Deine fundamentalistisch-materialistische Ontologie ist mal wieder wenig geeignet zur Beschreibung komplexer Zusammenhänge. Aber da man dich von ihr ja nicht abbringen kann

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Do 19. Jan 2006, 14:18 - Beitrag #21 |
Es "gibt" kein elektrisches Feld, nur einzelne Ladungsträger. Dennoch verhält sich eine Probeladung nicht gemäß der einzelnen Wirkungen, sondern gemäß ihrer Überlagerung, dem Feld. Ebenso gibt es natürlich keinen rumspukenden Geist des Kapitals, aber es gibt Macht und Wirkung des Kapitals, die als emergente Phänomene weitgehend unabhängig von einzelnen ihrer real existenten Erzeugenden sind.
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Year by year, month by month, day by day... Thought by thought. Leonard Cohen
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Do 19. Jan 2006, 15:06 - Beitrag #22 |
Meine Beschreibung ist nicht angemessen? Das sehe ich natürlich anders.
Dafür hast du ein Problem den ontolgoischen Status einer unpersonalen Macht zu definieren. Ich mache nur den Versuch die richtigen Worte für das zu wählen, was eigentlich Sache ist. Der unüberlegte und übermäßige Gebrauch von abstrakten Begriffen führt zu einer Vergeistlichung der Welt und einer Inflation von Postulationen undurchsichtiger Entitäten. Nicht ich habe hier ein Problem, die Dinge mit unproblematischen Worten ausdrücken. Es klingt nur etwas ungewohnt in den Ohren. Es reduziert aber die Gefahr, über Dinge zu sprechen, die nicht existieren. Sich nicht-nominalistische auszudrücken birgt die Gefahr auch nicht so zu denken. Wenn du mit deiner nicht-nominalisten Ausdrucksweise nominalistische Gedanken ausgedrückt hast, dann habe ich dich wohl falsch verstanden. Es klang für mich nämlich nicht nur so, dass du eine idealistische Sprechweise der Einfachheit vorgezogen hast, sondern weil du idealistische Entitäten angenommen hast. Es ging mir ja nicht darum dir inhaltlich zu widersprechen (wenn denn nun keine idealistischen Vorstellungen bei dir vorliegen), sondern ich wollte auf die Problematik der idealistischen Ausdrucksweise hinweisen. PS: Die Summe der Einzelteile existiert so wie die Einzelteile selbst? Vielleicht sollten wir das dann besser in einem eigenen Thread diskutieren, wenn du damit wirklich eine idealische These vertrittst. Ich würde streng genommen nämlich nicht sagen, dass die Summe von Dingen so existiert wie die Dinge, denn es existieren ja auch nicht die Eigenschaften, Zustände oder Prozesse der Dinge, wie die Dinge selbst. Wer das ernsthaft behauptet muss den ontologischen Status erklären können. Umgangssprachlich idealistisch zu sprechen, finde ich normalerweise ok, aber wirklich idealistische Entitäten anzunehmen ist mir völlig unplausibel. |
"Erst der grosse Schmerz ist der letzte Befreier des Geistes, als der Lehrmeister des grossen Verdachtes"
- Friedrich Nietzsche: Die fröhliche Wissenschaft |
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Do 19. Jan 2006, 15:57 - Beitrag #23 |
Was eine Unpersönlichkeit der Oligarchen betrifft so ist die Unterscheidung von Institutionen und Personen notwendig.
Zum einen sind es z.B. Institutionen, staatliche wie private, die miteinander ringen. Natürlich sind auch Staaten Instituionen. Institutionen werden jedoch von Menschen gelenkt. Und wer hat die Macht in der Gegenwart? Wer ist Deutschland? Du bist Deutschland. Ist der der Professor aus Heidelberg, der die Zukunft bestimmt, oder jeder Waffenhändler Schreiber, der zumindest vordermals die Fäden zog. Was war mit dem Auto-Kanzler Schröder. Bestimmte die Poltik VW oder VW die Politik? Ist Gazprom ein Werkzeug Putins oder Putin ein Wekrzeug Gazprom? Im Grunde sind diese Machtverhältnisse immer wechselseitig. So war es auch schon immer. Aus den Hausmeier, den Dienern der Könige, wurden Herrscher. Ein Schutzherr ist immer auch der Herr seines Herren. Aber ist die Oligarchie der Postmoderne wirklich so anders? Solche offenbar mächtigen Familienclans wie die Bushs, die bi Laden und Familie Strauss scheinen sich nur oberflächlich von mittelalterlichen Adelshäusern und antiken Senatorengeschlechtern zu unterscheiden. MfG Maglor |
"Merkel und Steinmeyer werden noch als dunkles Kapitel in den Geschichtsbüchern erscheinen, fürchte ich. Und Schily als ihr Wegbereiter." janw
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Mo 23. Jan 2006, 13:35 - Beitrag #24 |
Sorry wenn ich wieder so kleinkariert bin, aber da will ich doch nochmal nachfragen:
Maglor du unterscheidest Instituationen von Personen? Was ist denn eine Instituation anderes als eine Gruppe von Menschen die über gewisse materielle Mittel verfügt? Was ist denn eine Firma anderes als die Menschen, die Mitglied sind und das ganze materielle Drumherum? Oder sind die Firmen nur die Bürokomplexe, die PCs, die Akten, die Produkte, die unter ihrem Namen laufen und die Menschen sind jediglich die Diener dieser toten Objekte? Wer macht denn diese toten Objekte zu dem was wir "Firma" nennen, wenn nicht die Menschen? Auf was ich eben hinaus will ist, dass so Phrasen wie "der böse Kapitalismus", "der böse Staat", "das System" usw. keinen Sinn macht, wenn sie nicht für die Menschen hinter den Begriffen stehen. In meinen Augen kein unrelevanter Punkt. Aber damit wir uns nicht in ontologische Fragen verlieren, versuche ich die Diskussion mit folgenden Fragen in eine etwas andere Richtung zu lenken: 1. Ist eine Oligarchie prinzipell schlecht? 2. Sollte man versuchen eine Oligarchie zu verhindern? 3. Wenn wir darin übereinstimmen, dass eine Oligarchie unausweichlich ist, sollte man sich vielleicht nicht am besten eine positive Oligarchie wünschen? Und wie sähe eine solche aus? (Jetzt wirds wohl doch ziehmlich staatsphilosophisch...) |
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Mo 23. Jan 2006, 14:45 - Beitrag #25 |
1) das Problem einer Oligarchie ist nicht, daß sie "gut" oder "schlecht" wäre, sondern daß sie mit dem grundlegenden Freiheitsverlangen von Menschen kollidiert
2) Menschen, die dieses Verlangen in hohem Maße verspüren, werden dies versuchen; andere werden versuchen, selbst Oligarchen zu werden; vielen wird es gleichgültig sein; vielen wird es nicht gleichgültig sein, aber sie werden gehorchen -> keine Chance, eine allgemeine Maxime zu formulieren 3) das ist eine mögliche pragmatische Lösung; zum Rest siehe Antwort 2 wie sie aussähe? Ich kann mir derzeit kein menschliches Machtsystem vorstellen, dessen menschliche Machtträger nicht nach mehr Macht streben. Daher wird eine Oligarchie ihre ihre Einschränkungsmechanismen immer sprengen und ihr irgendwann einmal gegebener Ausgangszustand eine überflüssige Erinnerung sein |
Wer bist du, dass du die Qual lindern kannst und es nicht tust ...
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Mo 23. Jan 2006, 14:59 - Beitrag #26 |
Das Interesse nach Freiheit ist aber auch gesellschaftlich geprägt. Es war ja nicht zu allen Zeiten gleich stark verbreitet. Es wäre daher ratsam, das allgemeine Interesse an Freiheit, in einen für das System nützliche Rahmen zu halten.
Die Oligarchie, die mir vorschwebt ist nicht grundsätzlich anti-demokratisch. Eine in meinen Augen gute Oligarchie beinhaltet sogar notwendig demokratische Elemente. Oligarchie bedeutet die Herrschaft von Wenigen und wenn diese Wenigen die Besten sind, dann haben wir eine Aristokratie. Ein altes Ideal. Realisierbar? Ungewiss. |
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Mo 23. Jan 2006, 15:15 - Beitrag #27 |
Das Interesse an Freiheit in einem Rahmen halten? Wie willst du das anstellen? Bewußtseinskontrolle via totaler Zensur? Ich bezweifle, daß das Freiheitsinteresse dadurch völlig verschwindet...^^
Die Oligarchie, die dir vorschwebt, ist also tatsächlich eine Mischform. Reine (= Basis-)Demokratie hat ja auch durchaus ihre Schattenseiten, wenn es um Reaktionsgeschwindigkeit und langfristige Planungssicherheit geht (wobei unsere demokratisch-oligarchisch-mediakratisch-bürokratische Mischverfassung in dieser Hinsicht auch nicht gerade unfehlbar ist^^). Aristokratie ist rein begrifflich natürlich etwas schwer vermittelbar, da es dir im Zweifel um einen Philosophenstaat, nicht um Adelsherrschaft geht. Platons Versuch ist grandios gescheitert (die Idee, mit der Soldkürzung der Palastwachen anzufangen, war vielleicht nicht ideal genug^^), aber mit größerer Bereitschaft zum Schuldenmachen könnte man es ja noch einmal versuchen... |
Die rechten Christen führen keinen Krieg - Jacob Böhme
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Mo 23. Jan 2006, 15:30 - Beitrag #28 |
Wo sprach ich denn davon das Interesse an Freiheit zu beseitigen? Ich sprach davon, das Freiheitsinteresse in einem gesunden Rahmen zu halten. Das bedeutet weder ein Ruf nach Anarchie noch ein 1984.
Was die Staatsform betrifft, so schwebt mir auch keine Regierung aus reinen Philosophen vor. Einen wirklichen Kommunismus halte ich mit dieser Menschheit für nicht realisierbar. Der Mensch hat, wie schon gesagt wurde, nun mal ein Interesse seine Macht zu vergrößern. Details zu meinem Wunschstaat kann ich zur Zeit leider nicht nennen. Lediglich die Richtung ist angedeutet. |
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Di 24. Jan 2006, 16:56 - Beitrag #29 |
@Maurice: Ich wäre gerne in der Lage, eine rein materialistische Ontologie zu vertreten. Und ich sehe das Problem, den ontologischen Status nicht rein materieller Dinge zu definieren. Aber als noch viel größer sehe ich das Problem, Dinge nicht zu postulieren, ohne die man kein hinreichendes Weltbild aufstellen kann. Lieber noch postuliere ich Naturgesetze, Prozesse und Summen von Dingen, ohne genau sagen zu können, was sie sind, als auf beide zu verzichten und nicht zu wissen, wie ich irgendetwas in der Welt erklären soll.
Als Wissenschaftler versucht man, mit so wenigen Annahmen wie möglich auszukommen - aber wenn man merkt, dass es mit so wenigen nicht geht, nimmt man neue dazu, auch wenn sie erstmal nicht weiter plausibel machbare Axiome sind. Wenn du mir schlüssig erklären kannst, wie sämtliche Naturgesetze bereits in den Teilchen angelegt sind und warum es nur ein Teilchen und noch ein Teilchen, aber nicht zwei Teilchen, gibt, würde ich mich über einen neuen Thread freuen. ![]() Zurück zum Thema. |
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Do 26. Jan 2006, 13:57 - Beitrag #30 |
Ich glaube damit ich einen akzeptablen Text zum Thema abliefern kann, wird es noch eine Zeit lang dauern. Mein Denken ist in dieser Hinsicht meinen sprachlichen Fähigkeiten voraus. Wenn es überhaupt möglich sein sollte, dies in Worte zu fassen, bei denen sich dem Außenstehenden nicht gleich der Magen umdreht. ^^*
Aber wie du sagtest: Btt! PS: Ich wüsste nicht, warum ich nicht von zwei, drei oder vier Dingen sprechen sollte, wenn ich sage, dass die Zahlen allein gedankliche Konstrukte sind. Aber belassen wir es dabei und diskutieren hier nicht weiter. Wollte das nur noch angemerkt haben. ![]() |
"Erst der grosse Schmerz ist der letzte Befreier des Geistes, als der Lehrmeister des grossen Verdachtes"
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Fr 27. Jan 2006, 18:23 - Beitrag #31 |
Ich stieß gerade auf eine Passage, die ich mir vor ein paar Monaten nicht ganz zufällig notiert hatte ...
W. Drumann: Geschichte Roms in seinem Übergange von der republikanischen zur monarchischen Verfassung (geschrieben 1834-1844) |
Die rechten Christen führen keinen Krieg - Jacob Böhme
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