Konsequenzen für Kindesmissbrauch in der Kirche

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Marc Effendi
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Mi 29. Jan 2003, 19:33 - Beitrag #1

Konsequenzen für Kindesmissbrauch in der Kirche

Köln (dpa) - Der Kölner Kardinal Joachim Meisner hat einen Ombudsmann für sexuelle Missbrauchsfälle in seinem Erzbistum ernannt. Ansprechpartner für alle, die von Kindesmissbrauch durch kirchliche Mitarbeiter erfahren, ist Prälat Prof. Norbert Trippen. Der 66- Jährige war lange in der Priesterausbildung tätig. Zu seiner neuen Tätigkeit sagte er: «Meine Hoffnung ist, dass ich relativ selten damit zu tun bekomme.» An Trippen können sich alle wenden, die einen konkreten Verdacht haben oder von erwiesenem Missbrauch wissen.

Wird ja auch höchste Zeit für sowas. Wenn ich mir anschaue, wie widerlich sowas ist und was die Kirche dagegen tut. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, das sie eigentlich alles tut um das unterm Teppich zu halten.

Thod
Harfner des Erhabenen
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Mi 29. Jan 2003, 19:58 - Beitrag #2

Hallo Marc,
sicher ein eher heikles Thema, aber doch recht aktuell.
Deinen Eindruck, man wolle etwas vertuschen, kann man sicher nicht von der Hand weisen. Ich denke, das hat hauptsächlich zwei Ursachen. Die einen haben was zu vertuschen, und die anderen können sich sowas schlicht nicht vorstellen.

Ich denke, wenn man dieses Thema anspricht, geschieht dies meist unter dem Hintergrund der Zölibatsdiskussion. Dies möchte ich daher nochmal kurz zusätzlich anreissen.
Oft hört man die Ansicht, der Kindesmissbrauchin der Kirche würde zurückgehen, wenn man den Zölibat aufgeben würde. Diese Argumentation halte ich allerdings für zu kurz gegriffen. Einerseits gibt es sicherlich Menschen, die sexuelle Neigungen verspüren, die sie in der Gesellschaft nicht diskutiert wissen wollen, oder die sie aus anderen Gründen geheim halten wollen, und sicher ist es auch richtig, dass der Zölibat für solche Menschen oft ein geeignetes Versteck bietet, andererseits aber denke ich nicht, dass dieser die Neigungen verursacht. Gäbe es ihn nicht, würde sich Gesellschaftlich wohl nichts ändern, die betroffenen Menschen würden sich einfach andere Schlupfwinkel suchen.

Da wir nun aber das offensichtliche Problem haben, dass sich unter kirchlicher Obhut und sogar in kirchlichem Amt Menschen und Gewohneiten finden, die mit der eigentlichen Lehre nichts zu tun haben, ihr teilweise sogar entgegenstehen, besteht so oder so handlungsbedarf.
Klassisch findet sich allerdings in der Kirche die Vorstellung, dass sie Sündern gegenüber eine besondere Verpflichtung empfindet. Schon seit den Anfängen wurde festgestellt, dass die Kirche recht leer wäre, wenn sie nur von Sünden freie Menschen aufnehme, da es solche ja schlicht nicht gibt. Ein Vorgehen gegen Sündern in den eigenen Reihen ist also etwas besonders heikles, und da ist wohl bis heute noch kein rechter Weg gefunden worden: das wälzt man daher wohl auch immer noch gerne, wenn es sich nicht vermeiden lässt, auf die staatlichen Strukturen ab. Ich bin mir auch nicht so sicher, ob die derzeitigen Bemühungen in diese Richtung, wie sie dein Beitrag zeigen, viel bewirken werden. Das Problem sexueller Gewalt ist sicher nicht ein aus der Kirche entstandenes, sondern eines, welches typisch für diese Gesellschaft ist, und gegen das die Kirche shcon seit langer zeit erbittert vorgeht. Allerdings, wie es ihre Art ist, mahnend und lehrend, nicht strafend.

Was sollte die Kirche denn konkret tun? Das einzige was mir einfällt, und dafür habe ich wirklich auch kein Verständnis, wenn es nicht geschieht: Die Auffälligen von Ihrer Zielgruppe fern zu halten.

Gruss,
Thod

SunVista
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Mi 29. Jan 2003, 20:30 - Beitrag #3

Ich bin der Meinung, dass sich die Kirche schon viel zu lange hinter einer Mauer des Schweigens versteckt und diese Vorfälle vertuscht hat.
Es wird Zeit, dass endlich "Rückgrat" gezeigt wird und nichts unter dem Deckmantel der Kirche beschönigt wird.

Krautwiggerl
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Do 30. Jan 2003, 20:58 - Beitrag #4

Allerdings, wie es ihre Art ist, mahnend und lehrend, nicht strafend.

Einige gute und idealistische Männer wohl, aber oho... wenn ich da an die Geschichte denke...

Thod
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Do 30. Jan 2003, 21:08 - Beitrag #5

Ich denke, man muss hier wie damals auch zwischen Kirche und Einzelpersonen unterscheiden. Die Einzelpersonen sind neben ihrer Kirchenzugehörigkeit immer auch einem Staat, der sicher nicht weniger prägt, zugehörig. (Zumindest in unserem Kulturkreis)
An der hier diskutierten Problematik sieht man das IMHO recht deutlich. Die Kirche ruft nicht zu freiem und ungezügeltem Sexualleben auf, und sie propagiert auch weder in Verlautbarung, noch Bild noch Ton, sexuelle Ausschweifungen. Im Gegensatz dazu tut dies aber unsere Gesellschaft durchaus. Diese ist in der Art Schizophren, dass sie erst Bedürfnisse weckt, und sie dann, wenn sie sich nicht mehr so leicht kanalisieren lassen sanktioniert.
Dass die betroffenen Menschen gerade in der Kirche unterschlupf suchen, ist sicher nicht alleinschuld der Kirche. Und einfach zu sagen, diese Menschen wären von der Kirche zu ihren Handlungen inspiriert, ist IMHO schon reichlich dreist... (Hier unterstelle ich das keinem.)

Gruss,
Thod

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Do 30. Jan 2003, 21:16 - Beitrag #6

Diese ist in der Art Schizophren, dass sie erst Bedürfnisse weckt, und sie dann, wenn sie sich nicht mehr so leicht kanalisieren lassen sanktioniert.

Jap...

Und einfach zu sagen, diese Menschen wären von der Kirche zu ihren Handlungen inspiriert, ist IMHO schon reichlich dreist.

Tut auch keiner.

Es ging mir aber mehr um die Aussage, Kirche würde nur mahnen, nicht strafen. Strafen tat sie nämlich in der Vergangenheit wohl, und nicht zu knapp, und auch nicht nur Einzelpersonen. Heute versucht sie es teilweise noch über andere Druckmittel, wobei ich das Mahnen, das heute vorherrscht, durchaus tolerabel finde. Auch wenn man die Ansichten teilweise veraltet empfindet, so wenigstens doch aus Konsequenz. Wenngleich sie sich den Vorwurf gefallen lassen muss, warum sie das Unheil der Welt in der Sexualität sucht (ich weiß, das ist jetzt Polemik und so auch nicht ganz richtig, aber man kann schon den Eindruck gewinnen...) und sich nicht mehr für die Dinge einsetzt, wo wirklich die Kacke am Dampfen ist (auch gemessen an christlichen Wertvorstellungen). Sie tut da zwar auch was (siehe Gentechnik oder 3. Welt), aber IMHO nicht das, was sie eigentlich tun könnte...

OT:
Gerade das eingestehen der eigenen Schuld ist die wohl schwierigste Aufgabe des Menschen, und die Kirche wäre nicht die erste, die es nicht auf Anhieb schafft...

Thod
Harfner des Erhabenen
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Do 30. Jan 2003, 21:37 - Beitrag #7

Tut auch keiner.

Hab ich ja dazu geschrieben. :D In RL-Diskussionen fällt das Argument aber durchaus.

Ob die Kirche mahnt oder straft (ist hier eigentlich generell nur am Rand des Topics) ist eine schwere Frage.
Ich denke, sie kann und darf nur in Bezug auf Glaubensfragen strafen, z.B. mit Rauswurf...
Was Ihr sonstiges Engagement angeht, bin ich skeptisch, wie weit es reichen sollte. Jeder Christ ist IMHO nach seinen Möglichkeiten aufgerufen, in der Welt zu wirken. Das tun auch Bischöfe. Aber ob das dann Kirche ist... Bevor ich hier aber zu sehr abdrifte, schlage ich ein neues Thema vor.

Ich denke, was die Sündhaftigkeit Ihrer Mitglieder angeht, hat sich die Kirche nie einer Illusion hingegeben, und auch die Verfehlungen, um die es hier im Topic geht sind nicht neu. Entschuldigungen würden da nichts helfen, und Angesichts des grossen Leides, welches durch Menschen in und ausserhalb der Kirche verübt wurde (ausserhalb sind die Menschen erfahrungsgemäss keineswegs besser) bleibt nach wie vor oft nur ein hilfloser Blick zum Himmel.

Gruss,
Thod

Feuerkopf
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Do 30. Jan 2003, 22:20 - Beitrag #8

Kindesmissbrauch ist ein besonders kompliziertes Vergehen. Es ist nicht so einfach zu deuten, wie eine ganz "normale" Affäre eines Geistlichen mit einer Frau.
Auch eine homosexuelle Beziehung mit einem erwachsenen Mann ist sicherlich eher nachzuvollziehen.

Der Missbrauch von Schutzbefohlenen, besonders Kindern, ist immer ein Missbrauch von Macht. Es wird eine sexuelle Beziehung zu einem unreifen Gegenpart aufgebaut, bzw. so getan, als gäbe es eine Beziehung. Denn die Missbraucher sind häufig äußerst uneinsichtig und geben den Opfern eine Mitschuld.
Interessant in diesem Zusammenhang ist sicherlich, ob und wie sehr die streng hierarchische Ordnung in der Kirche in eine Situation der Unterdrückung führt, die sich in dieser dramatisch falschen Art Erleichterung verschafft.

Thod
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Do 30. Jan 2003, 22:26 - Beitrag #9

Ich denke, es gibt unter Sozialpädagogen oder anderen mit Kindern betrauten Berufsgruppen sicher ähnlich viele Fälle. Zu einer solchen Neigung wird man IMHO auch nicht erst nach der Mündigkeit erzogen, und vorher kommt für den Priesterstand niemand in Betracht.
Ich denke, hierwird eine Struktur, in der sich Menschen verstecken wollen und können, bewusst missbraucht. Wenn es überhaupt eine Institution gibt, die von Ihrer Grundlegung gegen diese Verhaltensäusserungen angeht, dann ist es die Kirche.
Ich kann aus meiner Erfahrung mit der Kirche nirgendwo feststellen, dass ein Druck erzeugt würde, bei dem es sich irgendwie anbieten würde, ihn auf diese Art abzubauen. Aber natürlich kann man alles konstruieren. Ob man das Problem damit greift, wage ich zu bezweifeln.
Gesellschaftlich gibt es ja sogar Pädophilenselbsthilfegruppen und ähnliches...

Gruss,
Thod

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Do 30. Jan 2003, 23:52 - Beitrag #10

Mit Schuldeingeständnis meine ich nicht eine (verbale) Entschuldigung, sondern sich das ernsthafte Auseinandersetzen damit. Und gerade das fehlt, wenn man versucht, es unter den Teppich zu kehren.

Thod
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Fr 31. Jan 2003, 13:01 - Beitrag #11

Wie sollte man sich der Schuldfrage denn stellen?
Nach meinem Verständnis sind es die Menschen, die schuldig sind, nicht die Kriche, die wie Rahner es beschreibt der "mystische Leib Christi" ist.
Die Kirchenangehörigen in ihren unchristlichen Handlungsarten, sehen sich aber durchaus als permantent in Sünde stehend. Dazu braucht man sich nur ein wenig mit dem Psalmengebet, oder anderen Ausdrucksformen der Frömmigkeit zu befassen. Ich denke, dass *nirgendwo* in unserem Kulturkreis ein derart ehrliche und kompromisslose auseinandersetzung mit den eigenen Fehlern geschiet, wie in der Kirche. Dies ist allerdings sich er nichts, was in der Öffentlichkeit entsprechend gesehen wird, und wohl auch nicht soll, man betreibt ja keine Busse aus Propagandagründen, sondern dies ist immer eine sehr persönliche Sache.

Ich wüsste nicht, wo gleiches z.B. in der Wirtschaft geschieht (Beate Uhse?) oder in wiefern sich unsere Gesellschaft heute ansonsten ihrer Problematiken bewusst ist. Im Gegenteil: Wir denken doch nach wie vor, Deutschland könne als Mass für die Welt gelten. (Siehe Haltung zum Irak-krieg, wo sogar ich dieser Meinung bin.)

Gruss,
Thod

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Fr 31. Jan 2003, 16:43 - Beitrag #12

Klarm, ich behaupte ja auch nicht, dass die Gesellschaft besser wäre...

Aber ist es nicht so, dass eine Organisation (und eine solche ist Kirche ja auch) sich auch damit befassen muss, was ihre Angehörigen treiben? Insofern kann es auch der Gesamtorganisation nicht egal sein, was die einzelnen machen, weil das gesamte Image darunter leidet. Und Geistlichkeit hin oder her, auf Image ist auch die Kirche angewiesen, gerade heute... insofern reicht es IMHO nicht, dass man sagt, wir schauen weg und verlassen uns drauf, dass die Betroffenen selbst merken, dass sie gesündigt haben. Hier steht IMHO durchaus auch die Organisation mit in der Verantwortung, sich ernsthaft mit diesem Thema auseinanderzusetzen, auch wenn die Taten von einzelnen begangen werden. Diese Auseinandersetzung damit bedeutet nicht (!), dass man damit eingestehen würde, das Zölibat wäre für den Kindesmissbrauch verantwortlich.

Die private Auseinandersetzung mit der eigenen Fehlerhaftigkeit mag zwar sein, allerdings müsste man das wohl mehr oder weniger glauben, weil man in niemands Kopf reinsehen kann. Und ehrlich gesagt, jemand, der so "rein in der Seele" ist (mir ist grad nix besseres eingefallen, sollte klar sein, was ich meine), dass er sich immer seiner Fehlerhaftigkeit bewusst ist und dass er dafür Buße tun muss, wenn er anderen schadet, dem traue ich persönlich auch nicht direkt zu, sich an einem Minderjährigen zu vergreifen...

Thod
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Fr 31. Jan 2003, 17:19 - Beitrag #13

Insofern kann es auch der Gesamtorganisation nicht egal sein, was die einzelnen machen, weil das gesamte Image darunter leidet.

Das sage ich ja auch nicht. Es ist nur so, dass die Menschen, welche in der Kirche sind, auch im Staat sind. Der Staat ist also für die Verfehlungen genauso zuständig, nur dass er eine pauschale Gerichtsbarkeit etc. hat. Die Kirche hatt allerdings *vor* allem strukturellem, wie auch ihrem Erscheinungsbild, die Pflicht (nach eigenen Moralvorstellungen) sich um das Seelenheil *aller* Menschen zu kümmern, auch um das des Täters. Hierin besteht ein Interessenskonflikt, der wohl in der Kirche meist zu gunsten des Betroffenen entschieden wird...

Gruss,
Thod

Krautwiggerl
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Fr 31. Jan 2003, 17:41 - Beitrag #14

Ok, das sehe (sogar) ich ein... ;)

vielleicht den letzten Halbsatz noch mit "leider"...


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