Wie weit darf Macht sich schützen?

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
e-noon
Sterbliche
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4576
Registriert: 05.10.2004
Mo 14. Mai 2007, 13:40 - Beitrag #21

Cool ^^ hab die Aktion zwar nicht mitbekommen, aber klingt lustig.
Die Vorstellungen dieser Leute allerdings... klingen für mich ein bisschen naiv.

Die Schüler entscheiden über den Lehrplan...
Wollt ihr mich arbeitslos machen? :rolleyes:

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Mo 14. Mai 2007, 13:50 - Beitrag #22

Zitat von Guru Guru:[...] Es kam kein Haß, John Irving ist einer meiner Lieblingsautoren, ich finde das Land nach wie vor faszinierend, aber es kam Verurteilung der amerikanischen Außenpolitik, kritische Distanz auch zur Innenpolitik dort wie hier ... und mehr.
Aber das alles auf Antiamerikanismus zu reduzieren, scheint mir bissel wenig. Ich kann nicht in die Köpfe anderer Menschen hineinschauen, aber ich denke, es gibt genug Gründe für sowas wie "Antiamerikanismus", obwohl ich nicht bestreiten will, daß auch die von dir genannten Gründe bei einigen (imo aber nicht bei sehr,SEHR vielen ]In die Köpfe anderer kann ich auch nicht hineinsehen - und in den meisten Fällen möchte ich es auch nicht.^^ Ich vermute, daß deine Ablehnung der US-Politik sowie eventuell auch des G8-Gipfels nicht so weit geht, daß du an Ausschreitungen dagegen teilnehmen würdest. Ich vermute*, daß für den Gebrauch von Gewalt als ultima ratio ein gewisses Ausmaß an Haß notwendig ist. Denn so zwingend ist die Lage nicht, daß es nicht auch andere Formen des Nichteinverständnisses gäbe; und der der 'eigenen' (?**) Sache zugefügte Schaden ist weit größer als der mögliche Nutzen des Gewalteinsatzes.
________
* und mehr als Vermutung, wie gut auch immer statistisch gestützt, bleibt als Methode hier auch kaum übrig

** annehmend, daß gewaltbereite Schläger dabei seien, deren "Sache" nur darin bestünde, einen Zerstörungsrausch zu erleben

Zitat von janw:Nun, es sei Dir gesagt, daß z.B. attac alles in ihrer Macht stehende tut, um eben Gewalt zu verhindern - weil linke Opposition sich als gewaltablehnend versteht und sie zudem der Vermittlung der kritischen Inhalte im Wege steht. Aber letztlich hat nicht jeder sich darunter mischende Autonome seinen Alkoholpegel und "ich bin ein Steinewerfer" auf der Stirn stehen. Davon ab, es ist des öfteren vorgekommen, daß die Polizei selbst Provokateure eingesetzt hat.
Da muß in der Vermittlung tatsächlich einiges schiefgelaufen sein Bild - was ich hier an Parolenschmierereien und gelebter Gewalt sehe, ist dann wohl alles Ausdruck von Polizei und rechter Szene.^^ Ich glaube nicht, daß - auch wenn im Moment der Demonstration bei manchen Alkohol im Spiel sein mag - eine Parole wie "Smash G8!" nicht auch im nüchternen Zustand formuliert würde - dafür wäre sie hier jedenfalls zu oft zu sehen. Und die hiesigen Hausbesetzerszenen - auch dabei handelt es sich ja um eine Form von Gewalt - mögen konsumieren, was sie wollen, aber das macht sie weder komplett unzurechnungsfähig noch Unlinks. Die Regelmäßigkeit gewisser unangenehmer Nebenerscheinungen jedenfalls deutet mir darauf hin, daß in dieser Richtung nicht genügend getan wird. Der (politische und materielle) Schaden ist groß genug, daß die für die Demonstrationen Verantwortlichen sich dringend Gedanken machen sollten, wie sie derartiges wirkungsvoll (!) verhindern können - wenn sie das denn wollen.
[Schäuble] war vorher ein strammer Konservativer, an dem ich mich als linker Jugendlicher gerieben habe, gleichwohl habe ich seine Positionen als stringent akzeptiert, sie passten zusammen und ergaben in gewisser Weise einen Sinn - du verstehst? Davon ist nichts mehr übrig, er erscheint mir nur noch als gebrochener alter Mann, für den die kritische Umwelt nur noch per se gefährlich ist und am besten vorsorglich erfasst, kontrolliert und behindert werden sollte.
In meinen Augen passen seine Positionen durchaus noch zusammen. Ich stimme ihm nicht in jeder Hinsicht zu, manches mag auch, wenn man es so sehen will, paranoid wirken, aber die Überprüfung der Möglichkeiten zur Strafverfolgung ist nun einmal eine zentrale Aufgabe des Innenministers; er kommt aus naheliegenden Gründen zu der Überzeugung, hier bestehe ein Mangel und bemüht sich um umfassende Abhilfe. Für einen "gebrochenen alten Mann" ist er jedenfalls noch recht tätig und wortmächtig.^^

Ipsissimus, ich stimme dir zu, wobei für meine Antwort die Rahmenbedingungen entscheidend wären - ich sehe mich ja eigentlich überhaupt nicht als Vertreter eines starken Staates^^ - der Selbstregulierungsgrad einer Gesellschaft ist ein Anzeichen ihrer Qualität.
Nur funktioniert die unsere offensichtlich gerade eher mittelprächtig: Es besteht eine massive Diskrepanz zwischen Zahlen und Gefühlen - und die Überwindung der daraus entstehenden Spannungen wird zur Zerreißprobe. In dieser Situation wird auf verstärkte Regulierung zurückgegriffen, was Probleme leider im Wesentlichen verlagert.

Guru Guru
Member
Member

 
Beiträge: 106
Registriert: 07.05.2007
Mo 14. Mai 2007, 14:09 - Beitrag #23

Ich vermute*, daß für den Gebrauch von Gewalt als ultima ratio ein gewisses Ausmaß an Haß notwendig ist.


ich vermute (mit dem gleichen Sternchen wie du), daß dafür eher ein gewisses Maß an Verzweiflung notwendig ist ;)


Wären meine Feigheit und mein Unvermögen nicht zu groß, wäre ich durchaus in der Lage, mir einige finale Lösungen für die Probleme unserer Zeit, durchaus unter anderem auch betreffend den G8-Gipfel, einfallen zu lassen :D


Die Vorstellungen dieser Leute allerdings... klingen für mich ein bisschen naiv.


Naja, da klingt ein bissel Summerhill in deinem Zitat mit und in in den weiteren Äußerungen des Interviews scheinen auch mir die radikaldemokratischen Ansätze etwas naiv. Ich neige da auch zu einer zynischeren Sicht auf die Rasse Mensch. Aber - ist es schonmal ausprobiert worden?

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Mo 14. Mai 2007, 14:11 - Beitrag #24

Nur funktioniert die unsere offensichtlich gerade eher mittelprächtig:


dem stimme ich durchaus zu, Lykurg^^ die Frage ist nur, ob sie so mittelprächtig funktioniert, weil so viele renitente Bürger zu Widerstandsformen greifen, die staatlicherseits nicht vorgesehen sind, oder ob es so viele renitente Bürger gibt, weil der Staat in Gestalt der Subjekte der Macht zunehmend zu einem Privilegiensicherungsinstrument für selbige verkommt - zu offenscihtlich zu einem solchen verkommt, denn tatsächlich sind Staaten ohnehin nichts anderes^^

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Mo 14. Mai 2007, 21:21 - Beitrag #25

Zitat von Ipsissimus:Ob es im engeren Sinne schädlich ist? Keine Ahnung. Verführerisch ist es sicher, und dem Wahn des Machbaren durch geschickte Manipulation erliegen nicht nur junge Menschen. Irgendwann unterwegs auf dem Weg zur Macht verliert auch das Bild im Spiegel seine Bedeutung. Von daher: was soll´s? Samsara ist überall^^ Und der Weg zu der Einsicht, daß Macht nur eine äußerst komplizierte Form von Hilflosigkeit ist, dieser Weg ist steinig, und längst nicht jeder Mensch mag zu dieser Einsicht gelangen

Sicher, wo mensch sich mit Macht auseinandersetzt, und sei es noch so kritisch, macht es sich mit ihr gemein, teilt ihre Kategorien, vielleicht gar die Mittel.

Hilflosigkeit...vielleicht ist die Behauptung der Schutzbedürftigkeit die stärkste Selbstanklage von Macht...

Lykurg, ich mag die Schmierereien wie gesagt auch nicht, aber nun, jede Gruppe besteht aus Menschen mit ihren individuellen Handlungsweisen, für die sie nur bedingt was kann.
Ich verweise mal auf einen Herrn Mißfelder und sein "sozialverträgliches Frühableben", für das er nicht nur Kritik bekommen hat :rolleyes:
Die Hausbesetzer kann man trefflich kritisieren, angesichts dessen, was Immobilienspekulation, deren wesentliches Mittel das brutale "Entmieten" und anschließende Verfallenlassen bis zur Notwendigkeit des Abrisses mit damit verbundener "Baufeldfreimachung" für städtische Großformbebauung - samt korruptiver Bebauungsplanänderungsgewinnung - in deutschen Innenstädten angerichtet haben, könnte man ihnen andererseits fast danken^^
Aber...bei attac usw. wird intensiv darüber nachgedacht, wie Gewalt vermieden werden kann, des sei gewiss.

[quote]Ich vermute*, daß für den Gebrauch von Gewalt als ultima ratio ein gewisses Ausmaß an Haß notwendig ist. Denn so zwingend ist die Lage nicht, daß es nicht auch andere Formen des Nichteinverständnisses gäbe]
Verzweiflung könnte, wie Guru bemerkt hat, ein ebenso starkes Motiv abgeben, außerdem ganz explizit die Erkenntnis, daß Staat die Meinungsäußerungen vor allem deshalb so gerne 100 km entfernt hätte, weil sie dort keiner mehr mitbekommt.
Die Lage ist zwingend, eben weil Staat sich seiner Verantwortlichmachung entzieht und auch die Medien, abseits aller sonntäglicher Unabhängigkeitsbekundungen, längst Teil des Systems sind. Zwingend für jede Form gewaltfreier Opposition - oder a-autoritären Rückzugs, wenn mensch so weit in Erkenntnis gereift ist.

Hinsichtlich Schäuble...nun, seine eigenen Leute verweigern ihm das Gefolge, siehe die Fingerabdruckdatei. Ich würde Dir gern 10 Jahre schenken, auf daß Du ihn in den 80ern erleben könntest^^

Yanāpaw
Experienced Member
Experienced Member

 
Beiträge: 543
Registriert: 05.11.2006
Mo 14. Mai 2007, 22:56 - Beitrag #26

GoL kommentiere ich mal besser nicht, dass würde ein Blutbad, ähnlich wie die kommunistischen Bewegungen in Russland und China, also verleihe ich nur mal kurz meiner Verwunderung Ausdruck darüber wie ideologien-spezifisch mit zweierlei Maß gemessen wird. Sehr erheiternd, dass auch Menschen die glauben sie hätten die Weisheit gepachtet Weltbilder von logischer Inkonsistenz biblischen Ausmaß' propagieren.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Di 15. Mai 2007, 00:03 - Beitrag #27

Zitat von janw:Verzweiflung könnte, wie Guru bemerkt hat, ein ebenso starkes Motiv abgeben, außerdem ganz explizit die Erkenntnis, daß Staat die Meinungsäußerungen vor allem deshalb so gerne 100 km entfernt hätte, weil sie dort keiner mehr mitbekommt.
Selbstverständlich finden die Kundgebungen auch eine Öffentlichkeit, wenn sie in 100 oder 200 km Entfernung stattfinden]Die Lage ist zwingend, eben weil Staat sich seiner Verantwortlichmachung entzieht und auch die Medien, abseits aller sonntäglicher Unabhängigkeitsbekundungen, längst Teil des Systems sind.[...]
Hinsichtlich Schäuble...nun, seine eigenen Leute verweigern ihm das Gefolge, siehe die Fingerabdruckdatei. Ich würde Dir gern 10 Jahre schenken, auf daß Du ihn in den 80ern erleben könntest^^[/QUOTE]
Die Medien sind "inzwischen Teil des Systems"? Im Beitrag zuvor ging es noch um die Zeit, "als Springer Staatspresse war" - aber letztlich sind sich die Zeiten ja immer gleich geblieben. ;)
Ich würde mir mehr Sorgen machen, wenn Schäubles Leute ihm bedingungslos folgen würden - zum Glück werden innerhalb unserer politischen Parteien Positionen kontrovers gesehen und diskutiert. In den Linksdiktaturen war es ein alle Welt in Erstaunen versetzendes Zeichen nahenden Herrscherwechsels, wenn die Unterführer offen andere Meinungen vertraten als ihr Duce... in einem demokratischen Rechtsstaat sollte das aber eher der Normalfall sein.^^
Ich verweise mal auf einen Herrn Mißfelder und sein "sozialverträgliches Frühableben", für das er nicht nur Kritik bekommen hat :rolleyes:
Seine provokante Aussage von damals erscheint mir sehr viel diskussionswürdiger als eine ganze Menge gequirlter Mist, den ich regelmäßig von den Rändern (und aus der Mitte!) der Gegenseite höre... Von der Größenordnung der Fragwürdigkeit her ungefähr vergleichbar mit dem Spielzeug Vermögenssteuer, nur um ein Beispiel zu nennen. Übrigens las ich vor ein paar Tagen von einem griechischen Stadtstaat, dessen Bürger mit Erreichen des 60. Lebensjahrs ihrer Sitte gemäß in den Tod gingen...
Die Hausbesetzer kann man trefflich kritisieren, angesichts dessen, was Immobilienspekulation, deren wesentliches Mittel das brutale "Entmieten" und anschließende Verfallenlassen bis zur Notwendigkeit des Abrisses mit damit verbundener "Baufeldfreimachung" für städtische Großformbebauung - samt korruptiver Bebauungsplanänderungsgewinnung - in deutschen Innenstädten angerichtet haben, könnte man ihnen andererseits fast danken^^
Gründlicher als die Hamburger Hausbesetzer (ob Hafenstraße, Rote Flora, Wasserturm oder sonstwo) kann man ein Gebäude kaum zerstören. Die Rote Flora hat 1995 gebrannt und ist, da ohne Reperaturen immer weiter zerwohnt, inzwischen praktisch abrißreif. Die Sanierungskosten der Hafenstraßenhäuser nach ihrer Räumung möchte ich lieber nicht wissen.^^ Nein, die beiden Seiten geben sich da nicht viel; und das Verfallenlassen habe ich hier jedenfalls zu meinen Lebzeiten nicht mitbekommen. Achja, du wolltest mir ja zehn Jahre schenken - danke, laß man stecken^^ - wenn, dann nähme ich lieber z.B. 150, das fände ich spannender.

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Di 15. Mai 2007, 03:28 - Beitrag #28

Yana, man kann von GoL halten was man will - ich empfinde es als auf recht utopischen Voraussetzungen gegründet - aber in gleicher Weise muss auch die Frage gestellt werden dürfen, ob nicht der status quo im Hinblick auf die Zukunft ähnlich morsch fundamentiert ist. Stillstand ist Rückschritt^^ und das derzeitige System läuft genau darauf hinaus, auf Bestand der Entscheidungsstrukturen unbeachtet ihrer Mängel incl. des abnehmenden gesellschaftlichen Rückhalts, auf zunehmende Einflussnahme privater Interessengruppen auf die Politik, zunehmende Verdummung durch Medien, die in Wirklichkeit nur noch Webezeitanbieter mit Programmpausen sind,...
Die Tatsache, daß sich bei GoL Leute ganz unterschiedlicher couleur treffen, die doch dasselbe Unbehagen teilen, macht die Sache für mich interessant.
Daß es dabei letztlich auch nur wieder um Macht geht mit allem drum und dran, ist mir dabei ebenso klar...ja, und vielleicht komm ich ja durch genug sesshin auch mal irgendwann dahin, daß es mich nicht mehr interessiert^^

Zitat von Lykurg:Selbstverständlich finden die Kundgebungen auch eine Öffentlichkeit, wenn sie in 100 oder 200 km Entfernung stattfinden]

Naja, wenn der Gipfel in Russland stattfände, würde man die dort obligatorische Verlagerung nichtoffizieller Meinungsbekundungen in die Walachei als Ausdruck putinscher Obrigkeitspolitik geißeln - auch insofern täte man IMHO hierzulande nicht schlecht daran, etwas gelassener mit den Kritikern umzugehen, abgesehen davon denke ich wirklich, daß die Ausgrenzung von Kundgebungen nicht wirklich zu mehr Sicherheit führt - eher zu noch freierem Schussfeld für etwaige Jene, die nicht kommen mögen.
Nee, mal ganz ehrlich, ein Staat, der Angst vor seinen Bürgern hat, gibt seine Legitimation auf.

Die Medien sind "inzwischen Teil des Systems"? Im Beitrag zuvor ging es noch um die Zeit, "als Springer Staatspresse war" - aber letztlich sind sich die Zeiten ja immer gleich geblieben. ;)

Nun, immerhin gab es damals noch einen "Spiegel", der den Montag zu einem besonderen Tag machte - längst ein laues Blättchen. Auch sonst - wo sind die nachdenklichen Stimmen? Die "Zeit", nun ja, man kann sie gut lesen. Die FR, ihr fehlt der frühere Biss, die taz, gut, da ist noch was. Die FAZ will ich mal nicht zu schlecht reden.
Aber schau Dir das Fernsehen an - nichts Brauchbares vor 22 Uhr, wo der brave Bürger schlafen geht...

Was die Hausbesetzer betrifft, gut, Hamburg wurde schon im Krieg gut "entkernt" - aber sieh Dir Frankfurt an. Eine Jugendstilstadt mit vielen älteren Gebäuden dabei - wegspekuliert, "entmietet", flächig abgerissen, heute gesichtslose Bankhochhäuser. Und nur ein Beispiel von so vielen...
Daß manche der Besetzer nicht die sympathischsten Typen sind - geschenkt.

Yanāpaw
Experienced Member
Experienced Member

 
Beiträge: 543
Registriert: 05.11.2006
Di 15. Mai 2007, 14:34 - Beitrag #29

GoL setzt sich in der Tat aus verschiedenen Lagern zusammen, zumindest nach eigener Aussage, wobei die einzige Aussage dazu bequemerweise auf TP zu finden ist, denn auf der eigenen HP machen sie überhaupt keine konkrete Aussage zu sich selbst und ihrer Agenda. Aber wenn ich mir so die Forderungen durchlese und die Wünsche, dann erkenne ich da doch geradezu schmerzhaft offensichtliche Parallelen zu einer Denkrichtung, die unter dem Terminus Leninismus-Marxismus vor nicht allzu langer Zeit eine Blütezeit erlebte, ein Gedankengut, dass so untrennbar mit Genozid verknüpft ist, wie das des Nationalsozialismus. Da werden Dinge gefordert, wie Zerschlagung des Kapitals, die nächste Stufe auf der Agenda, die freilich noch nicht veröffentlicht wurde wird dann die Verfolgung und Exekution der reaktionären imperialistischen Papiertiger sein. Aber meinethalben sollen sie sich Gehör verschaffen, so lange sie niemandem schaden ist mir das gleich.



Um aber mal zur Ausgangsfrage des Threads zurückzukehren, wie weit sich MAcht schützen dürfe, das halte ich nicht für eine difizile Frage. Sie darf sich soweit schützen, wie sie es kann, denn sie diktiert Gesetze und überwacht die Justiz. Es gibt keine Entität die einschritte, keine überpositiven Rechte, die verletzt würden, also kurzum nichts was apriorisch gegen das Recht des Mächtigen spräche. Zweifellos gibt es aber kritische Vernunft, die fragt wie sinnhaftig und effizient der Selbstschutz der Macht denn sei, in Abhängigkeit davon wohin denn die Macht zu gehen beabsichtige. Aber diese Überlegung erfordert mehr als idologisch geschönte 360° Kritik, sie erfordert konstruktive Kritk und davon habe ich hier bisher nichts gelesen, auch nicht von der Linken Seite überhaupt und ganz bestimmt nicht von der Rechten. Denn funktionsunfähige Utopien zu zeichnen ist nicht konstruktiv, es ist der Entschluss sich realen Kompromissen und Wegen zu verwehren und solche Gesinnungsträger sind für den Fortschritt des Landes in Richtung Demokratie ähnlich nützlich wie Brandsätze.


[...]etwas gelassener mit den Kritikern umzugehen, abgesehen davon denke ich wirklich, daß die Ausgrenzung von Kundgebungen nicht wirklich zu mehr Sicherheit führt[...]


Mit den Kritikern geht man gelassen um, die Sicherheitsmaßnahmen sind nicht der Transparente oder Worte wegen so umfangreich. Dass die Kritik auch zu leiden hat, verdankt sie einzig und allein der Unfähigkeit der Ausrichter militante Teilnehmer auszuschließen. Was die Ausrichter sagen und denken interessiert nicht, wichtig ist was sie tun. Nicht durch Worte und hehre Gedanken erweist sich der Mensch, sondern einzig durch Taten.
Und es besteht ein Unterschied eine 50km breite Demonstrationsverbotzone um die Tagung umzusetzen und die Demonstration nach Itzehoe zu verlagern, das wirst du wohl nicht ernsthaft anzweifeln. Davon abgesehen ist nicht die Nähe zum Tagungsort entscheidend sondern das Auftreten der Demonstranten, das hat die Geschichte schon hundertfach bewiesen. Eine Botschaft, die es wert ist gehört zu werden verschafft sich auch dann Gehör, wenn sie abseits vom Tagungsort vorgetragen wird, für die Presse macht es keinen Unterschied wo sie den Mob filmen. Das wäre sehr viel kostengünstiger und die Demonstranten könnten zeigen, dass es ihnen um ihre Botschaft geht nicht um sinnlose Zerstörung, weil die Polizei als angeblicher Provokateur wefiele.

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Di 15. Mai 2007, 15:03 - Beitrag #30

Zweifellos gibt es aber kritische Vernunft, die fragt wie sinnhaftig und effizient der Selbstschutz der Macht denn sei, in Abhängigkeit davon wohin denn die Macht zu gehen beabsichtige. Aber diese Überlegung erfordert mehr als idologisch geschönte 360° Kritik, sie erfordert konstruktive Kritk


der Wahn des Machbaren^^ aber sei es drum, "konstruktive Kritik" holen sich die Subjekte der Macht schon von ihresgleichen. Noch der unhinterfragbarste Mafia-Pate hat seinen Beraterstab, geschweige denn unsere Machtexperten aus Politik, Konzernen, Banken und Kirchen. "Konstruktive Kritik" in deinem Sinne kannst du nur dann üben, wenn du dich den Zielen der Macht in Gestalt ihrer Subjekte bereits ergeben hast. Möglicherweise hast du recht, Yana, und es geht wirklich nur darum, dem Schlimmsten noch ein paar Almosen mehr aus der Tasche zu leiern, und die Goldfärbung der Käfigstäbe immer rechtzeitig aufzufrischen, damit die Tristesse der wirklichen Lage nicht allzuvielen Leuten allzusehr bewußt wird.

Dem allerdings verweigere ich mich tatsächlich. Es geht nicht um konstruktive Kritik. Du selbst siehst das übrigens genauso, denn deine Argumentation kommt - abzüglich der Polemik - zu den gleichen Schlussfolgerungen, sobald es um die Fehlleistungen und Fehlentwicklungen des realen Sozialismus und des Marxismus/Leninismus geht (auch wenn du wohl aus Propagandazwecken den Stalinismus als pars pro toto setzt). Nur weigerst du dich danach, Kapitalismus und das Blut an dessen Händen mit den gleichen Maßstäben wie den Stalinismus zu messen.

Dass die Kritik auch zu leiden hat, verdankt sie einzig und allein der Unfähigkeit der Ausrichter militante Teilnehmer auszuschließen.


was war zuerst, Henne oder Ei? Zuerst der Machtmissbrauch seitens der Mächtigen, oder zuerst die Kritik daran? Zuerst die Ignoranz der Mächtigen gegen jede Kritik, die nicht aus ihren eigenen Reihen kommt und nach ihren Regeln pfeift, oder der Wunsch, Kritik auch für taube Ohren hörbar zu machen?

Yanāpaw
Experienced Member
Experienced Member

 
Beiträge: 543
Registriert: 05.11.2006
Mi 16. Mai 2007, 15:04 - Beitrag #31

Ipsissimus,

du bist die Wurzel allen Übels, du verleitest mich immer dazu meine Meinung zu reflektieren und dann in viel zu langen Beiträgen - die zumeist ins OT abgleiten - zu formulieren, mit diesem zwischen den Zeilen "Erforsche deine Gefühle Anakin" Kram. ^^ Also gut, dann streife ich einmal mehr die Maske über *röchel*

sobald es um die Fehlleistungen und Fehlentwicklungen des realen Sozialismus und des Marxismus/Leninismus geht (auch wenn du wohl aus Propagandazwecken den Stalinismus als pars pro toto setzt). Nur weigerst du dich danach, Kapitalismus und das Blut an dessen Händen mit den gleichen Maßstäben wie den Stalinismus zu messen.



Ich weigere mich nicht. Das will ich nun demonstrieren:

Durch das Studium der Geschichte und des Menschen komme ich zu dem Schluss, dass Sozialismus, Leninismus, Marxismus, Kommunismus und Stalinismus reaktive Gesellschaftsmodelle sind. Das Modell ist genial, keine Frage, aber es läuft der Natur des Menschen zuwider, der nach Macht strebt. Dieses Machtstreben wird von den (Vor)denkern dieser Modelle irrtümlicherweise nicht als Ursächlichkeit wahrgenommen, statt dessen werden Symptome dieser Krankheit dämonisiert und bekämpft, wie Imperialimus, Kapital und Konzernbildung. Diese Symptome zu bekämpfen, heißt die Krankheit nicht in ihrer Gänze zu verstehen und diese Symptombekämpfung ist es letztlich, die das kataklystische Scheitern der realen Umsetzung dieser Modelle bedingte. Denn auch der gute Kommunist ist nur ein Mensch und der menschliche Makel ist es eben der diese Modelle zu realen Synanthien werden lässt. (Man möge mir den Euphimismus vergeben) Der Mensch verfügt nicht über Modelleigenschaften, deshalb wird eine Gesellschaft, so wundervoll sie auf dem Papier auch blühe in realitas nicht funktional sein, wenn sie der menschlichen Natur und den menschlichen Makeln zuwiderläuft. Es sind nicht die Fehlleistungen, oder der Genozid, der mir diese Modelle zuwider macht, es ist die Blauäugigkeit mit der Komitees und Parteien gegründet werden und Macht ausgeübt wird um Macht zu vernichten, es ist das Prinzip, dass ich verachte und alle die sich utopisierend daran klammern.

Selbstverständlich handelt es sich bei den Modellen, die Macht nicht negieren, in ihrer realen Ausprägung nicht apriorisch um bessere Systeme hinsichtlich ihrer Wirkung. Sie verursachten noch mehr Leid, als ihre Reaktionen, allerdings auch durch ihre ungleich längere Praxis bedingt. Sie laufen der menschlichen Natur nicht zuwider, sie sorgen aber dafür dass auschließlich die hässlichsten Züge an einem vielfarbigen Wesen zutage treten.
Es erübrigt sich für mein Empfinden, das wie zu hinterfragen, wenn das warum nicht verstanden wurde, das wie ist nur der Weg, der Ansatzpunkt konstruktiver Kritik.
Die Modifikation des Systems, das die menschliche Natur akzeptiert, gar fordert, aber in einer Weise modifiziert, dass die Macht limitiert wird. Nicht Macht an sich muss bekämpft werden, sondern zuviel Macht. Deshalb ist konstruktive Kritik für mich die einzig sinnvolle, weil sie reale Auswirkungen hat, nicht nur ideologische oder hypothetische. Ich sehe den Weg darin, das System so zu ändern, dass nach Macht gestrebt werden kann und dass sie auch erreicht werden kann, aber dass die Befugnisse der Macht eingeschränkt sind. Selbstverständlich stellt sich die Frage nach dem wie und die weit wichtigere, wird nicht Macht immer einen weg finden.
Ich denke nicht, dass die Antwort ja sein muss - sie wird es sein, daran habe ich geringe Zweifel - aber sie müsste nicht. Ich denke es macht keinen Sinn auf das wie einzugehen, weil wir uns wahrscheinlich schon auf dem Weg dorthin nicht mehr im Konsens befinden. ^^ Aber ich hoffe zumindest einigermaßen "ungefärbt" an die Sache herangegenagen zu sein. ^^

was war zuerst, Henne oder Ei


Hydrogenium, war zuerst da, die Wurzel allen Übels, nebst dir. ^^

Wenn ich eine Meinung vortragen möchte, dann trage ich dafür Sorge, dass meine Meinung gehört wird und dass sie sachlich analysiert wird. Das gewährleiste ich durch die Art des Vortrags. Wenn ich es versäume diesen Grundsatz zu befolgen, dann ist nicht Der Schuld, der meine Meinung ignoriert, sondern ich allein bin schuld. Ich persönlich bin schuld, dass meine Meinung zu einigen Themen in diesem Forum nicht sachlich analysiert wurde, weil ich sie in inakzeptabler Weise vortrug, gespickt mit verbalen Brandsätzen nämlich. Ist nun die Moderation schuld daran, dass keine sachliche Diskussion entstand, oder bin ich es, weil es mir wichtiger war zu brandschatzen, als meine Meinung zu vertreten? Die Ignoranz gegenüber der Kritik sagt nichts über deren Inhalt aus, sondern über die Art des Vortrags, das Paradebeispiel dafür ist für mein Empfinden Voltaire.

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Mi 16. Mai 2007, 16:26 - Beitrag #32

du bist die Wurzel allen Übels


ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will, und stets das Gute schafft^^

Yana, ich bin mit deiner Analyse der auf Marx und Feuerbach basierten politischen Systeme, ihrer Probleme und der Ursachen, aufgrund derer diese Probleme auftreten, völlig einverstanden. Allerdings glaube ich, daß du den Idealismus der linken Machtträger überschätzt. Natürlich gab es die Bakunins, Trotzkis usw., aber die Machtträger waren Machtmenschen genau des gleichen Kalibers wie ihre kapitalistischen Gegenüber; und waren sie es nicht von Anfang an - was ich dem jungen Lenin gerne unterstellen will, das zaristische Regime machte es auch eigentlich pazifistisch gesonnenen Menschen sehr schwer, solche zu bleiben - dann lernten sie es sehr schnell - der späte Lenin unterschied sich in seinen Aktionen gar nicht mehr so sehr von Stalin, der es ein paar Jahre später diesbezüglich zur Perfektion brachte.

Wenn das Parteivolk und die Kommittee-Mitläufer auch blauäugig gewesen sein mögen - auch da sehe ich übrigens keinen großen Unterschied zu Standard-CDU/SPD/FDPusw-Mitgliedern - die Parteispitzen waren es sicher nicht, die wurden nicht Kommunisten, weil es so schön ist, alles zu teilen, sondern weil Kommunismus eine geile Möglichkeit bot, plötzlich eine große Menge gemeinen Volks politisch-militärisch zu aktivieren; und ehe der Plebs dann merkte, daß er genau so angeschissen war wie immer, war der Käfig längst verriegelt.

Auch den Aussagen des ersten Absatzes deiner Ausführungen über kapitalistische Modelle stimme ich zu; jedoch hätte ich es gerne gesehen, wenn du noch eine Analyse der Geschichte der christlichen Kirche dazwischen geschoben hättest, ein Modell, das - auf einer genauso utopisch-idealistischen Idee wie der Kommunismus beruhend - eine gleichermaßen häßliche Ausprägung wie dieser erfuhr, historisch aber unendlich erfolgreicher war. Wieso ist ein und dieselbe - zumindest analoge - Häßlichkeit einmal erfolgreich, das andere Mal nicht?

Die einzige mir plausible Weise der Befugnisbeschränkung der Macht ist ihre Selbstbeschränkung. Dies aber wird - wenn überhaupt - nur von wenigen Mitgliedern der Machtzirkel getragen werden, dürfte in der Praxis also keine Rolle spielen. Versteh mich recht: konstrutive Kritik ist etwas wundervolles, und das ist nicht zynisch gemeint jetzt. Aber wir haben es mit der Macht, dem Streben nach Macht und den physiologischen Grundlagen dieses Strebens mit etwas zu tun, das aus sich selbst heraus kritikimmun sein kann, sich Kritikimmunität erlauben kann und sich im Normalfall als kritikimmun erweist. Daher sehe ich, wenn überhaupt, nur äußerst geringefügige Ansatzpunkte für den Hebel der konstruktiven Kritik.

Was ich sehe - und da könnte konstruktive Kritik eventuell etwas weniger ohnmächtig sein als sie es im allgemeinen ist - ist der Umstand, daß sich die Ausübungsformen von Macht wandeln, nicht menschlicher Güte folgend natürlich, aber doch Formen suchend, die "eleganter" sind, mit weniger Gewalt auskommen, diese durch verstärkte strukturelle Absicherungsmaßnahmen ersetzend. Dieser Umbau wird fortwährend betrieben, mal stärker, mal weniger stark; aber es mag sein, daß in diesen Prozess vorsichtig Impulse eingespeist werden können, die die äußeren Lebensbedingungen angenehmer machen, nicht freier, aber angenehmer - solange die Impulse das grundsätzliche Spiel von Macht und Mächtigen nicht grundsätzlich in Frage zu stellen vermögen^^



Hinsichtlich deines letzten Absatzes muss ich noch ein bißchen nachdenken^^

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Mi 16. Mai 2007, 17:03 - Beitrag #33

Hab mir in den Finger geschnitten, deshalb werde ich wohl erst morgen oder so antworten können.

Yanāpaw
Experienced Member
Experienced Member

 
Beiträge: 543
Registriert: 05.11.2006
Mi 16. Mai 2007, 19:53 - Beitrag #34

Allerdings glaube ich, daß du den Idealismus der linken Machtträger überschätzt. [...]



Ich würde das eher als sprachliche Unzulänglichkeit meinerseits sehen wollen. ^^ Mit den Vordenkern meinte ich eben gerade nicht die Machtträger sondern die tatsächlichen Gesinnungsträger. Die Machtträger machten sich einige Vorteile des realen Kommunismus und seiner Abarten (im Folgenden und für alle Zeit unter Kommunismus subsummiert ^^) zunutze, besonders schön am Beispiel Maos zu extrapolieren. Die Volksarmee bot einfach die größte Chance auf kurzfristigen und mehr oder minder erfolgreichen antijapanischen Widerstand auf militärischer Ebene, das ideologische Konzept ermöglichte eine Mehrheitspolitik im Interesse einer Minderheit - die Massenlinie - und so die Kreation eines flexiblen Feindbildes, das nach Bedarf erweitert werden konnte, hinzu kommt eine innenpolitische Stabilität und Oppositionsfreiheit, durch Schwarz-Weiß-Weltbilder und von der Masse getragenen Genozid. Meine Verachtung richtet sich nicht gegen die Machtträger, die zu ihrem eigenen Nutzen und Machterhalt handelten, sondern gegen die, die nach dem Realversagen des Kommunismus noch immer keine Gelegenheit auslassen vom gelobten roten Land zu schwärmen. Das kann ich nur als Verblendung ansehen.


auch da sehe ich übrigens keinen großen Unterschied zu Standard-CDU/SPD/FDPusw-Mitgliedern


Da stimme ich absolut zu, ich denke, dass der Unterschied ab einer gewissen hierarchischen Ebene beginnt. Unter dieser Ebene handelt jeder aus Blauäugigkeit zum Vorteil des Ganzen und dann beginnt die graduelle Verlagerung von Nutzen für alle qua Indoktrination zu Nutzen für mich (oder meine Sache) mittels ideologischer Indoktrination. Diese Grenzen verlaufen fließend und sind imo in jedem System präsent, da bildet auch unser System keine Ausnahme. Ich glaube, dass Marktwirtschaft eine logische Konsequenz der menschlichen Natur ist, die natürlich ebenso auf Ideologie basiert, wie Kommunismus, aber dem Menschsein eben eher entspricht, als auf Altruistismus basierende Modelle.

auf einer genauso utopisch-idealistischen Idee wie der Kommunismus beruhend - eine gleichermaßen häßliche Ausprägung wie dieser erfuhr, historisch aber unendlich erfolgreicher war. Wieso ist ein und dieselbe - zumindest analoge - Häßlichkeit einmal erfolgreich, das andere Mal nicht?


Für mich ist Kirche vom Dahinter näher an der Marktwirtschaft, als am Kommunismus, allerdings mit dem Davor des Altruismus, das ist das geniale daran und genau da liegt imo auch der Schlüssel für den Siegeszug der Kirche. Kirche wurde genauso aus der Not geboren, wie realer Kommunismus, aus der Not der Vereinigung und der Notwendigkeit einer Massenlinie um Stabilität zu generieren. Genau wie beim Kommunismus existiert ein flexibles und beliebig erweiterbares Feindbild, das letztlich nichts anderes als Abgrenzung der Massenline von den Anderen ist, seien es Heiden, Muselmanen, Ketzer, Häretiker, Templer usw. Durch die Adaption verschiedener Glaubenskonzepte und die Kreation eines Glaubenskonglomerats wurde eine massentaugliche Ideologie geschaffen, die eigentlich inhaltslosem Betrug (oder besser zahlreichen Fälschungen, oder Verfälschungen, Umdeutungen, Umschreibungen und Überarbeitungen) gleichkommt, aber einen Meilenstein auf dem Siegeszug der Propaganda darstellte. Innere Sicherheit, durch Homogenität, absolute autokratische Autorität durch überpositive Regentschaft, Abgrenzung durch ideologische Feindbilder, eine Genialität, wie sie selten von Menschenhand geschaffen wurde. Das beste aus allen Gesellschaftssystemen wurde zusammengeklaut und es entstand eine Autokratie mit Allmachtsanspruch und unangreifbarer Legitimation, ohne monetäre oder nationale Grenzen. Die Regentschaft ist auf die breite Basis der Masse gestützt und ähnlich wie im Kommunismus wird überhaupt keine systemfeindliche Handlungsoption angeboten, da systemfeindliches Handeln falsch ist. Im Gegensatz zum Kommunismus allerdings ist das falsch der Kirche keine Setzung, deren Legitimation in der Deutungshoheit der Führung zu suchen ist, sondern vielmehr eine überpositive Setzung einer Autorität mit unendlicher Weisheit, die über jeden Zweifel erhaben ist. Die Verknüpfung von System und Glaube ist genial, der Erfolg und die Vorteile zeigen sich an jenen Nationen, die Staat und Religion eben nicht getrennt haben. Das System ist kritikimmun, da Kritk niemals sachlich erfolgen kann, den das Buch wird so interpretiert, wie die Führung das sagt, denn Gott spricht mit der Führung und systemexterne Kritik ist a priori erfolglos, weil "contra principia negantem, disputari non potest" gilt und mit Gewalt durchgesetzt wird.
Ich habe mich noch nie wirklich zur Kirche geäußert, deshalb wirst du die Gedankenfülle(?) und Unordnung entschuldigen müssen. ^^


Ich hoffe trotzdem der Intention deiner Frage gerecht geworden zu sein.

Die einzige mir plausible Weise der Befugnisbeschränkung der Macht ist ihre Selbstbeschränkung. Dies aber wird - wenn überhaupt - nur von wenigen Mitgliedern der Machtzirkel getragen werden, dürfte in der Praxis also keine Rolle spielen.


Das sehe ich etwas illusorisch-optimistischer. Vor die Wahl gestellt alle Macht einzubüßen, oder sich selbst zurückzunehmen und einige Privilegien abzugeben hat sich die Mehrheit der Machtträger für letztere Option entschieden, da gibt es genug Anschaunungsmaterial in japanischer, britischer und restglobaler Geschichte. Natürlich stellt sich die Frage, ob die Wandlung zur konstitutionellen Monarchie ein legitimer Vergleich zur Machtrestriktion in der timokratischen Oligarchie darstellt, aber ich bin doch geneigt zu glauben, dass man mit sanfter Gewalt etws ändern könnte. Die Androhung von Gewalt und die daraus resultierende Verlustangst hat sich in zahllosen Fällen als wesentlich zweckmäßiger erwiesen, als der tatsächliche Einsatz von Gewalt. Konkret bedeutet das eine Beschränkung der Wirtschaftsmacht und das kann nur mit einer Annäherung an Demokratie geschehen, welche wiederum Gewalt nicht als politisches Instrument billigt. Ich bin gerne bereit, meine Denkansätze zu konkretisieren, wenn du dahingehend Gesprächsinteresse hast.


Aber wir haben es mit der Macht, dem Streben nach Macht und den physiologischen Grundlagen dieses Strebens mit etwas zu tun, das aus sich selbst heraus kritikimmun sein kann, sich Kritikimmunität erlauben kann und sich im Normalfall als kritikimmun erweist.


Das Paradebeispiel für Kritikimmunität ist die Kirche, sie war (und ist in abgeschwächter Form immer noch) sowohl gegen externe als auch interne Kritik immun, wobei hier extern und intern als Definitionssystembezug gemeint sind. Allerdings hat Voltaire gezeigt, wie eine Kritik gegen so ein System aussehen muss, eine andere als diese wird nicht funktionieren. Warum ist das so? Externe Kritik wird nicht ernst genommen, sie wird mit eben dieser Begründung abgelehnt, darunter fallen beispielsweise 99% der Ziele von GoL und anderen ähnlich gelagerten Gruppierungen. Es ist völlig belanglos, ob diese Gruppierungen vielleicht konkrete und realisierbare Vorschläge machen, sie werden aufgrund ihrer proklamierten Ziele nicht ernstgenommen. Das ist das typische Thomas Aquinas Procedere. Thomas sagte Mädchen entstünden durch schlechte Winde, also ist alles was Thomas sagt Schwachsinn. Fred ist ein Bauer also ist Freds Meinung belanglos. et cetera

Interne aber illegitim vorgetragene Kritik, also die Vermischung von Brandsätzen und Worten wird auch zu nichts führen, das ist das typische
Jughurta Procedere, wer einmal die Waffen gegen uns erhob, dessen Worte sind unglaubwürdig und seine Botschaft ist es nicht wert gehört zu werden. Es ist also so, dass sich Schäuble und seine Lakaien (die zwar selbst nur Pausenclowns sind aber hier als Beispiel herhalten müssen ^^) über jeden Brandsatz freuen, über jeden Backstein freuen, denn genau das ist es doch was sie brauchen um die Kritiker mundtot zu machen, deren Glaubwürdigkeit zu unterminieren und zu zerstören. Wen interessiert schon was ein paar Steineschmeißer zu sagen haben? Da wird ein Demonstrationsverbot verhängt, warum wohl? Das ist doch eine geradezu schmerzhaft offensichtliche Einladung zum Steineschmeißen.

Die einzige Form der Kritk die etwas bringt ist konstruktive Kritik, die sich an das Voltaire-Erlebnis anschließt. Unfunktionales veranschaulichendes Beispiel: Die gegenwärtige Telekom-Praxis ist unproduktiv. Es ist unerlässlich, dass die Rendite erhöht wird um Investoren anzuziehen, nicht noch mehr Marktanteile zu verlieren, den Imagewert zu vergrößern und die Rentabilität und folglich die Dividenden zu erhöhen. Folgendes Konzept wird uns dieses Resultat bringen. Auslagerung von 50.000 Arbeitsplätzen in Tochtergesellschaften, dadurch Senkung der Personalkosten, Kündigung unproduktiver Belegschaftsteile, Erhöhung der Wochenarbeitszeit und Senkung des Urlaubsanspruchs. Ergebnis: Weniger Menschen erledigen mehr Arbeit für weniger Geld in besserer Qualität. -> Voltaire-Erlebnis -> Konstruktive Kritik: Wir müssen unseren Sevice und unsere Qualität steigen um unser Image zu verbessern, den Kundenverlust zu stoppen und unsere marktpositionierung zu verbessern, und somit die Rentabilität zu erhöhen, das geht nicht durch Stellenabbau sondern Ablaufoptimierung und Schulung und bessere Unternehmensführung.


Du bist so ein Intellekt-Viech, dass du auch aus diesem mehr-schlecht-als-recht-Beispiel die gemeinte Methodik eruieren kannst. ^^



[...]ist der Umstand, daß sich die Ausübungsformen von Macht wandeln, nicht menschlicher Güte folgend natürlich, aber doch Formen suchend, die "eleganter" sind, mit weniger Gewalt auskommen, diese durch verstärkte strukturelle Absicherungsmaßnahmen ersetzend.


Genau hier sehe ich sehr große Möglichkeiten, aus dem eleganter ein ineffizienter zu machen. ^^



Ankh,

da dein Beitrag unmittelbar an meinen anschließt, nehme ich an, dass ich das du bin. Falls du Aversionen gegen schwulstige und selbstverliebte rhetorische Spielereien hast, lege ich dir ans Herz mich in deine Ignore-Liste aufzunehmen, denn viel mehr hast du von mir nicht zu erwarten, wie du schon so treffend bemerkt hast. Was du unter Wankelmütigkeit verstehst, interpretiere ich als Meinungsänderung. Diese handhabe ich in der mir als einzig legitim erscheindenden Weise. Ich bilde mir eine fundierte Meinung und trage diese vor. Wenn sich heraustellt, dass ich die Sachlage falsch interpretiert habe, nicht aus allen Perspektiven beleuchtet habe, oder mir schlichtweg nicht alle relevanten Informationen vorlagen, ändere ich meine Position nach neuerlicher Reflektion, sofern mir das notwendig erscheint.

Ankh
Active Member
Active Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 152
Registriert: 27.04.2007
Mi 16. Mai 2007, 20:09 - Beitrag #35

OT (?)

Wenn die sprachliche Redegewandheit runterreduziert wird auf die dahinter vermeintlichen Inhalte, dann werden die Forumweisheit Unzulänglichkeiten offenbar.

Du schwafelst gerne (kein Thema ansich, kenn ich).
Du bist in Deinen schwer zu nachvollziehenden Ansichten und Meinungen wankelmütig (eher ein Verbrechen).
Analyse .. (weitere Erläuterungen zweifelhaft).
Selbstgerecht, nicht arrogant, zu sehr auf Dich fixiert, blaß.

Warum? Muß das sein?

Ankh

EDIT (<-!) .. vielleicht bin ich auch zu voreillig, ungerecht .. sollte mich lieber mit Deinen bisherigem Forenleben befassen; interessiert mich ja. Bin "neu" (ein wenig noch) und nicht mit den Geplogenheiten und Eigenarten des Matrix Forums vertraut.

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Mi 16. Mai 2007, 22:28 - Beitrag #36

Ankh, deinem Posting ist leider nicht zu entnehmen, an welches "du" du dich wendest, daher ist es schwierig, darauf zu antworten, zumal sein Inhalt es nicht eben klarer macht, worum es dir geht

Maurice
Analytiker
Lebende Legende

 
Beiträge: 5166
Registriert: 14.01.2003
Do 24. Mai 2007, 00:43 - Beitrag #37

Nur am Rande...

Wie weit DARF Macht sich schützen?

Ich verstehe nicht mal die Frage. Was ist die Referenz an der man prüfen kann, was Macht darf? Das BGB? ^^

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Do 24. Mai 2007, 01:37 - Beitrag #38

Ich würde gern auch noch auf anderes Gesagtes eingehen, aber dafür fehlt mir gerade die Zeit.
Deshalb nur kurz dies:
Zitat von Maurice:Ich verstehe nicht mal die Frage. Was ist die Referenz an der man prüfen kann, was Macht darf? Das BGB? ^^

Nun, das ist nur ein Teil des Fragenkomplexes, und seine ganze Würze kommt durch die anderen Fragen im ersten Beitrag zum Ausdruck.
Klar, was Macht "darf", könnte man leicht als formalrechtlich da und da geregelt beschreiben und gut ist.
Nur ist dieses Formalrecht eben wieder Ausdruck des Willens von Macht - Macht darf damit, was sie selbst als sich erlaubbar erachtet, und sich schützen, so weit sie sich selbst für schutzbedürftig und -würdig erachtet. Eine wunderschöne Tautologie also.

Mir ging es dabei um etwas mehr, nämlich darum, wie sich zum Einen der Selbstschutz der Macht mit der Bürgergesellschaft verträgt - wie weit darf der Schutz da gehen? - und zum anderen, ob der Schutz der Macht nicht vielleicht gar nicht so sehr mit dem Schutzzweck zu tun hat, sondern eher Insignie von Macht ist.
"Wäre Macht noch Macht, würde sie noch als Macht anerkannt, wenn sie sich voll der Verantwortung für die Folgen ihres Tuns stellen würde, wenn sie sich angreifbar machen würde für jene, die Unterlegene der Macht sind?" - so könnte dieser Teil formuliert werden.

Maurice
Analytiker
Lebende Legende

 
Beiträge: 5166
Registriert: 14.01.2003
Do 24. Mai 2007, 19:50 - Beitrag #39

Meine Aussage im letzten Post war nicht ganz ernst gemeint. Ich glaube schon deine Frage zu verstehen: Es geht hier um die Frage nach den überpositiven Rechten von Moral. Wenn es nur um positive ginge, bekäme man die von dir beschriebene Tautologie. Da ich nich an überpositive Rechte glaube, kann ich bei dieser Diskussion nicht mitmachen, will ich die vorgegebene Ebene nich verlassen.
Mein Einschub hatte deshalb eigentlich nur den Zweck, darauf aufmerksam zu machen, um was es bei deiner Frage eigentlich geht, falls das nicht schon längst allen klar ist. Siehe meinen Beitrag also mehr als persönliche Fußnote, als ernstzunehmende Diskussionsbeitrag zu diesem Thread. ;)

Vorherige

Zurück zu Politik & Geschichte

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 6 Gäste