Berlusconi

[Ipsissimus]

Eine Richterin in Mailand ließ die Anklage gegen den italienischen Regierungschef Berlusconi zu. Er muss sich in einem Eilverfahren wegen Amtsmissbrauchs und der Prostitution Minderjähriger verantworten.

Jetzt wird es ernst für Silvio Berlusconi: Die Mailänder Untersuchungsrichterin Cristina Di Censo hat den Eilantrag der Staatsanwaltschaft in der Ruby-Affäre angenommen. In wenigen Monaten soll dem Regierungschef der Prozess gemacht werden: Die erste Anhörung findet am 6. April statt. Im Falle einer Verurteilung drohen Berlusconi bis zu 15 Jahre Haft.

Im Zusammenhang mit der Sexaffäre um eine junge Marokkanerin werfen die Ankläger dem 74-Jährigen Premier Amtsmissbrauch und sexuelle Beziehungen zu einer Minderjährigen vor. Berlusconi wird verdächtigt, bei Partys in Berlusconis Villa Arcore bei Mailand die damals minderjährige Ruby für Sex bezahlt zu haben. Er soll zudem im Mai vergangenen Jahres sein Amt missbraucht haben, um Rubys Freilassung zu erwirken, als diese wegen Diebstahlverdachts in Polizeigewahrsam war. Berlusconi weist alle Vorwürfe zurück.

http://www.sueddeutsche.de/politik/italien-wirbel-um-ruby-sexaffaere-kurzer-prozess-fuer-berlusconi-1.1060380


Was meint ihr, ist er fällig, oder entkommt er noch mal der Schlinge? Und was haltet ihr von ihm, als Mensch, Unternehmer, Politiker und Regierungschef?

[Milena]

..ich finde es eigentlich nur beschämend, dass sich so ein alter affe an blutjunge mädels ranmacht...ob politiker oder sonstwas....mit macht und genügend geld scheint er zumindest vieles zu bekommen...auch wiederum zu entkommen....ich glaube nicht, dass er was befürchten muss....sitzt gut in italien....

[009]

Er sollte fällig sein, da es mEschwer erträglich ist, einen exponierten Vertreter eines Staates zu erleben, der sowohl gegen allgemeingesellschaftliche Werte wie die landeseigene Strafgesetzgebung offenbar recht lässig, mit Vorsatz- und Gewohnheitscharakter verstößt.

Um realistisch abschätzen zu können, ob Recht und Gesetz Italiens es aktuell hergeben, den Regierungschef dafür tatsächlich zu bestrafen oder es es dies verhindernde Regeln gibt bzw. es möglich scheint, dass diese von interessierten Kreisen noch schnell geschaffen werden, müßte man ein kompetenter intimer Kenner des italienischen Rechtswesens sein.

Versuche mir übrigens gerade vorzustellen, wie er zwar verurteilt und auchinhaftiert wird, aber wegenResozialisierungsgedanke usw. dann von der Zelle aus amtiert. Da stünden dann die Justizminister wohl vieler Länder Schlange, um von oberster Stelle einen kompetenten Einblick in die Realität des italienischen Strafvollzugs zu erhalten.

[Ipsissimus]

jo, Schätzle, ich finde das auch bösartig. Ob seine Macht allerdings reicht, um ihn nochmal rauszureißen? Ich hoffe nicht. Es würde mich bei ihm auch gar nicht verwundern, wenn er Kontakte zur Mafia hätte und über diesen Kanal seine Prostituierten bezieht

009, vielleicht könnte man ja vorschlagen, die Justizminister sollten gleich zu ihm IN die Zelle^^

[009]

Oder andere Repräsentanten?

Wenn Prinz William mit Obdachlosen eine Nacht auf der Straße verbrachte, könnte Pronz Charles eigentlich mit einem alten italienischen Strafgefangenen mal die Zelle teilen.
Und das ganze dann aus architektonischer, ökologischer wie Ernährungssicht beurteilen.

[Maglor]

Wenn man die Nuttokratie als eigene selbstständige Herrschaftsform betrachtet, sollte es eigentlich kein Problem sein.
Ich fürchte Berlusconi wird auf diesen jüngsten Skandal gekonnt unter einem Teppich aus Filz verschwinden lassen.

[fanvarion]

Berlusconi ist ein Moloch der es rechtzeitig Schaffen wird die Richterinnen wegen Befangenheit zu verurteilen. Die Beweislage wird dem erzkatholischen Italien so präsentiert werden, dass diese keine Richterinnen akzeptieren die als 16-jährige Sex mit einem 18-jährigen gehabt hatte.


Ich denke das Maglor mit seiner Vermutung recht behalten wird. Weil für Berlusconi die Vielweiberei und das Grundalter für freien Sex auf 14 1/2 Jahre gesenkt wird.

[009]

Was ich nicht so recht einzuschätzen vermag: wie seiht das nach meinem empfinden sehr auf die Familie bezogene italienische Wahlvolk wohl Berlusconis Verhalten inzwischen? Wird es mehr als schändlich betrachtet, offenbar wissend sich mit minderjährigen zu vergnügen oder kommt doch eher etwas machohaft Bewunderung für diesen wohl im wahrsten Sinne des Wortes potenten Staatslenker durch?

Sprich ggf. könnte es doch sein, dass Berlusconi zwar den Prozeß, aber nicht die nächste Wahl übersteht.

[Lykurg]

Ich denke, im Prozeß haben sie diesmal gute Chancen gegen ihn. Er kann ja nicht einfach, wie beim letzten Mal, spontan die Verjährungsfristen 'seiner' Delikte verkürzen, weil er seine Parlamentsmehrheit verloren hat. Und selbst sollte er den Prozeß überstehen, gibt es in Italien inzwischen doch eine ganze Menge Leute, die ihn loswerden wollen, und gerade dann würden es mehr (so daß seine Wiederwahl wohl ausfiele).

[e-noon]

Ich schließe mich der Pessimistenfraktion an und werde erst feiern, wenn er weg ist. Didaktisch wäre es vielleicht am besten, wenn er sich rauszustrampeln versuchte und die Wähler, oder seine eigene Partei, ihn gehörig abstrafen. Ob das passiert? So oft schon hätte man ihn eigentlich nicht wählen dürfen und es ist doch passiert...

[Ipsissimus]

er ist auch ein geschickter Demagoge, das ist ein nicht zu unterschätzender Faktor. Wenn es ihm gelingt, für die Verletzung des Nationalstolzes nicht etwa seine Eskapaden sondern die Mailänder Justiz verantwortlich zu machen, könnte er sogar gestärkt aus dieser Sache herausgehen

[009]

Ich weiss nicht und ich hoffe nicht!

In seiner Position und Alter sich mit einer minderjährigen Prostituierten einzulassen (ist Prostitution minderjähriger denn in Italien legal? Ansonsten hätte er eher von Amts wegen auch gerade in diesem Fall dagegen vorgehen müssen) ist doch wohl auch etwas anderes als zB Clintons Oralverkehr mit der Praktikantin, bei der er zunächst darauf beharrte, keine Sexualkontakte gehabt zu haben, es aber dann doch einräumte und auch ersichtlich wurde, dass Frau/Familie es mit Zerknirschung hinnahmen und verziehen.

[e-noon]

Soweit ich weiß, ist Prostitution als Ganzes in Italien zumindest sehr ungern gesehen...

Nach einem totalen Verbot in der faschistischen Ära erlaubte Italien 1948 zunächst Bordelle. Mit Gesetz von 1958 mussten diese jedoch wieder geschlossen werden. Weiterhin bestehen blieb die Straßenprostitution, die sich vor allem auf Landstraßen am Rand größerer Städte abspielt. Erlaubt ist auch Wohnungsprostitution, sofern keine dritte Person ihre Wohnung zu solchen Zwecken zur Verfügung stellt. Verboten ist das direkte Ankobern von Kunden durch Prostituierte. Strafbar sind sexuelle Handlungen auf öffentlichem Grund und Boden (auch im Auto). In neuerer Zeit bereitet die immer größer werdende Zahl von illegalen Prostituierten aus Afrika und Osteuropa Probleme. Ein 2002 von Sozialministerin Livia Turco unterbreiteter Vorschlag, wieder staatlich kontrollierte Bordelle zuzulassen, um so dem unkontrollierbaren Straßenstrich die Grundlage zu entziehen, stieß bei Politikern und in der Öffentlichkeit überwiegend auf Ablehnung bis Empörung. Feministische Gruppierungen und einige katholische Bischöfe fordern indessen die Bestrafung der Freier nach schwedischem Vorbild.

[009]

Das sollte dannw ohl auch ein Mosaiksteinchen in der Anti-Berlusconis Stimmung abgeben.

Strafbar sind sexuelle Handlungen auf öffentlichem Grund und Boden (auch im Auto).

Weder gerade für den Thread noch für mich relevant sehe ich da doch die Frage, was genau nach italienischer Lesart zu sexuellen Handlungen zählt und ob bei Auto der aspekt eine Rolle spielt, ob von draussen etwas zu sehen ist, was je nach dem bei abgedunkelten Scheiben oder Minivans/Transporter mit ohne Glasscheiben der Fall wäre.

[009]

Ich denke, im Prozeß haben sie diesmal gute Chancen gegen ihn. Er kann ja nicht einfach, wie beim letzten Mal, spontan die Verjährungsfristen 'seiner' Delikte verkürzen, weil er seine Parlamentsmehrheit verloren hat.

Das wäre ja auch zu einfach gewesen - er hat da wohl eine andere Idee für besser gehalten, wie dem Spiegel zu entnehmen ist:

Berlusconi präsentiert kurz vor Prozess Justizreform
[...]
Der Vorschlag sieht vor, dass die Staatsanwaltschaft gegen einmal ergangene Freisprüche künftig keine Berufung mehr einlegen kann. Zudem sollen Richter wegen Fehlurteilen verklagt werden können.

Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi erklärte, er gehe davon aus, dass das Parlament dem Gesetz zustimmen werde. Kritiker werfen Berlusconi vor, sich mit der Initiative dem Zugriff der Justiz entziehen zu wollen. Es bestehe kein Zusammenhang mit dem anstehenden Prozess gegen ihn in der Sexaffäre um die damals minderjährige Marokkanerin namens Ruby, sagte Berlusconi nach der Kabinettssitzung.

[...]

Die Reform muss von einer Zweidrittelmehrheit in beiden Parlamentskammern oder per Volksentscheid beschlossen werden. Experten halten es angesichts der knappen Mehrheit der Regierung im Unterhaus allerdings für unwahrscheinlich, dass die Reform in nächster Zeit zustande kommt.

Der letzte Absatz scheint aber Anlass zur Hoffnung zu geben, dasss Berlusconi mind. in der Ruby-Affäre nicht selber von seiner eigenen Justizreform wird profitieren können...
Ob sich die geplante finanzielle Haftung für Fehlurteile (die nebenbei wer an Hand welcher Kriterien als solche einstufen will?) mit der Unabhängigkeit der Justiz so ganz verträgt, wage ich mal zu bestreiten...

[Lykurg]

Fehlurteile stellt Berlusconi selbst kraft seines Amtes als Volkstribun auf Lebenszeit fest und verkündet sie ex cathedra.

Diese Pläne einer Justizreform sind wirklich haarsträubend. Sowohl die Nichtrevisionsfähigkeit von Freisprüchen als auch die Möglichkeit, Richter zu verklagen (das wäre die Grundlage für finanzielle Haftbarkeit), stellen massive Eingriffe in die Rechtsstaatlichkeit dar - die logische Konsequenz aus ersterem wäre, im Zweifel keinen Freispruch zu verkünden; die aus letzterem aber, daß klagefreudige Angeklagte mit Freisprüchen rechnen können, und die ohnehin schon überlastete italienische Justiz noch viel mehr Verfahren (gegen sich selbst) aufgelastet bekommt. Gut, daß er dazu keine eigene Mehrheit hat (und wohl auch im Volk nicht finden dürfte).

Edith: Zugegebenermaßen eher eine unsichere Hoffnung; Korruption und Medienmacht haben ihm schon vieles ermöglicht.

[Ipsissimus]

das glaube ich erst, wenn die "Reform" tatsächlich abgelehnt wurde, bis dahin nur vorsichtiges Hoffen

[fanvarion]

... und Berlusconi lebt immer noch. Er kann sich durch die augenblicklichen Umweltkatastrophen vorsichtig sanieren.

[009]

Wie u.a. dieser Artikel des KSTA zeigt, "funktioniert" sein einfach weitermachen und Wahlen gewinnnen zumindest bei den Kommunalwahlen nicht mehr so ganz. Möge das ein guter Anfang für sein politisches Ende sein!

[009]

Der vorgenannte Trend hat sich auch bei den Stichwahlen bestätigt, wie ua. die Welt unter dem Titel Schwere Schlappe für Berlusconi bei Wahlen vermeldet:

Große Niederlage für Silvio Berlusconi und seine Mitte-Rechts-Regierung: Ausgerechnet in der Hochburg Mailand des italienischen Ministerpräsidenten stellt erstmals nach fast zwei Jahrzehnten die Linke den Bürgermeister.
[...]
Auch in der zweiten umkämpften Millionenstadt Neapel siegte die Linke klar.

Berlusconi hatte diesen Urnengang - zwei Jahre vor den nächsten Parlamentswahlen - vor allem in der norditalienischen Metropole Mailand zu einem "nationalen Test" für seine Person und die Regierung ausgerufen. Nach dem schlechten Abschneiden im ersten Durchgang zeigte sich der 74-Jährige allerdings zunehmend nervös und aggressiv.