In der Form halte ich das Konzept für nicht umsetzbar, aber aus dem Dunstkreis der diversen "Bürgergeld"-Konzepte verschiedener Parteien gibt es durchaus einiges, was sich zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügen ließe.
Zuerst mal das Problem:
Zur Zeit sind die meisten Arbeitnehmer in der gesetzlichen Krankenversicherung (gKV) versichert. Sie umfaßt damit viele angestellt arbeitenden Bürger zwischen, sagen wir 18 und 65 und deren Familien, dazu noch viele Rentner. Dazu sozialhilfebeziehende Bürger.
Die Ausgaben der gKV steigen trotz Sparversuchen weiter an, die Beiträge nicht mehr so, und die Beitragszahler werden durch Zuzahlungen usw. zusätzlich zum Beitrag zur Kasse gebeten.
Aufgrunddessen, daß Kinder mitversichert sind und außerdem viele Kranke und alte menschen in der gKV sind, hat diese eine etwas ungünstige Risiko-Struktur, die sich weiter verschlechtern wird absehbar.
Die Privatversicherungen sind am anfang billiger, die Beiträge steigen aber später deutlich an. Außerdem werden bevorzugt gesunde Menschen aufgenommen, kranke haben das Nachsehen oder zahlen sehr hohe Beiträge.
Hier sind vor allem Beamte und Selbständige versichert und Menschen mit einem recht hohen Einkommen.
Beiträge werden durchweg nur auf Arbeitseinkommen erhoben, Einkünfte aus Kapitalerträgen oder Mieten werden nicht berücksichtigt.
Die Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung steigen mit dem Einkommen an bis zur Beitragsbemesungsgrenze. Darüber bleibt der Beitrag gleich.
Die gKV nimmt ältere Menschen nicht mehr auf, die vorher privat verscichert waren.
Damit sind die Probleme klar:
Die gesetzliche Krankenversicherung ist besonders stark mit "schlechten Risiken" (anders gesagt, Menschen mit relativ hohen Gesundheitskosten) besetzt, die privaten Versicherungen dagegen überwiegend mit jungen und recht gesunden Menschen.
Menschen mit sehr hohen Einkommen zahlen in der gKV nicht entsprechend ihres Einkommens ein, sondern im Vergleich weniger als Niedrigverdiener. Menschen, die vor allem aus Kapital und Mieten Einkommen erzielen, zahlen praktisch nichts ein, aber beziehen natürlich Leistungen im Krankheitsfall.
Privatversicherte, die sich die Beiträge nicht mehr leisten können, fallen in ein Loch, weil sie nicht mehr von der gKV aufgenommen werden.
Das System ist also unsolidarisch, obwohl Krankheit ein allgemeines Risiko ist, vor dessen Kosten jeder geschützt sein sollte und wo jeder die Möglichkeit haben sollte, die Behandlung zu bekommen die er benötigt.
Jetzt kann man denken:
Ein für alle Menschen gleich gültiges Risiko (Krankheit) müßte auch von allen getragen werden, von jedem nach seinen Kräften.
Klar ist, daß es dann keine Trennung in Kranke und gesunde, schlechte und gute Risiken geben darf.
Und es müßte jeder einzahlen, egal was und aus welchen Quellen er verdient.
Ich halte diese Forderung für durchaus vernünftig.
Insbesondere die Tatsache, daß jetzt zwei Versicherungssysteme mit völlig anderen Rahmenbedingungen existieren und Menschen gezwungenermaßen ihren Versicherungsschutz verlieren können, halte ich für unerträglich.
Wie müssen davon ausgehen, daß man in Zukunft nicht mehr nur bei einer Firma arbeiten wird, nur angestellt oder nur selbständig. Diesen wechselnden Biographien muß auch das Gesundheitsystem entgegen kommen.
Die Frage ist nur, wie man es umsetzt.
IMHO muss es aus Beiträgen finanziert werden, und zwar von jedem nach seinen Kräften.
Und es muß auch von den Arbeitgebern mit getragen werden, denn auch sie profitieren von möglichst gesunden Mitarbeitern - und die soziale Marktwirtschaft ist ein Aushängeschild, das viele gerne übernehmen würden - auch wenn manche das nicht wahrhaben wollen).
Ein einheitlicher Beitrag, wie von der CDU gewollt, benachteiligt die Wenigverdiener und bevorteilt die Vielverdiener - ist also ungerecht.
Wer sich diesen Einheitsbeitrag nicht leisten kann, dem will die CDU einen Zuschuß aus Steuergeldern geben.
Das halte ich aus zwei Gründen für fragwürdig:
1. Den Menschen wird vorgegaukelt, es werde immer genug Geld da sein für diese Zuschüsse - was a priori nicht vorhersagbar ist.
2. Jede Steuerfinanzierung ist IMHO verfassungsmäßig bedenklich. Denn damit wird jeder zukünftige Haushalt schon mal mit einem bestimmten größenordnungsmäßigen Betrag belegt, ohne daß das Parlament darüber entscheiden kann.
Abgesehen davon, daß ein Einheitsbeitrag immer je nach Belieben der Wirtschaft rauf und runter gesetzt werden wird, weil der notfalls nötige Zuschuss ja eh vom Staat gezahlt wird...das wäre eben der altbekannte Versuch, Gewinne zu privatisieren und Verluste auf die Allgemeinheit abzuwälzen.
Also kurz mein Votum:
Bürgerversicherung ja, aber:
Beitragsfinanziert mit Arbeitgeberbeteiligung
Beiträge einkommensabhängig und auf alle Einkommensarten bezogen
Versicherungsrecht für alle Bürger
Versicherungspflicht für alle Bürger, die nicht schon im Ausland oder über berufsständische Versicherungen wie bei manchen Selbständigen (Rechtsanwälte z.B.) versichert sind.
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