Wir waren (demnächst) Papst!

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Ipsissimus
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Di 12. Feb 2013, 12:40 - Beitrag #21


Padreic
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Di 12. Feb 2013, 16:15 - Beitrag #22

@Traitor: Genaues weiß ich hier nicht, aber Benedikt hat zumindest einen Schritt unternommen, wie hier nachzulesen ist.

@Lykurg: Natürlich kann man sich ein Urteil bilden. So ferner man jedoch dem Bezirk eines Herrschers (oder auch ein anderen Person) ist, desto schwieriger mag es sein, sich ein angemessenes Urteil zu bilden. Viele Leute fällen, wie ich finde, hier etwas hochnäsig und unbedacht Urteile. Ich denke, man kann den Papst nur angemessen beurteilen, wenn man zumindest methodisch annimmt, dass die katholische Kirche mitsamt ihrer theologischen Untermauerung eine Existenzberechtigung hat - und vor diesem Hintergrund und der 2000jährigen katholischen Tradition mag man andere Urteile fällen als wenn man an Benedikt die selben Maßstäbe wie an einen üblichen Politiker anlegt (die aber häufig auch ungerecht beurteilt werden).

Zur Piusbruderschaft: Die Aufhebung der Exkommunikation der Bischöfe der Piusbruderschaft halte ich für einen sehr verständlichen, im Prinzip sogar einen richtigen Schritt. Sie wurden exkommuniziert, weil sie das Primat des Papstes anerkannt haben; dann haben sie es später anerkannt und die Exkommunikation wurde rückgängig gemacht. Schon allein aus christlicher Barmherzigkeit konnte man so etwas kaum ablehnen (man muss dabei ja bedenken, wie schwerwiegend eine Exkommunikation für einen echten Katholiken sein mag!). Auch ging es um die Wiedereingliederung von rund einer Million Gläubigen in die Kirche.
Wo dieser Schritt zum Fehler wurde, war, als er auch Williamson mit wiedereingegliedet hat. Der Papst hat später das auch als Fehler eingerräumt und zumindest gesagt, dass er unzureichend über dessen Äußerungen informiert war.
Was an diesem Fehler schwerwiegend gewesen sein mag, war seine politische Wirkung. Aber hier seh ich den Fehler mindestens genauso bei denen, die die Sache so aufgebauscht haben... Soll man bei einer Frage über Exkommunikation oder nicht vor allem auf die politische Wirkung schauen?

Das Thema Ökumene mit den Protestanten ist ohnehin ein schwieriges, wenn keiner von beiden seinen Glauben dabei verkürzen will. Etwas mehr Anstrengung bei den Aspekten, wo mehr möglich ist, wäre natürlich vielleicht trotzdem schön. Mit den Orthodoxen beispielsweise sind aber naturgemäß sehr viel mehr Berührungspunkte.

Ipsissimus
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Di 12. Feb 2013, 16:49 - Beitrag #23

Ich denke, man kann den Papst nur angemessen beurteilen, wenn man zumindest methodisch annimmt, dass die katholische Kirche mitsamt ihrer theologischen Untermauerung eine Existenzberechtigung hat - und vor diesem Hintergrund und der 2000jährigen katholischen Tradition mag man andere Urteile fällen als wenn man an Benedikt die selben Maßstäbe wie an einen üblichen Politiker anlegt
Nun, zumindest existiert die katholische Kirche, was vielleicht einen Sachverhalt widergibt, während die Frage ihrer Existenzberichtigung eben eine Frage ist. Genauso wie die Frage, ob sie durch ihre reale Existenz nicht ihre Existenzberechtigung verspielt hat, welch Frage sich aber nicht stellt, da sie ja existiert.

Methodisch fände ich es angemessen, wenn die Frage ihrer Existenzberechtigung anhand der Phänomene diskutiert wird, die der katholischen Kirche eigen sind. Dabei empfände ich es als unlauter, diese Phänomene unter der Perspektive der Innensicht der Kirche, also des Dogmas und der aktuellen Kriterien katholischer Kirchenpolitik, zu bewerten - das wäre keine Bewertung, sondern eine Apologetik. Natürlich wird das ein gläubiger Anhänger oder Unterstützer der katholischen Kirche deutlich "differenzierter" sehen und unter anderem auf vorrangige Perspektiven verweisen, die selbstverständlich die der Kirche eigenen sind. Da ich kein Anhänger der katholischen Kirche bin, sind diese Perspektiven für mich wiederum gegenstandslos. Und daher ist jeglicher Papst inklusive des noch aktuellen aus meiner Sicht ... nun, Teil und Oberhaupt einer menschenfeindlichen Maschinerie, gleichgültig, was mir die reine theologische Lehre zu sagen zu haben glaubt.

Solche Geschichten wie die mit der Piusbruderschaft runden das Bild eigentlich nur symptomatisch ab. Da ist im Grunde nichts dran zu rechtfertigen, wenn es denn nicht gerechtfertigt werden muss, um den Leuten die Einsicht zu ersparen, dass sie willfähriger Teil einer Organisation sind, in der es besser ist, ein Faschist zu sein als ein Kirchenkritiker.

Lykurg
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Di 12. Feb 2013, 23:23 - Beitrag #24

Padreic, da scheinen wir unterschiedliche Begriffe von "Angemessenheit" zu haben. Schließlich meine ich, daß zu einem fundierten Urteil auch eine gewisse Distanz gehört, und gerade diese würde ich bei manch einem Anhänger nicht vermuten. Für eine "angemessene" Bewertung Angela Merkels würdest du dich doch auch nicht nur innerhalb der CDU umhören wollen? (Das ist noch ein harmloses Beispiel.) Und falls dein "hier" sich auf die Matrix bezieht, bin ich doch reichlich verwundert, ich kann hier weder unbedachte noch hochnäsige Urteile erkennen, und würde dich um eine Erläuterung bitten.

Die Wiederaufnahme der Piusbrüder unter klaren Bedingungen anzubieten, war ein notwendiger Schritt. Ob diese Bedingungen aber auch erfüllt wurden, ist strittig; seitens Bischof Williams wurden sie eindeutig nicht erfüllt, und das Signal, darüber hinwegzusehen, war fatal sowohl für die Westökumene, die Benedikt offensichtlich weniger wichtig war, als auch für die Beziehung zum Judentum (dito). Das ist noch keine Frage der politischen Wirkung, sondern der religiösen Positionierung. Benedikt hat sich an dieser Stelle eben nicht als Integrator gezeigt, sondern als Hardliner einer auch innerhalb seiner Kirche umstrittenen Position, hat Modernisierungsbestrebungen seit dem 2. Vatikanischen Konzil an den Rand gedrängt bzw. zurückgedreht, die in den Augen vieler dringend notwendig waren. Die Massen von Kirchenaustritten im Westen auch infolge seiner Reformverweigerung zeigen, daß diese Wiederaufnahmen sehr teuer erkauft wurden.

e-noon
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Di 12. Feb 2013, 23:48 - Beitrag #25

Die Massenaustritte sind vermutlich nicht (nur/hauptsächlich) auf den Papst zurückzuführen, denke ich. Relevanter dafür waren sicher die zahlreichen Fälle von Kindesmissbrauch und das Coming-of-Age einer Generation, die nicht mal mehr aus Traditionsbewahrung in der Kirche bleiben möchte, wenn die Steuern zu hoch sind (im Freundeskreis erlebt) oder der Glaube seit Jahren weg ist (im Freundeskreis erlebt).

Lykurg
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Mi 13. Feb 2013, 00:13 - Beitrag #26

Das ist mir auch bewußt - die letzten beiden Gründe gibt es natürlich schon seit Jahrzehnten, und da kann man höchstens von sich verstärkenden oder abschwächenden Trends sprechen. Der Kirche laufen die jungen Mitglieder davon, und offenbar greifen die bestehenden Rezepte nicht, sie wieder einzufangen. Ob die Preisgabe der jahrzehntelang diskutierten Reformen des 2. Vatikanums die Lage verbessert, läßt sich sicher auch nur angemessen beurteilen, wenn man mindestens die Bischofsweihe erlangt hat.^^

Und ja, natürlich waren die Mißbrauchsskandale letzter konkreter Anlaß für Massenaustritte. Allerdings hat sich auch dort das Verhalten dieses Papstes nicht über jeden Zweifel erhaben gezeigt. Es ist eben nicht der Eindruck entstanden, daß alles menschenmögliche getan wird, um derartiges von nun an zu verhindern, die Vorfälle aufzuklären, die Beteiligten ihrer Ämter zu entheben und das System von Unterdrückung und Verschweigen zu beenden. Ich habe das Thema hier zuvor nicht noch einmal angeschnitten, weil ich meine Zweifel habe, daß irgendein anderer Papst es besser gemacht hätte, so tief verwurzelt scheint diese Praxis zu sein, und so zwingend aus der komplizierten, für viele nicht zu bewältigenden Verantwortung der Priesterschaft heraus sich ergebend. Nur ist das dann tatsächlich das Aufgabengebiet der Katholiken, auf ihre Weise damit umzugehen und die ihnen gemäßen Antworten zu finden (und sei es der Austritt).

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Mi 13. Feb 2013, 00:33 - Beitrag #27

Zur Versorgung des - ja wie heisst er denn dann - Altpapstes bzw. Kardinals Ratzinger sei auch auf die Landwirtschaft des Vatikans in Castell Gandolfo hingewiesen. Die nicht-alkoholische Getränkeversorgung, ein offenenes geheimnis wird wohl auch weiter gesichert sein, da die katholischen Ordensschwestern gehörende und von diesen geführten Adelholzener Alpenquellen regelmäßig eine Palette gen Rom schicken.

Es muß übrigens lustig bisgrotesk gewesen sein, was zwischen deutschen und italienischen Behörden um den 85. Geburtstag von Papst benedikt XVI. abging, als eine große Menge der bayerischen Gebirgsschützen (in Uniform mit Gewehren zum Saluschießen) an-/einreisen wollte...

Padreic
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Mi 13. Feb 2013, 01:28 - Beitrag #28

@Ipsissimus: Ich habe mich tatsächlich verkürzt ausgedrückt. Zu einer vollständigen Beurteilung des Papstes gehört natürlich auch diejenige der Grundlagen seines Amtes - genauso wie es unterschiedliche Aussagen sind, ob jemand ein gutes Mitglied des nationalsozialistischen Regimes war oder ob er Gutes geleistet hat - genauso wie aus der Perspektive eines Fundamentalanarchismus geradezu jeden Politiker zwangsläufig als schlecht betrachten muss.
Ich halte es aber methodisch durchaus für sinnvoll methodisch die Beurteilung des Papstes und die prinzipielle Beurteilung der katholischen Kirche zu trennen. Der Papst würde vermutlich auch selbst zugeben, dass, wenn es beispielsweise keinen Gott und keinen Christus gibt/gab (vorausgesetzt der Papst würde sich auf diese Annahme auch nur methodologisch einlassen), sein ganzes Treiben ganz schön sinnlos ist.

@Lykurg: Teilweise habe ich deinen Einwand schon im am Ipsissimus adressierten Teil adressiert. Wie du ganz richtig ausführst, ist es durchaus nicht ungewöhnlich, in der Kirche zu sein und trotzdem dem Papst kritisch gegenüber zu stehen; methodisch sich in die Kirche hineinzuversetzen und gleichzeitig Distanz zum Papst zu wahren ist also durchaus möglich. -- "hier" bezog sich nicht auf die Matrix, die Formulierung war etwas unglücklich.

Bezüglich der Piusbruderschaft: Wie wichtig Benedikt der Dialog mit dem Judentum ist, hat er immer wieder deutlich gemacht. Dass Benedikts Verhalten bzgl. der Piusbruderschaft ungeschickt war, dürfte unbestritten sein. Dass es eine Prioritätensetzung gegen einen (ernsthaften) Dialog mit dem Judentum ist, würde ich aber bezweifeln.

Mir geht es auch gar nicht um eine unkritische Haltung: Benedikt hat immer wieder Ungeschicklichkeit und mangelndes Durchgreifen demonstrieren. Ich bin mit einigen seiner Ansichten selbst bei methodologisch angenommener katholischer Perspektive nicht einverstanden. Trotzdem halte ich ihn keineswegs (primär) bösartig und auch im historischen Vergleich für keinen besonders schlechte Papst, so weit ich das beurteilen kann.

Traitor
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Mi 13. Feb 2013, 11:46 - Beitrag #29

@Padreic: Natürlich kann man sich auch fragen, wie ein Theologe überhaupt qualifiziert sein soll, eine Bank zu reformieren, und somist, ob man es von ihm verlangen kann. Ein wichtiger Grund der negativen Rezeption dürfte sicher sein, dass man von ihm erwartete, mehr Politiker zu sein, als er wollte und konnte.

Wie Lykurg sehe ich das mit dem qualifizierten Urteil nur von innen sehr skeptisch - sicher hat man von innen Zugang zu anderen Bewertungskriterien, aber es müssen nicht bessere sein. Was Ratzinger für die Glaubensgemeinschaft und die Theologie getan hat, kann ich nicht beurteilen. Aber das war eben nur in seinem Voramt seine wichtigste Aufgabe. Als Papst Benedikt war die Außenwirkung und moralisch-politische Einflussnahme auf weltliche Angelegenheiten mindestens so wichtig, und die kann von außen eher besser beurteilt werden.
Wie ich schon 2005 schrieb:
wie ich mir die Kirche wünsche: ohne großen Einfluss auf Politik und Gesellschaft, aber für eine kleinere Gruppe strenger Gläubiger mit den "richtigen" Inhalten und innerer Glaubwürdigkeit.
In einer solchen Kirche würde ich die Bewertung eines Papstes freudig allein den Katholiken überlassen. In der derzeitigen aber nicht.

@Ipsissimus: Soviel von mir auch zur Existenzberechtigung.

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So 17. Feb 2013, 17:50 - Beitrag #30

Wie so häufig, dringt nach und nach mehr an die Öffentlichkeit, was nun in anderem Lichte erscheint bzw. was, wenn es denn stimmt, zeigt, dass es keine Kurzschlußreaktion war.

Wie den Seiten des Erzbistums Köln zu entnehmen, wurde Kardinal Meisner bei einer Terminanfrage auf aus heutiger Sicht auffällige Weise vertröstet:
Die Nachricht vom bevorstehenden Rücktritt unseres Heiligen Vaters hat auch mich überrascht und tief berührt. Sie erfüllt mich mit großem Respekt und mit großer Dankbarkeit, aber auch mit Traurigkeit. Noch vor vier Wochen hatte ich schriftlich angefragt, ob er sich vorstellen könnte, den Abschlussgottesdienst zum Eucharistischen Kongress bei uns in Köln zu feiern. Er ließ mir antworten: Warte noch vier Wochen. Ich ahnte nichts. Die Wartezeit war vergangene Woche um, ich fragte bei seinem Sekretär nach, und es hieß: Warte noch eine Woche. Der heutige Tag brachte die Antwort.


Im aktuellen Focus äußert sich sein Biograf wie folgt:
Papst Benedikt XVI. hat seine Erschöpfung und die schwindende Kraft nach Angaben seines Biografen bereits vor längerer Zeit eingeräumt. Für ein neues Buch über den Papst habe der Journalist Peter Seewald das Kirchenoberhaupt in den vergangenen Monaten mehrere Male im Vatikan getroffen, zuletzt vor etwa zehn Wochen. Seewald berichtet in FOCUS exklusiv über mehrere Gespräche mit dem Heiligen Vater.

Auf die Frage, was noch von seinem Pontifikat zu erwarten sei, habe der Papst im Sommer geantwortet: „Von mir? Nicht mehr viel. Ich bin doch ein alter Mann, die Kraft hört auf. Ich denke, das reicht auch, was ich gemacht habe.“
Die „Vatileaks“-Affäre war offenbar nicht der Anlass für den Rücktritt von Papst Benedikt XVI. Der Verrat seines Kammerdieners war für den Pontifex zwar enttäuschend, habe ihn aber nicht aus der Bahn geworfen. Er spüre weder Weltschmerz noch Verzweiflung.

Unverständnis auf Geheimnisverrat von Kammerdiener

Der Verrat habe den Papst weder aus der Bahn geworfen, noch amtsmüde gemacht, schreibt sein Biograf Peter Seewald. Das habe der Pontifex Seewald im August bei einem eineinhalbstündigen Gespräch in der Sommerresidenz in Castel Gandolfo erklärt. Dabei sagte er: Es wäre „nicht so, dass ich irgendwie in eine Art Verzweiflung oder Weltschmerz verfallen würde. Es ist mir einfach unverständlich.“

„Auch wenn ich die Person ansehe, kann ich nicht verstehen, was man sich davon versprechen kann. Ich kann in diese Psychologie nicht eindringen“, sagte Benedikt XVI. über den Verrat

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