Die
Volksabstimmungs-Debatte habe ich abgetrennt. Ich hoffe, niemand fühlt seine Postings über Gebühr zerrüttet
Den Ausgang der Abstimmung in Frankreich hatte ich schon befürchtet. In meinen Augen sind vor allem zwei Effekte schuld daran:
*) Chirac hat die Abstimmung unnötig stark auf "Für Europa und mich, gegen Europa und gegen mich" zugespitzt und damit provoziert, dass die mit ihm unzufriedenen Bürger, die derzeit die eindeutige Mehrheit stellen, die letztere Option wählen, selbst, wenn sie eigentlich für Europa sind. Ironisch ist dies vor allem, da die Abstimmung eigentlich nach französischem Recht gar nicht notwendig gewesen wäre, Chirac hat sie nur angesetzt, um sich eine Bestätigung durch eine scheinbar sichere Volksabstimmung abzuholen. Eine derartige Selbsttäuschung sollte einem großen Staatsmann nicht unterlaufen.
*) Unabhängig davon, ob Volksabstimmungen an sich gut oder schlecht sind: Europa-Themen eignen sich dafür von allen am allerwenigsten. Denn gegen kaum ein Thema lässt sich so gut Propaganda betreiben wie gegen Europa. In den Europafragen lassen sich derart leicht Ressentiments, Ängste etc. pp wecken, dass es in meinen Augen nahezu unmöglich ist, eine Europa-Abstimmung zu gewinnen, wenn einige halbwegs einflussreiche Kreise es sich auch nur halbwegs in den Kopf gesetzt haben, dies zu sabotieren.
Zu den Folgen: Ich erwarte, dass Chirac es nocheinmal versucht oder stattdessen kurz vor Ende seiner Amtszeit, wenn/falls er keine Chance zur Wiederwahl mehr sieht, die Ratifizierung doch noch ohne Volk durchpeitscht.
Dass sich mit dieser Niederlage ein ohnehin sehr unzureichendes Vertragswerk noch weiter verzögert, schadet der EU und allen Mitgliedsstaaten aber massiv. Der derzeitige Zustand der Union ist desolat, die Verfassung würde sie noch nicht sanieren, aber zumindest einen Schritt vorwärts bedeuten, der den Weg für weitere, wirklich effektive Reformen freimacht.