Wie gut, dass es gut für die Wirtschaft ist

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Ipsissimus
Dämmerung
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Di 19. Jul 2011, 15:11 - Beitrag #1

Wie gut, dass es gut für die Wirtschaft ist

http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,775232,00.html

[b]Es ist ein ernüchterndes Ergebnis: Deutschland ist zwar in den vergangenen zehn Jahren deutlich wettbewerbsfähiger geworden, aber der Preis für die Beschäftigten ist hoch. Laut einer Studie haben fast alle Arbeitnehmer seit dem Jahr 2000 massiv an Kaufkraft eingebüßt - teilweise bis zu 22 Prozent.[/b]

Berlin - Auf dem deutschen Arbeitsmarkt findet ein massiver Umbruch statt. Die Zahl der Arbeitslosen sinkt seit Monaten, im Juni waren 2,89 Millionen Menschen ohne Job - mehr als zwei Millionen weniger als noch 2005. Doch auf der anderen Seite steht ein Strukturwandel, der viele Verlierer hat: Die Zahl der Zeitarbeiter, Aushilfen und prekär Beschäftigten steigt seit Jahren.

Die Spaltung zeigt sich nicht nur im aktuellen Aufschwung, sondern auch bei einer Betrachtung des vergangenen Jahrzehnts: Dem Großteil der Arbeitnehmer blieb im vergangenen Jahr weniger vom Gehalt als noch 2000. Von einer höheren Kaufkraft konnten dagegen Topverdiener profitieren. Das zeigen Daten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), die der Forscher Markus Grabka am Dienstag präsentierte. Demnach verzeichnen die unteren fünf Einkommensgruppen die stärksten Einbußen. Im Durchschnitt aller Einkommensgruppen liegt das Minus zwischen 2000 und 2010 bei 2,5 Prozent, in den unteren fünf Gruppen dagegen zwischen fünf und 22 Prozent.

Padreic
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Di 19. Jul 2011, 19:12 - Beitrag #2

Wie bei allen solchen Statistiken wären natürlich die Details interessant. Ein wenig merkwürdig finde ich es schon, dass als ein Grund für die Veränderungen aufgeführt wird, dass mehr Leute von der Arbeitslosigkeit in niedrig bezahlte Beschäftigungsverhältnisse wechseln - wurden denn vorher die Arbeitslosen nicht mitgerechnet oder verdienen diese Leute weniger als ALG II? [letzteres kommt natürlich auch durchaus vor] Auch muss man bei so etwas wie Inflation immer berücksichtigen, dass man technische Geräte auf dem Stand von 2000 heute oft für ein Appel und Ei bekommt...

Davon abgesehen bestätigt aber diese Statistik meine Meinung, dass es geboten ist, dafür zu sorgen, dass das niedrige Einkommen aufgebessert werden. Die üblichen Maßnahmen Maßnahmen dazu sind Mindestlöhne und staatliche Aufbesserung von niedrigen Löhnen, vielleicht in Kombination. Wie man bei wikipedia nachlesen kann, gibt es bereits in vielen Staaten Mindestlöhne, in Deutschland in einigen Branchen. Wirtschaftstheoretisch sind sie umstritten, da es offenbar negative Auswirkungen auf die Beschäftigungszahlen geben könnte, weil manche Arbeit einfach nicht mehr gemacht oder ins Ausland verlagert würde, wenn man sie nicht mehr sehr niedrig bezahlen könnte. Bei einem nicht zu hohem Mindestlohn sind aber diese Auswirkungen als vertretbarer zu betrachten als dass manchen Leuten absolut miese Löhne gezahlt werden.

Ein Beispielmodell: man wählt einen durchschnittlichen Mindestlohn von 7,80€. Dieser sollte in irgendeiner Weise nach Region gewichtet sein, da es weder realistisch noch sinnig ist, dass man in Ostbrandenburg den gleichen Lohn zahlt wie in Frankfurt. Das könnte man bundeslandweit nach Kaufkraft oder Wirtschaftsleistung oder auch wie gewohnt nach Ost-West machen, obgleich ich das immer ein wenig seltsam gegenüber Ländern wie Thüringen und Sachsen sehe, die ja hinter dem Saarland nur wenig zurück sind. Ausnahmen für sehr junge Arbeiter oder Leute in der Probezeit mögen dazu kommen. Außerdem kann der Staat für Löhne unter 9 Euro einen gewissen Zuschuss geben, was auch motiviert, nicht in die Selbstständigkeit zu fliehen als Ausweg vor dem Mindestlohn. Als Ausgleich fände ich es durchaus angemessen, wenn auf sehr hohe Einkommen (sagen wir, ab den 250.000 Euro, wo momentan die "Reichensteuer" anfängt) auch 50% Steuern erhoben werden.

Maglor
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Mi 20. Jul 2011, 14:35 - Beitrag #3

Zitat von Padreic:Wie bei allen solchen Statistiken wären natürlich die Details interessant. Ein wenig merkwürdig finde ich es schon, dass als ein Grund für die Veränderungen aufgeführt wird, dass mehr Leute von der Arbeitslosigkeit in niedrig bezahlte Beschäftigungsverhältnisse wechseln - wurden denn vorher die Arbeitslosen nicht mitgerechnet oder verdienen diese Leute weniger als ALG II?

Aber, Padreic, ein ALG II gibt es doch erst seit 2005.
Beim Vergleich mit den Zahlen von 2000 gib es kein Hartz IV, sondern noch die alte Arbeitslosenhilfe, mit der Langzeitarbeitslose immerhin mehr als 50 % ihres früheren Gehalts bekamen, d. h. in der Regel deutlich mehr als heutige Hartz-IV-Empfänger oder Mini-Jobber.

Klar ist nur, dass die Schere zwischen Geringverdienern und Top-Verdienern immer weiter auseinanderklafft.

Was einen Kaufkraft- und Reallohnverlust anbetrifft, so traue ich den Zahlen nur bedingt und halte die Berechnung für nahezu unmöglich. Preise für bestimmte Waren und Dienstleistungen sinken, während andere steigen. Schlimmer noch: Die Ansprüche der Verbraucher ändern sich ständig.
Im Jahr 2000 waren z. B. Handys und Handy-Rechnungen noch längst nicht so verbreitet verbreitet wie heute. Ob das jetzt ein Gewinn oder Verlust an Wohlstand und Lebensqualität bedeutet, muss jeder selbst wissen. Für einzelne wird es zur Schuldenfalle.
Zweifellos steigerte die Deutschen ihren privaten Konsum in den letzten Jahren, ob nun auch im Geldwert ... Spielt das wirklich eine Rolle?
Will hier irgendwer behaupten, es haben im Jahr 2000 mehr Mallorca, Ikea oder Lametta gegeben? :crazy:
Zu den Schattenseiten des Konsums gehören natürlich auch solche Notwendigkeiten wie der Doppelverdiener-Haushalt, ein einzelner genügt nicht mehr um alle Konsum-Wünsche zu befriedigen.

Padreic
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Mi 20. Jul 2011, 19:48 - Beitrag #4

@Maglor: es gab zwar kein ALG II, da hast du vollkommen recht, aber noch nicht beruftstätige Frauen haben auch damals keine Arbeitslosenhilfe, sondern entweder Sozialhilfe oder, als Familienmitglied eines Arbeitenden, gar nichts bekommen.

Wenn dementsprechend Arbeitslose in der Statistik nicht berücksichtigt werden, entwertet sie das doch, da ja auf der anderen Seite Teilzeitkräfte berücksichtigt werden. Wenn also mehr Leute von der Arbeitlosigkeit in Teilzeit gehen würden (und seien es Familienmitglieder von Vollarbeitenden), würde das dann das durchschnittliche Gehalt drücken...


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