Kritische Pressemitteilung zum Thema elektronische Gesundheitskarte (eGK)
Zitat von http://www.pressrelations.de/new/standard/result_main.cfm?r=217828&sid=&aktion=jour_pm&poffset=4757696000217828&quelle=0
Ein Trojanisches Pferd
München, 16. Januar 2006 - Das Projekt der deutschen eGK, angeblich eines der größten IT Projekte weltweit, wird von den Marketingabteilungen der gesetzlichen Krankenkassen und den an diesem 'Goldgräbergeschäft' beteiligten Industriefirmen in regelmäßigen 'akzeptanzfördernden' Veröffentlichungen zweckdienlich einseitig dargestellt und durch unkorrekte Information beschrieben. Hier entsteht in der Öffentlichkeit ein falsches Bild von diesem Vorhaben, den tatsächlichen Hintergründen und den Auswirkungen.
Aus diesem Grund ist es notwendig damit zu beginnen die Ärzteschaft und die Öffentlichkeit über maßgebliche Details und die wirklichen Hintergründe des eGK Projekts zu informieren.
Darstellung von Teilaspekten, die bisher der Öffentlichkeit nicht mitgeteilt wurden:
Basisinformation
Die eGK, bzw. die mit diesem System künftig verbundene Speicherung der Gesundheitsdaten aller Bundesbürger auf zentralen Megaservern, ermöglicht den gesetzlichen Krankenkassen oder anderen institutionalisierten Dritten - wie beispielsweise Behörden - unter bestimmten Umständen Zugriff und Einsichtnahme auch in die vertraulichen medizinischen Daten von Patienten.
Unter dem Deckmantel der eGK wird für 80 Millionen Bundesbürger eine einheitliche Registernummer eingeführt, damit alle Personen- und Patientendaten lebenslang in zentralen Datenbanken 'richtig verarbeitet und gespeichert' werden können. Diese Regelung ist verfassungswidrig, was aber verschwiegen wird. Ziel ist nicht nur der gläserne Patient und Arzt, sondern der 'nackte Bürger, denn angezogen ist er prinzipiell verdächtig'. An der eGK sind mehrere Ministerien interessiert und offenbar auch durch Softwareprogramme zur Datenauswertung beteiligt. Dies ist neben dem federführenden Gesundheitsministerium das Innenministerium zwecks Überwachung angeblich terroristischer oder kriminelle Elemente, das Wirtschaftsministerium u.a. zwecks Screening der Bezieher von Sozialleistungen und auch das Finanzministerium.
Der Öffentlichkeit versprochene und auch beschlossene gesetzliche Regelungen zur Vermeindung von Datenmissbrauch durch Behörden können von den gleichen Behörden durch parteiintern der Legislative zum Beschluß vorgelegte Gesetzesänderungen oder sogar Rechtsverordnungen ohne Mitwirkung des Bundesrats außer Kraft gesetzt werden. Bestes und große Besorgnis erweckendes Musterbeispiel ist die vom Innenministerium betriebene Aktivierung des LKW-Mautsystems auch für die flächendeckende PKW-Über-wachung. Seitens des Verkehrsministeriums wurde früher vorgetragen, daß dies niemals erfolgen würde, sondern daß immer nur Abrechnungsdaten erhoben würden. Dies ist heute anders, angeblich im Namen der Interessen der Öffentlichkeit zwecks Schutz vor etwaigen Straftaten und Terrorismus. Es ist anzunehmen, daß bei den gesetzlich festgelegten Rahmenbedingungen der eGK Ähnliches geschehen kann.
Diese 'Kernthemen' ermächtigen die Krankenkassen und die Kontrollbehörden zu folgendem:
Der Handlungsrahmen der eGK ermöglicht die Umsetzung neuer Pläne der Krankenkassen und der Gesundheitsbürokratie, beispielsweise beim Morbi-RSA. Nach diesem Konzept würden künftig alle Versicherten einer Risikoklasse zugeordnet, womit sie einen 'Krankheitsstempel' aufgedrückt bekämen, von dem sie aber nichts wissen. Bei erbbedingten chronischen Erkrankungen könnte dies im Sinne einer 'Sippenhaft' ganze Familien dramatisch beeinflussen.
Zu erwarten ist die Verschiebung wesentlicher Gesundheitsdaten der Patienten einschließlich der Dateninhalte des 'Krankheitsstempels' von den Krankenkassen an 'befreundete' Gruppierungen, beispielsweise Lebensversicherungen oder Banken, damit dort die Risikoprofile der Versicherungsmitglieder oder Kunden mit dem Ziel etwaiger Beitragsanpassungen aktualisiert werden können. Bei Banken kann dies zur Ablehnung von Darlehensanträgen oder zur Forderung nach mehr Sicherheitsleistungen führen.
Geringer aber dennoch Besorgnis erregend ist das Problem der Einstufung und Umgliederung der Patienten in Risikogruppen nach dem Motto ' Patienten die mehr kosten als sie an Beiträgen einbringen sind auszusondern und durch geeignete Maßnahmen wie langsame und schlechte Sachbearbeitung aus der Versicherung herauszudrängen'. Wörtlich: '… die Kassen versuchen bedürftige Patienten so zu vergraulen, daß sie freiwillig zu einer anderen Kasse wechseln'. Diese Entwicklung ist extrem patientenfeindlich und liefert chronisch Kranke oder multimorbide ältere Mitbürger einem gnadenlosen Bürokratiesystem aus.
Mit dem auf zentralen Megaservern zur Datenspeicherung aller Bundesbürger aufbauenden Telematikkonzept der eGK kann ein automatisches Screening aller ärztlichen Leistungen erfolgen. Dies beträfe das Verschreibungsverhalten bei Medikamenten, bei Stellung von Diagnosen und Behandlungen sowie aufwändigeren Therapiemaßnahmen zur Beurteilung der durch den Arzt ausgelösten Behandlungskosten. Dies könnte mittels Verknüpfung aller medizinischen Patienten- bzw. Behandlungsdaten mit den Registernummern der behandelnden Ärzte aus den digitalen Arztausweisen erfolgen. Die ursprünglich wichtige Therapiefreiheit der Ärzte wäre damit Vergangenheit.
Zu erwarten ist künftig ein automatisches Sceening etwaiger Krankheitshäufigkeit oder etwaiger genetisch bedingter Erkrankungen durch öffentliche Arbeitgeber oder Betriebsärzte bei den Betriebskrankenkassen.
Trojanisches Pferd
Das geplante System der eGK für die Speicherung von Gesundheitsdaten der Bevölkerung wird von den verantwortlichen Strategen der Gesundheitsbürokratie heimlich als trojanisches Pferd benutzt, um durch die argumentative Hintertüre eines angeblich segensreichen Informationssystems ein viel umfassenderes System der Datenauswertung und somit Kontrolle jedes Bürgers einzuführen. Daneben ist mit dem System der eGK eine Serie von anderen negativen Konsequenzen verbunden, die bisher nicht dargestellt wurden.
Trotz besseren Wissens falsch sind Informationen bestimmter Interessengruppen. So verkündeten die Presseabteilungen der gesetzlichen Krankenversicherungen jüngst, daß die zentralserverbasierte Gesundheitskarte einem internationalen Standard entsprechen würde und deswegen praktisch überall eingeführt werde. Diese Meldung ist falsch, da diese internationale Standardisierung nicht existiert. Die deutsche eGK ist systembedingt nur in Deutschland lesbar und sonst in keinem anderen Land.
Laut Meinung vieler Experten ist der Datenschutz bei der eGK zweifelhaft und nicht realisierbar. Schwächster Punkt im System der eGK ist die PIN Eingabe des Patienten, d.h. es geht nicht darum, daß die Chipkarte 'geknackt' wird, sondern der mutwillige 'Hacker' setzt bei den PIN Nummern des Patienten an und beschafft sich diese samt dessen eGK, um so an anderer Stelle in das System einzudringen. Schwer organisierbar dürfte die Verwaltung und Sicherung der eGK Patientenkarten von pflegebedürftigen oder in ihrer Wahrnehmung beeinträchtigten chronisch Kranken werden.
Äußerst problematisch wird die im Gesetz vorgesehene Notwendigkeit in die Funktionen der Patienten eGK digitale Signaturen technisch einzubeziehen. Den Bürgern ist dabei noch nicht klar, daß eine digitale Signatur eine rechtsverbindliche Willensäußerung im Namen des eGK Inhabers begründen kann. Somit sind also auch Testamente, Patientenverfügungen und Bankgeschäfte möglich, wenn eine dritte Person in Besitz der PIN Nummer und der eGK gelangt. Wie hier die berechtigten Interessen älterer Mitbürger zu schützen sind ist bislang ungeklärt. Dabei sind es gerade diese Bevölkerungsgruppen die einen hohen Prozentanteil chronisch Kranker ausmachen.
Verschwiegen werden von den Lobbyisten der eGK bislang die juristischen Probleme im Zusammenhang mit der auch strafrechtlich geschützten Wahrung des Arztgeheimnisses. Die Architekten des Systems der eGK ignorieren dieses verfassungsmäßig geschützte Recht in einer erstaunlichen Weise und glauben der Problematik dadurch begegnen zu können, daß vorgeschrieben werden soll daß alle im von anonymen Dritten betriebenem Zentralserver der eGK gespeicherten medizinischen Daten nur mit Einwilligung des Patienten aufgezeichnet und verarbeitet werden dürfen. Daß diese 'Einwilligung' gleichzeitig einer Zustimmung zum Bruch des Arztgeheimnisses bei den eigenen hochsensiblen Daten gleichkommt, zwangsläufig verbunden mit einer diesbezüglichen Freistellung der beteiligten Ärzte vor etwaigen strafrechtlichen Konsequenzen, wurde der Öffentlichkeit nicht mitgeteilt. Alternativ wird argumentiert, daß die medizinischen Patientendaten im zentralen Megaserver des eGK-Systems absolut 'sicher' seien. Sichere Computersysteme aber gibt es nicht, siehe das Beispiel der 'hochsicheren' Computersysteme der amerikanischen Streitkräfte und der amerikanischen Geheimdienste, die im Jahre 2005 über Monate hinweg systematisch von chinesischen Spezialisten 'gehackt' wurden.
Zu fragen ist, wie hoch die auch nach Meinung der eGK Architekten besonders wichtige Akzeptanz des eGK Systems bei den Patienten und den Ärzten sein wird, wenn all diese Fakten bekannt gemacht worden sind.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Kosten des eGK Systems. Bislang wird der Öffentlichkeit verschwiegen, was hier zu erwarten ist. Die Schätzungen allein für die Einführung der eGK liegen zwischen 1,4 und 5 Mrd. €, die jährlich anfallenden Betriebskosten zwischen 700 Mio und 6 Mrd. €, wobei die Einführungskosten der eGK über die Krankenkassen finanziert werden, also indirekt durch die Patienten.
Die laufenden jährlichen Betriebskosten dürften den Patienten direkt abverlangt werden, absehbar mit 100 € pro Karte und Patient. Noch nicht endgültig definiert und bezüglich der Kostenträger geregelt sind die bei den Ärzten entstehenden Kosten für neue Hard- und Software, derzeit diskutiert im Bereich von 10.000,-- € bis 20.000,-- € je Arztpraxis, wobei sich die Arztpraxen verständlicherweise weigern werden diese Kosten zu tragen. Angesichts der leeren öffentlichen Kassen ist anzunehmen, daß all die vorgenannten Kosten somit die Bürger bzw. die Patienten belasten werden.
Die Grundeinstellung der verantwortlichen Politiker ist erstaunlich, da das System der deutschen eGK den Patienten und den Ärzten auf lange Zeit überhaupt keine Vorteile und keinen Nutzen bringt, sondern allenfalls im Sinne des Trojanischen Pferdes die geschilderten Kontrollinstrumente zum weiteren Ausbau etabliert, allerdings unumkehrbar. Eine gewisse aber nahezu zynische Entlastung der Problematik kommt daher, daß von maßgeblichen Industrievertretern zugestanden wird, daß die technischen Voraussetzungen der Speicherung von für den Patienten und den Arzt wichtigen medizinischen Daten beim System der deutschen eGK erst in Jahren vorliegen dürften.
Unverantwortlich ist, daß in den Pressemitteilungen der eGK Lobby verharmlosend immer nur davon gesprochen wird, daß die einzelnen Ausbaustufen der eGK zeitlich hintereinander realisiert werden, ohne die Zahl der Jahre anzugeben. Auch dies wäre eine Irreführung der Öffentlichkeit!
Aber gerade die ständig garantierte Verfügbarkeit aktueller medizinischer Daten (elektronische Patientenakte) wäre für die Verbesserung der Patientenbetreuung und für die integrierte Versorgung chronisch Kranker absolut essentiell. Dies allerdings kann die deutsche eGK auf absehbare Zeit gar nicht leisten. Den verantwortlichen Politikern der großen Koalition ist dies bekannt, ebenso wie den Funktionären der gesetzlichen Krankenkassen und der kassenärztlichen Vereinigungen. Da mit dem trojanischen Pferd System der eGK aber andere, verschwiegene, Ziele verfolgt werden, stellen die Verantwortlichen die tatsächlichen Inhalte und Beweggründe für das Anstreben und 'Durchdrücken' des eGK Systems trotz besseren Wissens nicht dar und schieben offenkundig imaginäre 'Vorteile' in den Vordergrund.
Es scheint seltsam, daß von den Verantwortlichen offenbar erwartet wird, daß dieses System der deutschen eGK auch noch kritiklos von den Bürgern und Patienten akzeptiert und bezahlt werden soll.
Schlussfolgerungen und Forderungen:
Zunächst ist klarzustellen, daß ein sinnvolles und durchdachtes System digitaler Patientenpässe dringend notwendig wäre und auch von der Ärzteschaft unterstützt wird. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt aber wird die Einführung eines digitalen Patientenpasses wie jenes der eGK von der Ärzteschaft aus den genannten Gründen abgelehnt.
Abzulehnen ist die Politisierung der Thematik bzw. die Instrumentalisierung durch unterschiedliche politische und institutionelle Interessensträger, die vollkommen andere Ziele verfolgen, als jene die im Gesundheitswesen anzustreben sind.
Zu fordern ist, daß digitale Patientenpässe, die tatsächlich zum Nutzen und Vorteil der Patienten sind, ausschließlich von der Ärzteschaft ausgegeben und daß von dieser alleine auch die notwendigen IT-Systeme betrieben werden. Fremdverwaltete Megaserver zur Speicherung der medizinischen Daten der Bevölkerung mit Querverbindungen zu Behörden und Institutionen der Sozialbürokratie sind abzulehnen. Effektiver Datenschutz kann nur garantiert werden, wenn sensible Gesundheitsdaten überhaupt nicht bei Dritten gespeichert werden.
Um dies zu erreichen sind die vorliegenden einstimmigen Beschlüsse des Bundestags umzusetzen in denen gefordert wurde, daß die am besten geeignete Technologie für digitale Patientenpässe ohne Vordisposition für bestimmte Verfahren technikoffen zu ermitteln ist, da nur so eine maximal mögliche Akzeptanz der Systeme durch die Patienten und die Ärzte zu erreichen ist. Das Bundesministerium für Gesundheit hat sich über diesen Bundestagsbeschluß hinweg gesetzt und begonnen die aus vorgenannten Gründen präferierte Technologie der eGK samt fremdbetriebenem Megaserver umzusetzen.
Das Ärztesyndikat wird hiergegen mit allen gebotenen Rechtsmitteln vorgehen einschließlich der Anrufung des Verfassungsgerichts in Karlsruhe.
Andere technische Lösungsansätze sind verfügbar, wurden aber vom Gesundheitsministerium ausgesondert, weil sie nicht jenen der Öffentlichkeit verheimlichten Zielen entsprechen, die von der Gesundheitsbürokratie mit den fremdbetriebenen Megaservern und der elektronischen Gesundheitskarte verfolgt werden.
In den nächsten Pressemitteilungen werden die einzelnen Bereiche gesondert thematisiert.
München, 16. Januar 2006
Verein 'Das Ärztesyndikat'
Interessensvereinigung zur Wahrung der Rechte von Ärzten und Patienten