Wem gehört ein Galeonen-Goldschatz?

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Traitor
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Fr 3. Feb 2012, 22:30 - Beitrag #1

Wem gehört ein Galeonen-Goldschatz?

Ein äußerst spannender internationaler Rechtsstreit: eine US-Firma hat die Ladung einer spanischen Galeone gehoben, nun soll das Gold an Spanien zurückgehen - siehe den entsprechenden Spiegel-Artikel.
Zitat von Soraya Sáenz de Santamaría:Damit wurde anerkannt, dass die Münzen das Eigentum aller Spanier sind.

Hier wird also ein Goldschatz, der um 1800 aus Südamerika nach Spanien geschafft werden sollte, "allen Spaniern" zugeschlagen. Wenn man urteilt, dass ein so lange verschollener Schatz nicht an den Finder geht, sondern alte Ansprüche weitergelten, wieso dann nicht weiter zurückgehen und das Gold dem Herkunftsland bzw. dessen indigener Bevölkerung zuschlagen? In der Archäologie gibt es ja inzwischen zig Fälle, in denen im 19. Jahrhundert ausgegrabene Antiquitäten in die Ursprungsländer zurückgehen. Wäre das dann nicht auch mal eine gute Gelegenheit, Teilentschädigung für die Ausbeutung der Kolonien zu leisten? Und wenn man eben nicht mit historischen Prioritäten argumentieren will, wieso haben dann dahergelaufene "alle Spanier" größere Rechte als das Bergungsunternehmen? Der Urteilsspruch genau in der Mitte erscheint mir sehr willkürlich.

Ipsissimus
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Fr 3. Feb 2012, 23:33 - Beitrag #2

bzgl. der ursprünglichen indigenen Eigentümer wird man wohl keinen Präzedenzfall schaffen wollen; außerdem dürfte die ziemlich sichere Vermutung greifen, dass spanische Rechtsanwälte mehr Ärger machen können als irgendein Reststamm Halbnackter^^

es geht nicht um Gerechtigkeit, niemals. Es geht immer und ausschließlich um Privilegienerwerb, -verteidigung und -ausweitung. Den Rest erledigt die PR.

Lykurg
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Sa 4. Feb 2012, 00:30 - Beitrag #3

Die Entscheidung, es Spanien zuzusprechen, finde ich eher überraschend - dem liegt zwar zugrunde, daß es sich wohl um ein Kriegsschiff handelte, damit Staatseigentum, dessen Besitz nie aufgegeben wurde, aber das will mir nicht so recht einleuchten.

Angesichts der Schuldenkrise ist es aber immerhin angenehm, wobei "allen Spaniern" wirklich obskur ist; in meinen Augen eine Floskel. Die Ministerin wird selbstverständlich den Staat meinen; inwieweit das dann allen Spaniern dient, wird man sehen.

Rückgabe von Kunstschätzen wäre etwas anderes, wenn etwa das Gold noch in Form von Kultobjekten vorläge. Bei von den Spaniern bereits gemünztem oder in Barren gegossenen Edelmetallen sehe ich aber die Handhabe einer Rückgabe an die Indios als sehr gering an.

Ipsissimus
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Sa 4. Feb 2012, 01:02 - Beitrag #4

du meinst, es reicht, Kultobjekte aus Gold einzuschmelzen, dann gehen die Eigentumsrechte auf den Besitzer über? Das wird so manchen Dieb freuen^^

Lykurg
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Sa 4. Feb 2012, 01:40 - Beitrag #5

Das ist doch schon immer so gehandhabt worden* - jedenfalls bei staatlichen Akteuren? Die kann man so schlecht hängen, also muß man sie halt laufenlassen...


_____
*ich liebe dieses Argument^^

Traitor
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Sa 4. Feb 2012, 19:06 - Beitrag #6

@Ipsi: Einen Präzedenzfall zumindest für Schatzsucher vs. Schiffsalteigner hat man ja zumindest geschaffen - einer für Ursprungsland vs. Kolonialherr hätte aber sicher deutlich weitergehende Folgen, und konnte hier wohl auch schon allein wegen "wo kein Kläger" nicht geschaffen werden. Ein Reststamm Halbnackter wäre es aber nicht nur, südamerikanische Präsidenten könnten hier sehr öffentlichkeitswirksam für Teile ihrer Untertanen eintreten.

@Lykurg: Bei einem 1802er-Schiff dürfte nicht mehr davon auszugehen sein, dass ehemalige Kultobjekte einen nennenswerten Anteil des Goldes ausmachten, das dürfte überwiegend Minenausbeute gewesen sein.

Lykurg
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So 5. Feb 2012, 02:15 - Beitrag #7

Stimmt, daß das Schiff von 1802 gewesen wäre, hatte ich zuvor auch nicht präsent. Heftig, wie lange die Kolonien funktionierten und 'lieferten'. Dann ist die Rückgabe aber auch nicht analog zu Kunstschätzen zu verstehen, sondern wäre allgemein im Rahmen der Kompensation kolonialer Verhältnisse zu verstehen - darauf dürfte man aber angesichts der sehr komplexen Interessen dahinter unbegrenzt lange warten müssen.

Evo Morales wäre ja auch so ein In-Between-Fall eines Indio-Präsidenten, der allerdings unglücklicherweise durch bestimmte Forderungen und Anschluß an Venezuela sich selbst unmöglich macht.

Maglor
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So 5. Feb 2012, 12:59 - Beitrag #8

Sonderlich lange hat der spanische Kolonialismus in Südamerika allerdings nicht mehr funktioniert. Um im 19. Jahrhundert waren die südamerikanischen Staaten schon unabhängigkeitsbewegt. Wenige Jahre nach dem Untergang der Galeone waren fast alle spanischen Kolonien in Südamerika unabhängig.

Da das Schiff von englischen Fregatten versenkt wurde, sollte die Britische Krone Ansprüche auf die Beute geltend machen, immerhin hat die britische Marine die übrigen Schiffe der Flotte bereits vor 200 Jahren in fairem Wettstreit der Kanonen in Besitz genommen. :crazy:

Ursäch für die südamerikanische Unabhängigkit sowie die Auseinandersetzung zwischen Spanien und Groß-Britannien war die Einflussnahme Napoleons auf dem spanischen Festland.

Lykurg
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So 5. Feb 2012, 17:48 - Beitrag #9

Die ganze Geschichte ist aber auch kompliziert... Offenbar hatten die Entdecker kein Interesse daran, offenzulegen, welches Wrack es wirklich ist und wo es liegt. Danach kämen ein britisches oder ein spanisches Schiff infrage, Orte vor der britischen oder der spanischen Küste, wahlweise auch noch in der Nähe von Gibraltar, das ja nach internationalem Recht englisch ist, was die Spanier allerdings anders sehen. Bild Peru hatte auch Ansprüche angemeldet, aber einerseits war Peru damals spanisch, andererseits auch die Gewässer, in denen das Schiff damals sank, und anscheinend hat das ebenfalls Einfluß auf die Rechtslage (anders als die Frage, wer das Schiff versenkte^^).

Immerhin war Spanien damals zwar mit Frankreich verbündet und weitgehend abhängig, aber noch nicht französisch besetzt, sonst würden die vielleicht auch noch Ansprüche anmelden...

Ipsissimus
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So 5. Feb 2012, 20:09 - Beitrag #10

nach internationalem Seerecht ist die Sache allerdings recht einfach. Sobald der Kapitän das Schiff aufgegeben hat (= endgültig von Bord gegangen ist) gehört das Schiff samt Ladung demjenigen, der es bergen kann.

Lykurg
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So 5. Feb 2012, 21:53 - Beitrag #11

Nein, so eindeutig ist es nicht; einerseits gibt es anscheinend ein internationales Abkommen, das generell die Herkunft von Schiffen verbindlich macht, dem aber von den beteiligten Staaten nur Spanien angehört, die USA, Frankreich und GB aber nicht. Außerdem gelten für "Staatsschiffe" bzw. Kriegsschiffe (und darum handelte es sich wohl) andere Regelungen, da sie teilsouverän sind; hierin (v.a. S. 467) gibt es dazu einiges Material. Bei einigen ähnlich gearteten Schiffen scheint von manchen (US-)Gerichten ein aktives Aufgeben verlangt zu werden, was natürlich nicht erfolgt ist. Selbst innerhalb der Zwölfmeilenzone gehört ein Kriegsschiffwrack demnach dem Herkunftsland und nicht dem Küstenstaat.

Oder? (letzter Absatz)^^

janw
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So 5. Feb 2012, 23:44 - Beitrag #12

Ipsi, spitzfindig wäre dabei aber ein Unterschied zu machen, wenn der Kapitän mit Schiff und Maus versunken ist^^

Ich finde es ein wenig merkwürdig, daß das Gericht offenbar nicht versucht hat, die Firma zur Mitteilung des Fundortes und von Hinweisen auf die Identität des Schiffes zu zwingen, oder ist dies vielleicht nicht öffentlich erfolgt?

Davon abgesehen, daß ich mir eine Teilhabe der Herkunftsländer der Funde wünschen würde, finde ich das Urteil nicht ganz schlecht: Somit werden die Funde öffentlich und geraten nicht in die Hände gewerblicher "Leichenfledderer", die sich ohne Klärung archäologischer Zusammenhänge nur an den Wertgegenständen bereichern.

Traitor
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Sa 8. Dez 2012, 19:09 - Beitrag #13

Inzwischen sind die Münzen wohl in Spanien angekommen und werden in der Provinz ausgestellt. Ein Verkauf zugunsten des Staatshaushalts "wird ausgeschlossen". Ob das tatsächlich die Variante ist, die "allen Spaniern" am meisten nützt, ist meines Erachtens fraglich - gerade, da es sich nicht um besondere Gegenstände, sondern einfach nur viele Münzen handelt, wäre es vielleicht vernünftiger, nur einen Teil an Museen zu verteilen und den Rest zu verscherbeln. Andererseits würde sich dann die US-Bergungsfirma vermutlich relativ zu Recht beschweren, warum ihre niederen kommerziellen Interessen weniger zählen als die niederen kommerziellen Interessen des spanischen Staats...

Zitat von janw:Davon abgesehen, daß ich mir eine Teilhabe der Herkunftsländer der Funde wünschen würde, finde ich das Urteil nicht ganz schlecht: Somit werden die Funde öffentlich und geraten nicht in die Hände gewerblicher "Leichenfledderer", die sich ohne Klärung archäologischer Zusammenhänge nur an den Wertgegenständen bereichern.
Das ist in der Tat der positive Aspekt der Geschichte.

Padreic
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So 9. Dez 2012, 13:36 - Beitrag #14

Du musst natürlich auch sehen, dass 380 Millionen nicht sonderlich viel sind, wenn man erstmal anfängt, Museumsstücke zu verscherbeln. Ein paar ausgewählte Stücke aus dem Prado und man dürfte das leicht übertreffen...

Traitor
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So 9. Dez 2012, 13:55 - Beitrag #15

Klar, keine berauschende Summe. Aber die Stücke aus dem Prado wären alle individuelle Verluste für die Öffentlichkeit, während die reine Menge der behaltenen Goldmünzen keinen nennenswerten wissenschaftlichen oder künstlerischen Unterschied macht.


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