@AJ
Ich kann mich da Schockk anschließen.
Man kann die ganze Situation nicht so einfach von außen beurteilen, man muss sich in die damalige Lage versetzen bzw. es versuchen, weil man sich wohl gar nicht wirklich in die Lage versetzen kann. Fahnenflüchtige wurden damals erschossen. Da hatte man erstmal die Wahl zwischen an die Front gehen und erschossen werden, obwohl man es wohl keine Wahl nennen kann. Wenn man jahrelang auf Nazi-Schulen und in der Hitler-Jugend war (wo man auch keine Wahl hatte. Zur Schule musste man und wenn man irgendwas außerhalb der Schule mit Freunden machen wollte, musste man zur HJ) und dann plötzlich dort rausgerissen und an die Front geschickt wirst, obwohl du natürlich auf den Krieg "vorbereitet" wurdest (als ob man darauf vorbereiten könnte), im Grunde unvorbereitet, dann bist du, bevor du das ganze mal in Ruhe durchdenken kannst, schon im Krieg drin und dazu auch in der Kameradschaft unter einem Offizier, der dich erschießen lässt, wenn du fliehst, da kannst du das auch nicht in Ruhe durchdenken. Und ich denke, selbst wenn die Leute es durchdenken konnten, dass sie wirklich Menschen töten müssen, dann kann man vielleicht sagen, dass es nicht gut war, dass sie es getan haben, aber man kann niemanden dafür wirklich verurteilen, dass er getötet hat, weil er nicht getötet werden wollte, besonders, wenn er Leute tötete, die ihn sonst getötet hätten. Wer der Aggressor war, wer im Recht war, war damals für den Einzelnen sowieso kaum durchschaubar.
Und meinst du, die Soldaten wurden für das, was sie getan haben, nicht genug bestraft? Die (wenn ich mich recht erinnere) Genfer Konvention legt gewisse Bedingungen für Kriegsgefangene fest, die gewährleisten sollen, dass Kriegsgefangene wirklich nur festgehalten und zum leichten Arbeitsdienst eingesetzt werden und dabei nicht unnötig gequält werden. Desweiteren dürfen sie nicht über die Dauer des Krieges hinaus festgehalten werden. Das wurde nicht im entferntesten eingehalten. Natürlich nicht von Russland (bzw. damals der Sowjetunion), das die Soldaten nach Sibirien verschleppte, wo sie unter unvollstellbaren Bedingungen zu schweren Arbeitsdienst gezwungen wurden, wobei etliche an Überarbeitung, Hunger und Kälte gestorben sind. Und diese Lager wurden erst sehr spät nach Kriegsende geschlossen. Aber auch Frankreich hat sich nicht an irgendwelche Konventionen gehalten. Die Gefangenen mussten dort auch schweren Arbeitsdienst leisten und Hunger leiden.
Und ich sage, ein Kriegsverbrechen ist ein Kriegsverbrechen, auch wenn der Kontext es etwas abmildern mag. Insbesondere ist ein Kriegsverbrechen zu verurteilen, wenn es keinesfalls Notwehr war. Wenn ein angegriffenes Land Partisanen einsetzt, so ist das vielleicht ein entschuldbares Land, wenn man in einem praktisch besiegten Land tausende Unschuldige bombadiert, sicher nicht.
Ich mag in dieser Frage auch nicht ganz objektiv sein, weil ich auch schon "vorbelastet" bin. Mein Großvater wurde damals mit 16 eingezogen worden und ist dann nachher in französische Kriegsgefangenschaft geraten. Er hat selbst nie davon erzählt, ich weiß nur ein paar Dinge von meiner Großmutter, aber das wenige, was ich weiß, ist schon erschreckend genug.
Padreic