Atomausstieg

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Padreic
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4485
Registriert: 11.02.2001
Mi 23. Mär 2011, 00:34 - Beitrag #1

Atomausstieg

Es ist wohl keinem von euch verborgen geblieben, dass, angeregt durch die Ereignisse in Japan, Atomkraft und der Zeitpunkt eines deutschen Atomausstiegs so viel besprochen wird in den Medien und wohl auch unter der Bevölkerung wie schon länger nicht mehr, so auch im Nachbarthread über das Erdbeben. Für eine wirkliche Auswertung der Ereignisse in Fukushima ist es noch zu früh; so lange der Ausgang nicht klar ist, kann es weder recht fundiert für noch gegen Atomkraft als Argumentationsgrundlage fungieren. Da die Lehren, die daraus gezogen werden könnten, sowieso nur ein Mosaikstein unter vielen wären, ist es sicherlich aber nicht zu früh, um über Wert, Gefahren und Alternativen von Atomkraft zu sprechen. Das haben wir schon früher an manchen Stellen getan, aber es schadet wohl nichts, diese Diskussion zu erneuern. - insgesamt war es zunächst eher als ein Plädoyer gedacht, schwankt aber zwischendurch in Richtung einer Meditation. Ich entschuldige mich vorab, dass es so lang geworden ist. Es ist nunmal ein Thema, das mich momentan umtreibt.

Ich will mit den Gefahren und Problemen beginnen. Diese sind, denke ich, dreifach:
1) Uranabbau: es gibt sowohl chemische Belastung der Umwelt durch giftige Metalle, die frei werden, als auch eine gewisse radioaktive Belastung. Zudem ist es umstritten, wie große Uranvorkommen noch existieren.
2) Unfälle beim laufenden Betrieb eines Reaktors: es kann in verschiedenen Unfällen Radioaktivität freigesetzt werden, bei komplettem Kühlungsausfall auch möglicherweise in erheblichen Maße.
3) Abfall: es entsteht in verschiedenem Maße und sehr lange Zeit strahlender Abfall; eine auf Dauer sichere und zufriedenstellende Lagerstätte zu finden ist nicht einfach.

Auch wenn man diese Probleme sicher nicht wegdiskutieren kann, will ich doch einige Anmerkungen dazu machen.
zu 1): Jeder Bergbau verursacht Umweltprobleme und bei jedem Bergbau kommt es darauf an, wie man es macht - da ist sicherlich noch Verbesserungspotential, das man durch verbesserte Auflagen etc. zum Teil sicherlich auch ausschöpfen könnte. Die Begrenztheit macht mir da schon mehr sorgen. Wenn es keine größeren neuen Vorkommen gibt und keine wesentlichen neuen technischen Erfahren industriell erschlossen werden, wird da wohl ein größerer Engpass nur noch eine Sache von Jahrzehnten sein - bei der Frage, wie viele Jahrzehnte es sind, gibt es natürlich, wie immer Streit, die Prognosen sind da irgendwo zwischen 2 und 20 Jahrzehnten. Den Uranmangel abdämpfen könnte man sicherlich durch Rückgewinnung von Uran aus Kohleasche aus Kohlekraftwerken, was aber sicherlich nicht mehr als 20% des Jahresverbrauches decken kann. Die größten Hoffnungen sind sicherlich Varianten des schnellen Brüters, wie z. B. der Integral Fast Reactor, und die Gewinnung von Uran aus Meerwasser. Der Beweis, dass diese zuverlässig und kostengünstig im industriellen Maßstab funktionieren können, steht aber wohl noch aus. Zum Meerwasser lassen sich unterschiedliche Meinungen z. B. bei wikipedia und in einem Foreneintrag finden.

2) Was ein sicher ein realistisches, wenn auch sehr unwahrscheinliches Szenario ist, ist das einer (partiellen) Kernschmelze. Dabei können ein paar Dutzend Leute höhere Strahlendosen abbekommen, ein paar sterben; das Reaktorgelände und der nähere Umkreis können dauerhaft Probleme mit Radioaktivität haben. Wirtschaftlich natürlich ein Totalschaden. Dafür, wie unwahrscheinlich es ist, kann man es, denke ich, als Restrisiko hinnehmen, wenn man möglichst viel dafür tut, es zu vermeiden - d.h. gute Reaktoren bauen, regelmäßige Überprüfungen machen, bei zu großen Problemen, Reaktoren vom Netz nehmen.... Eine Katastrophe a la Tschernobyl ist bei einem gut gebauten Reaktor, denke ich, nicht sehr realistisch, selbst bei einem Flugzeugabsturz. - man muss dazu sagen, dass wir auch bei anderen Gebäuden bei Flugzeugabstürzen oder großen Naturkatastrophen keine 100%ige Sicherheit erwarten. Waren die World Trade Center schlecht gebaut, es ist ein unvertretbares Risiko solche Türme zu bauen? Was passiert, wenn man als Terrorist, statt in einem Atomkraftwerk Bomben hochgehen lässt, es unter vollbesetzten Zügen macht? Was passiert, wenn ein Tsunami einen Zug trifft statt ein AKW? Wie viele Leute sterben jedes Jahr bei ganz banalen Industrie- oder auch Haushaltsunfällen, die sicherlich auch oft vermeidbar wären, wenn man nur genug Geld investieren würde?
Insgesamt ist die Gefahr von AKWs sicherlich real und ich habe auch ein mulmiges Gefühl, wenn ich an einen Unfall dort denke. Aber ich denke, man überschätzt die Gefahren aus zwei Gründen: erstens weil man große Unglücke (wie Tschernobyl, 9/11, normale Flugzeugabstürze etc.) an der durchschnittlichen Totenanzahl überschätzt, weil sie im Gegensatz zu der Frau, die die Treppe runtergefallen war, so im Gedächtnis hängen bleiben; zweitens, weil Atomkraft und Radioaktivität so einen mysteriösen Touch jenseits alles Alltags hat. Es ist nicht so banal wie ein Arbeiter, der bei Wartungsarbeiten von einem Windkraftwerk fällt, oder eine Ölraffinerie, die explodiert.
Außerdem lässt sich die Sicherheit mit moderner Kraftwerktechnik natürlich noch erhöhen. Der Integral Fast Reactor verspricht leider nicht unbedingt höhere Sicherheit...

3) Sagen wir man bringt den Atommüll in eine abgelegene Gegend in Nordnorwegen? Atommüll ist etwas blödes, weil es so dauerhaft blöd ist. Aber wenn man es in eine abgelegene Gegend mit einem guten, festen Bauwerk in gutem festen Gestein unter der Erde bringt....ist es dann wirklich noch etwas so schlimmes? Außerdem kann man mit alternativen Kraftwerkstechnologien a la Integral Fast Reactor die Energie des Urans sehr viel besser nutzen und so Abfall produzieren, der sehr viel schneller ungefährlich wird [d.h. auf Strahlungsniveau von natürlich vorkommenden Uran reduziert wird].

Als Zwischenstand kann man sich fragen: welche dieser Probleme rechtfertigen einen schnellen Atomausstieg? Mehr Atommüll ist zwar nicht gut, aber im Vergleich zu dem, den wir bisher schon produziert haben, macht der von zwei weiteren Jahrzehnten den Braten auch nicht fett. Die Ressourcenknappheit wird bis dahin wohl auch noch nicht allzu akut werden [sonst wären die Chinesen und all die anderen, die jetzt Atomkraftwerke im großen Stil bauen, doch arge Deppen....]. Zur Sicherheit ist es wohl am besten, wenn man gerade die alten Reaktoren mit neuen Kenntnissen über mögliche Katastrophen einer gründlichen Überprüfung unterzieht und wenn sie nicht gut dabei abschneiden, sie abschaltet; ansonsten halte ich das Risiko für überschaubar.
Insgesamt sprechen so die Probleme keineswegs eine eindeutige Sprache für einen schnellen Atomausstieg, vor allem nicht für einen bis 2017. Bevor man langfristig auf Atomkraft setzt, sollte aber zumindest die Frage geklärt sein, ob es noch für die nächsten 100 Jahre mit vertretbarem Aufwand förderbares Uran gibt oder nicht und auch ein vernünftiges Konzept für die Mülllagerung sollte vorhanden sein. [das natürlich ganz unabhängig davon, dass eine langfristige Nutzung von Atomenergie auf erhebliche politische Schwierigkeiten stoßen würde.]

Was ist der Hauptwert von Atomkraft? Es werden zumeist zwei Argumente genannt:
1) Atomkraft ist billig.
2) Atomkraft produziert wenig CO2.
Zu beiden Punkten ist dieses Dokument des Umweltministeriums recht interessant. Das Fazit ist in etwa: Atomkraft hat durch Uranförderung und Urananreicherung auch durchaus "CO2-Kosten". Diese hängen sehr stark von der Anreicherungstechnik ab. Benutzt man dafür wieder Atomstrom, so ist sie sehr gering, sicherlich geringer als bei in Deutschland produziertem Solarstrom, aber wohl sogar niedriger als bei Windkraft (siehe Tabellen S. 6 und 7). Sowohl mit Kohle- als auch Gaskraftwerken lassen sich (deutlich) geringere Stromproduktionskosten als mit neuen AKWs erzielen. Da bei AKWs vor allem die Anfangsinvestitionen sehr hoch sind, ist die Lage vermutlich bei schon vorhandenen und laufenden AKWs deutlich anders, aber dazu finde ich leider in diesem Dokument keine Informationen. Aber es dürfte klar sein, dass sich wirtschaftlich eine längere Laufzeit von vorhandenen Reaktoren lohnt.
Dazu will ich noch einen dritten Punkt nennen:
3) Uran kommt in nicht unwesentlichen Mengen aus Kanada und Australien. Selbst in Deutschland gibt es kleinere Vorkommen. Dagegen sind viele Ölvorräte im nahen Osten konzentriert und auch Russland verfügt bekanntlich über große Öl- und Gasvorkommen. Es ist nicht schön, sich zu sehr von politisch verdächtigen Mächten abhängig zu machen...

Nun zum letzten Punkt, den Alternativen. Was machen, wenn man den Atomstrom abstellt. Kurz- bis mittelfristig sehe ich ungefähr 4 Möglichkeiten:
1) Verstärkt auf fossile Brennstoffe wie Kohle- und Gas setzen. Das ist preisgünstig, Kohle ist auch en masse vorhanden. Wenn man an irgendwelchen CO2-Bilanzen interessiert ist, ist es natürlich nicht so nett.
2)Wir importieren Strom.
3)Wir bauen massiv Wind- und Solarkraft aus. Ein großes Problem hierbei ist, dass die Leistung sehr stark schwankt, je nach Wind und Wetter [schon jetzt haben wir Probleme, die Leistungsspitzen abzuführen!]. Das kann im wesentlichen auf zwei verschiedene Weisen ausgleichen werden:
3a): Wir bauen viele Kraftwerke, die sich schnell hoch- und runterregulieren lassen. Mit Kernkraftwerken ist das überraschenderweise wohl zumindest im Prinzip teilweise möglich; aber ideal wären hier natürlich Gaskraftwerke.
3b): Wir bauen Speichermedien. Die effektivste Möglichkeit wären wohl Pumpkraftwerke. Man pumpt mit überflüssigem Strom einfach Wasser nach oben, was man bei Bedarf dann sehr schnell wieder in Strom verwandeln könnte. Quasi ein künstliches Wasserkraftwerk. Nur wo bauen in Deutschland? Oder kann man die Norweger dazu überreden, diese en masse zu bauen?

Diese Punkte lassen sich natürlich auch kombinieren. Bei einem schnellen Atomausstieg würde das vermutlich auch passieren: ein bisschen mehr Solar- und Windkraft, ein bisschen mehr Kohlekraft, ein Stück mehr Gaskraftwerke, ab und zu ein wenig Strom importieren. Bei den erneuerbaren Energien sollte man aber zumindest zwei Sachen neben der enormen Leistungsschwankung beachten: Windkraft braucht sehr viel Platz; viele, viele Quadratkilometer. Plus ein großes neues Hochspannungsnetz. Diese bei den Anwohnern im großen Stil durchzusetzen ist wohl fast so schwer wie Gorleben durchzusetzen, insbesondere wenn man zusätzlich noch Pumpkraftwerke anlegen will... Aber man muss Windkraft sicherlich zugute halten, dass es relativ wirtschaftlich ist. Ganz im Gegensatz zu Solarkraft in Deutschland, was irre teuer ist. Ich habe nicht im Prinzip was gegen Solarkraft: in Spanien, in Südfrankreich, Nordafrika etc. Man kann sich gerne die Tabelle auf S. 13 von oben erwähnten Dokument des BMU betrachten; zwischen Deutschland und Spanien ist hier ein Unterschied von 30-50ct/kWh zu ungefähr 9-12ct/kWh. [zum Vergleich: Atomstrom 4,5-5,5; Kohlekraft 4-5; Kohlekraft mit Fernwärme 2,5-3,5].

Insgesamt möchte ich noch hinzufügen, dass mittel- bis langfristig angesichts der großen ökologischen Verwüstungen durch Erdöl und den begrenzten Kapazitäten, ein Ausstieg aus dem Erdöl nötig ist. Das geht primär dadurch, dass man Öl- durch Gas-Heizungen ersetzt und herkömmliche Autos durch z. B. Elektroautos ersetzt. Tendentiell wird jedenfalls dadurch der Stromverbrauch steigen.

Auf jeden Fall muss jeder, der den schnellen Atomausstieg fordert, auch eine brauchbare Alternative aufzeigen können. Und ich meine aufgezeigt zu haben, dass ein massiver Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland da nur begrenzt taugt und dem gegenüber die Atomenergie wohl mittelfristig mehr Vor- als Nachteile hat.

009
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 2000
Registriert: 10.07.2009
Mi 23. Mär 2011, 02:09 - Beitrag #2

Zitat von Padreic:Es ist nunmal ein Thema, das mich momentan umtreibt.
Nicht nur Dich - und irgendwie auch deswegen freue ich mich über die Existenz der Matrix wie besonders auch, hier dabeisein zu können. Weil es hier "einfach" anspruchsvolle sachliche Diskussionen gibt, wobei man mal selber Wissen, auch durch Links, beiträgt und mal von anderen mit diesem Service bedient wird. Also etwas, das ich sonst kaum wo finden kann.


Zitat von Padreic:in einem Foreneintrag
Korinthenkackerig muss ich anmerken, dass Du gerade keinen Foreneintrag sondern einen Beitrag aus der Usenet-Newsgroup de.soc.umwelt verlinkt hast. Nur weil heute kaum noch einer das Usenet kennt, bliebt das doch noch immer die älteste und irgendwo vielleicht auch beste Kommunikationsplattform des Internet. Leider mehrnur noch erfahrenen Nutzern schon von früher bekannt, eher nur textorientiert ohne Klickibunti und ohne Spezialsoftware nicht komfortabel zu nutzen, dafür hocher Anteil von wirklich wissenden und kaum Trolls. Also irgendwie wie die Matrix, halt nur größer^^


Zitat von Padreic:Dabei können ein paar Dutzend Leute höhere Strahlendosen abbekommen, ein paar sterben] Das mit der dauerhaften Problematik und dem sozusagen entstehen von Sperrgebieten bzw. durch Nicht-mehr-Nutzbarkeit von ggf,. weiten Teilen eines Landes oder mehrerer Länder unterscheidet einen atomaren GAU dann doch etwas von anderen Unglücken und Katastrophen mit ähnlich hohen Opferzahlen. Denn während bspw. wohl in/um Tschernobyl gewiss >50 Jahre sichkeine Menschen mehr aufhalten können/sollten, sieht das am World Trade Center, in erdbebenbetroffenen oder von Tsunamis überspülten Bereichen mit wohl eher <5 Jahre schon ganz anders aus.


Zitat von Padreic:Wie viele Leute sterben jedes Jahr bei ganz banalen Industrie- oder auch Haushaltsunfällen, die sicherlich auch oft vermeidbar wären, wenn man nur genug Geld investieren würde?
Ohne die Zahlen gerade zu haben oder googlen zu wollen: das wohl Haushaltsunfälle insgesamt mehr Opfer fordern als Straßen- oder/und Luftverkehre ist die eine nicht so ganz bewusst wahrgenommene Sache. Ebenso der wenn ich mich recht erinner im Vergleich zu manchen schlimmen (organischen) Krankheiten erschreckend hohe Verlust von Menschenleben durch Depressionen, die in Freitode münden.


Zitat von Padreic:Da bei AKWs vor allem die Anfangsinvestitionen sehr hoch sind, ist die Lage vermutlich bei schon vorhandenen und laufenden AKWs deutlich anders, aber dazu finde ich leider in diesem Dokument keine Informationen. Aber es dürfte klar sein, dass sich wirtschaftlich eine längere Laufzeit von vorhandenen Reaktoren lohnt.
Letzteres ist logisch]1) Verstärkt auf fossile Brennstoffe wie Kohle- und Gas setzen. Das ist preisgünstig, Kohle ist auch en masse vorhanden. Wenn man an irgendwelchen CO2-Bilanzen interessiert ist, ist es natürlich nicht so nett.
Das mit den "Kosten" scheint mir zumindest bei Braunkohle so eindeutig nicht, da für die in D übliche Gewinnung per Tagebau auch massive Eingriffe in die Umwelt nötig sind: ganze Orte umsiedeln und auflösen, wie westlich Kölns bis zu 300m tiefe Löcher grabene, dort und im angrenzenden Gebiet das Grundwasser absenken.



Zitat von Padreic:Auf jeden Fall muss jeder, der den schnellen Atomausstieg fordert, auch eine brauchbare Alternative aufzeigen können. Und ich meine aufgezeigt zu haben, dass ein massiver Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland da nur begrenzt taugt und dem gegenüber die Atomenergie wohl mittelfristig mehr Vor- als Nachteile hat.
Das mit den brauchbaren Alternativen ist eine eigentlich mehr als naheliegende, sinnvolle bis unabdingbare Voraussetzung wie etwas, das in der öffentlichen Diskussion, wie vor allem beim wahlkämpferischen agieren - ich sags mal so - gewiss nicht überbewertet wird.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Mi 23. Mär 2011, 09:48 - Beitrag #3

Lieber Padreic, vielen Dank für diese sachliche und gründliche Darstellung! Die Länge bedarf keiner Entschuldigung, im Gegenteil hast du dich angesichts der Komplexität, der jahrzehntelangen Diskussion darum und der Vollständigkeit der abgedeckten Bereiche sehr kompakt ausgedrückt.
Entsprechend kurz halte ich meine Nachträge.

Zur Abfallentsorgung wäre noch anzumerken, daß ja ohnehin große Mengen an radioaktiven Materialien aus den letzten Jahrzehnten vorhanden sind, ein Endlager also in jedem Fall gefunden werden muß, und insofern die offene Frage der Endlagerung den Weiterbetrieb nicht betrifft.

Dagegen können bei Entwicklung neuer Reaktortypen (was den Verbleib bei der Technologie voraussetzt) Schwerpunkte auf verstärkte Nutzung noch spaltbaren Materials aus verbrauchten Brennelementen sowie auf die Transformation langlebiger Isotope in solche mit kürzerer Halbwertszeit gesetzt werden. Die Ansätze, die bei Reaktoren der IV. Generation verfolgt werden, finde ich sehr spannend.

Ein Endlager könnte auch (selbstverständlich unterirdisch) in einem Gebiet gesucht werden, in dem ohnehin Strahlenbelastung herrscht, etwa in einem (ehemaligen) Uranbergwerk oder einem der russischen Test- oder Unfallgebiete. Im Gegenzug könnten die Nutznießer sich für eine möglichst weitgehende Dekontamination der Umgebung engagieren.

Zu den Speicherkraftwerken stimme ich mit dir überein, daß die Flächen für Wasserkraftwerke als Pumpspeicher hierzulande weitgehend erschöpft sein dürften. Erwogen und experimentell erprobt wird aber auch die Kompression von Luft bzw. Gas in unterirdischen Kavernen in großer Tiefe, also quasi ein Druckluftspeicher. Die haben den Vorteil, auch in Norddeutschland, dicht an den großen Windparks, verfügbar zu sein, vorausgesetzt das Gestein ist hinreichend dicht.

Insgesamt wäre zu wünschen, daß deine klare Darlegung den Weg in ein größeres Medium findet, denn das wesentliche Problem der Kernenergie, abseits aller lösbaren technischen Fragen, ist eines der Vermittlung und des Images. Leider habe ich wenig Hoffnung auf Verbesserung, da der Diskurs kaum noch Raum für die Abwägung von Argumenten läßt.

Ipsissimus
Dämmerung
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 10251
Registriert: 29.10.2004
Mi 23. Mär 2011, 11:24 - Beitrag #4

hinsichtlich des Endlager-Problems bin ich der Ansicht, dass die Lösung nicht aus einem Endlager bestehen kann sondern in der angesprochenen Isotopenumwandlung zu suchen ist. Ob dabei die Variante der Umwandlung in Isotopen mit geringer Halbwertszeit - die oft drastische Strahlungsdosen verursachen - oder die Variante der Umwandlung in langlebige Isotopen mit einer Strahlenlast in Größenordnung der Hintergrundstrahlung zu besseren Ergebnissen führt, müsste noch geprüft werden. "Geringe Halbwertszeit" deckt doch oft genug noch mehrere Jahre oder Jahrzehnte bis wenige Jahrtausende ab, und das dürfte angesichts der aktuellen Debatte niemanden so richtig zufriedenstellen.

009
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 2000
Registriert: 10.07.2009
Mi 23. Mär 2011, 11:51 - Beitrag #5

Ergänzend zu meinem Ausführungen kann ich nebenbei dem Beginn von Lykurgs Beitrag nur vollkommen zustimmen.

e-noon
Sterbliche
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4576
Registriert: 05.10.2004
Mi 23. Mär 2011, 12:27 - Beitrag #6

Dabei können ein paar Dutzend Leute höhere Strahlendosen abbekommen, ein paar sterben; das Reaktorgelände und der nähere Umkreis können dauerhaft Probleme mit Radioaktivität haben.

Nicht nur das Reaktorgelände, auch die Menschen, die darin wohnen.
Laut WHO und IAEA (2006) starben knapp 50 Menschen an der Strahlenkrankheit. In den drei am stärksten betroffenen Ländern ist aufgrund der erhöhten Strahlenexposition mit etwa 9000 zusätzlichen tödlichen Krebserkrankungen zu rechnen.

Gut, 9000 sind wahrscheinlich weniger, als bei der Tsunami starben, aber die Frage "Atomkatastrophe oder Tsunami" stellt sich ja nicht, eher bekommt man wenn dann beides.

Der "nähere Umkreis" sind bei Tschernobyl meines Wissens 30 km. Gut, dass zwischen Bonn und Köln kein Kraftwerk steht, sonst müsste man die beiden Städte im Ernstfall eben leerräumen. Bei Aachen befindet sich eins, auch wenn ich die genaue Adresse gerade nicht finde; Aachen müsste also dann evakuiert werden. Die Gegend um Tschernobyl war wohl auch vorher schon nicht dicht besiedelt, 14.000 Einwohner zählte die Stadt vor dem Unfall. Wenn man Atomkraftwerke baut, dann würden sich doch leerere Gegenden anbieten, aber laut Karte ist das nicht der Fall, eventuell noch Folge der Entscheidung, durch die DDR gebaute Kernkraftwerke sowjetischen Bautyps stillzulegen.

Es macht einen großen Unterschied, ob in Naturkatastrophen Menschen sterben, oder ob der Tod einer großen Menge von Menschen für günstigeren Strom in Kauf genommen wird. Deswegen muss man aber nicht die Atomkraft als solche aufgeben, sondern kann für (noch) mehr Sicherheit sorgen und könnte auch versuchen, den Ängsten der Bevölkerung entgegenzukommen, indem man Atomkraftwerke in abgelegenen Gegenden baut und gleichzeitig vermittelt, dass selbst beim GAU nicht ganz Deutschland sterben würde, sondern nur ein recht kleiner Fleck langfristig lebensgefährlich kontaminiert wäre. Das Problem ist vermutlich die fehlende Infrastruktur in solchen Gegenden, sowohl für Antransport der Rohstoffe als auch Abtransport des Stroms; warum baut man also nicht mehrere Atomkraftwerke nebeneinander, damit sich der Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur in eher unbelebten Gegenden lohnt?

"Geringe Halbwertszeit" deckt doch oft genug noch mehrere Jahre oder Jahrzehnte bis wenige Jahrtausende ab, und das dürfte angesichts der aktuellen Debatte niemanden so richtig zufriedenstellen.

Jahre bis einige Jahrzehnte wären schonmal nicht schlecht, alles, was über fünfzig Jahre geht, ist den jetzt Lebenden aber vermutlich kein großer Trost, das stimmt.

Sagen wir man bringt den Atommüll in eine abgelegene Gegend in Nordnorwegen?

:| Muss es gerade Nordnorwegen sein? Mir ist klar, dass das meiner Forderung nach abgelegenen Gebieten für Atomkraft entgegenkommt. Eines der Probleme ist aber, dass es wohl durchaus sichere, menschenleere Gegenden gibt, in denen man Atommüll lagern könnte; dies ist aber nicht wirtschaftlich, und illegale Müllentsorgung über Italien/Sizilien nach Afrika (wenn die Italiener Glück haben) wohl nicht selten. Natürlich wünschenswert, aber wenn in der Atomkraft alles so gehandhabt würde (worden wäre) wie es wünschenswert ist, gäbe es auch weniger Ängste in der Bevölkerung. Hätte man in Tschernobyl keine Graphitstäbe verwendet...

Meinetwegen können einwandfrei funktionierende, sichere Kraftwerke weiterlaufen und auch neue gebaut werden, wenn dies in Gegenden geschieht, die relativ unbesiedelt sind. Eine Sperrzone von 10 km rund um das Kraftwerk wäre eine gute Vorsichtsmaßnahme; ob das die Bevölkerung eher beruhigen oder die Gefahren noch deutlicher ins Bewusstsein rufen würde, weiß ich momentan nicht, aber mich würde es beruhigen. Es spricht aber auch aus meiner Sicht nichts dagegen, Atomstrom aus anderen Ländern zu kaufen, Frankreich zum Beispiel. Abhängigkeit ist kein besonders geeignetes Argument, denn von Öl und vielen anderen Rohstoffen sind wir mindestens ebenso abhängig, und Frankreich hat vielleicht weniger Grund und den Wunsch, uns zu erpressen, als andere Länder. Wenn der Strom dadurch teurer würde, hätte ich die Hoffnung, dass sich der Verbraucher und folgend die Wirtschaft stärker für stromsparende Modelle interessiert, sowie für neue Energiequellen.

Maglor
Karteizombie
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4281
Registriert: 25.12.2001
Mi 23. Mär 2011, 19:08 - Beitrag #7

Nachtrag zum Uranabbau:
Dass in deutschen Kraftwerken verwendete Uran wird über Frankreich importiert und stammt zum größten Teil aus dem Urantagebau im Niger. In den Städten Arlit und Akokan kann erhöhte Radioaktivität im Wasser festgestellt werden, aber das macht ja nichts, in dem Wüstenstaat gibt es ohnehin kaum Wasser. :crazy:
Spiegel 2. April 2010
Im vergangenen November kamen dann die Leute von Greenpeace. Sie blieben neun Tage. Und sie fanden überall erhöhte Strahlung. Eine Sandprobe aus der Nähe der Mine in Akokan enthielt 100-mal mehr radioaktive Stoffe als normaler Sand. In den Straßen von Akokan fanden die Greenpeace-Leute sogar Strahlung, die 500-mal höher war als normal. Früher wurde der radioaktive Abraum der Mine als Baumaterial für Straßen und Häuser benutzt. Von fünf Wasserproben lagen vier über den Richtwerten der Weltgesundheitsorganisation für Uran. Nach Aussage von Areva ist die jährliche Strahlendosis für die Einwohner geringer als bei einem Brust-Röntgenbild.

Tja, das ist die Todeszone des deutschen und französischen Atomenergie. Es wäre mal interessant zu wissen, ob Arlit und Akokan nun tödlicher sind sind als Fukushima und Tschernobyl. (Anders als als in Japan und der Ukraine gibt es dort keine Schutzmaßnahmen, nur ein paar Tuareg-Rebellen, die ab und an ein paar französische Ingineure entführen. Diese kämpfen zurzeit in Libyen für Gaddafi.)

Stuttgarter Zeitung
Messungen in der rund 30 Kilometer vom AKW Fukushima entfernten Gegend ergaben einen deutlich erhöhten Wert von 965 Becquerel Jod pro Liter Leitungswasser, wie Kyodo unter Berufung auf das Gesundheitsministerium berichtete. Der Grenzwert [Japan? WHO?] liegt bei 300 Becquerel. Auf der Website des Dorfes hieß es, in der kommenden Woche solle es Strahlungstests für die komplette Bevölkerung geben.


Tja, wahrscheinlich sind die Zahlen auch nicht vergleichbar. Im Niger sind Wasser und Luft direkt mit Uran und Radon belastet, in Japan ist es radioaktives Jod und Caesium.

Erschwerend kommt hinzu, dass im Niger alle paar Jahre Krieg um Uran geführt wird. Die Toten dürfen dann gerne als weitere Opfer der europäischen Atomenergie angelastet werden.

Zitat von e-noon:Muss es gerade Nordnorwegen sein?

Wie wärs mit Somalia? Ganz weit weg, keine Regierung und in dem Land wohnen nur Piraten und Terroristen.

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Mi 23. Mär 2011, 22:01 - Beitrag #8

Zitat von Padreic:Ich will mit den Gefahren und Problemen beginnen. Diese sind, denke ich, dreifach:
1) Uranabbau:
2) Unfälle beim laufenden Betrieb eines Reaktors:
3) Abfall:

Ergänzend wäre noch auf Fälle gehäuften Auftretens bestimmter Krebserkrankungen z.B. in Krümmel und Asse hinzuweisen - Artefakte durch verstärkte Beobachtung, Immissionen im Regelbetrieb, nicht bekannt gewordene Störfälle?
Außerdem wären auch die Immissionen bei der Wiederaufarbeitung einzubeziehen, in La Hague und Sellafield werden radioaktive Abwässer ins Meer geleitet.
Außerdem auf politisch-soziale Implikationen im Sinne des Atomstaatsbegriffes von Robert Jungk.
(Kurz gesagt geht er davon aus, daß ein Staat, in dem mit derart sensiblen Anlagen und Stoffen umgegangen wird, nicht nur diese angemessen sichern muss, sondern zur Gewährleistung ihrer angemessenen Sicherung grundlegend repressiv gestaltet sein muss, zumindest aber in der Gefahr steht, grundlegend repressive Züge anzunehmen.
Eine IMHO sehr stark vernachlässigte Fragestellung).

2) Was ein sicher ein realistisches, wenn auch sehr unwahrscheinliches Szenario ist, ist das einer (partiellen) Kernschmelze. Dabei können ein paar Dutzend Leute höhere Strahlendosen abbekommen, ein paar sterben]
Je nach dem Verlauf des Störfalls und der Veröffentlichungspraxis seitens betreibern und staatlichen Stellen können auch ein paar Tausend oder mehr Menschen höhere Strahlendosen abbekommen oder lebenslang wirksame Isotopenmengen inkorporieren, der betroffene Umkreis kann mehrere hundert Kilometer umfassen.

IMHO ist aber die Fixierung auf eine Kernschmelze o.ä. insofern problematisch, als bereits im Normbetrieb bzw. durch kleine Vorfälle genügend radioaktive Partikel in die Umwelt gelangen, um dort möglicherweise längerfristig Schäden anzurichten. In einem der süddeutschen KKWs ist mal radioaktives Kühlwasser in den Rhein geflossen, wie wäre es damit im Grundwasser...?
In Krümmel gibt es zumindest Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Radioaktivität und gehäufter Leukämie bei Kindern.

3) Sagen wir man bringt den Atommüll in eine abgelegene Gegend in Nordnorwegen? Atommüll ist etwas blödes, weil es so dauerhaft blöd ist. Aber wenn man es in eine abgelegene Gegend mit einem guten, festen Bauwerk in gutem festen Gestein unter der Erde bringt....ist es dann wirklich noch etwas so schlimmes?

Wer den Müll macht, muss auch für ihn aufkommen, insofern bin ich für eine schwerpunktmäßige Deponierung des deutschen Mülls in Deutschland - über den geeigneten Standort wäre zu streiten. Davon ab sollen die skandinavischen Granite vergleichsweise klüftig sein, also nicht unbedingt für eine dauerhafte Lagerung erst recht multinationaler Mengen geeignet.

Was ist der Hauptwert von Atomkraft? Es werden zumeist zwei Argumente genannt:
1) Atomkraft ist billig.

Der Preis ist wohl insofern relativ, als ein größerer Teil der Schadenshaftung nicht durch Versicherungen abgedeckt ist, sondern der Allgemeinheit angehängt wird - auch der Haftungsverbund der großen Energieversorger wird sich IMHO in dem Moment relativieren, wo deren Börsenwert nach einem großen Störfall so weit sinkt, daß keine relevanten Mittel mehr aufgebracht werden können.
Gesundheitliche Folgen fallen dem Gesundheitssystem zur Last, nicht den Verursachern.
Zudem sind die Folgen des Uranabbaus nicht eingepreist, ebenso die öffentlichen Leistungen für die Sicherung der Anlagen, einschließlich möglicher Beschneidungen von Freiheitsrechten.
Anzumerken wäre auch, daß ein großer Teil der Erforschung durch staatliche Mittel finanziert worden ist.
Zu fragen wäre auch, wie weit eine zu billige Energieversorgung die Abhängigkeit von elektrischer Energie übermäßig verstärkt.
(Wenn in Kundenzeitschriften der RWE für elektrische Handtuchwärmer und ähnlich überflüssige Energieverbraucher geworben wird, läuft etwas schief in meinen Augen).

Windkraft braucht sehr viel Platz; viele, viele Quadratkilometer.

Nun, der größte Teil dieses Platzes ist weiterhin Acker oder Wiese oder Meer, wenn auch durch die Windanlagen etwas technisch überformt.
Bei einigen Arten, insbesondere Vögeln, im Meer werden auch für einige Wale Beeinträchtigungen befürchtet, führen Windanlagen zum Verlust des Lebensraumes, das Ausmaß des Vogelschlags wird kontrovers diskutiert.
Durch die Anlage der Windparks in Bereichen, in denen diese Vogelarten nicht vorkommen (also nicht in großen ausgedehnten Feuchtgrünlandgebieten, in kleinstrukturierten Ackerlandschaften und im Bereich von Zugstraßen und Lebensräumen von Großvögeln) lässt sich das aber reduzieren.

Zitat von Ipsissimus:hinsichtlich des Endlager-Problems bin ich der Ansicht, dass die Lösung nicht aus einem Endlager bestehen kann sondern in der angesprochenen Isotopenumwandlung zu suchen ist. Ob dabei die Variante der Umwandlung in Isotopen mit geringer Halbwertszeit - die oft drastische Strahlungsdosen verursachen - oder die Variante der Umwandlung in langlebige Isotopen mit einer Strahlenlast in Größenordnung der Hintergrundstrahlung zu besseren Ergebnissen führt, müsste noch geprüft werden. "Geringe Halbwertszeit" deckt doch oft genug noch mehrere Jahre oder Jahrzehnte bis wenige Jahrtausende ab, und das dürfte angesichts der aktuellen Debatte niemanden so richtig zufriedenstellen.

Wird das aber funktionieren? Und ist die geringe Strahlenlast durch langlebige Isotope wie Thorium nicht auch eine Folge der geringen Konzentrationen in den Gesteinen? Insofern doch eher kurzlebige Isotope im Bleibetonmantel, oder?

Ich möchte dies nicht als Positionierung verstanden wissen, sondern als kritische Anmerkungen, die in der Diskussion IMHO oft zu kurz kommen - oder vielleicht auch tatsächlich relativierbar sein könnten.

009
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 2000
Registriert: 10.07.2009
Do 24. Mär 2011, 03:45 - Beitrag #9

[quote="e-noon"]Gut, dass zwischen Bonn und Köln kein Kraftwerk steht, sonst müsste man die beiden Städte im Ernstfall eben leerräumen. Bei Aachen befindet sich eins, auch wenn ich die genaue Adresse gerade nicht finde]

Bei Aachen befindet sich das optisch gewiss eindrucksvolle Kraftwerk Eschweiler, in der Nähe von RWE Power auch der Indemann als eindrucksvoller Aussichtspunkt. Auf den noch dort befindlichen Braunkohlentagebau, dessen Loch später ein Riesensee werden wird.

Warum ich das schreibe?

Erstens sind das nette Ausflugszile bzw. gute "Pausenlocations", wenn man da mit dem Auto lang kommt.

Und zweitens und vor allemst ist das Kraftwerk Eschweiler ein Braunkohlenkraftwerk. Dort gibt es kein AKW.

[Wenn ich mich recht erinnere war es just eine "leider" nicht nur mir bekannte, auch mit dem atomaren Aspekten ihres Faches eigentlich vertraut sein sollende, 1-er Physikerin die diesen Fehlschluß bei Vorbeifahrt produzierte, davon auch nicht ganz abzubringen war und letztlich so krude verschwörungstheoretisch monologisierte]

e-noon
Sterbliche
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4576
Registriert: 05.10.2004
Do 24. Mär 2011, 12:27 - Beitrag #10

Das erklärt, warum ich keins gefunden habe ^^ Ich fand jetzt auch die Karte wieder, die ich eingangs benutzte; es gibt wohl ein AKW in Jülich, aber das ist stillgelegt, von dem in Mühlheim-kärlich wusste ich das bereits.

Aktive AKW wären also in Deutschland:

Nordwest:
Brünsbüttel
Brokdorf
Krümmel
Unterweser
Grohnde
Emsland

Südwest:
Biblis
Grafenrheinfeld
Philippsburg
Neckar-Westheim
Isar
Gund-remmingen.

Nah genug von mir weg, wie auch Somalia; aber wenn (da) alle so denken, wird es schwierig, einen geeigneten Platz zu finden.

009
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 2000
Registriert: 10.07.2009
Do 24. Mär 2011, 12:39 - Beitrag #11

In Jülich gab es nie ein AKW im engeren Sinne... Das dortige Forschungszentrum hat auch an Reaktoren geforscht, die sind aber, wie z.B. die WDR-Übersicht zu NRW oder auch der [url=http://de.wikipedia.org/wiki/Forschungszentrum_Jülich]entsprechende Wiki-Artikel[/url] zeigt längst abgeschaltet. Einer ist auch rückstandsfrei abgebaut, beim andweren läuft es wohl noch, die Reste sind in Castoren gelagert.
Für Details könnte ich fast meinen Freund fragen, der da eine Ausbildung gemacht hat.

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Do 24. Mär 2011, 22:07 - Beitrag #12

Ich würde gerne mal den Focus auf die politisch-gesellschaftlichen Fragestellungen lenken...

Was ist von den Betrachtungen Robert Jungks zu halten, ist die Kernenergienutzung eine mit der Demokratie unvereinbare Technologie?

Wie weit sollte in einer demokratische Gesellschaft das Handeln von Wirtschaftsunternehmen der Legitimierung durch gesellschaftliches Vertrauen bedürfen?

Wie weit darf in einer demokratischen Gesellschaft Wirtschaftsunternehmen die Verfügung über risikohaltige Gegenstände übertragen werden, wenn das Risiko das Forbestehen der Gesellschaft umfasst?

Wie konkret umgehen mit einer Firma, die unfähiges Personal in Führungspositionen einstellen will - Vattenfall?

e-noon
Sterbliche
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 4576
Registriert: 05.10.2004
Do 24. Mär 2011, 22:33 - Beitrag #13

Was ist von den Betrachtungen Robert Jungks zu halten, ist die Kernenergienutzung eine mit der Demokratie unvereinbare Technologie?
Ich halte das für relativ einfach zu beantworten, es ist Quatsch. Ich sehe jedenfalls nicht, wo in Deutschland die Demokratie aufgrund von Atomkraft eingeschränkt wurde, oder wie Italien der Atomausstieg zu mehr Demokratie verholfen hat.

Es wird immer Menschen geben, die der Auffassung sind, dass eine Gesellschaft
Zitat von JanW: zur Gewährleistung ihrer angemessenen Sicherung grundlegend repressiv gestaltet sein muss,
aber diese speziell unter atomkraftbefürwortenden Politikern/Wirtschaftsmenschen/Einzelpersonen zu suchen, finde ich abwegig.

Wie weit sollte in einer demokratische Gesellschaft das Handeln von Wirtschaftsunternehmen der Legitimierung durch gesellschaftliches Vertrauen bedürfen?
Wäre eventuell einen eigenen Thread wert.

Wie konkret umgehen mit einer Firma, die unfähiges Personal in Führungspositionen einstellen will - Vattenfall?
Könnte in obigen potenziellen Thread gehören. Vattenfall könnte man sich ja eher als Namen für Wasserkraft vorstellen, nun ist es eben mit radioaktivem Kühlwasser assoziiert. Weißt du näheres darüber, ob Radioaktivität in Krümmel nach außen drang und ob jemand geschädigt wurde?

009
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 2000
Registriert: 10.07.2009
Fr 25. Mär 2011, 03:50 - Beitrag #14

Zitat von e-noon:Es wird immer Menschen geben, die der Auffassung sind, dass eine Gesellschaft
Zitat von JanW
zur Gewährleistung ihrer angemessenen Sicherung grundlegend repressiv gestaltet sein muss,
aber diese speziell unter atomkraftbefürwortenden Politikern/Wirtschaftsmenschen/Einzelpersonen zu suchen, finde ich abwegig.


Auch das zeigt wieder, wie wichtig der unbedingte Vorrang persönlicher Freiheit vor (dem zwar als Grundrecht bestehendem, aber nicht gleichrangigem) Schutz des Lebens der Bürger durch den Staat (siehe dieser Thread) als verfassungsrechtliche Garantie in diesem Land ist (und wohl auch in anderen ist/wäre).

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Fr 25. Mär 2011, 11:34 - Beitrag #15

Zitat von 009:
Zitat von Padreic:Wie viele Leute sterben jedes Jahr bei ganz banalen Industrie- oder auch Haushaltsunfällen, die sicherlich auch oft vermeidbar wären, wenn man nur genug Geld investieren würde?
Ohne die Zahlen gerade zu haben oder googlen zu wollen: das wohl Haushaltsunfälle insgesamt mehr Opfer fordern als Straßen- oder/und Luftverkehre ist die eine nicht so ganz bewusst wahrgenommene Sache. Ebenso der wenn ich mich recht erinner im Vergleich zu manchen schlimmen (organischen) Krankheiten erschreckend hohe Verlust von Menschenleben durch Depressionen, die in Freitode münden.
Dazu las ich heute hier noch was. Kernkraft als 'riskante' Form der Energiegewinnung muß in Relation gesehen werden - zeigt wieder einmal, daß es wesentlich eine Frage von Aufmerksamkeiten ist.

Zitat von janw:Wer den Müll macht, muss auch für ihn aufkommen, insofern bin ich für eine schwerpunktmäßige Deponierung des deutschen Mülls in Deutschland - über den geeigneten Standort wäre zu streiten. Davon ab sollen die skandinavischen Granite vergleichsweise klüftig sein, also nicht unbedingt für eine dauerhafte Lagerung erst recht multinationaler Mengen geeignet.
Wenn der Müll im entsprechenden Containment unbedenklich ist, habe ich kein Problem damit (dann verstehe ich aber auch die Ausstiegsdiskussion und die Proteste gegen Castor-Transporte nicht).^^ Ansonsten finde ich es aber naheliegend, Gebiete zu suchen, in denen möglichst wenig Menschen und Tiere betroffen sind, und da bieten sich mE insbesondere große Felswüsten an. Das kann und müßte natürlich zu weitergehender wirtschaftlicher Kooperation führen.

009
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 2000
Registriert: 10.07.2009
Fr 25. Mär 2011, 12:00 - Beitrag #16

Zitat von Lykurg:Dazu las ich heute hier noch was. Kernkraft als 'riskante' Form der Energiegewinnung muß in Relation gesehen werden - zeigt wieder einmal, daß es wesentlich eine Frage von Aufmerksamkeiten ist.


Um nicht zu sagen von Wahrnehmung(sfähigkeit) an sich, denn im übertragenen Sinne passt da aus dem verlinkten folgendes:
Atomkraft bildet hierzulande eine eigene Kategorie, nicht vergleichbar mit anderen Risiken. Das ist verständlich, denn die Evolution hat uns Menschen keinen Sinn für Strahlung mitgegeben, man sieht, hört, riecht sie nicht.

Menschen haben eben eher auch keinen "Sinn" für eine statistisch korrekte Wahrnehmung von Opferanzahlen und Gefährdungspotentialen - anders als Fokushima werden die im Artikel genannten Opferzahlen anderer Ereignisse wohl schon wahrgenommen, aber schnell vergessen.
Wer könnte noch sagen, wieviele Kumpel in Chile gerettet wurde und ob es da auch Tote gab?
Bislang exakt 0 Tote durch Strahlung in Japan dürfte sich für viele so unglaubwürdig anhören wie beispielsweise überraschend es sein dürfte, das beim Bau der Neubau-/Schnellfahrstrecke Köln-Frankfurt für den ICE wenn ich mich recht erinner 16 Bauarbeiter zu Tode kamen.

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Fr 25. Mär 2011, 13:01 - Beitrag #17

Interessant die Anmerkung zur Schnellbahnstrecke (laut Wiki 13 Opfer); auch beim Gotthardtunnel gab es welche. Bergbau ist riskant. Ich hätte die Chilenen im Nachhinein auf fünfzig geschätzt, tatsächlich waren es 33 Überlebende und wohl keine Toten. Im selben Jahr gab es aber diverse schlimmere Minenunglücke, die natürlich nur einen Bruchteil an Aufmerksamkeit erfuhren, wenn überhaupt, und vergessen sind. Das wahre Drama sind aber offensichtlich die Überlebenden, und das sind bei Reaktorunglücken eben besonders viele und für besonders lange Zeit. Bild

janw
Moderator
Moderator

Benutzeravatar
 
Beiträge: 8488
Registriert: 11.10.2003
Fr 25. Mär 2011, 22:35 - Beitrag #18

Zitat von e-noon:Ich halte das für relativ einfach zu beantworten, es ist Quatsch. Ich sehe jedenfalls nicht, wo in Deutschland die Demokratie aufgrund von Atomkraft eingeschränkt wurde, oder wie Italien der Atomausstieg zu mehr Demokratie verholfen hat.

Es wird immer Menschen geben, die der Auffassung sind, dass eine Gesellschaft aber diese speziell unter atomkraftbefürwortenden Politikern/Wirtschaftsmenschen/Einzelpersonen zu suchen, finde ich abwegig.

Wäre eventuell einen eigenen Thread wert.

Vielleicht ist es ein Problem des Alters, für einen größeren Teil meiner Generation war das Erlebnis kollektiv prägend, daß die Grundrechte der Versammlungsfreiheit und auf freie Meinungsäußerung sowie der Schutz der körperlichen Unversehrtheit schlagartig übergangen wurden, wenn sich Bürger gegen den Bau von Kernkraftwerken aussprachen, Brokdorf war prägend nicht nur für die im Zusammenhang damit in Hamburg eingekesselten Männer, Frauen und Kinder, wie auch das Begleitorchester ranghoher Politiker, welche die Menschen in eine Ecke mit Leuten von der RAF und Gewalttätern stellten und sehr eindeutige Urteilserwartungen an die Gerichte äußerten, ohne daß überhaupt konkrete Straftaten festgestellt worden waren.
Woraufhin die Betroffenen durch Gerichte in allen Punkten Recht bekamen.
Offener Rechtsbruch durch staatliche Organe, während die Politik über verschleppte Vorfallmeldungen der Betreiber locker hinweg sah.
Wenn solches Vorgehen schon den Normalbetrieb prägt, wie muss sich dann erst ein schwerwiegenderer Vorfall rechtswirklich auswirken?

Könnte in obigen potenziellen Thread gehören. Vattenfall könnte man sich ja eher als Namen für Wasserkraft vorstellen, nun ist es eben mit radioaktivem Kühlwasser assoziiert. Weißt du näheres darüber, ob Radioaktivität in Krümmel nach außen drang und ob jemand geschädigt wurde?

Vattenfall ist der Name eines schwedischen Kraftwerksbetreibers, der u.a. das Kraftwerk in Krümmel betreibt.
Dieser Betreiber wollte vor kurzem eine neue Betriebsleiterin einstellen, der es während ihrer Eignungsprüfung nicht gelungen war, den Reaktor nach einer simulierten Krise sicher herunter zu fahren.
Seit 1986 gibt es um Krümmel eine signifikante Häufung von Leukämie vor allem bei Kindern, für die bei klarer Betrachtung kein anderer Verursacher als das Kraftwerk übrig bleibt. In Baumscheiben wurden radioaktive Spuren gefunden, die auf eine Freisetzung hindeuten, evtl. auf einen nicht gemeldeten Störfall.
Wie jeder weiß, sind 1+1 =3...

Vattenfall zur Güte, die waren damals noch nicht Betreiber.

Zitat von Lykurg:Dazu las ich heute hier noch was. Kernkraft als 'riskante' Form der Energiegewinnung muß in Relation gesehen werden - zeigt wieder einmal, daß es wesentlich eine Frage von Aufmerksamkeiten ist.

Eine etwas zynische Betrachtung, wie ich finde. Sie übergeht, daß Radioaktivität unterhalb extremer Intensitäten nicht sofort wirkt, sondern über lange Zeiten, eine von einer Dosis getroffene Zellkolonie kann eine lange Zeit brauchen, bis aus ihr eine Tumorzelle hervorgeht, bzw. eine solche erst nach längerer Zeit zu wachsen beginnen, wie auch inkorporierte Teilchen das umgebende Gewebe über längere Zeit bestrahlen und so irgendwann eine Mutation auslösen können, die zu einer Tumorzelle führt oder einer Erbgutveränderung in Keimzellen. Ein großer Teil der letztlich durch radioaktive Emissionen induzierten Krebsfälle bleibt so unerkannt. Hingegen sind die Folgen von Verkehrs- und Fabrikunfällen unmittelbar sichtbar und eindeutig zu registrieren.
Nicht zu vergessen, daß durch radioaktive Emissionen belastete Flächen ggf. über lange Zeit nicht mehr genutzt werden können, das trifft z.B. regelmäßig für die Abbaugebiete des Urans zu.
Die Unfälle der konventionellen Technik sind schlimm, aber man kann sie in den meisten Fällen gewissermaßen als Fortsetzung der immer schon gefährlichen Welt ansehen, früher ging das Pferd mit einem durch... - und ein großer Teil geht auf das Konto unzureichender Sicherheitsvorkehrungen, man sehe nur den Kohlebergbau in China.
Will sagen, man kann sie ziemlich weitgehend verhindern, am Ende ist ihr Ausmaß aber begrenzt.
Im Unterschied zu den Störfällen der Kernenergie, deren Ausmaß räumliche und zeitliche Grenzen übersteigt - und deren extreme Formen deshalb absolut verhindert müssten. Gewissermaßen eine absolute oder totale Technologie...

Wenn der Müll im entsprechenden Containment unbedenklich ist, habe ich kein Problem damit (dann verstehe ich aber auch die Ausstiegsdiskussion und die Proteste gegen Castor-Transporte nicht).^^ Ansonsten finde ich es aber naheliegend, Gebiete zu suchen, in denen möglichst wenig Menschen und Tiere betroffen sind, und da bieten sich mE insbesondere große Felswüsten an. Das kann und müßte natürlich zu weitergehender wirtschaftlicher Kooperation führen.

Nun, man nimmt an, daß die containments für den Müll für die benötigten Zeiträume haltbar sind.
Der Punkt ist, daß es bislang nirgends ein Endlager gibt, daß aber aus mehreren Varianten das geeigneteste Medium und der geeignetste Ort ermittelt werden soll - dazu müssten aber mindestens zwei Standorte erkundet werden. Bayern und Baden-Württemberg wären dafür passend...
Und selbst wenn ein Lager fertig wäre, wäre sein Platz begrenzt, d.h. es müsste auch dann müllsparend gewirtschaftet werden.

Aber...nun ja, warum nicht die eh schon verstrahlten Abbaugebiete des Urans nehmen, Du bringst einen auf Gedanken^^

Lykurg
[ohne Titel]
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 6865
Registriert: 02.09.2005
Sa 26. Mär 2011, 00:09 - Beitrag #19

Eine etwas zynische Betrachtung, wie ich finde. Sie übergeht, daß Radioaktivität unterhalb extremer Intensitäten nicht sofort wirkt, sondern über lange Zeiten, eine von einer Dosis getroffene Zellkolonie kann eine lange Zeit brauchen, bis aus ihr eine Tumorzelle hervorgeht, bzw. eine solche erst nach längerer Zeit zu wachsen beginnen, wie auch inkorporierte Teilchen das umgebende Gewebe über längere Zeit bestrahlen und so irgendwann eine Mutation auslösen können, die zu einer Tumorzelle führt oder einer Erbgutveränderung in Keimzellen. Ein großer Teil der letztlich durch radioaktive Emissionen induzierten Krebsfälle bleibt so unerkannt. Hingegen sind die Folgen von Verkehrs- und Fabrikunfällen unmittelbar sichtbar und eindeutig zu registrieren.
Eben das ist das Problem, auf das auch der Kommentar eingeht - da die Veränderung schleichend vorgeht und Jahrzehnte dauern kann, ist sehr schwer nachzuweisen, ob die Verstrahlung einen direkten Einfluß hatte, auch weil die 'natürliche' Krebsrate so hoch ist. Wir haben ja auch aus kosmischer Strahlung, über Langstreckenflüge etc. einen erheblichen Dauerbeschuß zu ertragen. Daraus entsteht ein breites Spektrum möglicher Auslegungen. Es wäre jedenfalls ähnlich unredlich, alle langfristigen Krankheits- und Todesfälle automatisch dem Störfall zuzuweisen, wie den Einfluß gänzlich zu negieren.
Die Unfälle der konventionellen Technik sind schlimm, aber man kann sie in den meisten Fällen gewissermaßen als Fortsetzung der immer schon gefährlichen Welt ansehen, früher ging das Pferd mit einem durch... - und ein großer Teil geht auf das Konto unzureichender Sicherheitsvorkehrungen, man sehe nur den Kohlebergbau in China.
Will sagen, man kann sie ziemlich weitgehend verhindern, am Ende ist ihr Ausmaß aber begrenzt.
Im Unterschied zu den Störfällen der Kernenergie, deren Ausmaß räumliche und zeitliche Grenzen übersteigt - und deren extreme Formen deshalb absolut verhindert müssten. Gewissermaßen eine absolute oder totale Technologie...
Kohlebergbau ist schrecklich (Arbeitsbedingungen, Krankheiten, Grubenunglücke...) und fordert jährlich um ein vielfaches höhere Opferraten als die Nuklearindustrie. Was Verseuchung betrifft, die Folgen von Quecksilber- und Dioxinvergiftungen sind auch recht langanhaltend... und sehr viel direkter bemerkbar in Form von massenhaft auftretenden Todesfällen und schweren Erbgutschädigungen.

Übrigens ist die radioaktive Strahlung in einem 80 km-Umkreis von Kohlekraftwerken um den Faktor 30 höher als im Umkreis von Kernkraftwerken (wegen Uran und Thorium in der verbrannten Kohle). Würde mich interessieren, wie sich das in der Leukämierate niederschlägt.
Der Punkt ist, daß es bislang nirgends ein Endlager gibt, daß aber aus mehreren Varianten das geeigneteste Medium und der geeignetste Ort ermittelt werden soll - dazu müssten aber mindestens zwei Standorte erkundet werden. Bayern und Baden-Württemberg wären dafür passend...
Und selbst wenn ein Lager fertig wäre, wäre sein Platz begrenzt, d.h. es müsste auch dann müllsparend gewirtschaftet werden.
Müllsparend sollte man schon deshalb wirtschaften, weil es sich ja um einen kostbaren Rohstoff handelt, der möglichst effizient genutzt werden sollte. Hinsichtlich der ergebnisoffenen Prüfung mehrerer Lösungen bin ich deiner Meinung; allerdings muß und sollte der Platz je nach Art des gefundenen Lagers nicht so begrenzt sein, daß man von Anfang an Kapazitätsprobleme befürchten muß. Dann wäre es keine echte Lösung. - Ohnehin wäre aber das Ziel tatsächlich, möglichst wenig Material auf Dauer endlagern zu müssen und möglichst viel zu verbrauchen bzw. aufzubereiten.
Nicht zu vergessen, daß durch radioaktive Emissionen belastete Flächen ggf. über lange Zeit nicht mehr genutzt werden können, das trifft z.B. regelmäßig für die Abbaugebiete des Urans zu. [...]
Aber...nun ja, warum nicht die eh schon verstrahlten Abbaugebiete des Urans nehmen, Du bringst einen auf Gedanken^^
Ja, das hatte ich oben ja auch vorgeschlagen. :) Das könnte man im Fall multinationaler Lager dann auch dahingehend bündeln, dafür wirklich mit allen Mitteln die Landschaft zu dekontaminieren und renaturieren, außerdem den Menschen bessere Lebensbedingungen zu schaffen. Das wäre nur angemessen.

009
Lebende Legende
Lebende Legende

Benutzeravatar
 
Beiträge: 2000
Registriert: 10.07.2009
Sa 26. Mär 2011, 01:07 - Beitrag #20

Zitat von janw:Dieser Betreiber wollte vor kurzem eine neue Betriebsleiterin einstellen, der es während ihrer Eignungsprüfung nicht gelungen war, den Reaktor nach einer simulierten Krise sicher herunter zu fahren.


Was genau wäre denn deren Arbeit/Zuständigkeitsbereich gewesen? Weil Betriebsleiterin klingt für mich genauso nach Cheffin vom ganzen AKW (die dann eher nicht selber runterfahren muss, dafür kompetente Mitarbeiuter einstellen kann und muß) wie nach "Schichtleiterin", die dann im Falle eines Falles sehrwohl wissen muss, wie sie das AKW runterfahren muss.
Im zweiten Fall wäre der Einstellversuch m.E. ein unerträglicher Skandal, im ersten Fall nur Indiz, hier sei eine Vorgesetzte, die noch sinnvolles, für sie aber nicht unmittelbar zwangsweise zu wissendes, lernen kann.

Nächste

Zurück zu Politik & Geschichte

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 4 Gäste

cron