gestern Nachmittag plauderten ein Kollege und ich ein bisschen miteinander beim Stehkaffee, er ist ein Gastwissenschaftler pakistanischer Herkunft, der ein Jahresstipendium für einen Forschungsaufenthalt in Deutschland hat. Nachdem das Gespräch eine Weile über allgemeine Themen dahindümpelte, landeten wir zuletzt beim unvermeidbaren Thema Terrrorismus und Islam. Auslöser war eine Bemerkung über die Anschläge in Madrid, zu denen ich meinte, dass mit ihnen meines Wissens nach der Dschihad Europa ereicht hätte, worauf er mich fragte, ob ich überhaupt wisse, was Dschihad sei. Ich antwortete mit dem üblichen "Heiliger Krieg".
Das führte zu einer etwas ausführlicheren Erläuterung seinerseits. "Dschihad" stammt demnach von der Wurzel C-H-D, was übersetzt "mit aller Kraft" heißt. Die ursprüngliche Bedeutung von "Dschihad" war "eine Kraft aufbringen, um ein Tier zu lenken, das mit einer schweren Last beladen ist", davon abgeleitet seine aktuelle Bedeutung als "Anstrengung", oft auch im Sinne einer geistigen Anstrengung. Moslems können ohne weiteres sich selbst "dschihad" abverlangen, um z.B. ein Leben im Einklang mit den Vorschriften des Koran zu führen, aber genau so bei Prüfungsvorbereitungen oder beim Hausbau.
Kriegerische Aktivitäten werden im Koran und in den arabischen Umgangsformen hingegen mit den Begriffen "kıtal" (töten), "muharebe" (bekriegen) oder "harb" (Krieg)" zum Ausdruck gebracht.
Ich fragte dann nach, ob er mir wirklich erzählen wolle, dass es wichtig sei, wie eine Sache benannt wird, wenn sich inhaltlich dahinter einfach nur Terrorismus verbirgt. Gut, das war etwas platt gefragt, aber ich wollte ihn ein bisschen kitzeln. Er meinte dann, ob ich mir vorstellen könne, dass mein (pars pro tote westliche Zivilisation) Problem eigentlich gar nicht der Islam sondern die arabische Kultur sei. Als Beleg führte er an, dass in Indonesien, dem muslimreichsten Land der Erde, sich im Verhältnis zum arabischen Kulturkreis kaum Moslems für terroristische Handlungen aktivieren ließen.
Ich wusste darauf auf die Schnelle nicht viel zu erwidern, da ich mich mit der Situation in Indonesien nicht so gut auskenne, meinte aber, dass ich ein wenig verwundert sei, diese Art Kritik an der arabischen Kultur von ihm als Bürger eines arabisch-islamischen Landes zu hören. Er grinste süffisant und meinte abschließend, es sei vielleicht verwunderlich, aber eine kritische Haltung dem eigenen politischen und gesellschaftlichen System gegenüber sei kein Privileg europäisch sozialisierter Menschen, und ich möge mich doch bitte daran erinnern, dass es einige Jahrhunderte vor der europäischen Aufklärung bereits eine islamische Aufklärung gegeben hatte, die zwar heute für die Masse normaler Bürger in arabischen Staaten genauso bedeutungslos sei wie die europäische Aufklärung für die Masse der Bürger europäischer Staaten, aber grundsätzlich als kulturelles Erbe für gebildete und interessierte Menschen genauso zur Verfügung stehe wie die europäische Variante auch.
Wie seht ihr das? Ist "das Problem Islam" in Wirklichkeit ein "Problem Arabische Kultur/Mentalität," und ist es nur einer fehlgeleiteten political correctness geschuldet, dass dies nicht so deutlich gesagt wird? Ist es relevant, dass Begrifflichkeiten medial in einem Sinne verwendet werden, den sie in ihrer Ursprungssprache gar nicht haben? Ich bin mir nicht ganz sicher, kann seiner Argumentation aber eine gewisse Plausibilität nicht absprechen.