Der Papst auf der Titanic

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Ipsissimus
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Mi 11. Jul 2012, 21:20 - Beitrag #1

Der Papst auf der Titanic

... wundervoll^^

http://www.stern.de/panorama/papst-vs-titanic-ratzingers-entpapstung-1855799.html

Egal, woran Sie glauben, was Sie gut finden, wem Sie vertrauen oder was Sie bewundern - wir sind dagegen!", stand im Vorwort des "Titanic"-Jubiläumsband zu lesen. Benedikt XVI. hat keine Chance.

Lykurg
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Mi 11. Jul 2012, 21:51 - Beitrag #2

Ich fühlte mich auch schon sehr versucht, das Thema zu eröffnen...

Nicht, daß ich das Cover unheimlich niveau- und geschmackvoll finde - aber die Reaktion des Papstes ist wirklich saudumm und zeigt eigentlich nur, daß er es in gewisser Weise verdient hat. Nun wird er von Titanic in grandioser Weise vorgeführt (es sei nur Fanta gemeint gewesen; der Chefredakteur lädt den Papst zum klärenden Gespräch ein! xD ) und die nationale und internationale Presse berichtet breit darüber, ganz zu schweigen vom reißenden Absatz der nicht komplett verbotenen Auflage. Etwas besseres hätte Titanic nicht passieren können.

Auch wenn Cicero oft ziemlichen Schmarrn schreibt, hier traf er einen Punkt...

e-noon
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Mi 11. Jul 2012, 22:17 - Beitrag #3

Selten dämlich ist jedenfalls auch der Kommentar des Sprechers der deutschen Bischofskonferenz Matthias Kopp in diesem Video:

"Das hat nichts mit Satire zu tun; hier werden Grenzen überschritten..."
- als wäre das nicht konstitutiv für Satire.

Dennoch bin ich in Bezug auf das Titanic-Cover anderer Meinung als ihr, wie ich ja sowieso dem Recht am eigenen Bild einen sehr hohen Stellenwert einräume. Öffentliche Persönlichkeit hin oder her, der Papst bleibt auch eine Person und hat als solche Rechte, die wohl hier eindeutig verletzt wurden. Die Abwägung dieser Rechte gegeneinander obliegt den Gerichten. Das Titanic-Cover finde ich geschmacklos und peinlich, mehr für die Macher als für den Abgebildeten. Nicht weil er Papst ist, sondern obwohl er Papst ist, sollte seine Persönlichkeit nicht in dieser Weise angegriffen werden. Satirisch ist es wohl noch, der Witz und der politische Bezug sind noch klar erkennbar, und man könnte wohl auch argumentieren, dass die Titanic nichts anderes gemacht hat, als auch Pressesprecher und Fotografen des Vatikans es tun, nämlich der Welt den Heiligen Stuhl zeigen... aber das wäre dann doch sehr spitzfindig.

Ipsissimus
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Do 12. Jul 2012, 00:26 - Beitrag #4

man könnte natürlich versucht sein zu antworten, dass ein Papst, der in existentiellen Fragen Menschen dazu verurteilt, nach Maximen aus dem Mittelalter zu leben, der Homosexuelle in die Hölle verbannt, der wiederverheirateten Christen die Kommunion, geschweige denn die Anstellung verweigern lässt, der Verhütung für Teufelswerk hält, der Frauen klein und am Zölibat festhält, der Nazipriester einstellt und Pädophile schützten lässt, der sich selbst für unfehlbar und alle anderen Religionen für minderwertig hält, und der sich in noch sehr viel mehr Aspekten als ein uneinsichtiger, hartherziger Feind der Menschenrechte und damit der Menschen erwiesen hat, dass ein solcher Papst eben jede Jauche verdient hat, in die er getunkt werden kann.

Anaeyon
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Do 12. Jul 2012, 00:56 - Beitrag #5

Es fällt mir nicht ganz leicht, mich zwischen E-Noons und Ipsis Meinung zu entscheiden. Bei ersterer kann man das Gefühl moralischer Überlegenheit genießen, bei der zweiten die direkte Schadenfreude.

Grundsätzlich (und wenn gerade nicht im Blutrausch) vertrete ich ja schon eher die "radikal die Menschenrechte einhalten"-Meinung, aber je stärker eine Person in der Öffentlichkeit steht (gewollt, gepaart mit Sendungsbewusstsein), desto geneigter bin ich, von dieser Person zu erwarten, dass sie auch die Konsequenzen davon ertragen muss.

Im Falle der katholischen Kirche/des Papstes fühle ich mich ein klein wenig wie ein Verräter an der Menschlichkeit, wenn ich - um auf der moralisch sicheren Seite zu stehen - auf die Einhaltung der Persönlichkeitsrechte poche. Das wäre nur dann fair, wenn ich in der Lage wäre, z.b. in einer Diskussion die Opfer der Kirche ebenfalls zu benennen und mich für ihre Rechte stark zu machen. Dafür gibt es leider zu viele.Ich begrüße daher im Prinzip die Aktion der Titanic. Der Machtverlust der Kirche liegt mir einfach viel stärker am Herzen als die Gefühle eines Menschen, der sicht bewusst dazu entschieden hat, eine kriminelle Organisation zu repräsentieren.

Und natürlich bin ich mir der Tatsache bewusst, dass ich mir hier erlaube, selbst zu entscheiden wer Menschenrechte in Anspruch nehmen darf und wer nicht und welche negativen Konsequenzen das haben würde, hätte ich was zu sagen.

e-noon
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Do 12. Jul 2012, 07:18 - Beitrag #6

@Ipsi: Ja, "verdient" hat er das und meiner Meinung nach noch schlimmeres. Dennoch liegt es, wie Anaeyon schon sagt, nicht an der persönlichen Einstellung zu einer Person, wie dieser von öffentlichen Medien behandelt werden darf. Die Darstellung ist ehrenrührig und sie ist nicht wahrheitsgetreu, dh. man hat ihn nicht bei einem ehrenrührigen Akt erwischt und ein Foto davon veröffentlicht, in welchem Fall er wohl selbst die Verantwortung tragen würde, sondern man hat es ihm offensichtlich angedichtet.

Zur Gefährlichkeit und tendentiellen Bösartigkeit kirchlicher Doktrinen und Würdenträger rennt ihr bei mir offene Türen ein. ;)

Lykurg
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Do 12. Jul 2012, 08:43 - Beitrag #7

Ja, die Darstellung ist ehrenrührig, das ist genau ihre Absicht. Sie greift eine moralische Institution an, mit deren Moral es nicht so weit her ist - und das, zumindest der überaus fragwürdige Umgang mit drängenden Fragen der Zeit, mit Mißbrauchsskandal, Aids und Verhütung, Laiendiensten, Ökumene, Piusbrüdern etc., gilt auch und gerade für die Person Ratzinger. In gewisser Weise stellt die Fotomontage einen wichtigen und durchaus der Wahrheit nahekommenden Kommentar zu diversen innerkirchlichen Problemen der letzten Jahre dar: Dieser Fisch stinkt vom Kopf her. Kein Wunder, daß der Papst so angepißt darauf reagiert...

Traitor
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Do 12. Jul 2012, 09:20 - Beitrag #8

Tja, in England wäre die Sache per Promi-Recht am eigenen Bild sofort für den Papst entschieden, in den USA per Recht auf freie Meinungsäußerung sofort für die Titanic, aber in Deutschland mit seinem halbwegs ausgeglichenen Presserecht geht der Rechtsstreit halt "bis vors jüngste Gericht", und die Titanic kann sich über langanhaltende Propaganda freuen.

Was sagt eigentlich Die PARTEI dazu? Anscheinend nichts, die faseln als "News" nur vom Saarwahlkampf. Schade.

Muss man wirklich so weit gehen und hier mit Menschenrechten argumentieren? Ja, in denen steht ganz allgemein etwas von "Würde", aber ist simple Ehrrührigkeit, wie ihr es hier ansonsten nennt, deshalb wirklich schon eine Menschenrechtsverletzung? Das finde ich deutlich überdramatisierend.

Ansonsten neige ich ja eigentlich dazu, in privat-weltanschaulichen Dingen (inkl. Verhütung) den Papst nur als lustigen, irren alten Mann anzusehen, und nicht ihm die Schuld dafür zu geben, dass ihm Abermillionen in seinen antiquierten Ansichten folgen, sondern den Abermillionen selbst, die so dumm sind, einem lustigen alten Mann in Rom zu folgen, oder meinetwegen den Abertausenden, die vor Ort echten, teils menschenrechtsverletzenden Druck auf die Abermillionen ausüben. Da er noch nicht alt-irre genug sein dürfte, um sich dieses Drucks nicht bewusst zu sein, trägt er indirekt aber durchaus hohe Mitschuld daran, da eine Änderung seiner Verkündigungen die Chance hätte, dies zu ändern.
Und anders sieht es natürlich bei den konkret politischen Themen aus - Wiederverheiratung, Frauenordination, Zölibat - da ist logischerweise der Papst als Organisationsvorstand direkt politisch verantwortlich.

In der Frage, was Satire darf, würde ich "viel" antworten, aber für die Klassifikation als "Satire" eine gewisse Niveauschranke ansetzen, die hier nicht erfüllt ist. Daher schon in Ordnung, wenn die Titanic juristisch eins auf den Deckel bekommt, da weder journalistische Aufklärung noch tiefsinnige satirische Darstellung vorliegen, um die Ehrrührigkeit aufzuwiegen. Zumal die juristische Keule eben, wie zu erwarten, nach hinten losgegangen ist.
Außerdem würde ich hier weitgehend auszublenden versuchen, dass es um den Papst geht, und dieselben Kriterien anlegen, die auf einen einem sympathischen oder unsympathischen Politiker angewendet würden.

e-noon
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Do 12. Jul 2012, 09:23 - Beitrag #9

Sie greift eine moralische Institution an, mit deren Moral es nicht so weit her ist

Da stimme ich dir selbstverständlich zu, aber das ist auch nicht mein Punkt. Es gibt zahlreiche Satiren über den Papst, die auch treffend das karikieren, was kritisiert wird - dieses zum Beispiel, das ihm Doppelmoral unterstellt, oder dieses, das seine bedenklichen Positionen auf ihn selbst anwendet, jenes hier, dass sich auf sein aus dem Amt Scheiden freut, oder dieses, das ihn als geschmickten Mann mit Kondomen zeigt und nach dreijährigem Rechtsstreit als zulässige Satire bewertet wurde - aber genau das, die inhaltlichte Auseinandersetzung, ist hier meines Erachtens nur noch marginal gegeben, die persönliche Beleidigung überwiegt.

Schön aber auf jeden Fall die Reaktion von Fischer (Titanic); Fischer kündigte an: „Wir werden sämtliche Rechtsmittel ausschöpfen und notfalls bis zum Jüngsten Gericht ziehen.“

Lykurg
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Do 12. Jul 2012, 10:01 - Beitrag #10

Traitor, ich vermute mal, daß sich das Heft, das schließlich nicht nur aus dem beanstandeten Cover besteht, auch inhaltlich mit dem Papst auseinandersetzt; er ist ja ein durchaus dankbares Thema und wird in Titanic nicht zum ersten Mal mit viel Liebe zum Detail behandelt. Und es handelt sich ja nicht um eine völlig wahllose anale Verunglimpfung, sondern es geht um den Vatileaks-Skandal, in dem wirklich für den Vatikan äußerst peinliche Dokumente aus innersten Zirkeln täglich in der italienischen Tagespresse landen, oder um die Metapher explizit zu machen, durchgesickert sind. Und deren Inhalte, etwa Vertuschung bei Mißbrauchsfällen, sind durchaus eklig genug, um auch ein paar Flecken auf der weißen Soutane zu rechtfertigen. Für mich ist es zwar - wie bereits oben geäußert - problematisch bis grenzwertig, gehört aber grob betrachtet zur intelligenten Satire.

In Dingen wie Verhütung tritt er ja eben nicht als irrer alter Mann auf, sondern als absolutistischer Herrscher mit einem universalen Wahrheitsanspruch (Unfehlbarkeit); seine Aussagen dazu haben unheimlich starke Konsequenzen. Er könnte mit einer Aussage hunderttausende Leben retten bzw. massiv verbessern. Wären es nur seine privaten Ansichten, die er innerhalb einer demokratischen Struktur zum Tragen bringt, hätte ich ebenfalls kein Problem damit und würde ihm auch als Person jedes Recht auf den Schutz seiner individuellen Rechte zugestehen. Für den ungeheuren Druck, den seine Organisation weltweit auf ihre Mitglieder ausübt, um ihre intimsten Details der Lebensführung in ihrem Sinne zu gestalten, muß er es aushalten, daß auch seinerseits die Intimität verletzt wird. Stünde er wirklich über diesen Bildern, hätte er sich nicht für ihr Verbot einsetzen müssen. Durch das Verfahren gewinnen sie ihre definitive Berechtigung.

e-noon, keine der von dir gezeigten Fotomontagen 'funktioniert' meines Erachtens in vergleichbarer Weise. Das zweite ist von der Zielperson her beliebig und ebenfalls eine persönliche Beleidigung, das dritte lahm (ok, da fehlt der aktuelle Anlaß), das erste nicht mal amüsant. Die Abwägung der letzten gegen das beanstandete Cover ist für mich schwieriger; der von dir geschilderte Rechtsstreit darum könnte auch im Fall von Titanic entsprechend langwierig werden.

Ipsissimus
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Do 12. Jul 2012, 11:05 - Beitrag #11

Ana, bei meiner Auffassung ist die Schadenfreude gar nicht das zentrale Ding. Die Schadenfreude leitet sich von der überaus gelungenen und witzigen Realsatire ab, in die der Papst ohne Not selbst gesprungen ist. Aber in der Sache ist der Titanic eine Darstellung gelungen, die ohne weiteres die Bösartigkeit der Strukturen transportiert und sichtbar macht, die dieser komisch gekleidete Mann repräsentiert. Und das halte ich für sehr notwendig

Ipsissimus
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Do 12. Jul 2012, 12:15 - Beitrag #12

http://www.youtube.com/watch?v=vxmuLXsWTOE

schon etwas älter, aber sehr deutlich, über wes Geistes Kind wir sprechen

e-noon
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Do 12. Jul 2012, 13:06 - Beitrag #13

Zitat von Lykurg:Er könnte mit einer Aussage hunderttausende Leben retten bzw. massiv verbessern.

Ja, das stimmt zwar, aber das könnten andere Prominente auch. Als Prominenter keine Vorbildfunktion einzunehmen ist nichts, was man bestrafen sollte. Und wenn man es recht bedenkt, so nimmt er tatsächlich eine Vorbildfunktion für sein Weltbild ein]tritt er ja eben nicht als irrer alter Mann auf, sondern als absolutistischer Herrscher mit einem universalen Wahrheitsanspruch (Unfehlbarkeit)[/QUOTE]
Letzteres ist ja in ersterem enthalten; absolutistischer Herrscher ist er streng genommen nur im Vatikan, und da gibt es vermutlich eh nicht so viele Kondomautomaten.

Für den ungeheuren Druck, den seine Organisation weltweit auf ihre Mitglieder ausübt, um ihre intimsten Details der Lebensführung in ihrem Sinne zu gestalten, muß er es aushalten, daß auch seinerseits die Intimität verletzt wird.

Das ist natürlich schon ein starkes Argument. Andererseits: Auge um Auge, Zahn um Zahn ist auch wieder sehr biblisch. Sind wir nicht mittlerweile darüber hinweg?

Dennoch könnte ich dieser Einschätzung
problematisch bis grenzwertig, gehört aber grob betrachtet zur intelligenten Satire.
wohl zustimmen.

Maglor
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Do 12. Jul 2012, 14:01 - Beitrag #14

Ich glaube nicht, dass der Papst mit einer einzigen Aussage die Welt retten kann. Von den mehr als eine Milliarde Katholiken weltweit fehlt es den meisten an Gehorsam und Einsicht.

Was das Titelbild angeht, so wurde ein sehr simples Wortspiel um das Wort undichte Stelle benutzt. Pippie ist auch nicht gerade die Art von Witz, die auf intelligente Weise lustig ist. Auf der anderen Seite ist diese Fotomontage nur geringfügig ehrverletzend im Vergleich mit dem, was andere ertragen mussten.
Immerhin ist der Papst ein Deutscher und ihm wurde kein Hakenkreuz aufmontiert. Der Ulk liegt zwar unter der Gürtellinie, hat aber noch keine sexuelle Konnotierung.

Hier zum Vergleich Gerhard Schröder in einer polnischen Zeitung, geritten von Vertreibenenfunktionärin Erika Steinbach in SS-Uniform.
Bild
Hier noch eine Auswahl der bösesten Merkel-Cover.

Lykurg
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Do 12. Jul 2012, 14:16 - Beitrag #15

Zitat von e-noon:Ja, das stimmt zwar, aber das könnten andere Prominente auch. Als Prominenter keine Vorbildfunktion einzunehmen ist nichts, was man bestrafen sollte.
Er ist ja mehr als ein Prominenter mit Vorbildfunktion, sondern ein Entscheidungsträger, und als solchen sehe ich ihn hier verantwortlich bzw. schuldig. Die Äußerungen des Papstes zur Verhütung, zur Stellung der Frau, zum Umgang mit Homosexuellen etc. werden weltweit von hunderttausenden von Priestern als gültige Lehre weiterverbreitet und bestimmen so die Lebensverhältnisse in vielen Ländern, in denen der Schutz internationaler Menschenrechtsabkommen etc. nicht dieselbe Verbindlichkeit hat. Er gestaltet durch seine Aussagen direkt, nicht nur durch eine Vorbildfunktion, das Leben sehr vieler anderer Menschen.

Und wenn man es recht bedenkt, so nimmt er tatsächlich eine Vorbildfunktion für sein Weltbild ein]Richtig, wenn alle nach diesem Vorbild leben, hat sich das Problem nach einer Generation erledigt. Das ist nur leider kein Rezept für Länder ohne sozial gesicherte Altersvorsorge (wäre es aber auch dort nicht für alle), erfüllt auch nicht die Bedürfnisse der meisten Menschen, und wie sich ständig und millionenfach weltweit zeigt, auch nicht die vieler Priester. Und damit wird es zur Heuchelei und letztlich zum fahrlässig geduldeten Verbrechen, selbst wenn eine Vorbildfigur enthaltsam lebt und viele andere es ihr nachtun: Das durch die 'wenigen' Täter ausgelöste Leid und die Bemäntelung der ganzen Misere mit der weißen Soutane des Schweigens und der ach wie tugendhaften Enthaltsamkeit ist Bigotterie.

Den Abschnitt zur Verbreitung von Aids überspringe ich, stehe zwar im Dissens, aber das bräuchte wohl wieder einen Seperatthread.

Letzteres ist ja in ersterem enthalten; absolutistischer Herrscher ist er streng genommen nur im Vatikan, und da gibt es vermutlich eh nicht so viele Kondomautomaten.
Eben nicht, er beherrscht auch auch weitestgehend unumschränkt die (römisch-katholische) Kirche, innerhalb deren Organisationen ein Papstwort absolut verbindlich sein dürfte. Die Wirkung auf die Gläubigen mag vielfach nur noch mittelbar sein, wirkt sich aber über Sozialkontrolle ebenfalls deutlich aus.

Hinsichtlich der Kondomautomaten im Vatikan müßte man wohl mal eine Expedition entsenden und per GoogleEarth Koordinaten offenlegen lassen, allerdings habe ich so meine Zweifel, ob alle vorhandenen Automaten öffentlich zugänglich placiert sind. Bild

Auge um Auge, Zahn um Zahn ist auch wieder sehr biblisch. Sind wir nicht mittlerweile darüber hinweg?
Nein, sind wir nicht - denn im eigentlichen Sinne fordert diese Maxime nicht Vergeltung, sondern Verhältnismäßigkeit, also: Auch wenn ich dir einen Zahn ausschlage, darfst du mir deshalb nicht das Herz herausreißen. Und das ist durchaus noch ein geltendes Rechtsprinzip, wenn es um Beleidigungen geht, etwa bei Prozessen von und gegen Bild: Wer austeilt, muß auch einstecken können, solange die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibt.

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Do 12. Jul 2012, 18:16 - Beitrag #16

@Lykurg: Eine gewisse inhaltliche Auseinandersetzung dürfte im Heft zu erwarten sein, ja, aber ein Titelbild muss immer auch für sich alleine stehend seine Berechtigung haben.

Als absoluten Herrscher sehe ich in wie e-noon nur intra muros uneingeschränkt, dazu weitgehend innerhalb seiner Hierarchien. ("Absolutistisch" ist er auch dort nicht, der lokale wie internationale Klerus hat genügend eigene Privilegien als Gegengewicht.) Deshalb meine Trennung zwischen privatem und politischem Einfluss. Gerade wenn wir hier Rechte gegeneinander abwägen wollen, kommt es auf die Feinheiten an, und da ist ein "benutze kein Kondom" eben keine bindende Anweisung, ein "stelle keine Wiederverheirateten ein" aber schon.
Aber ja, sein Wort würde auch per indirektem Einfluss vieles verbessern können, und sein derzeitiges falsches Wort verschlechtert aktiv vieles (hier der Unterschied zu e-noons anderen Prominenten).

Hinsichtlich der Kondomautomaten im Vatikan müßte man wohl mal eine Expedition entsenden und per GoogleEarth Koordinaten offenlegen lassen, allerdings habe ich so meine Zweifel, ob alle vorhandenen Automaten öffentlich zugänglich placiert sind.
Ich werde im September die Augen offen halten. ;)

@Ipsi: Wo wird da "Bösartigkeit der Strukturen" gezeigt? Zumindest auf dem Titel sehe ich nichts, was die persönliche Ebene verlässt und die Strukturen angeht.

@e-noon: Zustimmung zu Lykurgs Verhältnismäßigkeitsargumentation, allerdings mit der Einschränkung, dass wir per Selbstjustizverbot über den anderen Aspekt der Maxime eben doch hinaus sind, und es dementsprechend selbst bei so etwas Kindischem wie Fäkalhumor-Beleidigungen gut ist, wenn sich am Ende ein Gericht darum kümmert. Oder zumindest, dass ein Gericht bereit steht, um sich darum zu kümmern. Denn damit, es in so einem kindischen Fall tatsächlich anzurufen, zeigt der Klagende halt, dass er nicht über ein "Mamaaaaa!" hinaus ist.

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Do 12. Jul 2012, 18:38 - Beitrag #17

Aber ja, sein Wort würde auch per indirektem Einfluss vieles verbessern können, und sein derzeitiges falsches Wort verschlechtert aktiv vieles (hier der Unterschied zu e-noons anderen Prominenten).

Ich weiß, das hatte ich bewusst unterschlagen. ;) Allerdings auch hier wieder das Gegenargument, dass jeder selbst verantwortlich ist. Wenn der Werther zu erhöhten Selbstmorden führt, oder wenn Menschen Drogen nehmen, weil irgendein Rockstar das gut findet, hat dieser keine Schuld daran, auch wenn er sich aktiv für Drogen einsetzt. Noch dazu, dass die Äußerungen in einem sehr engen Rahmen getätigt werden; wenn man den ignoriert, kann man sich natürlich über Folgen beschweren, die bei vollständiger Einhaltung der Regeln nicht aufgetreten wären.

Es ist ein bisschen so, als würde der Verkehrsminister sagen, ideal wäre eine Fahrweise, bei der der Sicherheitsgurt nicht zum Einsatz kommen muss, und jemand würde dann mit 100 kmh unangeschnallt in einen LKW fahren und sich beschweren, dass er stirbt, wo doch der Verkehrsminister sagte, man müsse keinen Anschnallgurt tragen. Zumindest auf der Ebene der persönlichen Blödheit (beider Seiten) ist es vergleichbar.

und es dementsprechend selbst bei so etwas Kindischem wie Fäkalhumor-Beleidigungen gut ist, wenn sich am Ende ein Gericht darum kümmert.

Zustimmung.

Denn damit, es in so einem kindischen Fall tatsächlich anzurufen, zeigt der Klagende halt, dass er nicht über ein "Mamaaaaa!" hinaus ist.

Natürlich traut man seiner Heiligkeit angesichts der erwarteten ewigen Glückseligkeit ein wenig mehr Gelassenheit in weltlichen Dingen zu, aber im Prinzip würde ich auch als erstes "Mamaaaaaaa!" rufen, wenn ein Magazin mich so abgelichtet hätte. Wer von uns würde schmunzeln und das witzig finden, wenn er selbst betroffen wäre?

Richtig, wenn alle nach diesem Vorbild leben, hat sich das Problem nach einer Generation erledigt.
Nach des Papstes Vorbild? Allerdings. Vielleicht hofft er das auch, wer weiß.
erfüllt auch nicht die Bedürfnisse der meisten Menschen, und wie sich ständig und millionenfach weltweit zeigt, auch nicht die vieler Priester. Und damit wird es zur Heuchelei

Eben nicht zwingend. Mag sein, dass in 90% der Fälle mangelnde Menschenkenntnis und mangelndes Interesse an diesen Schicksalen dahinterstehen, aber das Scheitern an einem Ideal macht das Ideal noch nicht zur Heuchelei (insbesondere, wenn es andere sind, die scheitern).
Jeder, der erkennt, dass die katholische Kirche nicht den eigenen Bedürfnissen entspricht, sollte daraus Folgerungen ziehen. Aber vielleicht sollten wir dieses Thema tatsächlich in einem separaten Thread behandeln.

Wer austeilt, muß auch einstecken können

Das stimmt natürlich; trotzdem möchte ich kein Satiriker sein, der sich zu so etwas herablässt.

Traitor
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Do 12. Jul 2012, 18:49 - Beitrag #18

Päpstliche Anti-Kondom-Propaganda ist nicht mein Spezialgebiet, aber wenn ich mich recht entsinne, geht sie doch deutlich über deinen Verkehrsminister hinaus - gab es da nicht so Geschichten wie "kleine Löcher in Sicherheitsgurten begünstigen Unfälle" und "das Anlegen von Sicherheitsgurten verleitet zum Rasen"...? ;)
Ein weiterer wesentlicher Unterschied ist, dass im Wirkungsbereich der Aussagen des deutschen (den interpretiere ich in dein Beispiel mal rein) Verkehrsministers den meisten Verkehrsteilnehmern die Kausalitäten von Gurten, Geschwindigkeit, Aufprällen und Verletzungen leidlich geläufig sind, während der Papst bzw. sein verzweigtes Priesternetz in einigen Weltregionen zu Leuten predigt, von denen nennenswerte Anteile mangels Bildung und/oder Willens jedes Märchen glaubt.
Gut für die Analogie ist allerdings, dass sowohl der Papst als auch der Verkehrsminister bei Verstoß gegen das Nichtkondom- bzw. Gurtgebot zur Strafe den Zugang zum Wein beschränkt... ;)

Wer von uns würde schmunzeln und das witzig finden, wenn er selbst betroffen wäre?
Niemand, aber zur Grundausbildung moderner Prominenter sollte gehören, dass die Beschwerde einem selbst mehr schadet als dem Gegner, und als einem selbst die ursprüngliche Beleidigung. Natürlich ist der Papst nicht im engeren Sinne ein moderner Prominenter, aber irgendein Berater sollte von diesem Konzept doch schonmal gehört haben.

Ipsissimus
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Fr 13. Jul 2012, 11:53 - Beitrag #19

Wo wird da "Bösartigkeit der Strukturen" gezeigt? Zumindest auf dem Titel sehe ich nichts, was die persönliche Ebene verlässt und die Strukturen angeht.


Traitor, ich sagte, dass die Bösartigkeit transportiert und sichtbar gemacht werde, nicht, dass sie dargestellt werde. Das ursprüngliche Titelbild zeigt im Sprung, dass der gütige alte Herr einfach nur ein Mensch ist wie jeder andere, nur dass er und seine Anhänger sich des öfteren an ihren eigenen Erhabenheitsgefühlen verschlucken. Letzteres wird nicht expliziert, kann aber als Metawissen vorausgesetzt werden. Das heißt, der hohe Anspruch ist nur implizit zugegen, die banale Wirklichkeit, der er gegenüber steht, wird enthüllt und entlarvt den Anspruch dadurch als das,was er ist, eine Sammlung dumm-dreister und hohler Phrasen nebst Machtgeilheit.

Ich würde daher sagen, der Titanic ist mit diesem Titelbild eine sogar sehr fein geschliffene Pointe gelungen, weil sich wohl viele Betrachter zwar an der Offensichtlichkeit reiben, die eigentliche Kritik ihnen aber entgangen sein dürfte. Der Papst wird in diesem Titelbild nicht einfach durch den Kakao gezogen; das Priesteramt wird darin vom Himmel auf die Erde zurückgeholt, oder anders gesagt, in die Tonne gekloppt.

janw
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Fr 13. Jul 2012, 12:19 - Beitrag #20

Ipsi, ich habe, als ich davon gehört habe, einfach nur gedacht, muss das sein, einen alten Mann / Menschen so fäkal darzustellen?
Ich weiß wohl, worauf die Darstellung abzielt, aber ich habe mit der Art der Darstellung doch meine Schwierigkeiten.

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