haGalil.de gehackt - Angriff auf die Meinungsfreiheit?

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Feuerkopf
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Fr 3. Feb 2006, 01:52 - Beitrag #1

haGalil.de gehackt

Das habe ich heute gefunden, als ich die betreffende Seite aufgerufen habe:

nach einem sog. hackerangriff wurden heute nacht alle daten am server von "haGalil" gelöscht.

neben haGalil.com wurden noch weitere angebote des haGalil e.V., wie antisemitismus.net, jewish-conspiracy.com, judentum.org, klick-nach-rechts.de, koscher.net, nahost-politik.de, zionismus.info und viele weitere domains* gelöscht.

wir sind dabei, die ursachen zu klären.

vorerst verweisen wir auf einen artikel bei telepolis

sie können unseren service zur zeit nicht empfangen, trotzdem sind wir auch jetzt auf ihre unterstützung angewiesen:
haGalil e.V.: [konto 872091, blz 70190000, münchner bank] oder [PayPal]

donnerstag 02-02-2006


Möge dieses Internetportal zu allen Fragen des Judentums bald wieder online sein!

janw
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Fr 3. Feb 2006, 02:04 - Beitrag #2

Mögen sie außerdem möglichst viele Daten gesichert haben!

C.G.B. Spender
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Fr 3. Feb 2006, 02:35 - Beitrag #3

Traurige Sache - ich denke es könnten gut und gerne extreme Islamisten gewesen sein...

Alles nur wegen einer Karikatur? Wenn ich bedenke, wie Monty Python Jesus durch den Kakao gezogen hat... :|

Lykurg
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Fr 3. Feb 2006, 03:09 - Beitrag #4

Ja, und als ob Juden irgendetwas mit den Karikaturen zu tun hätten... mir völlig unverständlich, die Sache. Wie verblendet muß man sein!

janw
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Fr 3. Feb 2006, 13:13 - Beitrag #5

Muss ja gar nichts mit den Karikaturen zu tun haben, Israel per se ist Stein des Anstoßes genug...
Außerdem...warum sollen es nicht ein paar Neonazis gewesen sein?

Lykurg
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Fr 3. Feb 2006, 13:51 - Beitrag #6

Darüber wird zum Beispiel bei heise.de nachgedacht.
HaGalil ist seit langem bereits Angriffsziel für Neonazis und Rechtskonservative, Hassmails sind nichts Neues. Diesmal allerdings könnte der Angriff auch aus einer ganz anderen Ecke kommen, wie David Gall im telefonischen Gespräch bemerkte. Denn haGalil hatte gestern die umstrittenen Mohammed-Karikaturen [...] veröffentlicht. Insofern ist es für David Gall ein "komischer Zufall", dass gerade jetzt die kompletten Daten des Servers gelöscht wurden.

Inwiefern Daten nur gelöscht oder vorher kopiert wurden, ist bislang unklar. [...] Welchen Schaden die Angreifer also nun genau verursacht haben und aus welcher Ecke sie kamen bleibt abzuwarten.


Update: Angeblich hätten die Angreifer eine IP-Adresse gehabt, die Gall in Verbindung mit Katar bringt. Dem Fernsehsender n-tv sagte er, dass Hagalil aus politischen Gründen zerstört wurde. [...]

janw
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Fr 3. Feb 2006, 14:18 - Beitrag #7

Hm, politisch sicher, aber da gibts ja verschiedene Richtungen.

Daß sie gerade just die Karikaturen veröffentlicht haben, könnte natürlich mit dem hack in Verbindung stehen.
Wobei ich dann, bei aller Sympathie sagen würde, warum um alles in der Welt müssen ausgerechnet sie jetzt diese Karikaturen veröffentlichen und sich damit dem Verdacht aussetzen, sie machten sie sich zu eigen? Etwas unsensibel, find ich...

(Womit ich gar nichts gegen france-soir und diverse andere websites sagen will, die die Zeichnungen jetzt ausdrücklich zum Zwecke der Dokumentation, damit man sich ein Bild machen kann, worum es geht, veröffentlicht haben.)

Lykurg
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Fr 3. Feb 2006, 14:23 - Beitrag #8

... und die prompt ebenfalls gehackt wurde, francesoir.quotidiano.net jedenfalls. - Das sollte die Hintergrundvermutung etwas befestigen (es sei denn, man ginge von einem geschickten Ablenkungsmanöver aus).

Und wann, wenn nicht jetzt soll man die Karikaturen veröffentlichen, wenn es einem tatsächlich um ein Fanal für die Pressefreiheit geht? (Und natürlich auch, wenn nicht)
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janw
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Fr 3. Feb 2006, 15:31 - Beitrag #9

Genau, wann, wenn nicht jetzt?
Hätte ich eine Seite, vielleicht würde ich auch..., aber dann zusammen mit entsprechendem über Christen, uns Europäer,...
Wir lachen insgesamt viel zu wenig, vor allem über uns selbst.

ich_von_hier
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Fr 3. Feb 2006, 15:52 - Beitrag #10

Das gilt jetzt nicht für alle:

Ich finde es einfach furchtbar, wie sich einige darüber aufregen, dass eine Internetseite (oder mehrere), die sich unter anderem für den Kampf gegen Antisemitismus einsetzt, gelöscht wurde und dabei auf einer anderen Religion/ "Rasse" rumhacken.

Vor 70 Jahren waren es die Juden. Und kaum haben wir verstanden, dass Vorurteile über bestimmte Gruppen falsch sind, haben wir wieder eine neue gefunden.
Ein Schritt nach vor, aber zwei zurück ...


Und wenn ganze Server gelöscht wurden (sowas durchzuführen ist extrem schwierig), muss da eine erfahrene Gruppe daran gearbeitet haben, also Profi-Hacker. Vielleicht waren es auch Jugendliche, die Spass haben wollten.

Und des weiteren klingt mir der Text auf hagalil.de leider auch etwas nach Hetze gegen den nahen Osten.

Lykurg
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Fr 3. Feb 2006, 16:17 - Beitrag #11

@ich_von_hier:

Erstens finde ich es grundsätzlich angemessen, sich dazu scharf, anklagend, kritisch zu äußern, wenn eine Internetseite beliebigen Inhalts gezielt zerstört wird. Die Seite dient der Information, der Angriff also der Informationsentziehung. In diese Seiten - die aufgeführte Liste ist erschreckend lang - hat vermutlich eine größere Anzahl von Menschen sehr viel Zeit, Arbeit und Wissen gesteckt, die gewaltsam vernichtet (oder jedenfalls der Öffentlichkeit genommen) wurde - das kann mir nicht gleichgültig sein.
Daß die Seite im Zweifel vor solchen Angriffen geschützt war, der Angreifer also professionell war, mag sein; ob eine Gruppe dahinterstecken kann/muß, kann ich nicht beurteilen.

Zweitens sehe ich nicht, wer hier auf Moslems "rumhackt". Die einzige Aussage, die ich entfernt so verstehen könnte, ist mein "Wie verblendet muß man sein!", aber dieser Satz bezieht sich selbstverständlich nicht auf den Islam oder seine Anhänger im Allgemeinen, ich habe auch nirgends behauptet, daß ich davon überzeugt wäre, daß der oder die Täter muslimischen Glaubens sind. Dafür reichen die Informationen nicht aus, es sprechen nur Indizien dafür. Mein Satz richtet sich gezielt gegen den oder die Täter, egal woher sie kommen oder was sie bezweckten. Ein solches Portal zu zerstören, ist eine Folge von Verblendung. Wer die Meinungsfreiheit untergräbt, versucht unserer freiheitlichen Welt zu schaden. Und das hat nichts mit der Frage zu tun, welchen Glaubens er ist. Es gibt durchaus aufgeklärte Muslime, mit denen es sich besser über diese Fragen unterhalten läßt als mit manchen Christen oder Atheisten - das liegt in der Natur der Sache.

Drittens wüßte ich gern, was genau auf der provisorischen haGalil-Seite du als "Hetze gegen den nahen Osten" empfindest. Denn davon kann ich dort nichts feststellen. Vielleicht kannst du mir weiterhelfen? Oder ich dir?

ich_von_hier
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Fr 3. Feb 2006, 21:20 - Beitrag #12

@Lykurg:

Mir ging es nicht um das Löschen einer Internetseite, sowas kann man meiner Meinung auch nicht rechtfertigen, da stimme ich dir zu. Mir ging es um solche, die sich darüber beschwehren und selber über andere herziehen. (Was auf einer anti-anti-semitischen Seite sehr ironisch ist.)

Zu Zweitens: Ich hab ganz bewusst niemanden speziell angegriffen. Allerdings hälst auch du die Karikatur für die Ursache, was darauf schließen lässt, dass auch du Muslime für die Täter hälst. (Kann ich natürlich auch falsch interpretieren, kann ja mal passieren.) Wer auch immer Muslimen für die Täter hält,dem mach ich auch ansonsten keinen Vorwurf. (spricht ja auch einiges dafür.) Schlieslich machen die Medien ja auch den Eindruck, dass das meiste böse aus den islamischen und muslimischen Ländern kommen würde.

Was die Hetze betrifft:
geh mal auf http://hagalil.de
Ganz unten gibt es einen Link "Internet-Portale gehackt"
Dann wird dir dieser Text angezeigt http://www.hagalil.com/030206-a.htm .
Mein kommentar dazu:

Wegen Mohammed-Karikaturen
Internet-Portale gehackt
Wie oben erwähnt: Wenn die Mohamed-Karikatur der Grund ist, ist es wahrscheinlich die Tat eines Muslimen. (Diese Überschrifft wurde sicher bewusst gewählt.)

"Die IP-Adresse, von der aus eine entsprechende Datei eingesetzt worden ist, alles Material auf dem Portal seit Donnerstagmorgen 5 Uhr führt nach Katar"
Nebenbei: IP-Adressen können gefälscht werden. Ein PC in Katar könnte auch von Deutschland aus gesteuert worden sein, oder sonstwo. (Wie gesagt, da waren Profis am Werk. Und die vergessen die verräterrische IP-Adresse?)

"Auch wenn ich die Karikaturen im JyllandsPosten plump und dumm fand, hat mich die Art zu terrorisieren, zu hetzen und zu drohen, wie das in der ganzen arabischen Welt infolge der veröffentlichten Karikaturen geschieht, doch sehr alarmiert. [...]"
Wenn er die Karikatur plump und dumm fand, wieso hat er sie dann auf seiner Internetseite zeigen lassen? Karikaturen über Juden in KZs findet er sicher auch nicht lustig! Der rest des Satzes lässt die gesamte arabische Welt als böse und voller Hass und Gewalt wirken. Zugegeben, die Bilder die wir im TV sehen, sprechen für sich, und sicher reagieren viele wirklich zu extrem. Aber die ganze arabische Welt?

"Technische Gründe und Versehen sind inzwischen auszuschließen und da muss ich wohl annehmen, dass haGalil aus "ideologischen" Gründen zerstört wurde", meinte Gall.
Nochmal wird erwähnt, dass es ideologische Gründe sein müssen. (Was sicherlich stimmt, aber da zuvor nunmal von arabischen Ländern gesprochen wird, denkt man natürlich auch an diese.)


Der gesamte Text wirkt nunmal merkwürdig auf mich. Vielleicht irre ich mich auch, aber ganz unrecht habe ich sicher nicht.

Und wenn sich jemand unberechtigt angegriffen fühlt, tut mir das natürlich sehr leid, weil das sicher nicht meine Absicht ist.


Zurück zum eigentlichen Thema
hätt ich fast vergessen.
Der Name des Threats lautet ja "haGalil.de gehackt - Angriff auf die Meinungsfreiheit?"
Meine Antwort: Ja, wie gesagt, sowas kann man nicht rechtfertigen.
Allerdings sollte man sich überlegen wie weit Pressefreiheit gehen darf. Menschenverachtende oder sogar Anti-Demokratische Artikel und Karikaturen sind natürlich verboten. Aber auch bei Religionsverachtenden Karikaturen sollte man vorher überlegen. Vielleicht hätten sie vorher einen Muslimen fragen sollen, was er davon hält. Irgendwo hört Spaß nunmal auf. :)

Lykurg
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Fr 3. Feb 2006, 23:24 - Beitrag #13

ich_von_hier, zu den Karikaturen haben wir ja bereits einen anderen Thread, der zweite Absatz dessen, was du unter "Zurück zum eigentlichen Thema" schreibst, würde eher dorthin gehören. - Wie du richtig erkannt hast, halte ich es für sehr wahrscheinlich, allerdings nicht erwiesen, (was ich wohl noch einmal betonen muß,) daß die Ereignisse in Zusammenhang stehen.

Aber die Überschrift "Wegen Mohammed-Karikaturen" und der darauffolgende Artikel, die du als antimuslimische Hetze empfindest, stammen nicht von haGalil selbst, sondern, wie darunter auch angegeben, von n-tv.de, du findest sie hier. David Gall, der dort zitiert wird, äußert sich sehr zurückhaltend über Moslems.
Dabei haben wir uns stets gegen die Schwarz-Weiss-Malerei und die Polarisierung gegen Muslime gewandt. haGalil hat sicher nie gegen den Islam Stimmung gemacht. In den Nazis, die wir in aller erster Linie, seit inzwischen zehn Jahren, bekämpfen, haben wir sogar einen gemeinsamen Feind gesehen.
Daß er aufgrund der IP-Adresse und, da "alles Material auf dem Portal seit Donnerstagmorgen 5 Uhr" nach Katar weist, davon ausgeht, daß der Angriff von dort kam, sehe ich ganz und gar nicht als Nachweis einer antimuslimischen Haltung - es ist nur folgerichtig, anzunehmen, daß der Täter sich hinter seiner Anonymität sicher fühlte. Ich weiß nicht, was auf haGalil hinterlassen wurde - aber es bleibt mir nichts anderes übrig, als dieser Aussage zu vertrauen, bis ich sie widerlegt sehe oder begründetere Zweifel daran hege.
Zitat von ich_von_hier:Wenn er die Karikatur plump und dumm fand, wieso hat er sie dann auf seiner Internetseite zeigen lassen?
Gall nennt einen Grund, du zitierst ihn selbst: Weil ihn die Reaktionen aus der arabischen Welt erschrecken, wörtlich "die Art zu terrorisieren, zu hetzen und zu drohen". Empfindest du diesen Wortlaut als Hetze? Bestreitest du, daß die zur Zeit Drohungen gegen westliche Repräsentanten, Hetze gegen etwa dänische Produkte und terroristische Angriffe (wie Handgranaten und Schüsse auf ein französisches Kulturinstitut in Gaza, Stürmung der dänischen Botschaft in Jakarta etc.) stattfinden?

janw schrieb vorhin, wenn er eine Webseite hätte, würde er die Karikaturen ebenfalls veröffentlichen. Ich glaube nicht, daß du ihm eine antimuslimische Haltung unterstellen kannst. - Ich selbst veröffentliche sie nicht, weil sich auf meiner Seite auch ein Bild von mir befindet und mir das Risiko zu groß wäre.

Übrigens, janw, das hattest du doch angesprochen, wenn auch anders gemeint...:
Hagalil.com hatte - wie viele andere Internetseiten auch - die umstrittenen Mohammed-Karikaturen der dänischen Zeitung "Jyllands-Posten" veröffentlicht, daneben aber auch antisemitische und antiamerikanische Karikaturen aus der arabischen Welt gestellt.


******

Sehr spannend ist aber auch der Kommentar auf n-tv.de. Dort geht es ziemlich zur Sache:
Die umstrittenen Karikaturen wurden aus bisher unerklärlichen Gründen "rein zufällig" nach dem Sieg der Hamas und der im Westen kritisierten Äußerungen des iranischen Präsidenten Ahmadinidschad vom TV Sender Al Dschasira veröffentlicht. Al Dschasira, mit Sitz in Katar, macht seine eigene Politik mit Videokassetten von Geiseln im Irak oder des Osama bin Laden.

Ablenkung vom Wahlsieg der Hamas?

Auch in diesem Fall könnte der Sender von dem Hamas-Wahlsieg ablenken und Europa als den eigentlichen Hetzer darstellen. Während sich noch kein arabischer Chefredakteur jemals für Beleidigungen von Juden oder Christen entschuldigt hat, kroch der Chefredakteur der "Jyllands-Posten", Carsten Juste, bei Al Dschasira zu Kreuze. Ohne die erste an ihn gerichtete Frage zu beachten, erklärte er: "Falls die Karikaturen muslimische Gefühle verletzt haben, so entschuldige ich mich dafür." Doch wie der Zufall es wollte, hatte ausgerechnet in dieser Sekunde der Simultanübersetzer "technische Probleme". Die förmliche Entschuldigung wurde in der arabischen Welt nicht gehört und von Al Dschasira auch nicht nachgereicht.

[...]

Scheinheilige Moslems, scheinheilige Dänen


Scheinheilig wie die hier genannten Moslems sind auch die Dänen. Sie klagen darüber, "unfair" boykottiert zu werden und in der Folge Arbeitsplätze zu verlieren. Doch ausgerechnet Dänen riefen immer wieder zum Boykott israelischer Waren auf. Sie scheinen nicht damit gerechnet zu haben, dass ihnen widerfahren könnte, was sie selber anderen antun.

janw
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Sa 4. Feb 2006, 01:07 - Beitrag #14

Ich denke, es führt nicht besonders weit, hier bei irgendjemandem grundsätzlich islamkritische Haltungen zu erblicken. Sicher gibt es Nuancen der Betrachtung, was die Frage der Freiheit der Meinung in der Reibung mit der selektiven Rezeption betrifft und die Frage, welche Schlüsse daraus zu ziehen sind. Diese Betrachtungen beziehen sich aber gleichermaßen auf alle beteiligten Gruppen.

Lykurg, dieses Zitat kannte ich da noch nicht:
Hagalil.com hatte - wie viele andere Internetseiten auch - die umstrittenen Mohammed-Karikaturen der dänischen Zeitung "Jyllands-Posten" veröffentlicht, daneben aber auch antisemitische und antiamerikanische Karikaturen aus der arabischen Welt gestellt.

Mir ging im Kopf herum, daß haGalil mit seiner doch recht deutlichen Focussierung auf israelbezogene Aspekte nicht unbedingt so neutral assoziiert wird, daß man ihnen eine dokumentarische Darstellung der Karakaturen als dokumentarisch abnimmt, und nicht doch eine Meinungsäußerung dahinter erblickt.
Wenn sie die Karikaturen doch zusammen mit anderen dargestellt haben, relativiert sich das natürlich.

Tja, daß der hack aus Katar kam, ist in der Tat interessant. Katar ist eines der liberalsten Länder der arabischen Welt, mithin auch gut von verschiedenen Interessengruppen erreichbar.
Al-Dschasira macht wohl in der Tat so etwas wie Politik, wenn die Übersetzung so fehlerhaft ausgestrahlt wurde, mag man derartige Motive erblicken. Ähnliches gab es ja schon beim Osthoff-Interview.
Daß Al-Dschasira selbst gehackt hat, glaube ich nicht, ich kann keinen wirklichen Sinn darin erblicken. Aber vielleicht ist ihre Existenz als Ablenkkulisse willkommene Gegebenheit für andere Interessierte. Vielleicht gar für den Mossad, der auf die Weise den Arabern, speziell dem Iran und der Hamas etwas in die Schuhe scheiben möchte, um damit Eingriffe der Israelis im Sinne vorbeugender Notwehr zu rechtfertigen. Oder auch um schlicht weitere Bewegung in die Suppe zu bringen.
Natürlich kann es auch irgendjemand anders gewesen sein, ein Spinner, die Hamas, der Iran, al Quaida oder der CIA, aber der Mossad wird oft unterschätzt.

Lykurg
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Sa 4. Feb 2006, 12:53 - Beitrag #15

Dadurch, daß die Karikaturen neben andere gestellt wurden, war die Aussage als solche wohl viel gefährlicher, weil differenziert und nicht so einfach als antiislamisch abzutun. Vielleicht deshalb schien irgendjemandem die Zerstörung der Seite als einzige Möglichkeit, zu verhindern, daß sich Menschen dort ein eigenes Bild von der Sache machen. Wir sollten schließlich zwei Dinge nicht vergessen:

Erstens ist meines Wissens nirgendwo eindeutig gesagt oder gezeigt, daß diese Karikaturen tatsächlich Mohammed darstellen. Sie zeigen eine bärtige Gestalt mit Turban, und die bekannteste darauf den Text des Glaubensbekenntnisses, was die Sache natürlich verschärft. Aber nirgendwo steht, daß es sich um Mohammed handeln soll. (Und nur dann würde nach islamischem Recht ein Bilderverbot greifen.) Die Bilder lassen interpretativen Spielraum, man kann darin sehen, was man will, oder aber das, worauf man eingeschworen wird, daß man es darin sehen soll.

Zweitens, und das sprengt diesen Zusammenhang eigentlich bei weitem, lebt eine Reihe von Machtstrukturen weltlicher und geistlicher Art in den Ländern des nahen Ostens (und anderswo) von der Volksverdummung. Einen ganz massiven Anteil daran hat die gezielte Unterdrückung der Frau, die im patriarchal geprägten Umfeld weitreichende Folgen hat: Da viele Frauen in arabischen Ländern aus kulturellen Gegebenheiten, die man auch als Absicht bezeichnen kann, Analphabeten ohne Zugang zu Schulbildung sind, aber die Verantwortung für die Erziehung ihrer Kinder haben, wird die Möglichkeit der Kinder auf die ihnen vorgelebten Rollenbilder beschränkt. Eine Auseinandersetzung mit anderen Lebensarten kann erst nach gründlicher 'Programmierung' stattfinden, und ist dann meist 'programmgemäß' aggressiv-ablehnend. Diese Zustände werden von Inhabern weltlicher und geistlicher Autorität in diesen Ländern bewußt aufrechterhalten, um ihre eigene Lebensgrundlage nicht zu gefährden.

Man möge mir jetzt eine rein westliche Perspektive, Indoktrination und teilweise unzulässige Verallgemeinerung vorwerfen; aber ich sehe nicht, inwiefern das die Sprengkraft dieser Aussage reduziert. Die Unterdrückung der Frauen, egal, wie sie selbst es sehen mögen, ist jedenfalls ein schreckliches Faktum mit schwerwiegenden Folgen. -
Warum wendet eigentlich niemand Marx' und Nietzsches Aussagen über das Christentum auf den Islam an?

Ipsissimus
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Sa 4. Feb 2006, 14:47 - Beitrag #16

was nach meinem Dafürhalten viel zuwenig berücksichtigt wird, ist der Umstand, daß aus Sicht einiger arabischer Länder und Gruppen längst Krieg herrscht, ein Krieg, der in ihren Ländern ausgetragen wird und den sie auf vielfältige Weise in die Länder zu bringen versuchen, von denen ihrer Ansicht nach dieser Krieg ausgeht.

Hat man das verstanden, sind all diese diskutierten Vorkommen Symptome, sie sind nicht das Problem.

Die Lösung des Problems ist auch nicht die - zumiest militärische - Behebung der Symptome, sondern eine Politik, die von diesen Ländern und Gruppen nicht als Krieg empfunden werden muss

janw
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Sa 4. Feb 2006, 14:53 - Beitrag #17

Natürlich hast Du recht, daß die Rechtloshaltung der Frau ein schlimmes Faktum ist.
Allerdings waren wir bis vor nicht langer Zeit auch so.
Der islamische Standpunkt dazu ist der, daß Mann und Frau bestimmte Rollen haben, auch der Mann ist gewissermaßen unfrei. Somit ist es eine Frage der Perspektive, wie frei man selbst wirklich ist oder sich empfindet.
Wobei man sagen muss, daß die Freiheitsrechte der Frauen durch radikale Koranauslegungen in einer Weise beschnitten werden, die nicht wirklich dem Geiste des Korans entsprechen. Die Dominanz dieser radikalen Auslegungen ist ein Problem, ein großes.

Was die Wirkung auf die Kinder betrifft, muß man, denke ich, etwas relativieren: Es gibt in den Ländern schon so etwas wie Schulsysteme, zwar von Land zu Land unterschiedlich gut und mit unterschiedlicher Reichweite, aber es gibt sie. Im Iran gibt es auch tatsächlich sehr viele gebildete Frauen in wissenschaftlichen Berufen.
Wahrscheinlich sind vor allem die Kontraste innerhalb der Länder erheblich, wenn man die Verhältnisse in den Stadten und auf dem flachen Land vergleicht.
Man kann diese Verhältnisse aber nicht allein dem Islam in die Schuhe schieben - die Mißachtung von Mädchen ist in Indien nicht geringer, und überall in der 3. Welt (dem "Trikont", wie "wir" Linke zu sagen pflegen^^) sind die Verhältnisse auf dem Land dadurch geprägt, daß die Kinder zwangsläufig ab etwa 12 Jahren "mit ran" müssen, um das wirtschaftliche Überleben der Familien zu sichern.
Tja, und wer dann trotzdem bis 16 zur Schule gegangen ist, steht dann vor dem Nichts - keine Arbeit, keine Perspektive. Wie gut, daß es da in den islamischen Ländern ein umfangreiches Almosensystem gibt. Dumm nur, daß dieses auch stark interessegeleitet ausgerichtet ist - dort ist die Basis der Verbreitung radikaler Religionsauslegungen und der Rekrutierungen für Terrorzwecke.

Natürlich kommt das relativ geringe und selektive Bildungsniveau einigen Regimen zupaß.
Und am Beispiel Pakistans und Ägyptens kann man bewundern, wie die Einflußnahme des Westens regimestabilisierend wirkt.
Eine Entwicklungspolitik, die wirklich zu Freiheit führen will, müßte gerade hier Bildung fördern, gezielt Mittel in diese Richtung lenken bzw. von den Staaten fordern, daß sie hier massiv investieren - im Gegenzug gibts Schuldentilgung o.ä.
Und dann müßten die Voraussetzungen entstehen, daß die vielen dann gebildeten Menschen auch eine Perspektive bekommen - wohl die größte Herausforderung, wenn Arbeit global knapp wird.

Was Marx und Nietzsche betrifft, erstmal muss man sie richtig verstehen, wo ich verbreitete Defizite sehe, und für mich ist es die Frage, ob man ihre Perspektive aus dem christlichen Konnex im 19. JH auf den islamischen Konnex im 20.JH übertragen kann.
Auch bin ich mir nicht sicher, ob ich den Atheismus als eine zu exportierende Haltung ansehen will. Ich als aufgeklärter Christ..."Zweifler in Christo" kann mich damit beschäftigen, ihn annehmen oder ganz oder teils zurückweisen. Jemand, der voll und ganz in Gott verwurzelt ist, dem würde ich das nicht nehmen wollen, zumindest nicht konfrontativ.

Was die Zuordnung zu Mohammed betrifft, ich hab Jyllands Posten im September nicht gelesen, aber allen Lesern war wohl von Anfang an klar, daß es sich um Darstellungen Mohammeds handeln sollte.

Lykurg
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Mo 6. Feb 2006, 00:27 - Beitrag #18

Nur ein kleiner Nachtrag zum Thema, stammend von tagesschau.de, um die Sorgen um die gelöschten Daten etwas zu beruhigen:
David Gall von "Hagalil.com" sagte gegenüber tagesschau.de, bei einem Hackernangriff am Donnerstag seien 95 Prozent der Inhalte gelöscht worden. Glücklicherweise seien die Sicherungskopien aktueller als gedacht. Dennoch werde es mehrere Tage dauern, bis die Daten wieder aufgespielt seien, so Gall. "Hagalil.com" sei bereits oft von Hackern angegriffen worden, bislang seien alle Attacken abgewehrt worden, betonte Gall. Dieser Angriff stelle jedoch eine neue Qualität dar. Die IP-Adresse der Angreifer führe nach Katar. Allerdings könnten auch Personen aus Deutschland sich dort einwählen und Angriffe starten. Doch die zeitliche Nähe zu den Veröffentlichungen der Mohammed-Karikaturen weise auf diesen Zusammenhang hin, so Gall. Das Landeskriminalamt habe jetzt die Ermittlungen übernommen, sagte Gall weiter. Er hoffe auf Ergebnisse in der kommenden Woche.

janw, es geht mir ja nicht um Freiheit oder Unfreiheit dabei, was mit der Erwähnung unserer ähnlichen Vergangenheit abzutun wäre (etwa: bei uns ist es besser geworden, also wird es dort auch irgendwann besser). Sondern mein Kritikpunkt bezieht sich darauf, daß das im Bewußtsein der Folgen geschieht, als gezielte Unterdrückungsmaßnahme mit langfristiger Wirkung, um die Gesellschaft um jeden Preis unter der religiösen Knute halten zu können.

Daß es für solche Unterdrückungssysteme keines Islams bedarf, sei dahingestellt, das funktioniert selbstverständlich genausogut im Steinzeitkommunismus eines Pol Pot oder in einer Rechtsdiktatur mit entsprechendem Maulkorb für alles, was intellektuell riecht. (Allerdings würde ich Länder, in denen Kinderarbeit verbreitet ist, damit nicht in einen Topf werfen. Kinderarbeit trägt meist ausbeuterische Züge, ja, außerdem hemmt sie die Entwicklungsmöglichkeiten der betroffenen Individuen. Dafür steigert sie zugleich die der Gesellschaft, ermöglicht es den Kindern, zu ihrer Ernährung selbst beizutragen, und ist jedenfalls weit besser als die in manchen Ländern fast einzige Alternative der Kinderprostitution. Hiermit komme ich aber endgültig vom Thema ab.)

Sicherlich bin ich (als kritischer Christ) nicht für einen wie auch immer gearteten Atheismus; aber ich bestehe auf dem Recht dazu, vor allem auf der Möglichkeit zur Entscheidung, die durch eine entsprechende Bildung gegeben werden muß. Natürlich ist das nicht im Sinne der obersten geistigen Würdenträger eines Gottesstaates, und auch im europäischen Mittelalter hätte "man" sich mit mit allen Mitteln gegen eine solche Entwicklung gewehrt. Aber wenigstens den Eliten auch eines arabischen Landes der Gegenwart muß bewußt sein, was ihr Handeln für Folgen hat. Und das ist ein Skandal, der aus falsch verstandener Toleranz, letztlich einer Toleranz gegenüber intoleranter Unterdrückungsherrschaft, oder aber aus Angst weltweit verschwiegen wird.

**********

Ipsissimus, zur Frage, inwieweit Krieg herrscht und was als kriegerische Handlung zu verstehen wird, die folgenden beiden Zitate, ebenfalls von tagesschau.de. Besonders faszinierend fand ich die Aussage des zweiten Sprechers, dessen Organisation Milli Görüs ja immerhin anläßlich des Verdachts auf islamistische, antidemokratische Umtriebe vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Nadeem Elyas, erklärte: "Es gibt keine Vernunft auf der Welt, die eine Entführung rechtfertigen kann. Das deutsche Volk ist dem irakischen in Freundschaft verbunden - schließlich war es die Bundesrepublik, die damals den Irak-Krieg ablehnte." Der stellvertretende Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs, Mustafa Yeneroglu, sagte: "Dass zwei Menschen entführt wurden, die durch ihre Arbeit dem Irak wirtschaftlich geholfen haben, zeigt die Absurdität der Tat."
Auch er lehnt das wirtschaftliche Engagement deutscher Firmen im Irak also offenbar nicht ab, sondern sieht es als positive Erscheinung. Wie paßt das zu den vielfach geäußerten Punkten? Vertritt Yeneroglu hier vielleicht nur eine rein westliche Position, um sich in dieser schwierigen Lage nicht unbeliebt zu machen? Aber auch dann wäre der Schlenker über die Absurdität der Tat nicht notwendig. Ist er vielleicht von westlichen Medien so weitgehend umgepolt worden, daß er die Realität der arabischen Welt aus den Augen verliert? Wohl kaum.

Ipsissimus
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Mo 6. Feb 2006, 01:38 - Beitrag #19

Lykurg, erstens gibt es nicht "die" Muslime, genausowenig wie es "die" Christen gibt. Also gibt es da auch keine vereinheitlichte Auffassung. Zweitens ist es völlig verschieden, wenn im Irak den Ereignissen ausgesetzte Menschen, die Iraker, die Ereignisse bewerten, oder jemand, der selbige von Deutschland aus bewertet. Und ein (wirtschafts)liberaler Muslim macht noch lange nicht nicht den Islam zu einer Religion von FDP-Wählern^^


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