Zitat von Padreic:Zwei Dinge:
1. Wenn ich meine, dass die Türkei (noch) nicht in die EU soll, auch weil sie zu wenig europäisch sind, so ist das keine Feindlichkeit gegenüber dem Islam. Prinzipiell spricht überhaupt nichts dagegen, dass ein vorwiegend islamisch geprägtes Land in die EU kommt. Wenn man denn ein geeignetes findet.
Bei der Türkei steht für mich nicht so sehr das islamisch-sein im Vordergrund, sondern daß es sich letztlich um ein Stück Europa handelt, mit einer Brückenfunktion zu einem anderen Kulturraum.
Wenn man partout ein islamisches Land wegen seiner islamisch-heit in der EU haben wollen würde, böte sich auch Marokko an, als strategischer Außenposten gegen den Ansturm der Afrikaner. Dies wäre allerdings ein schlechter Scherz, in der aktuellen Lage...
Zitat von Padreic:2. Du argumentierst, glaube ich, gerade gegen den Islam oder islamisch geprägte Staaten. Mir sind, um es platt zu sagen, Kulturen lieber, die früher barbarisch waren und sich jetzt zur Modernität und Freiheit entwickelt haben, als solche, die früher modern und freiheitlich waren und sich dann zur Barbarität entwickelt haben.
Was ist der Islam? Eine Religion auf der Grundlage eines kodifizierten Normensystems, das in einer gewissen Bandbreite engstirnig oder liberal interpretiert werden kann. Und dazu mit lokalen Traditionen verwoben wurde.
Nach meinem Eindruck ist die heutige engstirnige Interpretation eher entgegengesetzt zu der ursprünglichen Intention, eine liberalere Interpretation wäre also IMHO eine Art "back to the roots".
Wenn wir hierbei behilflich sein könnten, dann sollten wir diese Chance nutzen. Und vorallendingen sollten wir nicht übersehen, daß die Barbarisierung nicht einfach so passiert ist, sondern daß Europa hieran nicht unwesentlich beteiligt war.
Dadurch, daß der Kolonialismus negative Wirkungen hatte.
Dadurch, daß die Politik Israels über Jahrzehnte völlig unkritisiert blieb, auch wenn sie die Palästinenser ihrer Rechte beraubte und gegen UN-Resolutionen verstieß.
Dadurch, daß Europa durch seine Marktpolitik auch Nordafrika einer Entwicklungsperspektive beraubte. Nur dem islamischen Almosengebot ist es zu verdanken, daß überhaupt noch etwas läuft in den Ländern Nordafrikas, aber natürlich haben damit einige reiche Almosengeber auch Einfluß erlangt, den sie besser nicht haben sollten.
So gesehen argumentiere ich gegen den Islamismus, eine Strömung, die eine Pervertierung der ursprünglichen Lehre des Islams darstellt.
Mit dem Laizismus ist, wie LadysSlave richtig anmerkt, die Türkei eher schon ein untypischer "islamischer" Staat, darin auch konsequenter als z.B. Bayern.
Es ist auch unbestritten, daß man der Türkei schon seit mehreren Jahrzehnten Aussichten auf einen EU-Beitritt macht, das jetzige Gezerre ist da recht inkonsequent.
Daß vor einem EU-Beitritt eine ganze Reihe von Forderungen erfüllt sein müssen - Zypern-Anerkennung, Bekenntnis zu der behandlung der Armenier, Demilitarisierung des Systems, Abschaffung der Folter in praxi,...- ist ebenso unbestritten.
Nur werden diese Ziele ohne eine Anstrebung des Beitritts gar nicht erreichbar sein.