O Gott o Gott

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Ipsissimus
Dämmerung
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Do 16. Jul 2009, 16:56 - Beitrag #1

O Gott o Gott

http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,636558,00.html

Es wirkt wie ein Rückfall ins Mittelalter: Gotteslästerern drohen in Irland künftig bis zu 25.000 Euro Strafe.


immer wenn du denkst, dümmer geht nümmer, merkst du, dümmer geht ümmer^^


/edit zwei Kommentare aus dem Spielgelforum dazu

Dünn ist das Eis auf dem die menschliche Kultur steht. Man guckt einmal kurz weg und schon brennen die Scheiterhaufen wieder.


Endlich zeigt ein Staat die Flagge! Was in vielen arabischen Ländern gang und gebe ist, dass nämlich die Beleidgung Allahs unter Strafe gestellt ist, wird auch im chriftlichen Glauben in einem Staat angewandt. Warum soll Greti und Pleti das Kreuz entweihen dürfen ohne rechtliche Konsequenzen? Es wird endlich Zeit, dass das Christentum sich wehrt. Im Irak wurden chaldäische Kirchen angezündet und Christen umgebracht. Was sagt unsere Regierung ? Nichts! Münte war in Dresden bei der Trauerfeier! Wo fordert er eine Entschuldigung der irakischen Regierung? Wo bleiben die Äußerungen des Ahamenedinedschads zu diesem Vorfall? Nein so kann es nicht weitergehen! Bravo Irland!

Lykurg
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Do 16. Jul 2009, 17:56 - Beitrag #2

Skurril, ja, und leicht bösartig Aherns 'Verfassungstreue'. Amüsant dagegen der Schreibfehler des zweiten Kommentators. Ipsissimus, du schreibst Christen so gern mit k - ob wohl das angedeutete Lang-s eine Gegenposition dazu sein soll?^^

Ipsissimus
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Do 16. Jul 2009, 18:07 - Beitrag #3

nicht nur das lang-s, wohl auch der Tenor deutet jene schon an^^

steht zu erwarten, dass so viele Gotteslästerungen wie in diesem Sommer in 1000 Jahren nicht in Irland geäußert werden^^ dass man unterdessen einige hundert kinderfickende Priester und Betreuer katholischer Kinderheime straffrei davon kommen lassen will, sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt^^

e-noon
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Do 16. Jul 2009, 22:30 - Beitrag #4

Irgendwer sollte mal ne Exklamation für "Oh Gott" erfinden...
Im Moment ist das echt die einzige Option.

janw
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Fr 17. Jul 2009, 01:58 - Beitrag #5

Das Schlimme ist, daß es dem Bericht nach auch in Deutschland Rechtsnormen gegen Gotteslästerung gibt. Ich weiß gerade nicht, auf welcher Ebene diese angesiedelt sind und wie Verstöße dagegen sanktioniert werden, aber rein prinzipiell scheint es mir in diesem Punkt ein eher gradueller Unterschied zu Irland zu sein.

Was die Ahndung der Verbrechen der Priester betrifft, sieht es hier nur wenig besser aus, auch in Deutschland haben die kirchlichen Heimträger und die öffentlichen Verwaltungen jahrelang gemauert, sich hinter behauptete Schutzinteressen ihrer Beschäftigten zurückgezogen, die systematische Gewalt als Einzelfälle und überhaupt - "ein kleiner Klapps hat noch keinem Kind geschadet" - bagatellisiert und somit jahrzehntelang die strafrechtliche Verfolgung der Taten wirksam verhindert.
Der einzige Unterschied, den ich sehe, ist, daß Irland tatsächlich noch über einen nennenswerten Anteil in einem sehr ursprünglichen Sinne gläubiger Menschen verfügt, wie in Deutschland noch in Teilen Bayerns, die wirtschaftliche Dynamik ist demgegenüber nur aufgesetzt.
D.h. in Irland steht wirklich ein bedeutendes Meinungspotential hinter der Auffassung, daß Gotteslästerung strafrechtlich zu verfolgen ist - über das Wie mag zu diskutieren sein. Für eine Demokratie sollte IMHO - ohne daß ich mir selbst das Anliegen zu eigen mache - die Frage gestellt werden dürfen, wie mit den Anliegen derartiger Meinungsgruppen verfahren werden soll.

Ipsissimus
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Fr 17. Jul 2009, 09:28 - Beitrag #6

in Deutschland ist nach § 166 StGB nicht die Gotteslästerung als solche strafbar.

„(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.“


Durch den Paragrafen ergeht die Aufforderung, konkurrierende Rechtsgüter gegeneinander abzuwägen. Geschütztes Rechtsgut ist der öffentliche Friede, nicht das Bekenntnis als solches.

Der Paragraf ist von beiden Seiten aus unter Beschuss

janw
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Fr 17. Jul 2009, 11:12 - Beitrag #7

Danke für die Recherche :-)
Damit sind wir dann doch ein Stückchen weiter, wenn auch noch nicht da, die Störung des öffentlichen Friedens an sich zu sanktionieren, egal wer da stört und womit.

Vielleicht kann man Irland als eine Art geistiges Entwicklungsland/Schwellenland ansehen, bedingt durch seine geographische und politische Randlage, auch durch seine Geschichte: Die Aufklärung hat es nicht bis dorthin verschlagen, dafür hat die jahrhundertelange Unterdrückung durch England die Menschen nur noch mehr papae ad mammam gedrückt.

Lykurg
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Fr 17. Jul 2009, 12:42 - Beitrag #8

janw, das würde ich dann doch gern ein bißchen zurechtrücken... Laut dem verlinkten Spiegel-Artikel ist auch in Irland der öffentliche Friede ein wesentliches Kriterium der Neuregelung:
Der Justizminister führt zu seiner Entlastung auch an, dass drei Bedingungen erfüllt sein müssten, bevor jemand wegen Gotteslästerung zur Rechenschaft gezogen werden könne: Es muss sich um Material handeln, das die Gefühle von Gläubigen stark verletzt. Es muss eine Störung des öffentlichen Friedens vorliegen, und es muss nachgewiesen werden, dass der Lästerer diese Störung gezielt herbeiführen wollte. Diese Hürden, insinuiert der Minister, seien so hoch, dass de facto nie jemand der Gotteslästerung angeklagt werden wird.
Außerdem scheint es sich bei um eine Verringerung des Strafmaßes zu handeln - derselbe Artikel besagt auch, bisher habe man in Irland für Gotteslästerung sieben Jahre ins Gefängnis wandern können. Da scheint mir eure Aufregung nun doch etwas überzogen zu sein, auch wenn das Gesetz eben auch in dieser Form wohl einen Anachronismus darstellt (was man allein schon daran sieht, daß es Verstöße dagegen provoziert, insgesamt also kontraproduktiv sein dürfte). - Natürlich wird man sehen müssen, wie sich die Gesetzesänderung auswirkt und ob es tatsächlich nicht zur Anwendung kommt; aber mir klingt das hier doch alles ziemlich aufgebauscht.

In Deutschland sind übrigens bis zu drei Jahre Haft vorgesehen (gefühlte Wahrnehmung also: eher schärfer sanktioniert als in Irland, bei sehr ähnlichlautender Definition), entgegen der außenpolitisch vertretenen Position Deutschlands und Irlands, die gemeinsam mit der EU gegen entsprechende UNO-Regelungen eintreten.

Ipsissimus
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Fr 17. Jul 2009, 13:20 - Beitrag #9

der springende Punkt in Irland war aber, dass die entsprechende Vorschrift aus der Verfassung 70 Jahre lang brach lag, kaum noch jemand was davon wusste und jetzt plötzlich ohne jede Not so ein Gesetz im Raum steht. Da ist es sicher erlaubt zu fragen, was da eigentlich vor sich geht, wenn gleichzeitig priesterlichen Schweinehunden Straffreiheit zukommen gelassen wird. Sieht beinahe nach ner Glaubensoffensive aus^^ Werbung: Sie stehen auf Sex mit Kindern ohne Bestrafung? Werden Sie irischer Priester.

Lykurg
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Fr 17. Jul 2009, 16:18 - Beitrag #10

Ipsissimus, nein, die Vorschrift lag nicht brach, laut Artikel gab es bereits zuvor ein geltendes Gesetz dazu.
Nachdrücklich wehrt sich Ahern gegen den Vorwurf, er habe einen neuen Straftatbestand geschaffen. Im Gegenteil, sagt er: Er habe die Hürden für die Strafverfolgung erhöht und die Strafe für Gotteslästerung reduziert. Bisher könne man für bis zu sieben Jahre ins Gefängnis wandern, künftig soll es maximal eine Geldstrafe von 25.000 Euro sein. Ursprünglich hatte Ahern 100.000 Euro vorgesehen, war dann aber im Verlauf der Debatte heruntergegangen.
Die Verfassung wird nur als Grund herangezogen, warum man den Straftatbestand nicht abschaffen dürfe. Darüber kann man natürlich geteilter Meinung sein. - Zudem verfolgt der Empörungston des Artikels eindeutig die Absicht, in dieser Richtung mißverstanden zu werden, aber die Information wird gegeben.

Ipsissimus
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Fr 17. Jul 2009, 16:42 - Beitrag #11

stimmt, ich hatte das in den falschen Hals bekommen^^ sorry

trotzdem^^ anhand der Reaktionen scheint es mir doch so, als sei da ein schlafender Hund geweckt worden. Das alte Gesetz scheint niemand wirklich gekannt zu haben, wenn sie so empört über das neue Gesetz sind, das gegenüber dem alten doch anscheinend eine wesentliche Verbesserung darstellen soll

Lykurg
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Fr 17. Jul 2009, 19:47 - Beitrag #12

So sehe ich es auch, Ipsissimus. - Kannte jemand von euch das deutsche Gesetz? Ich nicht. Es spielt auch im Alltag keine wesentliche Rolle. Ich denke, daß das in Irland ähnlich war. Trotzdem hat sich möglicherweise jemand gesagt: "Dieses Gesetz ist unzeitgemäß hart. Irgendwas muß man daran ändern." und im Ergebnis diese Änderung losgetreten, die, in den falschen Hals bekommen, bei einer Menge Leute irritierte Reaktionen auslöst.

(Vorausgesetzt natürlich, daß die im Artikel gegebene Information stimmt. Aber warum sollte sie es nicht, wenn er es doch auch ist, der sich (mehr oder weniger sinnlos) darüber ereifert?)

Traitor
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Sa 18. Jul 2009, 00:18 - Beitrag #13

Allerdings wäre noch zu beachten, dass Strafkatalogänderungen auch leicht exakt entgegengesetzte Wirkungen zeigen können - je geringer die Strafe, desto größer die Verurteilungsquote. Wenn es tatsächlich zu Prozessen käme, könnte jemand nach dem alten Gesetz freigesprochen werden, da eine Gefängnisstrafe für so einen Sachverhalt jedem für das Richteramt Qualifizierten natürlich als völlig übertrieben erscheinen muss; nach dem neuen, theoretisch milderen, Gesetz aber verurteilt werden, da ein paar tausend Euro ja quasi nur einen Tadel darstellen, das kann man einem pöbelnden Linkspopulisten doch ruhig mal aufdrücken.

blobbfish
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Sa 18. Jul 2009, 15:37 - Beitrag #14

Ich bin in der Juristik nicht allzusehr bewandelt, aber es gibt doch auch die Möglichkeit, gesetzeswidrig zu handeln, ohne eine Strafe zu erhalten (s. Abtreibung), damit hätte man sich die Kosten für die Verfassungsänderung auch sparen können.

Maglor
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Sa 18. Jul 2009, 16:59 - Beitrag #15

Klar ist, dass sich die europäischen Staaten in solchen Fragen stark unterscheiden. Irland ist da eher konservativ, ebenso wie Griechenland und Polen. Mit Deutschland nur bedingt vergleichbar mit den Niederlanden und den skandinavischen Staaten erst recht nicht.
Ein pikanter Fall ereignete sich 2005 in Griechenland. Der Österreicher Gerhard Haderer einer Jesus-Parodie, in der der Heiland als Kiffer karikiert wurde, zu sechs Monaten Haft verurteilt. Kurze Zeit später wurde das Urteil aufgehoben, war den Griechen im Nachhinein vielleicht doch peinlich.

Aber wer interessiert sich bitte heute noch für Gesetze? Schwerwiegender als alle Paragrafen wirkt heutzutage die freiwillige Selbstzensur. Ein Beispiel ist da die atheistische Buskampagne, die in Deutschland nur am Widerstand der Verkehrsunternehmer scheitert.
Zum einen ist da gut gemeinte Rücksichtnahme auf die Gefühle Dritter oder die berühmte Political Correctness... eine immer größere Rolle spielt aber die Einschüchterung durch gewaltbereite Glaubensbrüder.
Das geht zumindest klar aus dieser kleinen Chronik jüngster Häresien hervor.

Lykurg
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Sa 18. Jul 2009, 17:03 - Beitrag #16

Das Risiko sehe ich in gewissem Maße auch, Traitor - wobei eine massive Höchststrafe ja nicht zwangsläufig bedeutet, daß ein tatsächlich gefälltes Urteil sie auch ausreizen würde; und bei geringen Haftstrafen gibt es meines Erachtens auch die Alternative der Geldstrafe (wobei ich weder weiß, wie das hier noch in Irland genau gehandhabt wird). Interessant wäre aber auch, ob der Spiegel-Schreiber ein solches Risiko der indirekten Verschärfung gesehen hat, ich zweifle allerdings daran und kann im Artikel nichts dergleichen finden.

Ja, blobbfish, nur ist das juristisch gesehen wohl kein Idealzustand, sondern eher eine Notlösung; außerdem schreibt die irische Verfassung eben direkt vor, daß Gotteslästerung strafbar sein soll.

blobbfish
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Do 23. Jul 2009, 12:08 - Beitrag #17

Ob das (speziell) juristisch und/oder moralisch kein Idealzustand ist, ist sicher für dich schon debattierenswert. Aber gut, wenn die Verfassung eine Strafe verlangt, ist da natürlich nichts zu machen.

Ipsissimus
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Do 23. Jul 2009, 12:16 - Beitrag #18

aber sicher ist da was zu machen^^ ein Referendum^^

blobbfish
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Do 23. Jul 2009, 12:23 - Beitrag #19

Ich meinte die Methodik der Straffreiheit.


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