Ich würde das noch aus einem anderen Blickwinkel sehen. Gerade Schwarzeneggers Kampagne, die ich mit Interesse verfolge, ist da sehr ergiebig.
Politiker werben ja immer weniger über Sachpositionen für sich - sondern über Images, über Emotionen, über gestylte Charakterillusionen, die ihnen Werbeberater liefern.
Schwarzenegger greift zwar einerseits die Haushaltspolitik des Demokraten Gray Davis an: Kalifornien versinke im Finanzchaos, droht er. Andererseits weigert er sich konsequent, sich zu den Details des Haushaltes zu äußern. Die Wähler, sagt er Journalisten, hätten nun jahrelang genug Zahlen um die Ohren gehauen bekommen. Sie wollten keine weiteren hören. Sie wollten wissen, ob ein Kandidat 'tough' genug sei, den Gouverneursjob zu bewältigen. Und er sei tough genug.
Sprich, er macht den Wahlkampf ganz zur Personality-Show. So tritt er in seinen Spots auch auf: es geht nur um die Vermittlung eines Arnie-Images, nicht um Sachaussagen.
Da kann er sich nicht beschweren, wenn er genau auf dieser Ebene - was für ein Typ ist der Mann eigentlich, der da ein hohes Amt will - attackiert wird. Wie aussagekräftig Jahrzehnte alte Behauptungen und Aussagen aus einem Interview sind, ist dann wieder eine andere Frage.
Wir haben in Deutschland längst das gleiche Phänomen. Politiker aller Parteien werben in ihren Wahlkampfbroschüren schamlos mit Bildern ihrer Familien. Frau, Kinder, Hund und Blumengarten werden da zur heilen Welt arrangiert, die uns zeigen soll, wie solide und verlässlich jemand ist. Diese Prostitution des Privatlebens ist für die Kandidaten völlig okay, denn sie nützt ihnen. Gerne wird die Presse ins Wohnzimmer eingeladen, um so genannte Home Stories aus dem Herzen der Idylle zu verbreiten.
Wenn dann aber die Medien vermelden, dass die Kandidaten in Wirklichkeit in einer zerrütteten Ehe leben und längst eine oder mehrere Affären unterhalten, dann soll das plötzlich eine unglaubliche Schmutzkampagne und Grenzverletzung sein. Diese Beschwerden sind pure Heuchelei.
Die Politiker fordern hier nicht ihr Recht auf ungestörte Privatheit ein, sondern ihr Recht auf ungestörtes Lügen.
Ich messe die Berechtigung privater Enthüllungen daran, ob der Enthüllte selbst sein Privatleben (wahres oder erfundenes) als politisches Instrument eingesetzt hat. Wenn nicht, dann ist es tabu. Wenn doch, dann steht es der Nachprüfung offen.
Fargo
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