Profi-Fußball-Trainer rät Jungspieler zum Schulabbruch

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janw
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Di 1. Feb 2011, 21:57 - Beitrag #1

Profi-Fußball-Trainer rät Jungspieler zum Schulabbruch

http://www.handelsblatt.com/sport/fussball/fussball-bundesliga-auch-guenter-netzer-kritisiert-schalker-draxler;2742907

Mir ist vor einigen Tagen die Luft weggeblieben, als ich von dem Fall des Schalker Spielers Draxler las, der auf Anraten seines Trainers Felix Magath die Schule abgebrochen hat, ohne das Abitur zu machen.
Auch wenn einige andere Fußball-Vertreter dies nun kritisieren, bleibt für mich ein schaler Beigeschmack, die Frage, wie weit "wir" gekommen sind, ob dies vielleicht bereits System hat oder das Beispiel vielleicht bald sprichwörtlich Schule machen könnte.

Vor allem irritiert mich, daß aus der Politik nichts dazu zu vernehmen ist, kein Wort von jenen, die sonst zu jeder Gelegenheit die öffentliche Ordnung, die Gesellschaft oder das christliche Abendland in Gefahr sehen.
Ein Urgestein des deutschen Fußballs und mittlerweile Trainer eines Bundesliga-Vereins rät einem jungen Spieler zum Verzicht auf Schulbildung - und die maßgeblichen Stellen schauen weg?
Der Innenminister ist auch Sportminister - wo ist er? Wo sind die Bildungspolitiker? Wo sind die Herren des DFB?
Was ist Bildung noch wert in diesem Land, das sich zu anderen Anlässen auch als Erbe der Dichter und Denker zelebriert - Wert an sich, oder nur reine Qualifikation zur Erfüllung von Aufgaben in Wirtschaft und Gesellschaft?

Für mich kann es nach diesem Vorfall nur eines geben: Absetzung des Trainers, ohne Abfindung. Sperre des Vereins. Finden einer Lösung mit Draxler, sein Abitur mit seiner sportlichen Laufbahn zu verbinden.

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Di 1. Feb 2011, 22:10 - Beitrag #2

Gewiss unschön, aber ich denke (bis hoffe^^) das dies eben die Entscheidung von ihm war, die er gemeinsam mit seinen Erziehungsberechtigten trägt. Sofern nicht starker Druck seitnes Schakke nachweisbar ist, bleibt es unschön aber mE kein wirkliches oder gar skandalöses Problem.
Auch Nicht-Fußballer brechen teils auch nicht so ganz nachvollziehbaren Gründen vor dem Abi ab.
Insofern wäre wenn eine höhere Hürde, zB Beratungspflicht, vor der Abmeldung angesagt, aber für eine Bestrafung des Vereines sehe ich wirklich keine Grundlage.
Die Vereinbarkeit von normalem Regelgymmnasium und Profifußball erscheint mir zudem mehr als fraglich; wie der aus unserer Stufe, bei dem die Frage der Lehrer, wo er heute wieder sei, oft durch die Gegenfrage, ob sie nicht den Sportteil gelesen hätten, beantwortet werden konnte, zeigt, passen Stunden- und Tranings-/Spielpläne wohl schlicht nicht zusammen.
Ergo wären das Fernschulen/Sportinternat/whatever gefragt.

janw
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Di 1. Feb 2011, 22:53 - Beitrag #3

Sicher brechen immer mal Schüler die Schule ab, aber daß ein Trainer einem Schüler aktiv dazu rät, noch dazu in einer Weise, welche den Wert der Bildung herabsetzt - "wozu braucht der noch ein Abitur, wenn er sportlich erfolgreich wird?" - und dazu eine wirtschaftlich sehr prekäre Entscheidung forciert - die Karriere endet leicht nach einem Unfall - das ist für mich schon mehr als ein starkes Stück, das ist ein kultureller Bruch, das ist grobes Versagen in der Fürsorgeverantwortung, die in Trainer automatisch hat. Und das ist IMHO nicht nur ein Fehler eines auswechselbaren Trainers, sondern muss dem Betrieb angelastet werden, Erneuerung an Haupt und Gliedern!

Gut, advocatus diaboli könnte natürlich sagen, daß somit ein Schüler aus dem Abibetrieb herausgefallen ist, der da eben keinen Platz hätte, Abi für die Geistesgrößen!^^</ironie>

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Di 1. Feb 2011, 23:27 - Beitrag #4

Vollkommen unproblematisch erscheint es mir auchn icht, aber ich glaube Du überbewertest due Rolle und Verantwortung des Trainers. Auch die Eltern, Lehrer, Vereinsbosse (die den hätten gfg sicher zurückpfeifen können) haben da sicher Einfluss und Verantwortung.
Oder anders gesagt: mir wäre unwohl wenn Trainer de facto eine derart große Fürsorgeverantwortung hätten, die von sonst keinem im persönlichen Umfeld hinterfragt werden.
Um zu beurteilen, ob dies ein Bruch ist,e ine wirklich neue Qualität, fehlt mir schlicht das wissen, ob sowas nicht schon lange bis immer und immer mal wieder gang und gäbe war.

Makeda
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Di 1. Feb 2011, 23:40 - Beitrag #5

Ich weiß von einem 14 jährigen Schüler, der auch schon im Profibereich trniert werd, für das Alter, vom den nur verlangt wird, zwischen 3-4 seinen Realschulabschluss zu machen....
passt ihm ganz gut in den Kram, da er keine Lust auf schule hat.
wieweit keine lust auf schule und die egale einstellung zu den schulabschlussnoten durch den Verein aufeinander auswirkungen haben kann ich nur vermutten.
Viell. ist das wie mit dem Schwul sein im Fussbald

Padreic
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Di 1. Feb 2011, 23:59 - Beitrag #6

Wird nicht vielleicht Magath vielmehr seiner Fürsorgepflicht gerecht? Es ist durchaus denkbar, dass der Knabe, sollte er sich auf ein gutes Abitur konzentrieren, seine Chancen auf Dauer im Profisport Fuß zu fassen, schmälern könnte. Seine Berufsausbildung findet auf dem Fußballfeld statt. Wenn er mit 22 eine irreperable Verletzung davonträgt, kann er dann immer noch Abitur machen, wenn er will; oder der Verein schafft es, dann irgendwas für ihn zu finden.

Es ist nuneinmal sowohl in Sport als auch in Musik oftmals so, dass man die Schule vernachlässigen muss, wenn man wirklich Erfolg haben will; und wenn schon nicht die Schule, dann kann man sich oftmals ein Studium in die Haare schmieren. Man muss irgendwo Prioritäten setzen, wofür man seine Zeit und Energie verwendet. Idealerweise kann man ein Abitur und den Sport verbinden, aber es ist wohl nicht immer so einfach. Auch wenn ich persönlich Bildung für wichtig erachte, steht es jedem frei, seine Prioritäten anders zu setzen oder auch andere Leute in diese Richtung zu beraten. Ein Rauswurf Magaths oder gar eine Sperrung des Vereins halte ich jedenfalls für maßlos überzogen.

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Mi 2. Feb 2011, 00:23 - Beitrag #7

Einw ie ich finde sehr aussichtsreciher Gedanke. Unabhängig davon, dass mir nix bekannt ist, wie gut Draxler in der Schule ist und wie stark seine Neigung ist, mal einen akademischen Weg einzuschlagen. Beim Abitur hat er sozusagen sehr viele Konkurrenten, unter denen es vermutlich ettliche gibt, die besser sind als er. Hingegen scheint er im Fußbal wesenltich bessere Chancen als andere zu haben, wenn das dann noch seins, ist dies wohl echt der für ihn passende Weg.

Je nachdem kann er in der Tat später via Abendschule noch immer einen anderen Weg einschlagen.

Die Beschäftigung von Sportlern nach deren Laufbahn durch ihre Vereine oder Hautsponsoren ist gewiss ein Ansatz, bloss ist zu bedenken, dass da auch nicht beliebig Stellen frei oder schaffbar sind.

e-noon
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Mi 2. Feb 2011, 01:01 - Beitrag #8

Wenn unsere Schulen tatsächlich zu allgemeiner Reife und mündigen, im Idealfall glücklichen Bürgern erziehen würden, dann würde ich eventuell auch sagen, dass dies unverantwortlich war. Da aber jemand, der mit Fußball sein Geld verdienen möchte und bereits einen Großteil seiner Freizeit dafür opfert, wohl eher nicht innerlich damit ringt, ob er nicht doch lieber die akademische Laufbahn einschlagen und mit einer Abhandlung über die Entschlüsselung des Voynich-Manuskripts promovieren will, braucht er auch nicht unbedingt diesen Schulabschluss. Er hat ja offenbar bereits einen, wenn er die zehnte Klasse erfolgreich beendet hat; als Profifußballer kann er es sich auch wahrscheinlich/hoffentlich leisten, eine Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen.

Immer mehr Menschen absolvieren ohne echte Begeisterung eine akademische Laufbahn, um einen sicheren Job zu finden - wer das nicht möchte und woanders unterkommt, dem kann man doch eigentlich nur gratulieren.

Lykurg
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Mi 2. Feb 2011, 01:54 - Beitrag #9

Das mit der Berufsunfähigkeitsversicherung wäre wirklich zu hoffen; nach dem, was man vor ein, zwei Monaten über grassierende Wettsucht unter Fußballspielern las (für die Geld kurzfristig keine Rolle spielt, die sich zugleich langweilen und sich längerfristig kaum darum Gedanken machen), sehe ich ein bißchen mehr Bildung als wünschenswert auch für die Lebenstauglichkeit an. Allerdings muß die nicht aus der Schule kommen (bzw. kommt sie oft nicht), und da schließe ich mich den geäußerten Argumenten an. Natürlich wäre ein besserer Schulabschluß und die Profikarriere besser, aber lieber eines ganz als beides halb. Da hat dann ggf. auch Magath recht.

janw
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Mi 2. Feb 2011, 03:27 - Beitrag #10

Zitat von 009:Vollkommen unproblematisch erscheint es mir auchn icht, aber ich glaube Du überbewertest due Rolle und Verantwortung des Trainers. Auch die Eltern, Lehrer, Vereinsbosse (die den hätten gfg sicher zurückpfeifen können) haben da sicher Einfluss und Verantwortung.
Oder anders gesagt: mir wäre unwohl wenn Trainer de facto eine derart große Fürsorgeverantwortung hätten, die von sonst keinem im persönlichen Umfeld hinterfragt werden.
Um zu beurteilen, ob dies ein Bruch ist,e ine wirklich neue Qualität, fehlt mir schlicht das wissen, ob sowas nicht schon lange bis immer und immer mal wieder gang und gäbe war.

Nun, die formelle Berufsbezeichnung eines Fußballtrainers ist Fußball-Lehrer, und damit ist Magath für mich in der Pflicht - und die Vereinsbosse dadurch, daß sie seine Handlungen und Begründungen decken.
Der Trainer hat für mein Empfinden mit seiner Begründung - wozu denn der Spieler noch den Abschluss, und damit die damit verbundene Bildung, brauchen werde - den Wert von Bildung generell in Frage gestellt.
Es geht nicht um die pädagogische Beratung, ob ein Schüler besser das eine oder andere Fach verfolgen solle, sondern um die Entscheidung Körper gegen Geist, Sportlerkarriere mit ungewisser Dauer und Verlauf gegen jeden möglichen Bildungsabschluss.

Zitat von Padreic:Wird nicht vielleicht Magath vielmehr seiner Fürsorgepflicht gerecht? Es ist durchaus denkbar, dass der Knabe, sollte er sich auf ein gutes Abitur konzentrieren, seine Chancen auf Dauer im Profisport Fuß zu fassen, schmälern könnte. Seine Berufsausbildung findet auf dem Fußballfeld statt. Wenn er mit 22 eine irreperable Verletzung davonträgt, kann er dann immer noch Abitur machen, wenn er will]
Das Abitur nachzumachen ist immer die zweitbeste Lösung, denn der zeitliche Bruch ist regelmäßig ein Hindernis, wie auch die heterogene Zusammensetzung der Kurse.
In den Verein würde ich kein Vertrauen setzen, ein Spieler, der nicht mehr spielen kann, ist abgeschrieben. Und worin sollte das "irgendwas" bestehen, insbesondere, wenn er durch die Verletzung auch für viele andere Beschäftigungen ausscheidet?

Es ist nuneinmal sowohl in Sport als auch in Musik oftmals so, dass man die Schule vernachlässigen muss, wenn man wirklich Erfolg haben will; und wenn schon nicht die Schule, dann kann man sich oftmals ein Studium in die Haare schmieren. Man muss irgendwo Prioritäten setzen, wofür man seine Zeit und Energie verwendet. Idealerweise kann man ein Abitur und den Sport verbinden, aber es ist wohl nicht immer so einfach. Auch wenn ich persönlich Bildung für wichtig erachte, steht es jedem frei, seine Prioritäten anders zu setzen oder auch andere Leute in diese Richtung zu beraten. Ein Rauswurf Magaths oder gar eine Sperrung des Vereins halte ich jedenfalls für maßlos überzogen.

Der Spieler ist noch nicht volljährig, und damit besteht für mich eine besondere Fürsorgepflicht des Trainers. Den Berichten nach hat er den Spieler zum Schulabbruch gedrängt, und damit eben seine Prioritäten über die Belange des Schülers gestellt.
Der Vergleich mit der Musik hinkt dabei IMHO, denn darin sehe ich eine spezielle Form der Weiterbildung, die nicht von der Allgemeinbildung weg führt: In einem Musikstudium - für das ein Abi notwendig ist, sic! - wird ein angehender Musiker zwangsläufig mit wesentlichen Fragestellungen unserer kulturellen Verfasstheit konfrontiert werden, die auch zum Themenbereich der gymnasialen Oberstufe zählen.

Padreic
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Mi 2. Feb 2011, 11:17 - Beitrag #11

Es gibt einige Fälle, wo Fußballspieler nach ihrem Karriereende durch Vermittlung von anderen Fußballinvolvierten oder direkt bei ihrem Verein eine Stelle bekommen haben. Verlassen kann man sich natürlich nicht drauf.

Wirklich glücklich bin ich auch nicht damit, dass ein Trainer seinem Spieler rät, die Schule abzubrechen; besonders, weil er es vermutlich noch mit einigem Druck macht. Aber es ist gut denkbar, dass er auch selbst nicht so extrem an der Schule hing oder extrem gut darin war. Ein Abitur ist auch keinesfalls ein Garant für einen gebildeten und mündigen Bürger.

Bei der Musik ist der Fall tatsächlich etwas anders gelagert. Worauf ich aber hinweisen wollte, war das: wer täglich vier Stunden Musik übt, wird deswegen fast auch automatisch andere Teile seiner Persönlichkeit und Bildung vernachlässigen. Ähnliches kann natürlich auch für die Mathematik z. B. gelten, auch wenn es hier seltener ist.
Der Unterschied ist natürlich in der Tat, dass Fußball primär eine körperliche Sache ist, während das bei Musik weniger (wenn auch natürlich teilweise auch) der Fall ist. Auch wenn ich sicherlich wüsste, wie ich beim Verhältnis von Körper und Geist meine Prioritäten setzen würde, will ich das anderen nicht dogmatisch vorschreiben - andere mögen durch anderes glücklicher werden.

janw
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Mi 2. Feb 2011, 13:41 - Beitrag #12

Zitat von Padreic:Es gibt einige Fälle, wo Fußballspieler nach ihrem Karriereende durch Vermittlung von anderen Fußballinvolvierten oder direkt bei ihrem Verein eine Stelle bekommen haben. Verlassen kann man sich natürlich nicht drauf.

Gut, mag es geben, aber darauf solch eine Entscheidung zu gründen, erst Bildung verächtlich machen "wer braucht das schon, wenn er anderweitig Geld verdienen kann" und für den Notfall auf solche vagen Alternativen verweisen, ist für mich alles, nur keine fürsorgliche Beratung.

Wirklich glücklich bin ich auch nicht damit, dass ein Trainer seinem Spieler rät, die Schule abzubrechen]
Mit letzterem hast Du sicher recht, allzu viele nutzen ihre Chancen nicht, aber die Art der Wissensvermittlung in der Oberstufe ist doch eine gute Basis für selbständiges und vernetztes Denken, statt Verharrung in der Linearität.

Bei der Musik ist der Fall tatsächlich etwas anders gelagert. Worauf ich aber hinweisen wollte, war das: wer täglich vier Stunden Musik übt, wird deswegen fast auch automatisch andere Teile seiner Persönlichkeit und Bildung vernachlässigen. Ähnliches kann natürlich auch für die Mathematik z. B. gelten, auch wenn es hier seltener ist.
Der Unterschied ist natürlich in der Tat, dass Fußball primär eine körperliche Sache ist, während das bei Musik weniger (wenn auch natürlich teilweise auch) der Fall ist. Auch wenn ich sicherlich wüsste, wie ich beim Verhältnis von Körper und Geist meine Prioritäten setzen würde, will ich das anderen nicht dogmatisch vorschreiben - andere mögen durch anderes glücklicher werden.

Sicher, wenn er als voll Berechtigter in voller Kenntnis und Annahme der Konsequenzen diese Entscheidung getroffen hätte, wäre sie hinzunehmen, vielleicht mit Stirnrunzeln.
Aber als abgepresste Entscheidung, Abi oder Fußballkarriere, durch einen Trainer, der als Trainer Fürsorgepflichten nunmal hat, kann ich mich damit nicht anfreunden.
Es sei denn, ich würde das Abi eh als inflationär ansehen. So weit bin ich noch nicht...

Daß Musik sehr viel mit Körperlichkeit zu tun hat, ist unbestreitbar, aber eben doch in etwas anderer Weise - harte Schläge auf das Vorderhirn erhöhen nicht das Denkvermögen^^
Und in meinen Augen hat er geistig wirklich keine Zeit zu verlieren, während ein paar Monate mehr oder weniger den Balltreterfähigkeiten keinen Abbruch tun.

Ipsissimus
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Mi 2. Feb 2011, 14:12 - Beitrag #13

Sport und Bildung haben natürlich ohnehin keine inhärente Verbindung, insofern mag besagte Aufforderung von Sportlerseite aus betrachtet konsequent und von Bildungsseite aus fraglich erscheinen. Ein Faktum wird aber ein bisschen übersehen. Magath hat den jungen Mann mitnichten "einfach so" dazu aufgefordert, das Abitur sein zu lassen, er hat ihm vielmehr einen Profivertrag angeboten, in dessen Rahmen das Abitur überflüssig würde.

Ohne die Details dieses Vertrags zu kennen, kann man sagen, dass selbst die Minimal-Version eines solchen Vertrags dem Spieler ein Gehalt von mindestens einer halben Millionen Euro innerhalb eines Jahres einbringt, selbst wenn er im ersten Spiel seiner Karriere zum Invaliden würde. Selbst im worst case Szenario hätten wir also einen jungen Menschen, der zwar sein Abitur ein oder zwei Jahre später macht, dafür aber um eine halbe Millionen Euro reicher ist, ein Betrag, den ich nicht in 10 Jahren verdiene. Ich sehe darin also weder ein großes Risiko noch eine wesentliche Verzögerung für den Jungen, auch andere Menschen kamen über den zweiten Bildungsweg noch zu akademischen Ehren, wenn sie das anstrebten^^

Im normalen Szenario spielt so ein Spieler mindestens ein paar Jahre und wird pro Jahr üblicherweise mindestens um eine Millionen Euro reicher, wenn er gut ist mehr. Sollte ihm nach 5 Jahren seine fehlende Bildung wirklich Kopfzerbrechen bereiten, hat er praktisch alle Möglichkeiten der Welt, sie sich anzueignen^^ auch kein Risiko für den Jungen.

Die einzige Frage, die sich stellt: was für ein Mensch ist der Junge? Eher die Sorte mit Bewegungsdrang oder eher die Sorte mit Denkdrang? Seine Entscheidung^^

das ändert natürlich nichts daran, dass ich Magath nicht zur intellektuellen Elite Deutschlands zählen würde, und auch nicht zur pädagogischen^^ aber in finanztechnischer Hinsicht hat er schon was drauf und bringt seinen Leuten was^^

janw
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Mi 2. Feb 2011, 15:13 - Beitrag #14

Zitat von Ipsissimus:Sport und Bildung haben natürlich ohnehin keine inhärente Verbindung, insofern mag besagte Aufforderung von Sportlerseite aus betrachtet konsequent und von Bildungsseite aus fraglich erscheinen. Ein Faktum wird aber ein bisschen übersehen. Magath hat den jungen Mann mitnichten "einfach so" dazu aufgefordert, das Abitur sein zu lassen, er hat ihm vielmehr einen Profivertrag angeboten, in dessen Rahmen das Abitur überflüssig würde.

Ohne die Details dieses Vertrags zu kennen, kann man sagen, dass selbst die Minimal-Version eines solchen Vertrags dem Spieler ein Gehalt von mindestens einer halben Millionen Euro innerhalb eines Jahres einbringt, selbst wenn er im ersten Spiel seiner Karriere zum Invaliden würde. Selbst im worst case Szenario hätten wir also einen jungen Menschen, der zwar sein Abitur ein oder zwei Jahre später macht, dafür aber um eine halbe Millionen Euro reicher ist, ein Betrag, den ich nicht in 10 Jahren verdiene. Ich sehe darin also weder ein großes Risiko noch eine wesentliche Verzögerung für den Jungen, auch andere Menschen kamen über den zweiten Bildungsweg noch zu akademischen Ehren, wenn sie das anstrebten^^

Ein Vertrag, in dessen Rahmen das Abitur überflüssig würde...auch die Bildung, die damit verbunden wäre? Andernorts streben Menschen danach, etwas zu lernen, nehmen Mühen und Lasten dafür in Kauf, und hierzulande bietet einer einem Schüler und seinen Eltern einen Sack Geld, wenn er zumindest für den Moment darauf verzichte...
In ein oder zwei Jahren wird Draxler spielen und trainieren müssen, um seinem Verein die investierten Summen wieder einzuspielen und einen Marktwert aufzubauen für den Transferhandel.
Für Bildung wird da kein Platz sein, und wenn ich mir die peers so ansehe...nicht der Rahmen, in dem derlei gedeiht, das Runde muss in das Eckige, die Abseitsregel als intellektuelle Höchstleistung, halleluja^^

Im normalen Szenario spielt so ein Spieler mindestens ein paar Jahre und wird pro Jahr üblicherweise mindestens um eine Millionen Euro reicher, wenn er gut ist mehr. Sollte ihm nach 5 Jahren seine fehlende Bildung wirklich Kopfzerbrechen bereiten, hat er praktisch alle Möglichkeiten der Welt, sie sich anzueignen^^ auch kein Risiko für den Jungen.

Gut, sehen wir mal von der etwas anderen Lernfähigkeit dann irgendwann ab, und daß es ihn dann zum Exoten machen würde unter seines Gleichen...

Die einzige Frage, die sich stellt: was für ein Mensch ist der Junge? Eher die Sorte mit Bewegungsdrang oder eher die Sorte mit Denkdrang? Seine Entscheidung^^

Er ist noch nicht volljährig...

das ändert natürlich nichts daran, dass ich Magath nicht zur intellektuellen Elite Deutschlands zählen würde, und auch nicht zur pädagogischen^^ aber in finanztechnischer Hinsicht hat er schon was drauf und bringt seinen Leuten was^^

Gut, ja, aber dann sollte Verein ihm pädagogisch etwas nachhelfen^^

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Mi 2. Feb 2011, 15:33 - Beitrag #15

Andernorts streben Menschen danach, etwas zu lernen, nehmen Mühen und Lasten dafür in Kauf
Ich schätze, dass mehr Menschen nach Geld bzw. einem relativ sicheren Auskommen streben als nach Bildung. Für die wenigsten ist Bildung der Selbstzweck, dem alles andere geopfert wird.

In ein oder zwei Jahren wird Draxler spielen und trainieren müssen, um seinem Verein die investierten Summen wieder einzuspielen und einen Marktwert aufzubauen für den Transferhandel.
Für Bildung wird da kein Platz sein, und wenn ich mir die peers so ansehe...nicht der Rahmen, in dem derlei gedeiht, das Runde muss in das Eckige, die Abseitsregel als intellektuelle Höchstleistung, halleluja^^
Soll man damit Jugendlichen jeden Leistungssport verbieten? Es ist nunmal nicht jeder gleich begabt und interessiert; häufig mag man auch das, was man gut kann und wofür man gelobt wird, und es sieht ja nun so aus, als könne der Junge sehr gut Fußball spielen und habe sich auch bisher dafür eingesetzt, sich zu verbessern. Nur auf dem Bolzplatz wird man sicher nicht zum Bundesligisten. Wenn er also 5 Jahre Fußball spielt, sich dann verletzt und mit niedrig geschätzten 3 Millionen vom Platz geht - wem ist damit geschadet?

Gut, sehen wir mal von der etwas anderen Lernfähigkeit dann irgendwann ab, und daß es ihn dann zum Exoten machen würde unter seines Gleichen...
Die Lernfähigkeit hängt stark von der Motivation ab und könnte damit später wesentlich größer sein als jetzt. Ich nehme an, wenn er ein Einserschüler wäre, hätten wohl auch seine Eltern oder er selber mehr dafür getan, dass er auf einem Sportinternat unterkommt, oder sich privat auf das Abitur vorbereitet. Vielleicht macht er das ja?

Wäre es denn wirklich besser, wenn er jetzt widerwillig sein Abitur machte, vielleicht mit 3,2 besteht, und damit eine wirklich gute Chance verpasste, in der heutigen Welt eine äußerst gut bezahlte Arbeit zu finden? Wenn er dann in zwei Jahren mit einem Zertifikat, aber ohne Chancen dasteht, weil eben Fußball sein größtes Talent ist und nicht Atomphysik?

Lykurg
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Mi 2. Feb 2011, 15:51 - Beitrag #16

Sehr direkt und deutlich gesagt: unsere Gesellschaft definiert sozialen Status weitaus mehr über über das Vermögen als über die Bildung. Alles andere ist Augenwischerei. Und wie Ipsissimus sagt, die Chance, Bildung zu erwerben, hat er auch später - zwar möglicherweise in eingeschränkterem Maße, weil jüngeres Lernen meist leichter fällt, aber der Junge ist ja auch keine zehn mehr, sondern siebzehn; sollte er also jetzt zwei oder vier Jahre auf Sport schalten, ließe sich das auch noch lösen, und nachher ist es geldbedingt vermutlich relativ egal. Die Chance auf die Profisportlerkarriere hat er in jedem Fall nur jetzt. Und da sieht es recht gut für ihn aus; es erscheint mir jedenfalls viel sinnvoller, ein vorhandenes Ausnahmetalent voll zu nutzen als es auf dem Weg, den die Mehrheit versucht, zu vergeuden.

Hier ist übrigens ein Artikel, dessen Verfasser offenbar deine Befürchtungen teilt. Allerdings schützt auch eine gute Schulbildung nicht davor, daß Leute, die sehr schnell zu viel Geld kommen, mit großer Regelmäßigkeit nicht damit umgehen können. Viele Lottogewinner sind nach ein paar Jahren ärmer als vorher, haben ihren Beruf geschmissen und finden nicht in ihr Leben zurück. Und das hat nichts mit klassischer Schulbildung zu tun, es ist wohl eher eine Charakterfrage. Die Vereine müßten daran etwas ändern können, aber von der grundsätzlichen Frage hier führt das ab.

e-noon
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Mi 2. Feb 2011, 16:03 - Beitrag #17

Man könnte jetzt noch Bourdieu einbringen und sagen, dass der Junge so oder so Kapital anhäuft; entweder ökonomisches und symbolisches Kapital (Profifußball), oder aber institutionalisiertes kulturelles Kapital (Abitur). Es steht meiner Meinung nach außer Frage, dass er in weit höherem Maße ökonomisches Kapital anhäufen wird, als das beim institutionalisierten Kapital der Fall wäre; dies zeigt die Zahl der Profifußballer im Vergleich zur Zahl der Abiturienten, sowie das Durchschnittsgehalt der Profifußballer im Vergleich zu dem des Durchschnittsabiturienten.

Wichtig ist, wie Lykurg und Ipsi schon sagten, auch die Frage der Reversibilität. Ökonomisches Kapital kann er in 5, 10 oder 15 Jahren, ganz wie es ihm beliebt, ohne Zeitdruck und in der von ihm gewählten Richtung, in institutionalisiertes Kapital umwandeln. Wenn er nicht allzuviele Kopfbälle abbekommt, ist es auch nicht sehr wahrscheinlich, dass seine Lernfähigkeit in dieser Zeit so rapide abnimmt, dass er ein jetzt noch zu schaffendes Abitur dann nicht mehr schafft.
Andersherum wird es ihm in 5, 10 oder 15 Jahren nicht mehr möglich sein, sein kulturelles Kapital in ökonomisches (nur sehr begrenzt) oder gar in symbolisches (noch unwahrscheinlicher) Kapital einzutauschen; man bekommt keine Fußballerkarriere für ein Abitur, doch die Fußballerkarriere erleichtert es einem, zu jeder Zeit mit Muße und ohne ökonomischen Druck sich dem Lernen zu widmen, wenn man dies wünscht. Auch, eine Familie gründen zu können und materiell abgesichert zu sein, hat nicht unbedingt weniger Wert als Bildung.

Ipsissimus
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Mi 2. Feb 2011, 16:40 - Beitrag #18

Ein Vertrag, in dessen Rahmen das Abitur überflüssig würde...auch die Bildung, die damit verbunden wäre? Andernorts streben Menschen danach, etwas zu lernen,
nun ja, zumindest kann man - worauf schon e-noon und implizit Lykurg hinweisen - sagen, dass Bildung nur noch für ein paar wenige Esoteriker Selbstzweck ist; wir können aber niemanden darauf verpflichten, Bildung als Selbstzweck aufzufassen, und schon gar nicht, wenn gesellschaftlich völlig andere Werte vorgezeichnet und -gelebt werden. Auch die Bildung, die Menschen andernorts anstreben, ist in den seltensten Fällen Selbstzweck, sondern Mittel zum Weg aus der Armut und Unterdrückung und dergleichen.

In ein oder zwei Jahren wird Draxler spielen und trainieren müssen, um seinem Verein die investierten Summen wieder einzuspielen und einen Marktwert aufzubauen für den Transferhandel.
das ist richtig, aber das ist Vereinsrisiko und kann ihm egal sein, weil er ab sofort und selbst im worst case sein Geld bekommt. Selbst wenn er gar nicht spielt, ist er in einem Jahr eine halbe Million reicher

das Runde muss in das Eckige, die Abseitsregel als intellektuelle Höchstleistung, halleluja^^
ja, schon ... und?^^

es ist ihm deswegen ja nicht verboten, gute Bücher zu lesen, in Konzerte alter Musik oder neue Ballettaufführungen zu gehen, er ist nicht gezwungen, Bildzeitung zu lesen, sondern kann Süddeutsche, Zeit oder was immer er für wert erachtet lesen. Es hängt ausschließlich daran, was er für ein Mensch ist

Er ist noch nicht volljährig...
er ist siebzehn, und auch seine Eltern haben offenbar nichts gegen einen Profivertrag ohne Abitur einzuwenden


Versteh mich bitte nicht falsch, Jan. Ich finde, Bildung ist etwas Wundervolles und Unersetzbares. Aber innerhalb der gesetzlichen Grenzen muss es jedem selbst überlassen bleiben, welchen Verlockungen er erliegen möchte, ob er lieber in esoterischen Eingeweihtenzirkeln über die letzten Dinge des Lebens, des Universums und des ganzen Rests debattieren oder sich eher mit schnell verdienter Münze ein Jetset-Leben machen möchte. Mit den Konsequenzen ... ^^

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Mi 2. Feb 2011, 16:56 - Beitrag #19

Im Leistungssport ist nun mal ein häufiges Trenieren notwendig; dies steht, abgesehen von Spotinternaten (die Geld kosten(das nicht jede Eltern haben)) der klassischen SChulausbildung im Weg.
Ich komme aus einem sehr Handballbegeisterten Dorf. Aus diesem Dorf sind mir drei bekannt, die in der Zebra-Jugend Handball gespielt haben. Aber keiner dieser Jungen ist heute im Profie-Handball. Meist lag dies nicht am mangel des könnens, sondern an der Zeit; die sie dann für ihre SChulbildung oder später Ausbildung investiert haben.

Dann frag ich mich auch, warum man so auf dem Aspekt der Unvolljährigkeit pocht. Wenn meine Eltern mir mit 17. vorgeschrieben hätten was ich zu machen habe, hät ich den..naja, lassen wir das.
Ich finde schon dass ein 17 Jähriger sich entscheiden kann ob er weiter zur SChule gehen will oder nicht. Manchmal sind Eltern dominanter und manchmal eben nicht.
Und ich kenne auch mehr als nur einen Fall in dem ein 18. Jähriger sich von der Schule abgemeldet hat oder die schulform geweckselt hat.
Abgesehen davon ist er mit 17 über die Schulpflicht hinaus auf einer Schule gewesen; doch zum abmelden brauch es da glaub ich noch die Eltern, weil zwar keine Schulpflicht mehr, abe rauch noch nicht volljährig, aber wohl Entscheidungsfähig^^.

janw
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Do 3. Feb 2011, 03:21 - Beitrag #20

Gut ja, ok, für die meisten ist vielleicht oder wohl Bildung vor allem ein Instrument...ich sehe nur auch den anderen Fall, eine Schülerin hier aus der Umgebung, deren Eltern von Hart IV leben, wollte gern ihr Abi machen, konnte sich aber die Busfahrkarte nicht leisten. Wohin sie sich auch wandte, desinteressiertes Bedauern, sollte sie halt jobben.
Was ist dies für ein Land, in dem fähige und strebsame Schüler derart ausgebremst werden, und andererseits rät da ein Fußballtrainer einem Schüler zum Schulabbruch?
Oder sehe ich zu schwarz? Alles nur ein Problem des proletarischeren von zwei Ruhr-Vereinen? Wellengekräusel auf dem See der Normalität?

Wenn er denn jederzeit seinen Abschluss nachholen können soll, warum kann nicht der Verein für die zwei Jahre Rücksicht nehmen?
In anderen Vereinen geht das doch auch.
Gut, freie Entscheidung...Geld oder Nichtgeld...

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