Für Demokratie und Menschenrechte...

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Lykurg
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Sa 5. Nov 2005, 19:25 - Beitrag #21

Und eine aktuelle Fortsetzung der Geschichte - ein Kommentar im "Standard" von heute.
Amerikas infames Ansuchen
Die Pläne für CIA-Gefängnisse in Osteuropa dienen vor allem zur Spaltung Europas - von Eric Frey

Die Vereinigten Staaten sind ein Rechtsstaat, dessen Verfassung auch den gefährlichsten Kriminellen gewisse Rechte garantiert. Zwar hat die Regierung von George W. Bush versucht, bei Terrorverdächtigen die üblichen Verbote gegen Folter oder unbegrenzte Inhaftierung ohne Gerichtsurteil zu unterlaufen, doch wird sie dabei von den Gerichten in ihrer Handlungsfreiheit zumindest eingeschränkt.

Das aber wollen Bush & Co nicht hinnehmen. Sie sind überzeugt, dass es im "Krieg gegen den Terror" keine juristischen Grenzen geben kann. Wie ein roter Faden ziehen sich daher seit dem 11. September durch die US-Politik die ständigen Bemühungen, die lästigen rechtsstaatlichen Normen zu sprengen und freie Hand bei der Behandlung mutmaßlicher Terroristen zu gewinnen. Dafür aber müssen die Gefangenen außerhalb der USA gehalten werden - im völkerrechtlichen Niemandsland von Guantánamo oder in den Kerkern befreundeter Diktaturen.

Politik der Rechtlosigkeit

Die Folgen dieser Politik der Rechtlosigkeit für Amerikas weltweiten Ruf und für das eigene moralische Selbstverständnis sind bekanntlich verheerend. Aber zumindest aus der engen Sicht des Pentagons und der CIA konnte man den Reiz verstehen, Terrorverdächtige in Afghanistan, im Jemen oder in Jordanien zu verhören, wo niemand ihre Folterschreie hören kann. Wenn sich auch nur ein einziger Anschlag dadurch verhindern lässt, so die machiavellistische Logik, dann hat der Zweck die Mittel geheiligt.

Aber was hat die Bush-Regierung geritten, die jungen Demokratien Osteuropas, die selbst erst seit Kurzem die Regeln des Rechtsstaates beherrschen, um diesen schmutzigen Handlangerdienst zu bitten? Wollte sie von alten KGB- Methoden profitieren, oder dachte sie, die Verdächtigen würden im kühlen Klima Mitteleuropas eher auspacken als in heißeren Gegenden?

Ob irgendein osteuropäisches Land dem amerikanischen Wunsch tatsächlich nachgekommen ist, wird sich erst zeigen. Aber allein das Ansinnen der Bush-Regierung deutet auf eine politische Infamie sondergleichen hin.

Jahrzehntelang haben die Völker Osteuropas mit Sehnsucht nach Westen geblickt. Amerika verkörperte am stärksten die Ideale der Freiheit, aber sie fühlten sich als Europäer. Polen, Balten oder Rumänen wollten sich dabei nicht zwischen diesen beiden Welten entscheiden. Sie wollten zur Nato und zur EU, sie suchten die Freundschaft mit Amerika und die Zugehörigkeit zu Europa. Deshalb sahen sie auch keinen Grund, der USA im Irakkrieg die Gefolgschaft zu verweigern. Wenn Amerika irgendwo in der Welt den Kampf für Freiheit und Demokratie eröffnet, dann sind die ehemaligen Opfer des Kommunismus zumindest symbolisch dabei.

Doch dies ist der Bush-Regierung nicht genug: Sie fordert von ihren Verbündeten eine Entscheidung zwischen Washington und Brüssel. Vor zwei Jahren drängte sie mit aller Kraft auf die Unterschrift unter ein bilaterales Abkommen, das die - rein hypothetische - Auslieferung von US- Staatsbürgern an den neuen Internationalen Strafgerichtshof verhindern würde.

Diesmal ging sie noch weiter: Die Aufnahme von Geheimgefangenen in osteuropäischen Gefängnissen wäre ein grober Verstoß gegen alle europäischen Grundsätze und stellt das Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit infrage. Vor allem Rumänien ist in die Zwickmühle geraten: Sollte sich trotz aller Dementis zeigen, dass Bukarest den USA nachgegeben hat, dann ist die Verschiebung des EU-Beitritts auf 2008 so gut wie sicher.

Wer immer sich diese Politik ausgedacht hat, konnte damit nur ein Ziel verfolgen: einen Keil zwischen das "neue" und das "alte" Europa zu treiben und die EU dadurch weltpolitisch zu schwächen. Die Affäre könnte die gerade erst wieder genesenen transatlantischen Beziehungen noch gehörig belasten. Vor allem aber droht Bush damit, Amerikas großes Ansehen, das US-Präsidenten von Harry Truman bis Bill Clinton in Osteuropa aufgebaut haben, mit einem Schlag zu verspielen.

(DER STANDARD, Printausgabe, 5.11.2005)

Malte279
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Sa 5. Nov 2005, 21:43 - Beitrag #22

Ich finde all das einfach nur traurig :cry:
Für den durchschnittlichen Mitteleuropäer habe ich ein eher positives Bild von Amerika. Ich habe dort viele Freunde deren Meinungen zu G.W. Bush, dem Krieg gegen "Terrorismus", Umweltschutz etc. sich mit den hier vertretenen decken. 2002 war ich selber auf Schüleraustausch in Minnessota und habe dort sehr positive Erfahrungen mit den Leuten gemacht von denen die große Mehrheit so überhaupt nicht zu den Vorstellungen vom Amerikaner passten, die nichts vom Rest der Welt wissen und Probleme am liebsten durch (Waffen)gewalt lösen.
Und doch muss ich da wohl irgendwie in einem außergewöhnlich aufgeklärten und vernünftigen Teil Amerikas gelandet sein. Die Wiederwahl Bushs ist wirklich schwer zu "verzeihen". Ich frage mich ob und wie sich die US "Politik" ändern wird wenn einmal nicht mehr Bush im Weißen Haus sitzt.
Allerdings erinnere ich mich auch an ein Ereignis während meines Austausches das direkt mit dem Thema zu tun hat. Für das Fach "Current Events" mussten wir da immer Artikel zu Zeitungsartikeln aus den Magazinen "Time" bzw. "Newsweek" schreiben. Also das Thema unsere eigene Haltung dazu und so weiter. In einer Woche gab es dort einen Artikel um die Frage ob man "Terroristen" foltern dürfte, wenn dadurch ein weiterer 11.September verhindert werden könnte.
Eine große Mehrheit wahr einerseits strikt gegen Folter, aber andererseits nicht strikt genug um Folter abzulehnen wenn gesichert feststünde, dass eine festgenommene Person über Informationen verfügte die einen weiteren 11.September verhindern könnten.
Aber wann würde es wohl je zu der Situation kommen, dass man zwar wüsste dass eine Person etwas über einen geplanten Anschlag wüsste, aber sonst überhaupt keine Informationen über den Anschlag selbst hätte.

Maglor
Karteizombie
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Mo 7. Nov 2005, 16:19 - Beitrag #23

Wir wollen doch nicht mir dem Finger auf "Osteuropa" zeigen...
Ja, Deutschland, auch du gehörtst der Führung Amerikas?
Waren es nicht deine Söhne, das KSK, das jene armen Seelen im Hindukusch einfing, die jetzt in Guantanamo gefoltert werden, um Deutschland zu verteidigen.
MfG Maglor :rolleyes:

Maurice
Analytiker
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Mo 14. Nov 2005, 14:40 - Beitrag #24

Ich habe den Thread nur überflogen, weshalb ich um Nachsicht bitte, wenn ich was vergessen haben sollte:

@Janw: Den Begriff "Selbstlosigkeit" spreche ich keinem Menschen in irgendeiner Situation zu. Jeder Mensch versucht immer nur seine Interessen zu verwirklichen, die sich nur darin unterscheiden wessen Glück auf welche Weise maximiert werden soll.

@Pad: Du klingst ja fast schon utilitaristisch. Was ist los mit dir, so kenne ich dich ja gar nicht. Ich hätte eher etwas in Richtung Kant erwartet. ;)

@Nuriko:
Utilitaristisch gesehen gibt es nichts was gegen Folter spricht, wenn es einem nützt an Iformationen zu bekommen.

Sorry aber der Satz zeigt nur, dass du den Utilitarismus nicht verstanden hast. Das zeigt sich allein schon darin, dass du zuwenige Möglichkeiten kalkulierst. E-Noon hat mehrere Aspekt genannt, die ebenfalls eine Rolle spielen. Ob Folter utilitaristisch zu befürworten oder abzulehnen ist, hängt von den Präferenzen der Beteiligten ab.
Ansonsten kann ich dir, wie jedem anderen auch das Buch von Gesang ans Herz legen. Wer es etwas klassischer will, kann auch Mill nehmen, dessen Utilitarismus auch schon deutlich gegen die Vorurteile spricht, die auf Benthams Formel aufbauen.

@Ipsi: Zum einen muss ich dir nochmal sagen, dass es totaler Umbug ist die These aufzustellen Utilitarismus = menschenverachtend. Auch du solltest vielleicht nochmal das ein oder andere Buch lesen.
Zum anderen muss ich die Ethik auch etwas kritisieren, da sie imo,wie jede andere Ethik auch, die über die bloße Glücksmaximierung des Individuums hinausgeht, ihr Programm nicht ausreichend begründen kann. Entweder der jemand hat das Interesse "moralisch" zu handeln oder nicht. Wenn nicht, dann läuft jeglicher Apell erstmal ins Leere.

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