Der Wert kultureller Identität ist nicht einfach durch logische Argumente gegeben. Logik ist jedermenschs Absichten Hure^^ kulturelle Identität entwickelt sich, über Jahrhunderte, manchmal Jahrtausende. Natürlich ist jede Ausprägungsstufe immer nur Durchgang zur nächsten, aber alle basieren sie auf den Entwicklungen, die sich in den Stürmen der Zeiten durchgesetzt haben. Was passiert, wenn man diesen Wachstumsaspekt ignoriert, kannst du an der ehemaligen UDSSR erkennen - kaum fällt der totalitäre Druck weg, macht es pffff und die Ideale der Revolution fallen in sich zusammen. Du könntest natürlich die französische Revolution als Gegenbeispiel anführen. Die allerdings versuchte nicht, den Leuten ihre kulturelle Identität zu nehmen und eine andere über zu stülpen. Beziehungsweise Leute wie Robespierre und die Jakobiner versuchten es doch. Wurde ziemlich häßlich.
Anders gesagt: kulturelle Identität ist sehr viel stabiler, als Zeitgeistigkeit dies für wünschenswert erachtet.
Aufklärung hatte viele Aspekt; die Entwicklung wissenschaftlicher Erklärungsweisen auf Grundlage formalisierter Logik ist nur einer davon. Im Kontext unseres Themas die wichtigste Errungenschaft der Aufklärung ist sicher die Einsicht in die grundlegende Gleichwertigkeit allen religiösen Empfindens - eine Einsicht, die nur vom säkularen Standpunkt aus formuliert werden konnte, Religiöse, die ihren Glauben ernst nehmen, sind diesbezüglich befangen - und die Überführung genau dieser Einsicht in den Corpus allgemeiner Menschenrechte führte dazu, Religionen Privilegien zu gewähren, mit denen die Duldung anderer Religionen erkauft wurde. Ob die Details in jedem Fall glücklich gelöst wurden, sei dahin gestellt. Wenn wir das Religiöse aber anders behandeln, wirst du sehen, wie weit Religionskriege von uns entfernt sind: eine Armlänge. Säkulare Staaten sind in dieser Hinsicht in der Rolle von Raubtierdompteuren - die Raubtiere mögen noch so zahm sein, sie reißen dir doch den Kopf ab, wenn du was falsch machst.
Wenn ich jetzt mal totalitär alle Kulturen "abschaffen" würde, würde ich natürlich viel zerstören, aber ob eine Welt, die es friedlich in einen Zustand schafft, in dem es keine so stark kontrastierenden Religionen, Stämme, Kulturen gibt, nicht vielleicht eine bessere wäre?
Erster Einwand, siehe das Beispiel UDSSR. Die waren nicht nur mit dem Westen sondern trotz glatt gebügelter Strukturen auch intern ziemlich verkracht. Offizielle Verlautbarungen versus Faktizität. Auch bei uns ja ein Problem. Zweiter Einwand, Menschen definieren sich über Differenzen. Differenzen wirken sich als empfundene Wertunterschiede aus. Dritter Einwand, Menschen sind kompetitive Wesen. Dein großer Diktator kann vielleicht alles kaputt machen, was die Welt lebenswert machte. Aber er wird nicht bewirken können, dass die Sehnsucht verschiedener Menschen sich in verschiedene Richtungen entwickelt. Oder vielleicht doch, mit "wissenschaftlichen Methoden". Brave new world. Wenn du in einer solchen Welt leben möchtest, in der du nur noch denken und fühlen
kannst, was du fühlen darfst, deine Sache. Ich wäre lieber tot, als mich chemisch regulieren zu lassen.
Du würdest keine neue friedliche Welt erhalten. Nicht, solange du die Menschen nicht als Spezies insgesamt abschaffst. Nur eine leer gefegte Spielwiese für alte Probleme.
Eine kleine Anpassung dieser Kultur an moderne Standards betrachte ich nicht als vorschreibend
Was in diesem Kontext "klein" ist, entscheidet sich über Empfinden, eben über kulturelle Identität^^ Ansonsten d´accord, im Sinne von Ideengebung, Kommentar oder Hinterfragung halte ich Einmischung für statthaft. Nicht aber mittels Gerichtsurteilen oder Gesetzesänderungen.
dafür aber (je nach Perspektive natürlich) unsere Menschenrechte zu entwerten
Unsere Menschenrechte stehen im Kontext ja gerade dafür ein, dass Judentum seine Identität bewahren darf. Sie werden also eigentlich gestärkt, wenn sie dem Konformitätsdruck ein klares "nein" entgegen setzen.
Du setzt die Judenausrottung und eine Anpassung eines Rechtes hin zum Schutz von Babys auf eine Ebene
eigentlich versuche ich nur darauf hinzuweisen, dass die ganze Problemstellung nicht kontextlos im Raum steht. Vielleicht sieht man in der Ferne besser? Amazonas-Indianer sind zu großen Teilen brasilianische Staatsbürger. Eigentlich empörend, wenn sie sich formal völlig korrekt strukturierten Maßnahmen brasilianischer Behörden verweigern, in enteigneten Waldbereichen wohnen bleiben wollen, der Brandrodung entgegen treten,
sie selbst bleiben wollen. Bezug klar? Ich kann es auch sehr viel härter formulieren. Deutschland hat sich als Kinderschänder und Mörder erwiesen. Und dieser Kinderschänder und Mörder will jetzt bestimmen, wie die Kinder der Ermordeten mit ihren Kindern umzugehen haben? Nicht wirklich, oder?
Entweder wir stellen die Forderungen von Juden über unsere eigenen oder wir sind Nazis
Die Juden fordern nichts. Sie wollen lediglich unangetastet bleiben. Und wir wollen offensichtlich antasten. Und nach wie vor: du ignorierst, dass Deutschland der Rechtsnachfolger des dritten Reichs ist. Dass wir sie töten wollten und es ums Haar geschafft hätten. Dass nicht sie sich ändern müssen. Sondern dass wir beweisen müssen, dass wir uns geändert haben. Ja, noch einige Generationen lang.
Eine kleine Einschränkung einer Tradition (Fachpersonal erforderlich) bedeutet nicht, die verbleibenden Juden des Landes zu verweisen.
Mag sein^^ Aber sie werden gehen. Aus der Sicht von Vertriebenen ist es ziemlich gleichgültig, ob sie von freundlichen Herren in Handschellen zum Abschiebeterminal gebracht werden, oder ob man ihre Lebenszustände so umschreibt, dass sie "freiwillig" gehen. Und gehen werden sie^^ Vertreibung auf formal korrekt.
Wenn es zu viel verlangt ist, von den Juden so etwas zu erwarten, dann stehen in deiner Welt die Juden ganz oben und weit darunter erst kommt der Rest.
weil wir sie töten wollten und nicht sie uns. Weil wir nicht unsere Babies vor ihnen schützen wollen - als wäre das notwendig - sondern weil wir ihnen vorschreiben wollen, wie sie mit ihren Babies umzugehen haben. Weil wir wieder mal der Aggressor sind.
Im Gegensatz zu dir beurteile ich die Qualität von Menschen nicht anhand von Worten wie "Jude" oder "wurde in Land XY geboren".
huch^^ tue ich das?
Scheiß egal zu welcher Kultur die gehörten.
Prinzipiell d´accord. Im Kontext rotteten wir aber nicht ums Haar jede x-beliebige Kultur aus sondern die der europäischen Juden, Sinti und Roma. Dein Argument lautet, geringfügig umformuliert, weil wir ja jede x-beliebige Kultur hätten ausrotten können stehen den Überresten der Kultur, die wir dann tatsächlich ausgerottet haben, keinerlei besonderes Entgegenkommen zu
Jeder Mensch sollte aus der Geschichte der ganzen Menschheit lernen.
Und du bist derjenige, der das jedem Menschen vorschreibt? Ich jedenfalls überlasse jedem Menschen, was er woraus lernt und wem er sich verweigert.
Ein Jude muss nicht weniger lernen, dass eine diskriminierende Wertung Anhand von Rasse/Land/Kultur/Religionen immer zu Katastrophen führen wird, wie es ein Deutscher lernen muss.
Für einen Israeli im Staate Israel wäre es eine zweifellos wünschenswerte Einsicht, dies zu erkennen. Ein Jude in Deutschland muss das nicht lernen, weil Juden in Deutschland im Land der Mörder ihrer Eltern leben. Es ist für dieses Land eine Ehre und ein Vertrauensvorschuss, dass die Nachfahren der Ermordeten dem Land die Chance geben, zu beweisen, dass es sich geändert hat. Im Moment kokettieren wir gerade damit, diesen Vertrauensvorschuss zu verspielen. WIR diskriminieren gerade.
was passiert, wenn mein atheistischer Kumpel meinem imaginären Sohn ein Stück seines Körpers wegschneidet?
dann wirst du deinem atheistischen Kumpel wohl entgegentreten^^ aber was hat das mit dem Judentum zu tun? Lebst du in einer Kultur, in der du nur Atheist sein kannst, wenn dir die Vorhaut weg geschnippelt wurde?