Merkels Amnesie

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janw
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Do 16. Mai 2013, 11:23 - Beitrag #1

Merkels Amnesie

Vor einigen Tagen ist bekannt geworden, daß Angela Merkel in der DDR während ihrer Zeit an der Akademie der Wissenschaften währed der 80er Jahre offenbar als Sekretärin für Agitation und Propaganda im FDJ gearbeitet hat.

Merkel behauptet, sich nicht mehr genau erinnern zu können.

Wie seht Ihr das? Glaubhaft? Vorgeschoben, um nichts erklären zu müssen?

Ipsissimus
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Do 16. Mai 2013, 11:34 - Beitrag #2

nach allem, was den bisherigen Medienberichten zu entnehmen ist, durchlief sie eine typische DDR-Karriere ohne besondere Profilierung im Sinne der SED oder anderer Blockparteien. Gewisse Mitgliedschaften waren unumgänglich, wenn man nicht in der LPG oder Baukolonne arbeiten wollte; darüber hinaus sind eigentlich keine Aktivitäten belegt, jedenfalls nicht, wenn dem Bericht des DLF von heute morgen getraut werden kann.

Was ihre Erinnerungsfähigkeit angeht, ich überlege gerade, woran ich mich noch aus den 80ern erinnern kann. Da sind ein paar Großereignisse, aber ob und wann ich wen agitiert habe, ist mir auch nicht mehr erinnerlich^^ mutmaßlich bin ich also ein IM^^

Ich bin ja immer bereit, gegen Politiker zu polemisieren, aber gewisse Fakten sollten dafür schon erfüllt sein, und das scheint mir in diesem Fall bisher nicht ersichtlich.

janw
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Fr 17. Mai 2013, 13:11 - Beitrag #3

In Merkels Fall sehe ich es auch so, es gibt sogar Hinweise, aus denen sich eine Distanz zum System und zur Ideologie ableiten lässt. So hat sie wikipedia zufolge ihrer Dissertation die erforderliche Arbeit zum Marxismus-Lenininsmus erst nachträglich beigefügt und diese auch nur mit rite bestanden. Das spricht nicht für ideologischen Glaubens- und Arbeitseifer.

Was mich allerdings stört, ist die Behauptung, nicht mehr genügend zu erinnern.
Es geht gewiss nicht darum, zu erinnern, wann man wen getroffen und wem was berichtet hat - das kann ich für die 80er Jahre auch nicht mehr. Aber die Frage, wie mit dem System umgehen, wo dies eine problematische, mit Folgen verbundene Frage war, das muss damals in der DDR eine Rolle gespielt haben und sollte in irgendeiner Weise erinnerlich sein.

Natürlich hat sie anderes zu tun, und eine Befassung mit der Frage würde im medialen Alltag Wellen schlagen, aber - scharf gefragt - warum lässt man das nicht auch nicht einem Gysi gegenüber gelten?

Ipsissimus
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Fr 17. Mai 2013, 15:55 - Beitrag #4

Sie wird sich schon irgendwie erinnern, genau wie wir uns alle irgendwie an weit zurückliegende Zeiten zurück erinnern. Die Frage ist, wie spezifisch diese Erinnerung noch ist. Ich kann mich allgemein erinnern, dass wir "kritisch" über irgendwelche Sachverhalte diskutiert haben; aber was dabei genau gesagt wurde, und wie damals meine Position in diesen Diskussionen genau ausgesehen hat - sorry, keine Ahnung mehr.

Ich sehe das bei Gysi genau so. Es wird immer wieder mal "Enthüllungen" geben, aber das ist nur, weil auch Journalisten das Rad immer wieder gern neu erfinden. Erspart die Investigation beim investigativen Journalismus.

Padreic
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Fr 17. Mai 2013, 17:44 - Beitrag #5

Was bei Gysi anders ist, ist die andere Dimension der Vorwurfslage. Mitglied in einem Komitee für Agitation und Propaganda gewesen zu sein, ist was anderes als Gespräche mit seinen Mandanten an die Stasi weiterzuleiten. Es ist ja auch nicht so, dass Gysi sagen würde, er könne sich nicht mehr daran erinnern, ob er Informationen an die Stasi weitergegeben hätte....

Merkels Gedächtnisleistungen kann ich nicht beurteilen. Mag sein, dass sie hier lügt. Vielleicht ist ihr das ganze unangenehm. Ein Politiker muss kein Heiliger sein.
Neu scheint die Information aber nicht zu sein. In diesem Welt-Artikel von 2005 wird es auch schon erwähnt (7. Absatz).

janw
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Fr 17. Mai 2013, 22:04 - Beitrag #6

Ipsi, ich verstehe Deine Position gut, bloß hakt die Sache für mich an dem Punkt, daß die Gedächtnisverlust proklamierenden öffentlichen Personen diesen möglicherweise nicht hätten, wäre die Geschichte etwas anders verlaufen - bei Merkel kenne ich jetzt kein Beispiel, aber der Gedächtnisverlust ist allgemein allzu oft selektiv.

Padreic, Politiker müssen keine Heiligen sein - wahrscheinlich hindert das Politiker-sein sie sogar daran, ein heiligmäßiges Leben zu führen.
Aber sie sollten Vorbild sein.

Traitor
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So 2. Jun 2013, 18:19 - Beitrag #7

Ich sehe es auch so, dass die eigentliche Sachfrage eine ziemliche Bagatelle ist, das Abfertigen mit "kann mich nicht erinnern" aber lächerlich und dreist. Vielleicht sollte man mal einführen, dass jeder Amtsträger, der soetwas sagt, sich automatisch ausführlichen psychologischen Tests unterziehen muss, und bei Feststellen tatsächlicher schwerer Gedächtnisschwächen für medizinisch amtsuntauglich erklärt wird, bei deren Nichtfeststellen hingegen einen Prozess wegen Lüge an den Hals bekommt. Unfair und nicht ergebnisoffen, würde den Missbrauch dieser Allausrede aber sofort unterbinden. ;)

Zitat von janw:Politiker müssen keine Heiligen sein [...] Aber sie sollten Vorbild sein.
Auch das ist noch ein zu frommer Wunsch. Es würde schon reichen, wenn sie ihre Aufgabe erledigen, ohne dabei zum negativen Vorbild zu werden.

Ipsissimus
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So 2. Jun 2013, 20:01 - Beitrag #8

Aber sie sollten Vorbild sein.
Es sollte überhaupt keine Vorbilder geben, weil jeder Mensch so werden dürfen sollte, wie er werden will, und nicht wie jemand anderes. Wenn es aber schon Vorbilder geben müssen sollte ... um Gottes willen, bitte nicht machtafine Menschen.

janw
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So 2. Jun 2013, 21:06 - Beitrag #9

Traitor, irgendwie habe ich mal gelesen, daß sich amerikanische Präsidenten vor Amtsantritt tatsächlich einem psychologischen Test unterziehen müssen.
Wenn dem so ist, hat es leider nicht gegen Bush geholfen.
Vielleicht sollte man ganz schnell "Machtaffinität" als Syndrom in den neuen ICD reinschmuggeln ;)

Zitat von Ipsissimus:Es sollte überhaupt keine Vorbilder geben, weil jeder Mensch so werden dürfen sollte, wie er werden will, und nicht wie jemand anderes. Wenn es aber schon Vorbilder geben müssen sollte ... um Gottes willen, bitte nicht machtafine Menschen.

Wie wäre es mit "als Vorbild tauglich"?
Aber gut, dann fragt sich wieder, was Tauglichkeit ausmachen solle...
"nicht moralisch verkommen" wäre aber doch schon mal ein Anfang, oder?

Ipsissimus
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So 2. Jun 2013, 21:09 - Beitrag #10

"nicht moralisch verkommen" wäre aber doch schon mal ein Anfang
definiere "moralisch" und "moralisch verkommen"^^ und erläutere bitte gleich mit, welche Referenz-Autorität du dabei im Sinne hast^^

Maglor
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Mo 3. Jun 2013, 17:41 - Beitrag #11

Angela Merkel kann sich wahrscheinlich auch nicht mehr daran erinnern, was sie in den 90ern gemacht hat. Das meiste davon war sicher schlimmer als der Posten bei der FDJ.


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