Ipsissimus,
[...]Ich stehe augenscheinlich nicht auf dem Boden eines (wissenschaftlich - philosophisch - künstlerisch - merkantil - sozialen) Konsens, welcher in etwa besagt, daß nur solche Gedanken wert seien, gedacht oder niedergeschrieben und veröffentlicht zu werden, denen eine Option auf Zukunft innewohnt,[...]
Ich bin durchaus bereit mich auf eine Diskussion innerhalb dieses Rahmens einzulassen und ich sehe auch den Sinn darin, allerdings ist es müßig über Problemlösungen realer Probleme in utopischem Rahmen zu sinnieren. Die Diskussion realer Probleme in utopischem Rahmen ist sicher nicht unnütz, das will ich nicht sagen, aber diese Gespräche werden nie zu einem Konsens, einer Lösung oder einem wie auch immer gearteteten Fortschritt führen, ich wähnte mich in einer Diskussion deren Ziel aber gerade das sein soll, das Erreichen eines Konsens, einer Lösung, einer Option oder das Einigen auf Thesen.
Ich sehe sehr wenig Sinn darin, mein »imprimatur« unter Bösartigkeiten zu setzen, die ohnehin mit oder ohne solche Billigung weiterbetrieben werden.
Siehst du keinen Sinn darin das kleinste der Übel anzustreben? Denn das ist was ich beabsichtige, die Übel zu diskutieren, zu verstehen, gegeneinander abzuwägen und dann nicht das richtige sondern das am wenigsten falsche zu tun oder zu wollen.
Vielleicht täusche ich mich ja, aber ich schätze dich ein bißchen vom Typus so ein, daß du glaubst, mit deiner Brillianz im Spiel der Macht und der Mächtigen etwas bewirken zu können, eventuell aufzusteigen in die Entscheidungspositionen und dort etwas zu bewirken im Sinne deiner Vorstellungen von Gerechtigkeit.
Ich bin mir offen gestanden nicht ganz sicher, wie ich das verstehen soll, ich mutmaße daher, dass es eine sarkastische Anspielung auf meine Selbstüberschätzung sein soll, die ich durchaus nachvollziehen kann. Allerdings behaupte ich nicht unbedingt der ungebildetste Mensch auf Erden zu sein, die Chancen etwas zu erreichen könnten auch geringer sein, zudem habe ich meine Selbsteinschätzung in der Zeit meiner Abwesenheit schon erheblich nach unten korrigiert. Auch wenn das jetzt etwas weit vom Thema weggeführt, so denke ich dennoch, dass ein Mensch ohne Ziele und seien sie auch noch so illusorisch - sofern sie zumindest potentiell realität werden können - ein unglücklicher Mensch ist, ein antriebsloser und vegetierender Leichnahm mit trügerischem Sinusrhythmus der sich nach dem Piepsen sehnt, dem ebenbürtig, der nur die Verfehlungen und das Unglück der Vergangenheit bedauert und über dem Sinnieren übersieht, dass die Welt sich um ihn herum unaufhörlich weiterdreht und der eines Tages aufwacht, nur um festzustellen, dass er vor Jahren vergessen und zurückgelassen wurde.
Wenn dem so sein sollte, so verkennst du imo, daß das System so gestrickt ist, daß auf dem Weg in die Entscheidungspositionen alle ausgesiebt werden, die den Idealen der Entscheidungsträger nicht entsprechen. D.h. entweder du passt dich an, oder du führst ein umfassendes intellektuell-emotionales Doppelleben - für beides hatte und habe ich keine Lust.
Ich bin mir dessen durchaus bewusst, aber ich bin der festen Überzeugung, dass ein System nur von innen heraus erfolgversprechend gelenkt und geändert werden kann, getreu einem genialen Mann, namentlich Voltaire, glaube ich dass Kritik nur im Definitionssystem des zu Kritisierenden Aussicht auf Erfolg hat, extrinsische Kritik, die Prämissen des Gegenüber verwerfend und verurteilend ist imo zum Scheitern verurteilt. Ich will weder Präsident der Weltbank noch Bundeskanzler oder Vorstandschef der Daimler-Chrysler AG werden, aber ich behaupte das Feuer beginne mit dem Funken nicht der Stichflamme, um mich auch mal - mehr oder minder - wohlklingender Metaphorik zu bedienen. Mir ist klar, dass das System so etabliert ist, dass aufsteigende Revoluzzer kompromittiert werden, herrlich offensichtlich wenn man die Alt-spontis, die grölenden Steine-Werfer, die Taxifahrer und deren Werdegang zu vollgefressenen Dummschwätzern mit lebenslanger 5-stelliger Pension betrachtet, aber in einer Gesellschaft in der das "Davor" mehr zählt als das "Dahinter" ist die Maskierung das entscheidende Instrument. Zumal ich der festen Überzeugung bin, dass Resignation und Aufgabe indiskutabel sind, ich beginne jeden Morgen mit dem Gedanken, dass heute ein guter Tag zum Sterben sei und zusätzlich mit einem Becher lauwarmem Eigen-urin. Weil es schmeckt? Nein aber es hilft und führt mir mein Ziel vor Augen, ok das war beides gelogen, aber ich bin bereit für meine Überzeugungen einzustehen, unabhängig von den Reaktionen.
Was den Vorwurf der Unnützheit meiner Gedanken angeht[...]
Ich verstehe deine Intention, vermute ich zumindest, aber ich bin einfach praktikabler orientiert. Ich bin mir der Missstände bewusst und der utopischen Ziele auch, aber jede Stunde, die ich träume entferne ich mich weiter von der bestmöglichen Handlung. Ich diskutiere gerne mit dir und ich weiß, dass ich auch sehr viel von dir lernen könnte, nicht deine Meinung adaptieren, aber Wissen aufnehmen und meine Meinung durch deine Augen zu hinterfragen, das bringt mich weiter, auch wenn es zumeist sehr anstrengend und frustran ist, aber die Gewissheit, dass ich dich niemals von irgendeinem noch so kleinen Teil meiner Meinung überzeugen können werde ist einfach niederschmetternd. Dennoch habe ich mich entschlossen diesen Dialog wieder aufzunehmen, einfach weil ich denke, dass ich daran wachsen werde, zudem heißt es nicht umsonst, dass nichts was es zu haben wert sei ohne Schweiß und beständiges Streben komme, abgesehen von Ataraxie, die klammere ich jetzt mal aus.
so funktioniert eine Marktwirtschaft, die "häßlich" ist, eben nicht - tatsächlich ist sie nur eine Kopie von asymmetrischen Machtverhältnissen und nicht Folge inhärent marktsystemischer Faktoren.
Wenn ich dich richtig verstanden habe, stimmst du mir zu, dass die Ungerechtigkeit, die Resultat der Form der paraktizierten "freien" Marktwirtschaft ist, nicht durch systeminhärente Makel bedingt ist, sondern durch bewusste Manipulation des Marktgleichgewichts, also der faktischen Asynchronität, der Marktteilnehmer, bedingt ist. Ich behaupte aber weiter, dass es durch die Natur des Menschen antizipierbar war und einzig antizipierbar ist, dass durch die fehlende Regulation des Marktes keine Normalisierung des idealen MArktgleichgewichts eintreten wird, sondern dass die Asynchronität ständig zunehmen wird und allenfalls das jeweilige Gesicht des Marktführers wechseln wird; ich behaupte also, dass es in der Natur des Menschen liege, die Abwesenheit von Regularien zum eigenen Vorteil zu Nutzen, ich meine, dass hier, wie überall "der Mensch dem Menschen Wolf sei". Daher meine ich, dass es sich nicht um einen Mangel des Systems handelt sondern um einen Mangel am Menschen, der ein perfektes System mit seiner Imperfektion zerstört.
Du siehst worauf ich hinauswill und ich weiß schon jetzt wo unser nächster Dissens besteht...
Wir schulden diesen Staaten daher ALL unseren Reichtum und ALL unseren Luxus, wenigstens bis zum Grad der Nivellierung.
Und abermals, ich bin kein Narr. Die Situation ist Folge realer asymmetrischer Machtverteilung, an der sich nicht mehr viel ändern wird, und daher auch nicht an der Situation. Aber gesagt werden muss es, und sei es nur gegen das Vergessen und gegen das Gefühl der Behaglichkeit der moralisch angeblich überlegenen Position.
Ich stimme dir zu, dass wir aufgrund der Geschichte zur Wiedergutmachung verpflichtet sind, aber ich meine, dass diese Wiedergutmachung nicht finanziell erfolgen kann und darf. Ich sehe auch keine Notwendigkeit dafür und keine Berechtigung mein Hab und Gut, für dass ich arbeite und lerne, bzw. meine Eltern arbeiten und lernten, an ehemals Deutsch-Afrika abzutreten, meiner Meinung nach ist die Währung der Wiedergutmachung und zwar die einzig sinnvolle die Aufklärung und die Prävention. Ganz im gegenteil zu dir, sehe ich allerdings trotz aller historischer Schuld dennoch ganz klar die Eigenverantwortlichkeit beider heutigen Bevölkerung dieser ehemaligen Kolonien, bei deren heutiger Administration. Ich bin kein Dummkopf, ich bin mir dessen bewusst, dass unzählige Faktoren die Situation beeinflussen, dennoch sehe ich die Situation nach wie vor so, dass Schwarzafrika sich weit unter Wert verkauft, eine farbige mulit-ethnische Christiane F. die unfähig und unwillens ist sich aus dem vorgezeichneten Fahrwasser zu bewegen. Und genau dort setze ich mit meiner Kritik an, ich sehe den Sinn nicht darin Christiane aus dem nach Urin und Erbrochenem stinkenden Bahnhofskloo zu ziehen und ihr die Spritze aus dem Arm und sie in ein Ballkleid zu stecken, ich verlange, dass Christiane selbst aufsteht und sich ein Ballkleid verdienen will und ich meine nicht mittels ihrem bisherigen Gewerbe, das sollte klar sein.
Ich bin von der Einfachheit der Situation fasziniert, von der geringen Menge und der Primitivität der Wirkmechanismen, die tatsächlich "die Welt" steuern, zumindest soweit sie von Menschen beeinflusst wird.[...]zweifele ich an der mehr als nur oberflächlichen Modellierbarkeit der Komplexität.
Ich glaube gerade wird mir zum ersten mal im Ansatz klar wovon du die ganze Zeit redest, hättest du das nicht früher sagen können? ^^ Aber wie nicht anders zu erwarten widerspreche ich dir da ganz entschieden. Die Einfachheit will ich nicht leugnen, die Universalität der Makros, die überall angewendet werden, aber das entscheidende, das einfachste, das tragende Element all dieser Einfachheit ist der Mensch und der Mensch hat ein Bewusstsein und das, genau das kann man ändern.
Nicht die Natur des Menschen will ich ändern, ich will ihm ein Bewusstsein geben. Und aus der Einfachheit wird ein Kunstwerk von atemberaubender Komplexität und facettenreicher Schönheit entstehen, ein ehrgeiziges Ziel möchte man meinen, aber es wurde schon vorgemacht, dass es möglich ist. Aber ich sehe für ein utopisches Ziel realistische Ansatzpunkte und die will ich hauptsächlich diskutieren, aber auch gerne die Utopie an sich.