Zitat von Lykurg:Was ist dann das Verwerfliche an Jungs ursprünglicher Aussage? Mit aller gebotenen Vorsicht habt ihr dieses Vorgehen ja zugestanden...
Das Problem an Jungs Aussagen ist, daß er den Abschuss in einem Gesetz verbindlich festschreiben wollte - womit er sich klar über Art I GG hinweggesetzt hätte, und womit ein Einsatzleiter gezwungen gewesen wäre, in bestimmten, durch dieses Gesetz festgelegten Situationen den Knopf zu betätigen, unbeachtlich anderer Umstände in der konkreten Situation, wegen derer der Einsatzleiter alles mögliche andere getan hätte - oder der Einsatzleiter sich unter Verweis auf diese anderen Umstände und Zweifeln an der Verfassungskonformität des Gesetzes sich über dieses hätte hinwegsetzen müssen.
Ganz davon abgesehen, daß die Focussierung auf den Abschuss die Notwendigkeit vernachlässigt, Kapazitäten für niederrangige Maßnahmen aufzubauen. Seien das kaperfähige Einheiten, Abdrängstaffeln oder Polizeipsychologen. Gerade letztere sind ein Stiefkind der Inneren Sicherheit, intern belächelt, und für Minister nicht attraktiv, die sich gerne mit nagelneu glänzender Hightech ablichten lassen.
Jung hat dann den Übergesetzlichen Notstand bemüht und wollte auch den quasi mit dem Gesetz fixiert sehen - wo dieser doch eben gerade dadurch charakterisiert ist, daß er auf Fälle anwendbar ist, die nicht per Gesetz geregelt werden konnten, nicht von einem Gesetz abdeckbare Situationen, die dennoch auftreten und konkretes Handeln erfordern.
Dazu ist der ÜN derzeit ein theoretisches Konstrukt der Juristen.
Letztlich braucht IMHO kein Mensch eine Gesetz wie das Jungsche, denn alle Szenarien im Umfeld von Kraftwerken, Chemieanlagen, großen Menschenansammlungen usw. können mit Katastrophenabwehr- und Einsatzplänen abgedeckt werden, eine Radarüberwachung des Luftraums um solche Anlagen ist gleichermaßen möglich.
Mal davon abgesehen, daß ich ein New-York-Szenario eher für wenig wahrscheinlich halte - viel zu aufwendig in der Logistik, zu schwer, unauffällig vorzubereiten. Unsere Verwundbarkeit liegt eher wo anders, in brennenden Trafos, umstürzenden Überlandleitungen, lecken Pipelines, usw. Häfen sind auch verhältnismäßig leicht zu blockieren...
Nur muß man sich eben darüber im Klaren sein, daß man etwa mit Lösegeldzahlungen den nächsten Anschlag finanziert, vielleicht sogar, selbst wenn das Geld etwa einem Infrastrukturprogramm zugewiesen werden soll, den Aufbau eines Radiosenders, der neue Attentäter ideologisiert etc. pp. - daß man also hier möglicherweise einen Freikauf mit Blut weiterer Menschen (neuer Opfer wie Täter) bezahlt.
Für den Irak und Afghanistan mag das zutreffen, wo mittlerweile eine rein kriminell motivierte Entführungsindustrie sich etabliert hat.
Trotzdem würde ich zumindest Verhandlungen über alles zwischen freiem Abzug und Lösegeld immer für notwendig halten - Abzug und Übergabe bieten die Chance eines Zugriffs, ohne daß andere gefährdet werden, Geld kann präpariert und damit nach kurzer Zeit unbrauchbar werden usw. Ganz davon abgesehen, daß Verhandlungen Zeit gewinnen, einen Täter von seiner eigentlichen Handlung ablenken, letztlich jeder Täter irgendwann übermüdet wird und dies einem Zugriff entgegen kommt, der nicht Abschuss heißt.
Daß, ich kann es nicht oft genug wiederholen, eine gesetzliche Sonderregelung die Verfassung besser schützt als eine Sollbruchstelle.
Auf mich wirkt es eher wie, die Verfassung vor Berufung auf sie zu schützen, indem ein Gesetz sie in bestimmten Fällen außerkraft setzt.
Wenn sowas im Reiche Putins passiert wäre, hätte es mich nicht weiter verwundert.