen Suizid-Methoden greifen, möglichst minimiert wird - wo kämen wir denn schließlich tatsächlich hin, wenn wenigstens die Frage der eigenen Todesart den Menschen selbst überlassen bliebe^^
In meinen Augen würde das die Sache ganz massiv verbessern, ja. Ich habe nichts gegen Tabus, wenn sie das Zusammenleben der Menschen angenehmer gestalten. Es gibt genug andere Möglichkeiten; und es wäre im Sinne aller, den Tod auf den Gleisen so stark wie möglich einzuschränken.

Für mich läuft eine geistige Linie von der asozialen Selbsttötung über die mit vorherigem Amoklauf bis zum Selbstmordanschlag. Beim asozialen Suizid werden andere zum Werkzeug des eigenen Todes (der die Absicht ist; die Gefährdung anderer wird in Kauf genommen). Beim Amoklauf werden andere zum Ziel und zugleich Werkzeug einer Selbstauslöschung; beim Selbstmordanschlag der Täter zum Werkzeug der Tötung anderer.
aber zur Sache: Robert Enke war also egoistisch in seinem Selbstmord. Na und? Ist das außer für Lehrer, Inquisitoren und Moralphilosophen für irgendjemanden von Belang?
Ja, etwa für die direkt Betroffenen, die du dich so aus der Bewertung auszuschließen bemühst, warum auch immer. Außerdem sind wir zumindest in dieser Frage längst nicht mehr auf den Fall Enke beschränkt, sondern auf die grundsätzliche Freiheit, beliebig vielen Menschen mit seinem Verhalten Schaden zuzufügen, also böse gesagt die Narrenfreiheit des Depressiven zur Gemeingefährlichkeit.
Erstens kenne ich keinen, absolut keinen Menschen, der nicht eine unsaubere Mischung aus egoistischen, sozialkompatiblen und jede Menge weiteren mehr oder weniger sinistren Antriebsmomenten ist. Warum wird dies dem Selbstmörder so besonders übel genommen?
Da steckt meinerseits sicherlich ein erhebliches Maß an Hilflosigkeit drin. Die Unfähigkeit, sein Handeln zu verstehen, führt dazu, sein Recht auf "Kollateralschäden", das du ihm aufgrund größerer Empathie zuzugestehen scheinst, massiv einzuschränken.

Zweitens wird dieser Egoismus festgestellt von Menschen, deren eigene Egoismen sich vielleicht gerade nicht auf dem Gebiete des Suizids austoben - sie leben ja noch - dafür aber an 1000 anderen verborgenen und offenen Stellen. Was ist so besonderes am Selbstmörder?
Daß Egoismus üblicherweise selbsterhaltend ist und nicht destruktiv? Und daß man bei egoistischen Menschen grundsätzlich negativ bewertet, wenn sie mit ihrem Verhalten anderen schaden - es sei denn, sie schadeten damit auch sich selbst?
Ursprünglich hielt ich es übrigens für eine gute Idee von Frau Enke, das mit der Pressekonferenz. Mittlerweile könnte ich nur noch kotzen. "Die Frau, die Deutschland fasziniert" - das und anderer Geifer mistiger Journaille ist ihr zwar nicht anzukreiden, aber wenn sie nur eingermaßen etwas von dem ist, wie sie wirkt, dürfte sie das kalte Grausen nach der ersten entsprechenden Titelzeile gepackt haben (soviel auch zum Thema "Schärfe" ^^).
Das sehe ich erwartungsgemäß ähnlich, wobei ich von Anfang an nicht auf die Idee gekommen wäre, daß Medienpräsenz ihr oder der Sache in irgendeiner Weise nützen könnten. Sie hat eigentlich noch Glück gehabt. Aber was aus unserer Presse geworden ist, ist einfach nur widerlich.

Ipsissimus
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Sa 14. Nov 2009, 03:21 - Beitrag #38

Weil ihn der Wunsch, sich zu töten, noch nicht vom Menschsein befreit, jedenfalls in meinen Augen nicht. Und weil ich von einem Menschen ein gewisses Maß an Empathie erwarte.


schön^^ und wenn du einen Selbstmörder findest, dem du das vermitteln kannst, dann tu das. Ich denke, ein Selbstmörder sieht das anders. Das ist nämlich das Wesentliche am Selbstmörder, dass er die Bereitschaft gefunden hat, alles - und auch Menschen und Menschsein - zurückzulassen

Schließlich sind auch die Lokführer ab dem Moment ...


das wolltest du missverstehen, oder? ^^ Es war keine Anmaßung gegenüber den Lokführern gemeint, sondern eine Anklage gegen die Verhältnisse in unserer Gesellschaft, die verhindern, dass Menschen ein angemessenes Verhältnis zur einzigen unausweichlichen Tatsache des Lebens entwickeln

In meinen Augen würde das die Sache ganz massiv verbessern, ja. Ich habe nichts gegen Tabus, wenn sie das Zusammenleben der Menschen angenehmer gestalten. Es gibt genug andere Möglichkeiten; und es wäre im Sinne aller, den Tod auf den Gleisen so stark wie möglich einzuschränken.


ein Traum aller, die von Regeln fasziniert sind, und der Albtraum aller Devianten und Renitenten^^ obwohl er so myriadenfach widerlegt ist, dass uns langsam mal was substantiell besseres und anderes einfallen könnte, sei er dir unbenommen; mir bleibt er als Albtraum^^

Für mich läuft eine geistige Linie von der asozialen Selbsttötung über die mit vorherigem Amoklauf bis zum Selbstmordanschlag. Beim asozialen Suizid werden andere zum Werkzeug des eigenen Todes (der die Absicht ist; die Gefährdung anderer wird in Kauf genommen). Beim Amoklauf werden andere zum Ziel und zugleich Werkzeug einer Selbstauslöschung; beim Selbstmordanschlag der Täter zum Werkzeug der Tötung anderer.


**Schulterzuck** obwohl sie nicht als solche gemeint ist, sei dir die Hyperbel verziehen^^ wenn du mir irgendwann mal Menschen zeigen kannst, die trotz empfundener Notwendigkeit darauf verzichten, andere Menschen zum Werkzeug ihrer Absichten zu reduzieren, zeige ich dir Außerirdische. Und für geistige Linien gibt's von mir kein Kausalitätsempfinden^^

Ja, etwa für die direkt Betroffenen, die du dich so aus der Bewertung auszuschließen bemühst, warum auch immer.


tue ich das? Was ich tatsächlich mache, ist folgendes: Robert Enke hat bestimmte Menschen angetastet: seine Frau, seine Adoptivtochter und wahrscheinlich den Lokführer, vielleicht noch ein paar mehr. DIESE, und NUR DIESE Menschen sind in jetzt schon oder erst später der Lage, über das zu entscheiden, was er ihnen angetan hat und gegebenenfalls ihr Urteil über ihn zu sprechen. Alle anderen verwenden den "Fall" nur für ihre eigenen Absichten^^ Dem versuche ich zu wehren.

... sondern auf die grundsätzliche Freiheit, beliebig vielen Menschen mit seinem Verhalten Schaden zuzufügen, also böse gesagt die Narrenfreiheit des Depressiven zur Gemeingefährlichkeit.


hat das was mit Freiheit zu tun? Hat Enke sich getötet, weil er frei dazu war? Oder geht es auch hier wieder nur um Befähigung, letztlich um die Befähigung, alles hinter sich zu lassen? DAS ist natürlich erschütternd, zumal für die Angehörigen. Er konnte sie hinter sich lassen. Damit müssen sie fertig werden, und wenn sie das nicht schaffen, erreichen sie ihn trotzdem nicht mehr.

Was schwebt dir denn vor? Präventive Sicherheitsverwahrung für Hoch-Depressive, weil sie ein sozialinkompatibles Frühableben anstreben? Es lebe die schwarze Psychiatrie^^

Da steckt meinerseits sicherlich ein erhebliches Maß an Hilflosigkeit drin. Die Unfähigkeit, sein Handeln zu verstehen, führt dazu, sein Recht auf "Kollateralschäden", das du ihm aufgrund größerer Empathie zuzugestehen scheinst, massiv einzuschränken.


... führt DICH dazu, sein Recht einschränken zu wollen. Mich führt es zu einem weiteren Schulterzucken. Weil es eben absolut nichts mit "Recht" zu tun hat sondern ausschließlich mit Befähigung.

Daß Egoismus üblicherweise selbsterhaltend ist und nicht destruktiv?


Egoismus nicht destruktiv? Nein, für den Egoisten bei kluger Vorgehensweise normalerweise nicht^^ für jene, die darunter leiden, schon. Der einzige Unterschied beim Egoismus im Falle des erfolgreichen Selbstmörders: er entzieht sich der Revanche^^


Mal sehen, wie stark die Frau auf Dauer wirklich ist. Diese Konferenz wirkte an der Oberfläche stark, aber dahinter lauert eine tiefgehende Schwäche.

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So 15. Nov 2009, 14:03 - Beitrag #39

Lykurg hat zwar darum gebeten, nicht persönlich zu werden, aber in Anbetracht mancher Dinge, die hier geschrieben wurden, ist das dann doch zu schwer, auch für mich. Ipsissimus, das folgende habe ich vor dieser Einleitung am Stück runtergeschrieben, und ich werde es jetzt nicht nachträglich entschärfen, sondern nur dieses Vorwort voranstellen. Ich hoffe, du nimmst es nicht als reinen Angriff auf, sondern als konstruktive Kritik. Denn ginge es nur um die Meinungen, die du selbst äußerst, wäre ich darüber sicher nicht so verärgert, und würde sie sachlicher kommentieren. Aber was mich wirklich aufregt, ist, dass du immer aus einer Position heraus schreibst, als ob du mehr wüsstest und verständest als die anderen, und deren Meinungen scharf, ironisch und in meinen Augen auch fast höhnisch verwirfst. Meines Erachtens musst du dann auch ähnliche Kritik selbst vertragen können, und ich hoffe, ich habe mich in der Einschätzung nicht geirrt, dass ich es damit versuchen kann. Selbstverständlich steht es dir offen, auch auf mich dieselben Maßstäbe anzuwenden und entsprechend zu antworten. In den folgenden Beiträgen werde ich mich aber bemühen, wieder näher am ursprünglichen Thema zu bleiben und auf konkrete Argumente Bezug zu nehmen. Dies sofort zu tun, ohne einmal diesen grundsätzlichen Kommentar loszuwerden, war mir jedoch leider nicht möglich. Geht es dir nach meinem "Ausbruch" ähnlich, können wir zur Klärung auch gerne auf PNs zurückgreifen.
Zitat von Ipsissimus:Ach so, ich verstehe^^ Gerade weil es keine Frage von "Recht" ist, sondern nur von "wollen" - wie ihr selbst ganz genau wisst - muss es im Vorfeld derart diskreditiert werden, dass die Zahl derer, die zu sozialinkompatiblen Suizid-Methoden greifen, möglichst minimiert wird - wo kämen wir denn schließlich tatsächlich hin, wenn wenigstens die Frage der eigenen Todesart den Menschen selbst überlassen bliebe^^

Fällt dir eigentlich nicht auf, wie menschenverachtend du teilweise in deinem Bestreben, ach so überlegen und relativistisch zu sein, manchmal wirst? Du wirfst e-noon Absolutierungen und das Aufdrängen von Grundsätzen auf. Du verhöhnst andere dafür, die innere Natur des Menschen, die Nichtexistenz von Recht und absoluter Moral und die Sinnlosigkeit von Besserungsbestrebungen nicht zu erkennen. Aber so, wie du derzeit schreibst, erscheinst du mir als angesichts dieser Erkenntnisse tief in den Nihilismus gefallen. Freiheiten, die dem Individuum nichts, aber auch gar nichts einbringen, sind es also wert, anderen Menschen schweren Schaden zuzufügen. Diese Fälle durch Aufklärung und Diskussion verhindern zu wollen, ist eine Anmaßung, eine Diskreditierung, eine Verblendung. Schön, dass das für dich so ist, und dass du dich dabei noch als den Erleuchteten betrachten kannst, der die wahre Natur des Menschen erfasst und ihn dieser gemäß so behandelst, dass seine Individualität unangetastet bleibt. Aber in meinen Augen bist du damit nur im desillusionierten Anblick von Schlechtigkeit und Sinnlosigkeit erstarrt, ohne zu sehen, dass man selbst unter diesen Bedingungen noch viel Gutes für andere Menschen tun kann. Du vermisst Zwischentöne? Man muss sie selbst schaffen. Man muss nur aufhören, jedes Leid als gegeben und unumstößlich anzusehen, jeden Verbesserungsversuch als unnötige Idiotie, als Anmaßung. Jeder solche Versuch kann scheitern, jeder kann ungewollte negative Konsequenzen haben. Aber versuchen sich viele Menschen darin, so sind die Chancen groß, etwas Gutes zu erreichen. Und dies zu versuchen, ist allemal besser, als sich zurückzulehnen und darüber zu lachen, dass die Anderen doch so albern gegen ihr Unglück ankämpfen.

Ipsissimus
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So 15. Nov 2009, 16:53 - Beitrag #40

hmm

es ist nicht das erste Mal, dass ich drüber nachdenke, ob meine Beteiligung hier in der Matrix nicht doch eher kontraproduktiv ist, und das hat nichts mit dem zu tun, was du da geschrieben hast, Traitor. Beleidigt bin ich deswegen nicht, aber es zeigt mir wieder einmal überdeutlich die enorme Diskrepanz in den verschiedenen Weisen, die Welt zu beobachten und zu kommentieren. Ich denke mittlerweile, dass meine Art, dies zu tun, dem Paradigma der Matrix entgegenläuft; von daher habe ich hier im Prinzip nichts verloren. Und vielleicht fällt es ja auch dem/der ein oder anderen wieder leichter, selbst zu schreiben, wenn eine derart präsente Figur nicht mehr zu allem und jedem, was sie interessiert, einen Kommentar abgibt.

Im Prinzip halte ich es für einen Konflikt zwischen Idealisten und Zyniker; was mein Part dabei ist, dürfte klar sein. Ich habe aber auch keine Lust, zur Blindheit zurückzukehren, nur um Illusionen zu schonen. Das meine ich absolut sachlich.

Was meinen Diskussionsstil anbelangt: ich bin Diskussionen bis auf`s Blut gewöhnt. Damit geht keine Diffamierung des Diskussionspartners einher, es bedeutet lediglich, dass um der Sache willen die Dinge so deutlich gemacht werden, wie sie gemacht werden müssen, um verstanden werden zu können, selbst wenn das mit der Verletzung persönlicher Befindlichkeit einhergeht. "Verhöhnung" war nie gemeint. Mittlerweile sehe ich aber auch dies tendentiell eher so, dass da zwei Arten einfach inkompatibel zueinander sind. Im Prinzip bin ich diesbezüglich ein Dinosaurier^^

Also macht´s gut^^ ihr seid ohne mich besser dran^^

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