Putin, Schöneborn und die NGOs

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Scuba
Advanced Member
Advanced Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 322
Registriert: 07.09.2004
Sa 6. Apr 2013, 18:39 - Beitrag #1

Einfach nur köstlich:

Putin führt den Erfinder der "Demokratieabgabe vor":

http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2013/04/06/putin-fuehrt-wdr-mann-schoenenborn-vor-wie-heissen-sie/

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Sa 6. Apr 2013, 21:36 - Beitrag #2

Tatsächlich sehr amüsant, paßt gut zu dem Bild, das ich von Schönenborn habe.^^ Und daß sich Interviewende oft überhaupt nicht auf ihr Gegenüber einstellen und lieber eine reine Selbstbespiegelung betreiben wollen, war ja unlängst etwa im Fall Riemann exemplarisch zu bewundern. Schön, daß er da mal so an die Wand gefahren ist. Schade allerdings, daß es durch Putin geschah, dem schärfer gestellte Fragen und informiertere Interviewpartner zu wünschen wären.

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Sa 6. Apr 2013, 22:05 - Beitrag #3

Das Dumme ist nur, daß die Dinge über ausländische Finanzierung politischer Organisationen, die Putin da zur Kenntnis gegeben hat, auch sonst in den Medien nicht bekannt zu sein scheinen, kollektives Versagen, wenn man nicht didaktische Reduktion unterstellen will^^

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Sa 6. Apr 2013, 22:17 - Beitrag #4

Ich würde vermuten, daß in den russischen Medien bzw. in Presseerklärungen im Zusammenhang mit dieser Offenlegungsrichtlinie schon die Rede davon sein wird. Und wer einen russischen Staatspräsidenten zum Interview bekommt, der sollte seine Redaktion schon dazu beauftragen, dem Thema jeder Frage gründlich nachzugehen. Rußlandkenner wären dabei nicht unnütz, ganz zu schweigen davon, daß auch der Interviewende wissen sollte, wie sein Gegenüber so reagiert. Einen Ulrich Heyden oder Manfred Quiring z.B. kennt Putin wahrscheinlich auch beim Namen. ;-)

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
So 7. Apr 2013, 00:36 - Beitrag #5

Nun, von der analogen Abfragepraxis ausländischer Organisationen in usa war aber bisher weder im ZDF, dem dlf, der Welt, der FAZ, der Zeit, oder oder die Rede, die hätten das alle wissen können. Oder haben die kollektiv didaktisch reduziert?
Schönenborn könnte also ein Symptom sein, eines verbreiteten Zustandes der politischen Journaille.
Mit absolut miserablen Konsequenzen.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
So 7. Apr 2013, 11:08 - Beitrag #6

Putin bezieht sich auf FARA. Mir scheint, die Analogie paßt nicht ganz, da nach Wikipedia-Anschein die FARA-Kontrollen kaum noch wirksam sind und weniger umfassend sein werden als die eingeführten russischen Maßnahmen - allerdings kann ich mir schon vorstellen, daß die USA gegenüber russischen Auslandsorganisationen dann doch besondere Skepsis - vulgo: genauere Kontrollen - zeigen, und entsprechendes dann auch die Russen tun. In den deutschen Mainstreammedien findet sich nichts dazu, wohl aber im siebten Kommentar zu diesem Zeit-Artikel. (Und eine weitere, linke Perspektive hier.) Ich vermute, daß das Argument in russischen Medien verbreiteter ist, kann das leider nicht nachprüfen, frage mich aber eben, ob die Redaktion diesen Schritt gegangen ist.
Siehe auch S. 5 hiervon über angebrachte Skepsis gegenüber NGOs...

Traitor
Administrator
Administrator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 17500
Registriert: 26.05.2001
So 7. Apr 2013, 11:18 - Beitrag #7

Dank doch merklicher Zeitlücke habe ich das aus "Putins Zukunft" abgetrennt. (Und wir sind uns wohl auch einig, dass dieses Interview keine ernsthafte Bedrohung für seine Zukunft darstellt. ;))

Tja, nicht gerade ein Glanzstück journalistischer Arbeit.

Aus einem stilistischen Punktsieg für Putin auf inhaltliche Korrektheit seiner Argumente zu schließen, halte ich aber für zu einfach. Die Frage ist, was gilt in den jeweiligen Ländern als "politische Organisation"? Die Kritik an Russlands neuer Regelung gilt ja primär dem (zumindest wahrgenommenem) Aspekt, dass auch mehr oder weniger apolitische NGOs den Regeln unterliegen sollen, nur, weil sie ausländisch an sich sind.
Die Formulierungen an sich sind aber tatsächlich sehr ähnlich zu den amerikanischen - wie Lykurg sagt, ist die spannende Frage dann, wie sie umgesetzt werden. Wiederum in Russland ist es ja nicht die reine Rechenschaftspflicht, gegen die opponiert wird, sondern die Furcht, dass diese zu repressiven Maßnahmen missbraucht wird. Zugegebenermaßen also erstmal eine Debatte im luftleeren Raum. Aber ein völlig angebracher Vorabaufschrei, der im besten Fall gerade dazu führt, dass eine solche Überdehnung der Regelung nicht stattfindet.

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
So 7. Apr 2013, 11:40 - Beitrag #8

Als Putin von der amerikanischen Regelung sprach und sagte, daß sie von etwa 1950 stamme, kam mir gleich McCarthy in den Sinn. Das hätte eigentlich eine Steilvorkage für Schönenborn sein können - "Herr Putin, und Sie eifern jetzt dem unseligen Mc Carthy nach, setzen Paranoia anstelle von Vertrauen in Meinungsvielfalt?"
Hätte...

Zu dem deutsche-bank-Link: die Vorbehalte sind durchsichtig und lassen sich zumindest teilweise relativieren:
Zum einen ist die deutsche Bank mit ihren unzähligen Verflechtungen selbst wie eine NGO einzustufen, mit allerdings nicht gemeinwohlorientierter Ausrichtung, dafür durch finanzielle Potenz einflussreich - und keiner öffentlichen Rechenschaft schuldig.
Die Unabhängigkeit von NGOs bleibt dadurch gewahrt, daß staatliche Zuwendungen nur für Personal- oder Sachmittel eingesetzt werden, aber eben nicht mit der inhaltlichen Tätigkeit verbunden sind.
Da legen z.B. medecins sans frontieres und AI größten Wert drauf, letztere behandelt von der jeweiligen Landessektion aus nur Vorgänge im jeweiligen Ausland.

Scuba
Advanced Member
Advanced Member

Benutzeravatar
 
Beiträge: 322
Registriert: 07.09.2004
Mo 8. Apr 2013, 21:56 - Beitrag #9

Ich denke auch dass das eine gezielte Retourkutsche von Putin wegen "Pussy Riot" war, das ja wohl auch nicht so ganz so "spontan westlich kulturell" ablief, wie es unsere Qualitätsmedien dargestellt haben:

http://www.shortnews.de/id/979264/wird-pussy-riot-von-der-cia-unterstuetzt

http://www.ceiberweiber.at/index.php?type=review&area=1&p=articles&id=2479

Kein Wunder, dss Putin einen "Brass" auf die NGO's - und die "Demokratiebeförderer" in den Medien hat.

Ich denke, wenn "der arabische Frühling" in Syrien schief gehen wird (und das wird er, genauso wie sonst wo), werden wir wieder solche Interviews "geniessen" dürfen...


Grüße

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Di 9. Apr 2013, 12:48 - Beitrag #10

"Solche" "Interviews" "dürfen" "wir" "ständig" "genießen", allerdings fällt schlechte Vorbereitung meist weniger auf. Das liegt einfach daran, daß Politiker und Journalisten gern symbiotisch handeln - stell keine zu scharfen Fragen und frag nicht nochmal nach, sonst bekommst du keine Interviews mehr. Verhalte dich nach Plan, und du bekommst die Show, die der eine gut verkaufen kann, und die den anderen gut verkauft. Sehr wahrscheinlich, daß die Einschätzung, was eine zu scharfe Frage ist, in Rußland noch ein bißchen anders gesehen würde - ein weiteres ARD-Interview mit Putin, insbesondere für Schönenborn, ist wohl erstmal ausgeschlossen, auch wenn Putin dank besserer Vorbereitung einen Sieg nach Punkten einfuhr.

An der CIA-Verbindung von Pussy Riot habe ich massive Zweifel, ich glaube, sowas bescheuertes fiele nichtmal denen ein.^^

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Di 9. Apr 2013, 12:54 - Beitrag #11

... auch wenn Putin dank besserer Vorbereitung einen Sieg nach Punkten einfuhr.
In welcher Hinsicht Putin auch immer zweifelhaft sein mag, an seiner Intelligenz und politisch-strategischen Kompetenz hege ich keinerlei Zweifel. Blinde Flecke, die um die Ohren gehauen werden können, gibt es zur Genüge, und auf allen Seiten.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Di 9. Apr 2013, 13:40 - Beitrag #12

Ähm, ja, daran wollte ich keinen Zweifel äußern. Putin ist hochintelligent, und ohne jeden Zweifel sehr viel fähiger als sein Gegenüber. Darüber hinaus dürfte er aber auch relativ genau wissen, was er für Fragen im Westen zu erwarten hatte, und sich seine Antworten zurechtgelegt haben. Schönenborn war aber nicht in der Lage, nachzuhaken; ich behaupte auch keinesfalls, daß etwa ich es auch nur ansatzweise gewesen wäre. Das erfordert erhebliche Spezialkenntnisse und Übung, die im ARD-Wahlstudio beim Verschlingen von Tortendiagrammen und beim Zerpieksen von Spitzenkandidatenseifenblasen nicht wächst.


Zurück zu Politik & Geschichte

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 5 Gäste