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Mi 16. Nov 2005, 13:05 - Beitrag #61 |
den einen Mächtigen wird es so nicht oder nur selten geben; das Problem ist die strukturelle Gewalt. "Das System" nimmt dabei den Subjekten der Macht die Notwendigkeit ab, immer mit direkter Machtintervention agieren zu müssen; dies geschieht, indem die strukturierenden Faktoren in die internen Arbeitsabläufe des Systems integriert sind. Diese Integration erweckt den Anschein eines gesellschaftlichen Konsens, der faktisch nirgendwo gegeben ist.
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Wer bist du, dass du die Qual lindern kannst und es nicht tust ...
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Mi 16. Nov 2005, 14:20 - Beitrag #62 |
Zum einen, wie Ipsi es sagt.
Den Konzept der strukturellen Gewalt wohnt aber auch etwas Resignatives oder Verharmlosendes inne. Manche billigen auch einigen Nazi-Größen zu, "von dem allen nichts gewußt zu haben". Ich sehe ein grundlegendes Problem: Wenn Politiker kleine Fehler macht, sich verrechnet und deshalb Wahlkampfgeschenke nicht umsetzen kann oder so, wird gemeckert, aber letzlich sich auf das "wir können da sowieso nichts machen" zurück gezogen. Wenn Politiker existentielle Fehler macht, wie hier, offen in Kameras Menschen entmenscht, und gleichzeitig andauerndes grundlegendes Versagen offenbar wird, dann wird über seine Einbindung in strukturelle Gewaltsysteme, seine angebliche Machtlosigkeit rekurriert und über seinen sozialen Hintergrund, der ihn zu dem gemacht hat der er ist. Und im Ergebnis damit der elementare Regelverstoß des Politikers marginalisiert, weil der arme Politiker von seinem Hintergrund her ja nicht anders kann und eh im System machtlos ist. Wenn aber Volk gegen diese Entwürdigung und Mißachtung aufsteht, und es wird in gleicher Weise auf die psychologischen Hintergründe rekurriert, dann wird vom Volk verlangt, sich in jedem Moment rational über diese internen Bedingtheiten hinweg zu setzen und ruhig zu bleiben. Das ist ein Messen mit zweierlei Maß, das meiner Vorstellung eines aufgeklärten Bürger-Seins wie auch dem einer verantwortlichen Funktionsübernahme für den Staat zuwiderläuft. Das Volk kann sich seine Regierung nur begrenzt aussuchen und muss alle Fehler der Politik ausbaden. Die Politik wird vom Volk bezahlt, und zwar in Richtung einer hervorragenden Lebenshaltung und Versorgung der handelnden Personen. Da wird man von diesen erwarten dürfen, daß sie sich über ihre internen Bedingtheiten hinwegsetzen und ihr Amt in allen dienlicher Weise ausüben bzw. nur dann ein Amt übernehmen, wenn sie dazu in der Lage sind. Insofern, Rücktritt für den Innenminister und seinen Ministerpräsidenten! Andernfalls: Vom Stuhl-Zerrung und...nun gut. Das auch und gerade vor dem Hintergrund, daß es auch Politiker gibt, die das in sie gesetzte Vertrauen rechtfertigen. Solche gibt es nämlich auch mal...
Ja, die Frage muss gestellt werden, müsste vor allem jetzt langsam aufs tapet kommen, damit die Sache nicht versandet. Vielleicht sind das die zeiten jetzt, in denen Freie Republiken entstehen könnten, Ansätze zu eigener Entwicklung von unten. Wenn noch die 80er Jahre wären... |
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Der Fehler ist die Grundlage der Erkennntnis
Heute schon gechattet? Man muss versuchen zu lernen, dass man sein Sein, sein Leben nur suchen kann, indem man für die anderen tätig ist. Darin liegt die Wahrheit. Es gibt keine andere. J.P.Sartre, zit.n. Rupert Neudeck |
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Mi 16. Nov 2005, 16:03 - Beitrag #63 |
na ja, das Konzept der strukturellen Gewalt verschärft die Problematik eher, als es sie verharmlost. Es geht ja dabei nicht darum, daß sich ein Politiker dahinter verstecken kann, wenn das Ganze mal auffliegt. Es geht vielmehr darum, daß die Einbindung des Systems des Machterhalts in die Strukur des Systems bewirkt, daß sich der Politiker während seiner Aktionen nicht ständig am Pranger steht und vor allem, daß er während seiner Aktionen vor sich selbst am Pranger steht.
Ein Beispiel: die Weltbank jeder einzelne Mitarbeiter dort bis in die politischen Management-Kreise hinein arbeitet möglicherweise "objektiv" daran, daß die Dinge besser werden. Fließwiderstände werden minimiert, Kommunikation verbessert, verbesserte Ablauf-Strukturen werden geschaffen usw. alles nur zunächst mal positiv konnotierte Ziele. Und während dieser ganzen ungeheuren Arbeit braucht kein einziger dieser Leute auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, daß das Ziel all dieser Tätigkeiten mit dem Begriff "Wirtschaftsimperialismus" eher noch verharmlosend umrissen ist, geschweige, was die Folgen sind. wenger abstraktes Beispiel unzählige Menschen arbeiten mit Hochdruck daran, immer mehr Menschen überflüssig zu machen, teilweise einschließlich sich selbst. Die Forschungslabors quellen über von Forschungen zur Automatisierung von immer komplexeren Arbeiten in allen möglichen Bereichen. Diese Forschungstätigkeit ist gut durchorganisiert, die Ergebnisse frappierend und die PR spricht von arbeitserleichternden Maßnahmen für alle. Die Erleichterung besteht in der "Freisetzung der Arbeitskraft für neue Ziele" wie die Entlassung neuerdings euphemistisch umschrieben wird. Meint ihr auch nur einer dieser Wissenschaftler würde mehr als nur einen gelegentlichen Gedanken an diese Folgen verschwenden? Die Beiläufigkeit, die Selbstverständlichkeit, wie da Probleme entlang der etablierten Wege abgearbeitet werden, ist eine ungeheure Gefahr, bzw. ein ungeheuer wirksames Instrument der Machtsicherung. |
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