Das System der BRD: Kritik und Verbessungsvorschläge

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Maurice
Analytiker
Lebende Legende

 
Beiträge: 5166
Registriert: 14.01.2003
Mi 31. Aug 2005, 13:25 - Beitrag #1

Das System der BRD: Kritik und Verbessungsvorschläge

Im Nichtwählen-Thread wurde das Thema ja schon angerissen und ich finde, dass man diesem einen eigenen Thread gönnen kann.
Im genannten Thread wurde schon dafür plädiert nicht wählen zu gehen, weil man mit dem politischen System unzufrieden sei. Deshalb frage ich hier diese (und natürlich alle anderen Member die dazu ihre Meinung äußern wollen), was sie an dem System der BRD stört, wie es anders sein sollte und wie dies realisiert werden könnte.

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Mi 31. Aug 2005, 13:52 - Beitrag #2

was mich stört

- Aushöhlung und faktische Aufhebung des Demokratieprinzips durch Lobbyismus
- Fehlen einer echten Opposition
- Fehlen einer unabhängigen Presse und anderer Medien
- Fachleute-Prinzip
- faktische Kooperation von Legislative, Exekutive und Jurisdiction statt wechselseitiger Kontrolle
- Bürokratie, die zugunsten der Machtträger arbeitet und nicht zugunsten der Bürger
- Ressourcenungleichverteilung
- viele, viele Details


wie es sein sollte

- Räterepublik
- Räte zirkulieren in kurzen Zeitabständen
- Verbot von Fraktionen - jeder Rat steht für sich selbst
- Verbot von Lobbyismus in jeder Form
- effektive Trennung der drei Gewalten durch Räteprinzip auch in Jurisdiction und Exekutive
- politische Entscheidungen schaffen Bedingungen für die Verwirklichung von Projekten statt Sachzwängen zu folgen
- Ressourcengleichverteilung



wie es verwirklich werden kann

- Grundgesetzänderung

Maurice
Analytiker
Lebende Legende

 
Beiträge: 5166
Registriert: 14.01.2003
Mi 31. Aug 2005, 13:58 - Beitrag #3

Deine Forderungen haben mich jetzt spontan an die Ideale der DDR erinnert.
Würdest du sagen, dass die Idee der DDR die bessere war, aber nur an der Umsetzung gescheitert ist?
Findest du, dass es auf der Welt einen Staat gibt (oder wenn nicht zumindest einmal gab), wo deine Forderungen erfüllt waren?
Siehst du in deinen Forderungen auch Nachteile und mögliche Probleme oder hälst du deren Umsetzung für ein Garant, dass alles besser laufen wird?

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Mi 31. Aug 2005, 15:06 - Beitrag #4

Wenn man das Proletariat mit einem Mangel an oder Unwillen zur Bildung und Kritik charakterisieren würde, dann hätten wir das Zeil der DDR erreicht, die Diktatur des Proletariats.

Nun, im Prinzip teile ich Ipsis Sicht, sehe aber eine entscheidende Hürde, nämlich das Bedürfnis sehr vieler Menschen, eben nicht ständig partizipieren zu wollen, sondern Macht zu delegieren.
Die Rotation ist keine schelchte Idee, scheitert aber ebenso daran, daß viele Projekte längere Laufzeiten haben und personelle Kontinuität alles andere als schädlich ist in vielen Fällen.
Damit entsteht zwangsläufig Expertentum - mit allen Konsequenzen.

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Mi 31. Aug 2005, 15:32 - Beitrag #5

an die Ideale der DDR wohl kaum^^ ich wüßte jedenfalls nicht, daß das eine Räterepublik war

eher steht die Münchner Räterepublik Pate bei dem Gedanken, die ja auch ein paar Monate funktionierte, ehe sie zusammengeschossen wurde

von Forderungen spreche ich nicht, nur von Utopien

jedenfalls glaube ich, daß die Idee einer Räterepublik mit zirkulierenden Räten dem Gedanken einer echten Demokratie näher steht als die Idee einer parlamentarischen Demokratie mit faktischer Lobbyistenregierung.


Da an der Umsetzung Menschen beteiligt wären, wäre ich sehr verwundert, wenn es nicht die üblichen Probleme gäbe^^


mir ist kein Staat bekannt, in dem das erfüllt wäre oder gewesen wäre

Lord Stiordio
Good Newbie
Good Newbie

 
Beiträge: 38
Registriert: 10.09.2001
Mi 31. Aug 2005, 15:36 - Beitrag #6

Eine Trennung von Amt und Mandat - einzig vernünftige Forderung der Grünen in ihrer Parteigeschichte, dann einfach verworfen - vermisse ich. Wer in der Regierung sitzt, sollte keinen Einfluß im Parlament ausüben. Außerdem würde ich gerne öfters "echte" Gewissensentscheidungen, auch und gerade in wichtigen Abstimmungen zu sehen bekommmen.
Extrem ärgerlich ist es auch, wenn dauernd per Gesetz neue und immer drastischere Maßnahmen in einer Sache ergriffen werden, anstatt die bisherigen Vorgaben überhaupt erstmal auszureizen. So ein Vorgehen ist nicht nur psychologisch vollkommen ungünstig. Ein Beispiel: Einführung der Vermögenssteuer - darüber brauchen wir solange nicht nachzudenken, wielange wir die aktuellen Regelungen nicht ausreizen. Bevor an so etwas gedacht wird, sollte man dafür Sorge tragen, dass überhaupt erstmal jeder seine Steuern nach den aktuellen Regeln zahlt. Auch über Biometrie-Daten im Ausweis braucht man nicht zu diskutieren, solange überhaupt nicht die Möglichkeit besteht, diese Daten auch im großen Stil zu nutzen. Oder eine Erhöhung der Körperschaftssteuer - völlig überflüssig, wenn man erstmal dafür Sorge trägt, dass Unternehmen nicht länger ihre Steuerlast durch Scheinverluste minimieren können.

Maurice
Analytiker
Lebende Legende

 
Beiträge: 5166
Registriert: 14.01.2003
Mi 31. Aug 2005, 16:16 - Beitrag #7

Ipsi wenn deine oben genannten Vorschläge keine Forderungen, sondern nur Utopie sind und du daran zweifelst, dass sie überhaupt durchführbar wären, dann verstehe ich nicht recht, warum du das existierende System so kritisierst. Gibt es doch aus deinen Ausführungen nach folglich keine wirklich mögliche Alternative, sondern nur eine rein fiktive.

Die Zirkulation in den Räten ist meiner Einschätzung nach kein sicheres Mittel gegen Lobbyismus und Korruption, weil hinter den Personen in den Räten immer noch Wirtschaftsbosse ihre Finger im Spiel haben könnten. Bei einem solchen System müssten zwar mehr Personen bestochen werden, aber auch das halte ich für realistisch.
Daneben sehe ich bei diesem System den großen Nachteil, dass sich die Bürokratie noch weiter erhöhen wird, weil die Macht noch mehr unter mehreren Menschen aufgeteilt werden würde. Beschlüsse würden noch länger dauern und noch schwerer sein durchzusetzen, weil sie durch noch mehr Instanzen gehen müsste. Um das zu vermeiden könnte man auch zu einer Kleinstaaterei zurückkehren, in dem jedes Gebiet seine eigene unabhängige Regierung hätte... aber so ein System wäre in der heutigen Weltordnung imo kaum überlebensfähig.

Milena
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 1797
Registriert: 17.01.2005
Mi 31. Aug 2005, 18:12 - Beitrag #8

ich kann mich jetzt nicht so gebildet und hochintellektuell politisch ausdrücken, hoffe trotzdem, dass ihr mich nach frei Schnauze gewähren lasst:
Maurice: mit etwas unzufrieden sein, setzt doch nicht sofort die Superlösung bzw. Verbesserung voraus...Die Unzufriedenheit in diesem Staat äussert sich zunächst mit Unruhe, Streiks, Nichwählen usw...natürlich auch mit der Überlegung, warum gefällt einem dies und jenes nicht....wer würde sich denn noch irgendetwas zutrauen zu äussern, wenn er sogleich die Superlösung parat haben sollte.....da wäre doch das ideale Duckmäuschenvolk geboren...
Ipsi hat viele Verbesserungsvorschläge angebracht, die er für angemessener hält, aber natürlich sind auch wieder Menschen dabei im Spiel und vieles bleibt nach der angestrebten Veränderung vielleicht nur Fiktion...
aber der erste Schritt wäre getan...
merkt ihr überhaupt wie das deutsche Volk den Bach runter geht..?
dass sich noch kaum jemand traut, mehr als ein Kind in Deutschland zu gebären,
das die Mütter krampfhaft nach einer Kindertagesstätte suchen,
um halbtags einen Job annehmen zu können,
dass die Alten in Altersheime abgeschoben werden,
dass dies alles in anderen Ländern einfach lächerlich ist und
nur ein Kopfschütteln verursachen...
Du kannst doch von Ipsi oder sonstwer nicht verlangen, dass er mit irgendeiner tollen Idee in der Lage ist den deutschen Staat im Sinne der Jetztunzufriedenen umzukrempeln....
tolle Ideen gibt es zu genüge,
doch wer interessiert sich wirklich dafür,
hauptsache man hat heutzutage einen Arbeitsplatz,
und das Geld stimmt und mehr Initiative geht schon nicht mehr....
aber trotzdem müssen wir uns nicht mit dem jetztigen Zustand zufrieden geben, nur weil wir auch keine super Paradelösung haben,
verstehst Du was ich meine?^^

e-noon
Sterbliche
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4576
Registriert: 05.10.2004
Mi 31. Aug 2005, 22:16 - Beitrag #9

Naja, so supertoll ist es aber in anderen Ländern auch nicht, wenn es den idealen Staat bereits gäbe, müssten sich ja alle einfach nur an seinem Beispiel orientieren und schon wäre alles perfekt ;)

Ich bin auch nicht sooo fit in Politik, aber mir gefällt nicht
- dass viele Politiker ihre Wahlversprechen nicht halten, bzw. dass sie diese überhaupt geben, wenn ihnen eigentlich klar sein sollte, dass ihre Versprechungen nicht umsetzbar sind
- dass man keine klaren Linien mehr erkennen kann (ich zumindest nicht), und damit nicht weiß, wen man wählen soll, welche Partei die eigenen Interessen vertritt, weil sie sich nicht mehr sehr stark unterscheiden - zB. dass die Grünen Atomkraftgegner sind, für Energiesparautos stehen, sich stark im Tierschutz engagieren, während die SPD vor allem die Interessen der kleinen und die CDU die der großen Leute vertritt... dann wüsste man imo eher, wen man wählen soll
- Zu viel Bürokratie
- Die Forderung nach mehr Kindern, für die keine Arbeitsplätze, dafür schlechtere Arbeitsbedingungen bereit stehen
- Der Ruf der Politiker nach besserer Bildung der nächsten Generation bei gleichzeitiger Einführung von Studiengebühren und immer größeren Klassen

Und ähnliches...
Dass eben der Eindruck entsteht (von den Medien häufig gestützt), dass Politiker nur für ihr Gehalt arbeiten und um die nächste Wahl zu gewinnen, so dass das positive Interesse an Politik immer mehr abnimmt...

Verbesserungsvorschläge... Nur noch "gute Menschen" Politiker werden lassen? Das Gehalt der Politiker (inklusive Nebeneinnahmen) so weit herunterschrauben, dass es nicht mehr einzige Motivation sein kann, sich eine weitere Amtszeit zu sichern? Juristische Sanktionen für gebrochene Wahlversprechen, die man hätte vermeiden müssen? Jede Partei muss vorher ein klares Konzept aufweisen, dass noch zum Kern und der Zielsetzung der Partei passt...?

Diktatur mit einem netten Diktator? ^^

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Fr 2. Sep 2005, 20:42 - Beitrag #10

Naja, e-noon, wer dem Volk nicht nach dem Munde redet, wird eben nicht gewählt, das ist leider so - und läßt sich auch kaum beheben. Was längerfristig dabei rauskommen soll, sieht der Durchschnittswähler nicht - aber damit ergibt sich ein statistisches Rauschen, und diejenigen, die genauer hinsehen und sich im Zweifelsfall anders entscheiden, machen doch etwas aus.
Über die klaren Linien muß man sich informieren, soweit es geht; daß die Grünen zum Beispiel Atomkraftgegner sind, verrät ein Blick in ihr Parteiprogramm oder in die Tagespresse. Und die Antworten auf manche der zur Zeit drängenden Fragen sind entweder so unbequem, daß niemand sie offen äußern mag, oder aber so selbstverständlich, daß dort nicht viele Möglichkeiten bestehen, sich zu profilieren. Konkret: Wer Rentenkürzungen fordert, verliert die Wahl. Und mit "Steuern rauf, mehr Staatsverschuldung, Bürokratiewachstumsrate reduzieren" gewinnt man weder Blumentopf noch Profil. ;)
Ob die Arbeits- und Lebensbedingungen von heute geborenen Kindern besser sind, wenn sie erwachsen werden, ist eine heiße Frage, allerdings wohl kaum zu beantworten - dafür kann einfach zu viel passieren bis dahin... hängt allerdings ziemlich stark von den Weichenstellungen der nächsten Jahre ab...
Bessere (Aus-)Bildung ist wünschenswert und zur Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit wohl notwendig. Ein Niedriglohnland mit billigen Massenprodukten können und wollen wir nicht werden. Dabei sind die Studiengebühren und zu großen Klassen ärgerlich - aber das Geld fehlt eben an allen Ecken und Enden...
Kritische Berichterstattung ist (sicher nicht nur in meinen Augen) absolut notwendig; der schlechte Eindruck ist bedauerlich, aber - wenn gerechtfertigt - möglicherweise heilsam. Wer Mist baut, muß (irgendwann) gehen.

Und zu den Verbesserungsvorschlägen:
Die Politikergehälter haben einen doppelten Sinn: Einerseits sichern sie die Unbestechlichkeit, und andrerseits sorgen sie dafür, daß wirkliche Spitzenkräfte in die Politik gehen, und nicht "nur" Idealisten - die möglicherweise in der Praxis weniger erreichen würden.
Juristische Sanktionen für gebrochene Wahlversprechen? Eine wunderbare Idee. Ich stimme zu. Dazu: Anteilige finanzielle Haftung bei grobem Unfug.

e-noon
Sterbliche
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4576
Registriert: 05.10.2004
Fr 2. Sep 2005, 20:57 - Beitrag #11

Da stimme ich dir weitgehend zu. Das Argument der Unbestechlichkeit war mir gar nicht in den Sinn gekommen, ist aber sehr einleuchtend. Wie soll allerdings ein hohes Gehalt garantieren, dass nur Spitzenkräfte an die Macht kommen?

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Fr 2. Sep 2005, 21:00 - Beitrag #12

Das hohe Gehalt (bzw. hohe Diäten) garantiert es selbstverständlich nicht. Ein zu niedriges Gehalt reduziert aber die Wahrscheinlichkeit, daß sich jemand dazu bereitfinden wird. Und je mehr fähige Leute zur Verfügung stehen, weil es sich eben für sie lohnt, desto wahrscheinlicher werden sie auch gewählt - jedenfalls solange man davon ausgeht, daß Qualifikation für den Wähler auch eine Rolle spielt ;)

e-noon
Sterbliche
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4576
Registriert: 05.10.2004
Fr 2. Sep 2005, 21:47 - Beitrag #13

Du meinst, Macht wäre kein genügend starkes Antriebsmittel?
Meine Idee war, dass sich dann eben vielleicht nicht die durchsetzungsfähigsten, macht- und geldgierigsten schlauen Köpfe für den Job melden, sondern grade die Idealisten - denn ich bin sicher, es gibt auch fähige Idealisten, die sich nicht so sehr um Wiederwahl als vielmehr um Besserung für Deutschland bemühen würden. Ich hoffe es zumindest ^^
Aber vermutlich würde niemand sie wählen, also... keine so gute Idee.

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Fr 2. Sep 2005, 22:20 - Beitrag #14

Lobbyismus, Wahlversprechen und Politikergehälter, da hätten wir die typischen Stammtischthemen beieinander.

Indes, die Lösungen erscheinen mir so einfach nicht zu gewinnen.

Lobbyismus:
Eines der obersten Privilegien demokratischer Parlamente seit der Französischen Revolution ist das Haushaltsprivileg: Kein Geld darf ausgegeben werden, wenn es nicht in eiem vom Parlament genehmigten Haushalt festgelegt ist.
Das hat Folgen. Zum Beispiel die, unliebsame, daß meinereiner Aufträge oft erst sehr spät bekommt, weil das Parlament den Haushalt erst sehr spät genehmigt und die Aufträge vergebende Behörde erst dann rechtswirksam Verträge schließen darf.
Zum Beispiel die, normativ wirkend faktische, daß, weil alles was Politik bewegt, Geld kostet, alle, die etwas vom Staat wollen, sei es eine neue Straße, einen Sportplatz, Rüstungsaufträge sich um die Politiker drängen, damit diese möglichst das Geld für "ihr" Projekt genehmigen. Und das umso mehr, wo Geld zum knappen Gut wird. Der einzelne Politiker muss sich dann entscheiden, je 10000 Euro für Sportplatz, Schulrenovierung, behindertengerechten Umbau der öffentlichen Gebäude, und einiges mehr, oder 300 000 Euro für die Planung einer Umgehungsstraße.
Der Lobbyismus an sich ist dabei nicht zu verwerfen, denn er bringt dem Politiker zu Bewußtsein, wo die Interessengruppen der Gesellschaft "der Schuh drückt", was SchülerElternLehrer, was Unternehmen, was Umweltverbände als aktuelles Problem ansehen und in welcher Wichtigkeit.
Als Mitglied eines Naturschutzverbandes bin ich auch Teil einer Lobby, so gesehen.

Das Problem in der Praxis ist, daß dieses System in der dargestellten Form eine ungefähr gleichwertige Ausstattung der Lobbys mit Geld, Personal, Expertenwissen, Rückhalt bei der Politik impliziert und voraussetzt.
Und da hakt es.
Wirtschaftsnahe Lobbys haben erheblich mehr finanzielle Mittel und Personal zur Verfügung als Naturschutzverbände oder erst Elternverbände. Sie können daher ganz anders bei der Politik auftreten, können Empfänge mit Kulturprogramm usw. ausrichten, bei denen das nötige gemütliche soziale Klima entsteht, um offene Ohren für die Interessen zu finden.
Außerdem "ist Geld gerne bei Geld", wie gesagt wird, anders, die Sprache des Geldes wird besser verstanden als die der Einzelprobleme der Schule xy, der Sportplatzsituation, die Probleme Behinderter im öffentlichen Raum oder der Lebensraumansprüche des seltenen Faltigen Gelbkopfspötters, dessen letzter Lebensraum nun endlich großräumig geschützt und gemanagt werden muß, wie die Naturschutzlobby findet.
Deshalb hat die Forderung nach der Umgehungsstraße gleich größeres Gewicht als der Schutz des Spötters, durch dessen Lebensraum die Trasse quer durchschneidet. Und sind die Schüler nicht schon 3 Jahre mit einer tropfenden Decke zurecht gekommen? Da können sie doch sicher noch ein Jahr...
Wenn dann der Abgeordnete noch gerne Tennis spielt mit dem Unternehmer, de durch die Umgehungsstraße besser angebunden würde, ist klar, wofür dieser sich entscheidet.

Wahlversprechen:
lykurg hat es schon gut dargestellt, mit der Ankündigung von Einschnitten ist keine Wahl zu gewinnen, gewählt wird, wer etwas positives verspricht.
Und so versucht denn der Politiker, es allen Wählern recht zu machen. Die Schule wird renoviert, dafür will er kämpfen. Der Verkehr ist unerträglich, und die Umgehungsstraße sichert den Bestand des größten Arbeitgebers, auch dafür also setzt er sich ein.
Dann aber kommt alles anders, die Steuereinnahmen brechen ein, die örtliche Bauindustrie kommt in die Krise, und ein Betriebsrat einer Autofirma hat eine Idee.
Also wird das Geld umgeschaufelt, in die versprochene Schulrenovierung und in etwas anderes, wovon die Baufirmen etwas haben - Sportplätze!
Das übrig gebleibene Geld wird dann verwendet, um das neue Bundesprogramm umzusetzen, wo Sozialhilfeempfänger nun Arbeitslosengeld bekommen.
Offenbar ein Bruch von Wahlversprechen, was die Straße betrifft, aber notwendig angesichts einer geänderten Lage.

Politikergehälter:
Die Diäten der Politiker sollen diese unabhängig machen, sie in die Lage versetzen, frei von anderen Interessen nur der öffentlichen Sache zu dienen.
Und sie sollen so hoch sein, daß sie Menschen ermuntern, in die Politik zu gehen, anstatt in die Wirtschaft. Wo sie das Doppelte verdienen könnten.

Soweit, so gut.

Die Probleme sind klar: Lobbyismus müßte auf das zurück geführt werden, was er sein soll, die legitime Vertretung von gesellschaftlichen Interessen vor der Politik.
Politiker werden bezahlt, damit sie unabhängig sein können. Unabhängigkeit, Freiheit von Partikularinteressen, das muss gefordert und umgesetzt werden.

Ganz konkret könnte das in meinen Augen so umgesetzt werden:
- Für bestimmte Politikfelder bietet der Staat Räume und eine Geldausstattung, die Lobbys für ihre Arbeit nutzen können.
Dafür ist dies der einzige Bereich, in dem sie tätig werden dürfen.

- Politiker müssen vollständig und öffentlich darlegen, in welchen Interessengruppen und Firmen sie tätig gewesen sind. Für die Dauer ihrer politischen Tätigkeit müssen sie alle diese Positionen ruhen lassen.

Dies muss mit empfindlichen Strafen für den Abgeordneten und seine Partei verbunden werden.

Was die Wahlversprechen betrifft...gegen die Änderung von Rahmenbedingungen während der Wahlperiode ist kein Kraut gewachsen.


Zurück zu Politik & Geschichte

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 14 Gäste

cron