Dalai Lama: Ex-Despot wird zum Superstar?

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Maglor
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Fr 3. Aug 2007, 11:13 - Beitrag #1

Dalai Lama: Ex-Despot wird zum Superstar?

Umfragen ergaben: Der Dalai Lama ist beliebter als der Papst!
Was finden die Deutschen nur am Dalai Lama. Naja, seit dem 19. Jahrhundert haben gewisse Kreise eine gewisse Neigung zum Buddhismus oder etwaigen Weiterverarbeitungen: Theosophen, Anthroposophen, Ariosophen...
Aber was findet nun das weitgehend säkularisierte Deutschland so toll an einem Gottkönig im Exil. Der Schah von Persien hatte ja wenigstens eine Prinzessin, aber der Dalai Lama, hat im Gegensatz zu den anderen Monarchen keinerlei klatschtaugliche Eigenschaften. :(
Und wenn was ist so toll an ihm? Er kann lachen, wie die meisten anderen Menschen. Er steht für eine rückständiges System der Theokratie. Er hat seinen ganz eigenen Stil, naja wie die anderen Mönche eben. :crazy:
Vielleicht ist es auch einfach ein Phänomen unserer Wohlstandsgesellschaft:
Ein Haus, ein Haus, ein uneheliches und nun wird man eben "Buddhist", ähm Dalai-Lama-Fan. (Was soll man auch anderes machen, wenn man von allen für pädophil gehalten würde, wenn man Tokio Hotel verehren würde?)
Vor kaum 30 Jahren gingen die damals noch jungen Menschen mit Transparenten von Mao, Che und Ho-Schi-Minn auf die Straße und nun...
Was ist nur aus euch geworden, ihr idealistische Materialisten???

MfG Maglor :rolleyes:

Anaeyon
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Fr 3. Aug 2007, 15:39 - Beitrag #2

Ich mag das, was er über den Buddhismus sagt, ich mag es, dass er sich nicht so viel zu ernst nimmt, wie der Papst es tut. Lachen kann fast jeder aber gerade beim Vatikan fehlt mir diese Fähigkeit.

Ich finde, er kommt durch und durch positiv rüber, nicht verlogen und düster.
Er redet direkt zu den Leuten in seinem Publikum, so dass diese es verstehen können, redet in seinen eigenen Worten. Anstatt nur Phrasen zu schmettern, die wir seit etwa 1100 Jahren kennen..

Die Deutschen sind in Sachen Religion und Lebensphilosophien recht verklemmt finde ich, und ebenso sind es die Anbieter eben jener. Da ist der Dalai Lama ein Exot, vielleicht reizt das ja so.

janw
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Fr 3. Aug 2007, 18:04 - Beitrag #3

Maglor nimmt mir den thread aus den Fingern...*g*

Ich verspüre ja selbst seit einiger Zeit zunehmendes Unbehagen bei dem, was auf Seiten der organisierten Christenheit passiert, letztlich auch mit der Lehre im Besonderen. Der Buddhismus erscheint mir durchaus als eine geeignete Alternative dazu, zur Befriedigung der Seite in mir, der mit einer rein mechanistischen Weltsicht einfach zu kalt würde, einer Weltsicht, die ich auch für falsch halte, weil sie IMHO unvollständig ist - die Welt ist für mich mehr als der Satz unserer mechanistischen Erklärungsmodelle und ein paar Interaktionsalgorithmen.
Eine geeignete Alternative, weil er der Erklärung dessen näher kommt, vor allem in der von mir favorisierten Variante, die nun nicht die tibetische ist.

Den Dalai Lama hatte ich bisher immer aus einer gewissen Distanz beobachtet, sicher ein Weiser mit guten Motiven, dazu Vertreter eines unterdrückten Volkes - man mag von dem lamaistischen Tibet vor 1957 halten was man will - es war sicher "rückständig" in vielem, weit entfernt von Demokratie und Gleichberechtigung (aber das ist ein großer Teil der Welt auch heute noch und unhinterfragt)-, aber die chinesische Invasion, die Zerstörung von Tempeln und Kulturstätten, die "Entwicklung", ohne die wirklichen Belange der Menschen zu berücksichtigen, die planmäßige Übervölkerung der Tibeter mit Han-Chinesen ist für mich ein völkerrechtliches Verbrechen. Gut, ein eigenes Thema...
Personenkult war mir schon immer suspekt.
Nun hatte ich aber die Gelegenheit, den Dalai Lama in Hamburg zu erleben und muss sagen, daß ich ihn, auch wenn ich den Eindruck habe, daß viele ihm vielleicht auch eher gedankenlos nachlaufen, doch sehr schätze, ja, doch, er lässt den Papst hinter sich für mich.
Sein Auftreten wirkte auf mich deutlich natürlicher, seine Unterweisung über einen buddhistischen Text war lebendig und wirkte recht spontan.
Ich habe den Eindruck, daß der Personenkult, der um ihn herum entstanden ist, wohl eher auf die Menschen zurück geht, die ihn eben verehren, als eine geplante Inszenierung zu sein, wie ich sie im Papsttum zu erkennen glaube. Ohne damit jemandem zu nahe treten zu wollen.
Seine Skepsis über viele "Westler", die dem Buddhismus zustreben, die er doch eher gerne näher an ihren kulturellen Wurzeln sähe, ist mir sehr sympathisch, eben Anti-Mission und Aufforderung an die Menschen, ihr Heil in ihren je verschiedenen, und doch je einzigartigen Wurzeln zu suchen, als Modeströmungen nachzueifern.

Nun bin ich bei meiner Recherche auch auf einige Schattenseiten gestoßen, die mir noch etwas Kopfzerbrechen bereiten.
So wird dem Dalai Lama vorgeworfen, ein Ritual zu betreiben, dessen letzte Teile geheim sind, aber nach Einzelberichten sexuelle Handlungen an Minderjährigen einschließen. Einiges in Richtung Okkultismus wird ihm gleichfalls unterstellt, außerdem sei das System in Dharamsala weit entfernt von demokratischen Standards.

Ich denke, daß "okkultistische" Elemente als Relikte der Bön-Religion dem tibetischen Buddhismus eigen sind - man mag das mögen oder nicht - und somit sicher auch Bestandteil der Praxis in der Glaubensausübung des Dalai Lama. Mißbrauchshandlungen an Minderjährigen oder bestimmten Menschen überhaupt wären für mich jedoch erklärungsbedürftig, auch im buddhistischen Glaubenskontext.
Ob Dharamsala den Anspruch erhebt, eine Demokratie zu sein - ich denke nein, mit dem angekündigten Machtverzicht des Dalai Lama bei Einführung eines Autonomiestatus in Tibet und der Abgabe der Macht an eine demokratisch legitimierte Regierung ist diesem Punkt für mich jedoch Genüge getan. Eine Exilgemeinschaft demokratisch Ungebildeter mit einer Demokratie zu überziehen, dürfte schwerlich möglich sein, IMHO.

teut
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Fr 3. Aug 2007, 19:00 - Beitrag #4

Es ist halt leider so wenn die Menschen alle Lebensbedürfnisse bis zum Erbrechen gestillt haben,fangen sie an irgend welchen okkulten Dingen nach zu laufen.Der Dalai-Lama mag ja persönlich ein netter Mensch sein aber das was von dieser Religion vertreten wir zb die Reinkarnation ist Schwachsinn pur.Wenn man Mitteleuropäer diesen Unsinn nachlaufen sieht, kommt man zwangsläufig zu dem Schluß die Aufklärung hätte nicht stattgefunden.
Ein kluger Mensch meinte einmal" Die Menschen würden lieber im warmen Modder der Lüge leben als am klaren aber kalten Jännertag der klaren Vernunft" Alle Religionen feiern dann fröhliche Urständ wenn a) die Menschen alles haben und die Fadesse um sich greift und b) wenn es ihnen schlecht geht und nur mehr das Jenseits frohr Erwartungen auslöst.
Zum letzten glaube ich dass der Buddhismus oder Lamaismus nach Europa so passt wie Gorillas :)

Anaeyon
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Fr 3. Aug 2007, 19:28 - Beitrag #5

Du hast die Weisheit wohl mit Löffeln gegesessen.

Zomg, Matrix Bild

Maglor
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Sa 4. Aug 2007, 17:26 - Beitrag #6

Fraglich finde ich ohne den tibetischen Lamaismus an sich. Mit unter hat doch religiöse Praxis der Tibeter wenig mit dem zu tun, was im Westen als "aufgeklärt".
Heilige Männer vor denen man in den Staub fällt, mysteriöse Rituale, vergleichbar höchstens mit Praktiken vor dem 2. Vatikanischen Konzil. Und diese ganze Bön-Sache mit Götter, Dämonen... :rolleyes:
Jene Lama-Fans werfen unter Garantie Benedikt XVI. irgendwelche feudalen Praktiken des Mittelalters, vergessen aber natürlich, dass der Dalai Lama eben auch nichts anderes als ein Gott-König war, der einen gazen Land unter der Fuchtel hat und eine ganze Kultur, die nichts anderes tat als die Mönche zu unterhalten. Was ist am lamaistischen Buddhismus bitteschön erstrebenswert. Gebetsmühlen drehen, eine klerikale Führungsschicht, Personenkult??? Man kann auch gleich mit Voodoo anfangen. ;-)

Zweifelhaft ist mir auch die ganze Tibet Geschichte. Es wäre ja schön, wenn wir genauso Interesse für Tschetschenien hätten. Separatismus im Bündnis mit religiösen Fundamentalismus ist duchaus praktisch, wenn man den Rotchinesen eins auswischen möchte. Ohnehin unverständlich ist mir dieser Schwerpunkt auf Tibet. Die Tibeter sind nur eine Minderheit von vielen in China... und in der Kulturrevolution hatten Lamaisten genauso zu schlucken wie Konfuzianer.

MfG Maglor :P

janw
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Sa 4. Aug 2007, 20:17 - Beitrag #7

Die Aufklärung ist auch nichts anderes als eine Weltanschauung^^
Das Problem an der Gegenüberstellung transzendentaler und rationalistischer Weltanschauungen hinsichtlich ihrer dauerhaften Tragfähigkeit als Sinngebungsinstanzen des Menschen ist IMHO, daß die Aufklärung sich diesbezüglich mE noch nie wirklich bewähren musste: Sie entstand im Zuge individueller Befreiung, der Zunahme individueller materieller Gewinnmöglichkeiten, einer allgemein Entfremdung des Menschen von seinen Produkten durch zunehmend arbeitsteilige Arbeitsprozesse. Letztlich haben die Rationalisten durchweg eine Phase zunehmenden durchschnittlichen materiellen Wohlstandes durchgemacht, für eingelagerte Krisenphasen bot sich immer wieder der Rückfall in überkommene religiöse Vorstellungen, bei Bedarf.
Die wirkliche Konfrontation der rationalistisch geprägten Menschen mit existentieller unüberwindlich erscheinender Not, womit alle transzendental geprägten Gesellschaften immer wieder konfrontiert worden sind und in welchen diese transzendentalen Weltanschauungen Halt zu geben vermochten, war noch nie ein Prüfstein für den Rationalismus als den Menschen tragende Weltanschauung.
Und ich bin mir nicht so sicher, ob er diese Prüfung bestehen würde...

Zitat von teut:Zum letzten glaube ich dass der Buddhismus oder Lamaismus nach Europa so passt wie Gorillas :)

Nun, wenn Du auf den prinzipiellen Konflikt mit dem aristotelischen Weltbild mit seiner Trennung von Subjekt und Objekt anspielst, dann könntest Du einen Funken recht haben. Allerdings ergäbe sich dann auch das Problem, daß die "Westler" ihre eigenen wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht recht verstehen könnten, welche auch eher auf die holistische Anschauung hinaus laufen... ]Zweifelhaft ist mir auch die ganze Tibet Geschichte. Es wäre ja schön, wenn wir genauso Interesse für Tschetschenien hätten. Separatismus im Bündnis mit religiösen Fundamentalismus ist duchaus praktisch, wenn man den Rotchinesen eins auswischen möchte. Ohnehin unverständlich ist mir dieser Schwerpunkt auf Tibet. Die Tibeter sind nur eine Minderheit von vielen in China... und in der Kulturrevolution hatten Lamaisten genauso zu schlucken wie Konfuzianer.[/QUOTE]
Sicher, Tschetschenien ist ein Verbrechen.
Nur ist es eben die Frage, ob man dem Dalai Lama nicht etwas unrecht tut, wenn man ihn nur deshalb beachtet, weil er gewissermaßen Symbolfigur für die gewalttätige Besetzung seines Landes ist. Gut, es hat ihn zweifellos geprägt, aber als Persönlichkeit macht er IMHO auch so einen guten Eindruck.
Und selbst wenn er eine weniger eindrucksvolle Perasönlichkeit wäre, änderte dies nichts an dem Faktum, daß die Besetzung Tibets mit all oihren folgen und Begleiterscheinungen ein Verbrechen ist. Wie auch die Besetzung Tschetscheniens, von Teilen Palästinas nach 1967, usw.

Die Tibeter sind eine Minderheit im großen China, aber in ihrem Land waren sie es nicht. Bis sie jetzt planmäßig übervölkert werden, zahlreichen Berichten zufolge.

Ipsissimus
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Di 7. Aug 2007, 11:07 - Beitrag #8

bei der Be- und Verurteilung Tibets als totalitärer Theokratie wäre es begrüßenswert, sich darüber klar zu werden, daß die Demokratie in Deutschland auch keine deutsche Leistung ist, und darüber hinaus auch nicht so furchtbar lange Staatsform Deutschlands ist. Durch die chinesische Invasion wurden derartige Fragen ohnehin auf andere Weise entschieden.

"geheimes Ritual" und "sexuelle Handlungen mit Minderjährigen" sind Teil eines weitaus umfassenderen Problems, das der "geheimen Gefährtinnen".

Die Amerikanerin June Campbell hat auf dieses Problem in einem Interview mit der amerikanischen buddhistischen Zeitschrift "Tricycle" und parallel dazu in ihrem zeitgleich erschienen Buch "Traveller in Space" (deutsch: "Göttinnen, Dakinis und ganz normale Frauen") aufmerksam gemacht. Demnacht haben fast alle hochrangigen Lama Rinpoches - in ihrem Fall der auch im Westen berühmte Lama Kalu Rinpoche - geheime Gefährtinnen, Frauen, mit denen sie eine teilweise jahrzehntelange sexuelle Partnerschaft pflegen, obwohl sie nach außen weiterhin als Mönche auftreten, von den Frauen also völlige Unterordnung unter die Notwendigkeit der Geheimhaltung fordern. Im Rahmen dieser Partnerschaften werden auch die tantrischen Sexualrituale ausgeübt, die zwar in diesem Kontext, nicht aber per se geheim sind.

Das Buch der Campbell ist umstritten. Sie führt unzählige empörende Einzelbelege auf und weist Doppelmoral ohne Ende nach; andererseits versäumt sie es, diese Belege für eine interkulturelle Wertediskussion zu nutzen und geht wie selbstverständlich von der uneingeschränkten Gültigkeit westlicher kultureller Vorstellungen aus.

Eine ganz gute, um Sachlichkeit bemühte Kritik ihres Buches findet sich bei http://www.ratna.info/hp/poll_4.htm

Zum Dalai Lama selbst: der Mann interessiert mich so wenig wie mich irgendeine Person als Autorität interessiert. Wenn ich gelegentlich mal in einer Kneipe mit ihm ein Glas Rotwein trinke, könnte er mir vielleicht als Mensch wichtig werden, aber es steht zu bezweifeln, daß das passieren wird^^ Merke: Menschen beten andere Menschen immer nur auf eigenes Risiko und zum eigenen Schaden an^^

Maglor
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Di 7. Aug 2007, 13:04 - Beitrag #9

Um vielleicht doch schlechter über Tibet und die Lamas zu reden:
Handelt es sich beim tibetischen Buddhismus überhaupt um eine "Hochreligion"?
Betreiben die Lamas, als dekadenter Klerus, nicht eher Synkretismus aus Personenkult, Bön-Voodoo und ein bissche Buddhismus?
Warum betreiben einige möchtegern-intellektuelle Amerikaner und Europäer eine Religion von zentralasiatischen Viehhirten?
Irgendwie ist es doch bedauerlich. Mullah Omar von den Taliban wird nicht im geringsten bewundert wie der Dalai Lama, obwohl er geistlicher und weltlicher Herrscher eines rückständigen, bergigen Landes ist. Rätselhaft, warum wirdein lustiger Mönch mehr bewundert als heiliger Krieger, der im Jihad ein Auge gelassen hat. :P
Tja, wir kennen ja unsere Feinde. Unsere Feinde sind die Rotchinesen, der Iwan und die Mullahs. Und wer sind unsere Freunde? Natürlich die Feinde der Rotchinesen, des Iwans und der Mullahs. Also: Der saudische König, der Schah von Persien, der japanische Kasier, die Emire der Emirate.....
.... und eben der Dalai Lama.
MfG Maglor :rolleyes:

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Di 7. Aug 2007, 15:13 - Beitrag #10

Handelt es sich beim tibetischen Buddhismus überhaupt um eine "Hochreligion"?


ist es wichtig, ob tibetischer Buddhismus eine Hochreligion ist? Gilt die in Folge der Aufklärung gewonnene Errungenschaft der Religionsfreiheit, auf die wir so stolz sind, nicht für alle Religionen gleichermaßen?

Betreiben die Lamas, als dekadenter Klerus, nicht eher Synkretismus aus Personenkult, Bön-Voodoo und ein bissche Buddhismus?


betreiben die Priester der christlichen Kirchen als dekadenter Klerus nicht eher Synkretismus aus Personenkult, Mitraskult, vorderasiatischen Erlösungshalluzinationen und ein bisschen Judentum, aufgepeppt mit einem Schuss Neoplatonismus?

der tibetische Buddhismus hat eine ebenso lange oder längere Geschichte wie das Christentum; obwohl er inhaltlich sicher die weitgehendste Anpassung des Buddhismus an erfolgreiche lokale Religionen darstellt, kann ihm aber nicht abgesprochen werden, kulturstiftend gewirkt zu haben, und das ist das wesentliche Kriterium einer Hochreligion. Geschweige denn, daß er in der Auffassung seiner Anhänger eindeutig Buddhismus ist und nicht Bön.

Warum betreiben einige möchtegern-intellektuelle Amerikaner und Europäer eine Religion von zentralasiatischen Viehhirten?


warum betreiben viele Möchtegern- und noch nicht einmal Möchtegern-Intellektuelle eine Religion von ein paar analphabetischen vorderasiatischen Fischern? Die "zentralasiatischen Viehhirten" hatten im übrigen schon eine friedliche Hochkultur, als in Europa noch Hexen verbrannt wurden, auch eine Folge dieser vorderasiatischen Fischereifachleutereligion.

Irgendwie ist es doch bedauerlich. Mullah Omar von den Taliban wird nicht im geringsten bewundert wie der Dalai Lama, obwohl er geistlicher und weltlicher Herrscher eines rückständigen, bergigen Landes ist. Rätselhaft, warum wirdein lustiger Mönch mehr bewundert als heiliger Krieger, der im Jihad ein Auge gelassen hat.


Mullah Omar hat sicher mehr Anhänger als der Dalai Lama. Das ignoriert man bei uns nur besonders gerne, oder wenn nicht, dann nur, um auf die bösen Muslime zu schimpfen. Der Dalai Lama hat ihm im übrigen voraus, kein Auge im Krieg verloren zu haben, weil er Krieg als das erkannt hat, was er ist - eine bodenlose Bösartigkeit, gleichgültig, von wem er zu welchem Zwecke gegen wen angestrengt wird.


Dass der Dalai Lama sich derart bereitwillig ins Pop-Geschäft einspannen lässt, mag verargenswert sein (auch wenn er darin wesentlich weniger penetrant ist als der gute alte JP II). Aus buddhistischer Sicht ist das nichts als eine Illusion innerhalb einer Illusion, ohne jede Bedeutung. Inhaltlich ist er weit weniger gut für die potentiellen Weltherrschaftsszenarios unserer arme-unterdrückte-Nationen-Befreier zu gebrauchen, als den Bush und Cos lieb ist.

janw
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Di 7. Aug 2007, 20:00 - Beitrag #11

Ich denke auch, daß in mancher Diskussionsecke ein Obstkorb ganz hilfreich sein könnte^^
Das Handeln der Mönche und Lamas ist schwerlich nach unseren westlichen Vorstellungen zu beurteilen, sondern IMHO am ehesten an den buddhistischen Gelübden zu messen, wonach u.a. keinem fühlenden Wesen geschadet werden darf und Gläubiger sich von "Anhaftungen" wie Gier, Hass und Unwissendheit fernhalten soll. Die Einrichtung eines auf Abhängigkeit basierenden Verhältnisses bis hin zur Ausbeutung passt damit für mich nicht zusammen.
Wobei dazu zu sagen ist, daß diese Regeln prinzipiell schon galten, als hierzulande Frauen wegen vermeintlicher grüner Augen auf dem Scheiterhaufen gelandet sind.

Wobei unklar ist, wie weit das von June Campbell Thematisierte wirklich ein so flächendeckendes Phänomen ist, wie von ihr proklamiert.

Mir persönlich wird beim Gedanken an dauerhaftes Mönchtum immer etwas unbehaglich - kann ein Mensch wirklich auf Dauer gut leben, erst recht ein guter Lehrer sein, wenn er nicht ganz offen eine Beziehung führen kann, wenn ihm dazu der richtige Mitmensch begegnet?

Zitat von Ipsissimus:Merke: Menschen beten andere Menschen immer nur auf eigenes Risiko und zum eigenen Schaden an^^

Naja, anbeten...da geh ich lieber mal suchen, was unter meinen Füßen ist^^

Ipsissimus
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Do 23. Aug 2007, 10:30 - Beitrag #12

Das Handeln der Mönche und Lamas ist schwerlich nach unseren westlichen Vorstellungen zu beurteilen, sondern IMHO am ehesten an den buddhistischen Gelübden zu messen, wonach u.a. keinem fühlenden Wesen geschadet werden darf und Gläubiger sich von "Anhaftungen" wie Gier, Hass und Unwissendheit fernhalten soll.


nun, ein Mönch ist auch im Buddhismus u.a. durch sein Enthaltsamkeitsgelübde gekennzeichnet, dies gilt um so mehr für die sogenannten "makellos Übenden", zumeist hochrangige Lamas. In diesem Personenkreis wird offiziell auch kein Tantra ausgeübt, weswegen die Praxis der geheimen Gefährtinnen um so problematischer anzusehen ist. Dabei ist es imo weniger der Aspekt, dass die Frauen ausgebeutet werden - das mag in Einzelfällen auch der Fall sein, ist aber nicht die Regel - es geht darum, dass hier eine Tradition der Verlogenheit in einer Sphäre angesiedelt ist, die der Sache übel ansteht, vergleichbar an homosexueller Praxis - an der nichts übles ist - in Priesterseminaren - wogegen auch nichts einzuwenden wäre, solange sie freiwillig erfolgt - aber durch den Kontext des bekannten Gelübdes eben den Wert des gesamten Systems in Frage stellt.

Ich habe absolut keine Möglichkeit, einzuschätzen, ob der Dalai Lama seinem Ruf gerecht wird. Von daher halte ich alles für möglich, aber nichts für erwiesen. Das System der geheimen Gefährtinnen existiert aber, und es stellt aus meiner Sicht den tibetischen Buddhismus als ganzen in Frage, zumindest in seiner Ausprägung als lamaistischer Klosterkultur.

janw
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Do 23. Aug 2007, 11:37 - Beitrag #13

Ich weiß nicht...könnte es sein, daß derlei nicht in prinzipiell allen Klosterkulturen vorkommt? Immunisiert die buddhistische Praxis in Thailand oder die Zen-Praxis genügend gegen die weltlichen und körperlichen Begierden, über Jahre?

Wie weit sind Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse eigentlich mit dem buddhistischen Gelübde vereinbar, keinem fühlenden Wesen zu schaden?
Oder dehne ich da etwas zu weit?

Ipsissimus
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Do 23. Aug 2007, 12:14 - Beitrag #14

es ist stark anzunehmen, dass derlei in den meisten oder allen Kloster- udn allgemein Zölibatsstrukturen vorkommt. Man darf nur nicht vergessen, dass im Unterschied zum Katholizismus - wo es das AMT ist, nicht der Träger - beim Buddhismus darum geht, daß die Erleuchteten in ihrer Person Verkörperungen der buddhistischen Tugenden zu sein beanspruchen. Ein Priester, der mit seiner Haushälterin oder mit einem Mitpriester schläft, erweist sich lediglich aus der Perspektive der Amtskirche als für das Amt ungeeignet, verstößt aber nicht notwendig gegen den Kern der Lehre. Bei jemandem, der als erleuchtet gilt nach den Kriterien des tibetischen Buddhismus, ist nicht die Amtsfähigkeit in Frage gestellt, sondern sein ganzes Sosein. Das höchste, was der Buddhismus zu "bieten" hat, erweist sich an ihm als Farce. Zumal der tibetische Buddhismus es zwanglos ermöglichen würde, auch ohne Zölibatsgelübde den Status eines Erleuchteten zu gelangen - nur eben nicht die hierarchische Position eines Rinpoche.

Für einen Zenmeister wäre die Kritik gegenstandslos; aber in der tibetischen Form, die die Religion über die Philosophie erhebt, sehe ich das als sehr, sehr problematisch an. Und natürlich widerspricht die Akzeptanz eines Abhängigkeitsverhältnisses jeder buddhistischen Grundlage, auch innerhalb der tibetischen Ausprägung.

Maglor
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Do 23. Aug 2007, 13:32 - Beitrag #15

Ist ein Macht- und Abhängigkeitsverhältnis nicht der Grundzug des Amtes Dalai Lama. ;)
Der Dalai Lama hätte als absoluter, ja heiliger König von Tibet die Macht inne und die Tibeter würden vor ihm in den Staub fallen.
MfG Maglor :rolleyes:

Ipsissimus
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Do 23. Aug 2007, 15:36 - Beitrag #16

die meisten Buddhisten sind recht pragmatisch, was das angeht^^ "Nicht-Anhaften" heißt der Zauberbegriff, du kannst durchaus als Buddhist in einer Machtposition sein, aber wenn es dir um deine Erleuchtung zu tun ist, musst du vermeiden, der Macht anzuhaften, und sie z.B. auch ohne Bedauern loslassen können, wenn du sie verlierst.

Ich gestehe allerdings, daß mir der tibetische Buddhismus auch deswegen - wegen seiner Verschränkung von Religion und Staat - eher unsympathisch ist, ohne dass ich aber seinen Trägern pauschal absprechen möchte, den Kern von Buddhas Lehren verstanden zu haben. Ich weiss auch zu wenig über das Lebensgefühl der "einfachen Leute" vor 1949/50, als dass ich beurteilen könnte, wie sich die Theokratie auf deren Befinden und Lebensumstände ausgewirkt hat.


übrigens: seine Biografie gibt eigentlich keine Anhaltspunkte für die Bezeichnung "Despot" (ob mit oder ohne Ex) her^^

Nach der Besetzung Tibets durch die chinesische Armee 1949/50 wurde dem damals 15jährigen Dalai Lama am 17. November 1950 die Herrschaft in Tibet übertragen. 1954 versuchte er vergeblich, mit der chinesischen Führung einen akzeptablen Frieden auszuhandeln.

1963 schlug der Dalai Lama eine demokratische Verfassung als Modell eines künftigen, freien Tibets vor, in dem er selbst kein politisches Amt mehr bekleiden solle.

janw
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Fr 24. Aug 2007, 01:30 - Beitrag #17

Ist der tibetische Buddhismus eigentlich überhaupt Buddhismus oder nicht eher Bön mit buddhistischem Anstrich bzw. ein Synkretistisches Anderes?
Mir widerstrebt das hierarchische System auch - daß Hierarchien im Laufe der Zeit entstehen, ist wohl unvermeidbar, aber ein System hierarchisch zu organisieren, dessen Wesensgehalt dadurch eigentlich eher leidet...ich denke, trotz des pragmatischen Umgangs führt Hierarchie sehr leicht zu Mauern in den Köpfen.
Was mich aber zu der Frage bringt, wie das im Zen-Buddhismus läuft. Jeder Meister für sich und alle zusammen, oder welche Strukturen bestehen da?

Ipsissimus
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Fr 24. Aug 2007, 10:26 - Beitrag #18

ich würde sagen, es ist Bön mit buddhistischem Anstrich^^ der Lama hat doch sehr viel mehr vom Schamanen als vom buddhistischen Popen; die ausgeprägten und sehr detaillierten Jenseitsvorstellungen nehmen im Vergleich zu den anderen buddhistischen Ausprägungen eine exorbitante Rolle ein - wenn ein Zenmeister gelegentlich von "Hölle" spricht, dann geschieht das nur mit einem ironischen Augenaufschlag, tut es ein Rinpoche, so hängt dahinter ein dramatisches Empfinden für Tragik, Schuld und Sühne; die diversen Systeme lamaistischer Magie haben originär gar nichts mit Buddhismus zu tun, Tantra eingeschlossen; daß sie heute als "Werkzeuge zur Erleuchtung" gelten, kann sehr schnell als Adaptionspropaganda entlarvt werden.

Nichts destotrotz empfinden seine Mitglieder den tibetischen Buddhismus als Buddhismus, nicht als Bön. Das führt aber bezüglich der übrigen Formen letztlich zu einer Situation ähnlich der zwischen Protestanten und Katholiken. Für die Gläubigen ist es eindeutig, daß sie auf der jeweils "richtigen Seite" stehen, und wen interessiert schon die Ansicht "neutraler" Religionswissenschaftler^^

Man darf nicht vergessen, daß der Buddhismus in seinen Verbreitungsländern dasselbe ist, wie das Christentum bei uns, eine Religion für´s einfache Volk. Natürlich gibt es dort genauso die Erleuchteten wie es hier die Mystiker gibt, aber keine unbefangene Betrachtung könnte ernsthaft auf die Mystiker und Erleuchteten fokussieren, wenn es darum ginge, herauszufinden, was die Religion für die Masse bedeutet.

Das gilt auch für Japan. Buddhismus ist dort die zweite große Volkreligion neben dem Shintoismus, die meisten Japaner gehören beiden an. Und die Japanische Buddhistische Kirche ist auch nichts anderes als bei uns die katholische Kirche; der Einfluss der Meister ist auf hierarchischer Ebene extrem klein. Andererseits ist das Verhältnis zwischen Meistern und Schülern für die Meister ein sehr viel kritischeres als umgekehrt. Wenn ein Meister zulässt, dass ein Schüler das Gefühl bekommt, seine Lebenslast auf den Meister abwälzen zu können, hat der Meister versagt. Das ist ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal des Zenbuddhismus; in allen anderen Formen, und besonders im tibetsichen, gibt der Meister dem Schüler sein Versprechen, ihn zur Erleuchtung zu führen, der Schüler kann sich also sicher sein, da ein Meister hält, was er verspricht. Das passiert im Zen nicht; das einzige, was dir da ein Meister anbietet, ist harte psychische Arbeit ohne Garantie auf Erfolg.

Natürlich gibt es ein Meisternetzwerk. Das ist aber informeller Natur, ohne offizielle Funktionen.

janw
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Fr 24. Aug 2007, 14:02 - Beitrag #19

Klingt irgendwie nach einem Bergführer, der von unten zuguckt^^

Wehe also dem, der Zuwendung erwartet und so etwas wie Halt sucht?

Ipsissimus
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Fr 24. Aug 2007, 14:30 - Beitrag #20

schlimmer^^ wie ein fliegender Bergführer, der ständig neben dir in der Luft schwebt, während du dich mühselig die Felswand hochplagst, und der dir an besonders schwierigen Passagen freundlich davon erzählt, wie wunderschön und einfach das Fliegen doch ist^^

jedenfalls, wenn jemand emotionale Zuwendung erhofft, hat er/sie mit Zen definitiv die falsche Wahl getroffen^^ und was Halt angeht^^ den musst du in dir selbst finden^^

innerhalb der "Community" gibt es natürlich emotionale Zuwendung, wie überall, aber nicht als Teil der Ausbildung^^

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