Teresopolis/München - Hätte man vor einem Jahr gesagt, Brasilien müsse gegen Venezuela um die WM-Qualifikation für das Turnier in Japan und Korea zittern - man hätte wohl erhebliche Zweifel an seinem Sachverstand geerntet.
Doch vor dem Spiel gegen den einstigen Fußballzwerg am Mittwochabend (21.40 Uhr Ortszeit) wächst die Nervosität in den Reihen der "Selecao". "Ich kann harte Arbeit garantieren, aber nicht, dass wir am Mittwoch gewinnen", meinte Brasiliens Nationalcoach Luiz Scolari.
Uruguay lauert auf Ausrutscher
Brasilien muss gegen den einstigen Punktelieferanten siegen, wenn sie jenen vierten Tabellenplatz sichern will, der das letzte direkte Südamerika-Ticket zur Weltmeisterschaft 2002 bedeutet.
In Brasilien ist das Vertrauen in die eigenen Kräfte so gering, dass Gerüchte umgehen, Erzrivale Argentinien wolle Uruguay, das einen Punkt hinter Brasilien auf Platz fünf liegt, den Sieg leichter machen. Neben Uruguay hofft auch Kolumbien auf die direkte Qualifikation.
Bei Niederlagen der beiden Konkurrenten müsste Kolumbien aber Paraguay mit zehn Toren Unterschied schlagen.
Scolaris Plädoyer für seine Spieler
Scolari rief Medien und Fans auf, die nach der jüngsten Blamage gegen Bolivien (1:3) psychisch angeschlagenen Weltstars "liebevoll" zu behandeln.
"Achtung: Brasilien kann tatsächlich zum ersten Mal der Endrunde einer WM fernbleiben", warnte er.
Das "Schicksalsspiel" vom Mittwoch findet in der kleinen nordöstlichen Provinzhauptstadt Sao Luiz statt. Dort sind die Fans unkritischer als etwa in Sao Paulo oder Rio, wo die Stars während der vergangenen Trainingstage wahre Schimpfkanonaden ertragen mussten.
Venezuela seit Hinspiel verbessert
Die Statistik gegen Venezuela spricht klar für den viermaligen Weltmeister: Venezuela verlor alle 14 Spiele gegen Brasilien. Dabei schoss es gerade einmal zwei Tore bei 67 Gegentreffern. Das Hinspiel endete 6:0 für die "Selecao".
Doch seit jener Partie in San Cristóbal sind 13 Monate vergangen. Unter dem Ex-Profi und Traumatologen Richard Paez als Trainer gewann Venezuela zuletzt vier Spiele in Folge, erreichte dabei 10:1Tore. Letztes "Opfer" waren die bereits für die WM qualifizierten Paraguayer, die 1:3 unterlagen.
In allen Qualifikationsturnieren zuvor hatte Venezuela insgesamt nur zwei Siege geschafft und fast 50 Schlappen erlitten. "Wir haben keine Angst vor Brasilien. Meine Mannschaft wird hochmotiviert ins Spiel gehen", kündigte der 48-jährige Paez an.
Trainer Paez mit Blick in die Zukunft
Die Gäste nehmen die Partie im Stadion von Maranhao sehr ernst. Insgesamt 140 Personen, davon 25 Journalisten und zahlreiche Fans, traten die Reise nach Brasilien an. Seit Samstag lässt Paez seine Spieler vor Ort trainieren.
Der Coach erwartet nicht nur einen guten Abschluss der aktuellen Qualifikation, sondern sieht die Begegnung bereits als Beginn der nächsten Phase: "Ich hoffe, wir werden gegen Brasilien eine gute Leistung zeigen und den ersten Schritt in Richtung unseres großen Ziels machen", erklärt Paez.
Erklärtes Ziel ist die Qualifikation zur WM 2006 in Deutschland.
Roberto Carlos wieder im Team
Brasiliens Trainer Scolari wird Roberto Carlos gegen Venezuela wieder zur Verfügung stehen. Der Star von Real Madrid hat nach eigenen Angaben seine Knieverletzung auskuriert und trainiert wieder "ohne Schmerzen".
Auch Roque Junior kehrt nach einer Sperre ins Team zurück.
Jedoch bleibt Brasiliens Top-Scorer Romario, der im Hinspiel gegen Venzuela vier Treffer erzielte, weiter vom umstrittenen Coach unberücksichtigt.
Niederschmetternde Umfragewerte
Doch nicht nur Scolari ist umstritten: Nach einer Umfrage der Zeitung "Estado" sind 87 Prozent der Brasilianer davon überzeugt, dass Brasilien die WM-Qualifikation nicht verdient.
"Dann gibt es Bürgerkrieg, denn Fußball ist das Opium unseres Volkes", fürchtet die Fußball-Legende Pele.
Um dieses Szenario zu verhindern, hat Luiz Scolari ein spezielles Lockmittel für seine hochbezahlten Stars parat: "Jeder Spieler, der auf das Tor der Venezolaner schießt, bekommt ein Bonbon", kündigte der Trainer an.
Die voraussichtlichen Aufstellungen:
Brasilien: Marcos; Roque Junior, Lucio, Edmilson; Beletti, Emerson Ferreira, Juninho Paulista, Rivaldo, Roberto Carlos; Edilson, Luizao
Venezuela: Rafael Dudamel; Luis Valenilla, Jose Manuel Rey, Rafael Mea Vitali, Jorge Vargas; Luis Vera, Miguel Mea Vitali, Ricardo Paez, Juan Arango; Ruberth Moran, Daniel Noriega
Ohne Marcelinho wird natürlich erheblich schwerer für Brasilien zu gewinnen.
