Hussein zum Tode verurteilt

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
Yanāpaw
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Mi 8. Nov 2006, 19:33 - Beitrag #21

Lykurg,

das wusste ich nicht, vielen Dank für diese Information. Diese minimale Gesetzeslücke ist tatsächlich kaum der Rede wert...
Einige marginale Änderungen und alles ist in Butter. ^^

Ipsissimus
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Do 16. Nov 2006, 17:27 - Beitrag #22

Formalkorrrektheit soll hier wohl Seelenfrieden schaffen^^

Geschichte wird immer von den Siegern geschrieben, die im übrigen auch die Historiker dafür bezahlen. Die Ermordung Husseins ist tagespolitische Pragmatik, mehr nicht. Als solche ist sie mir gleichgültig, ich lehne nur diese ganzen formalscheinheiligen Begründungen ab^^

Lykurg
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Do 16. Nov 2006, 18:15 - Beitrag #23

Geschichte wird immer von den Siegern geschrieben, die im übrigen auch die Historiker dafür bezahlen.
Naja, wer sonst interessiert sich dafür? Die Verlierer müssen zunächst versuchen, ihren Kopf zu retten; ohne die entsprechende historische Bewertung ist der 'Sieg' aber nicht von Dauer - wobei auch nahezu allumfassende Fälschungskampagnen bei nachlassender Brisanz irgendwann aufgedeckt werden können, siehe etwa Ramses II.^^ In Anbetracht der allgemeinen Gültigkeit der moralischen Normen und politischen Strukturen unserer Tage, gegenübergestellt denen von damals, ist hier doch, soweit notwendig, baldige Revision zu erwarten...

Tagespolitische Pragmatik, ja - aber zugleich ein Paradigma für den Umgang mit (zumindest manchen) Mistviechern unserer Zeit. Wie wäre ein Ramses oder ein Napoleon (oder eher ein Wiener Kongreß^^) mit ihm umgegangen? Hätte man ihm eine Insel im persischen Golf überlassen sollen (aber bitte nicht Bahrain/Dilmun^^)?

janw
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Fr 17. Nov 2006, 19:08 - Beitrag #24

Ramses, Napoleon,...im Grunde hat sich doch nicht allzu viel geändert, sieht man von der Tatsache des Prozesses ab.
Macht baut andere Macht gegen Bösen Dritten auf, nimmt dabei billigend inkauf, daß dabei Volk und Minderheiten über die Klinge springen - und wenn andere Macht sich gleicher fühlt als sie sollte oder schlicht nicht mehr gebraucht wird, wird sie entsorgt - indem Macht sie dämonisiert und dann dem Volk stolz die Überwindung des Dämons verkündet, am besten mit einem Volksfest und einem blutigen aufgespießten Schädel auf dem Marktplatz.
Das wirklich Dämonische an diesem Spiel, die Selbstverständlichkeit des Überdieklingespringenlassens von ausgeliefertem Volk, bleibt davon unberührt.

Wäre das Völkerrecht analog zur Strafprozessordnung organisiert, wäre Hussein wohl ein freier Mann - der Überfall auf den Irak müßte wie unzulässige Methoden der Polizeiarbeit gewertet werden, denke ich, ohne Haftbefehl keine Festnahme.
So gesehen, hätten evtl. an der Festnahme beteiligte britische Soldaten gegen die habeas-corpus-Akte verstoßen.

Ein wirklicher Paradigmenwechsel müßte in meinen Augen zu einer Hinterfragung dieser Machthintergründe führen und zu einer Aufarbeitung der Strukturen und Bedingungen, durch die die scheußliche Machtausübung erst möglich wurde. Am Ende dieses Prozesses stünde dann wohl die Erkenntnis, daß Machtausübung, -Aneignung, -Vergabe und Nutznießenlassen bei Wohlverhalten in menschlichen Gruppen immer wiederkehren.
Abgesehen davon, daß für mich die Todesstrafe keine menschengemäße Strafform ist, könnte man dann schon fragen, ob man überhaupt wegen eben dieses menschenmöglichen, ja weitverbreiteten Machtverhaltens diese Strafe anwenden dürfte.

Lykurg
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Fr 17. Nov 2006, 20:32 - Beitrag #25

Wäre das Völkerrecht analog zur Strafprozessordnung organisiert, wäre Hussein wohl ein freier Mann - der Überfall auf den Irak müßte wie unzulässige Methoden der Polizeiarbeit gewertet werden, denke ich, ohne Haftbefehl keine Festnahme.
Deswegen wird die Sache ja auch nicht vor einem internationalen Tribunal verhandelt, sondern vor einem irakischen Gericht. Die Frage, ob über Opfer unzulässiger Festnahmen verhandelt werden darf, ist ein ziemlich heißes Eisen - darunter fiele etwa der Eichmann-Prozeß, aber auch diverse Verfahren gegen in Indonesien und anderen Ländern mit umstrittener Rechtspraxis festgenommene, nach Europa überstellte Personen...
So gesehen, hätten evtl. an der Festnahme beteiligte britische Soldaten gegen die habeas-corpus-Akte verstoßen.
o si invenissent corpus! ;)

janw
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Do 28. Dez 2006, 23:43 - Beitrag #26

Nun scheint es allerdings wirklich ernst zu werden, innerhalb von 30 Tagen soll er hingerichtet werden.
Ich meine mich zu erinnern, daß irgendein anderer staatlicher Massenmörder in ähnlicher Situation vor ein paar Jahren in den Niederlanden lebenslänglich eingesperrt wurde als Ersatz für die Hinrichtung.
Ich frage mich, ob das nicht auch hier zumindest ins Gespräch gebracht werden sollte - schließlich waren europäische Staaten gut genug dafür, die Militärhilfe zu stellen, die zur Niederschlagung des Regimes und zur Festsetzung des Täters erforderlich war, wäre es dann nicht auch recht und billig, die Abkehr von der Todesstrafe als kulturelle Einbringung ins Feld zu führen?
Oder wäre dies nach der militärischen Intrusion eine Aufoktroyierung europäischer Werte, hat zu gelten, daß auch in Sachen der Todesstrafe der allmähliche kulturelle Wandel und dieser dann zu dessen Abschaffung führen muss, wenn eben die Zeit reif ist dafür?
Nun, dies würde bedingen, die irakische Gesellschaft in gewisser Weise als "mittelalterlich" einzustufen, jedenfalls im Sinne einer stufenweisen Entwicklungstheorie auf einem Zustand, wo auch in Europa noch mit dem Leben geahndet wurde - was in Europa selbst noch gar nicht lange her ist.
Nimmt man die soziale Organisation, die Verankerung der Individualität im individuellen Bewusstsein und anderes als Indikatoren, so käme man gewiss zu diesem Ergebnis, die irakische Gesellschaft, die arabischen Gesellschaften allgemein, sind von unserer Postmodernität ein gutes Stück entfernt. Allerdings, wenn auch die globale Anti-Todesstrafen-Bewegung - iirc - in Europa ihren Ausgang nahm, mus dies nicht zwangsläufig auf eine zwingende Verbindung mit dem erreichten Kulturzustand Europas hindeuten - dafür sprechen IMHO auch zu viele rationale, nicht ideologische Gründe gegen die Todesstrafe, und dafür ist letztlich die Todesstrafe zu sehr nützliches Instrument gerade für die Regime dieser Welt, als daß sicher gesagt werden könnte, daß sie ohne diese dauerhaft weiter bestünde.
Angesichts dessen, daß die Person Husseins die irakische Gesellschaft spaltet wie nichts anderes, er gar selbst den Märtyrertod anstrebt, wäre es IMHO ein Bärendienst an dieser Gesellschaft, die Versöhnung braucht, nicht eine lebenslange Unterbringung in einem europäischen Gefängnis ins Gespräch zu bringen.
Warum nicht im Irak selbst? Angesichts der Spannungen um seine Person würde der Ort seines Gefängnisses zum neuen Kristallisationspunkt der politischen Differenzen im Lande, zum Ort dauerhafter politischer Unruhe (komisch, daß ich mal gegen solche opponiere^^) und damit würde dort letztlich jeder normale Betrieb unmöglich, abgesehen von dem immensen Sicherheitsaufwand, der zu treiben wäre - um ihn gefangen zu halten wie auch um ihn vor seinen Feinden zu schützen. Welche Probleme damit verbunden sind, zeigt hierzulande Rudolf Hess, um dessen Tod sich ja unter seinen unseligen Anhängern noch immer Mordgerüchte halten.

Ipsissimus
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So 31. Dez 2006, 15:02 - Beitrag #27

man hatte es anscheinend überaus eilig mit der Hinrichtung, und die Inszenierung wäre zwar problemlos noch viel degoutanter vorstellbar, dann aber kaum noch anderen als Freaks und US-Amerikanern als Erlösung vermittelbar.

Ansonsten nichts neues - es wurde Formalkorrektheit erzielt, eigens ein Gesetz noch in letzter Minute hierfür gekippt, die üblichen Verdächtigen zeigen sich begeistert, die üblichen Vedächtigen zeigen sich wohldosiert demokratisch und mahnend zugleich. Nichts davon ändert was daran, daß hier eine simple Rache medial inszeniert und ausgeschlachtet wurde und wird. Warum erinnere ich mich dabei an Nicolae Ceauşescu? Bei ihm ging es wenigstens schnell und schmerzlos. Der Merkel hätte ich für ihre Heuchelei allerdings gerne eine Ohrfeige gegeben.

Daß der Emordete ein Arschloch war, das tausendfach Ziel persönlicher Rache zu werden verdient hat, ändert daran nichts.

janw
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Fr 5. Jan 2007, 04:06 - Beitrag #28

D'accord.
Merkel ist für mich allerdings nicht mehr satisfaktionsfähig, ihrem Ziehvater hätte ich vielleicht noch eine Watschn geben können...

Ich ringe aber noch mit mir, wie mir die Existenz des Handy-Videos gefällt.
Mein vorrangiger Impuls ist, daß ich es unmöglich finde, daß solche Aufnahmen nicht unterbunden worden sind - das minutenlange Zeigen des Delinquenten mit dem Tod vor Augen, dem Strick um den Hals finde ich entwürdigend.
Andererseits straft es eben die offizielle Version vom wohlgeordneten Ablauf Lügen - nichts wäre sonst bekannt geworden von den wüsten Beschimpfungen, die an ihn gerichtet wurden und davon, daß die Klappe mitten in sein Gebet fiel.

Anaeyon
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Fr 5. Jan 2007, 04:32 - Beitrag #29

Moin. Ersteren Link bitte nur anschauen, wenn man ein unzensiertes Weltbild (n guten Magen) hat. Der Dicke in Grün ist, wenn mich nicht alles täuscht, Saddam.
http://www.liveleak.com/view?i=094d71e991&c=1

Dann hier, das Handy-Video.
http://www.liveleak.com/view?i=5e04b92646

Jan, falls du dir ersteres angeschaut hast, hoffe ich, dass es dir deine Meinungsbildung etwas erleichtert. Und ich weis durchaus, dass es nicht nur darum geht, abzuwägen ob ein Mensch es dann verdient hat, vor seinem Tod verhöhnt zu werden, wenn er selbst viel Schlimmes getan hat, ich fühle zwar selbst sehr gerne so simplifiziert, nehme aber an, dass du nicht so denkst.

Dennoch frage ich mich, ob deine Gutmenschlichkeit (die bei dir ja oft sehr bewundernswert ist ^^) hier nicht ein bisschen arg fehl am Platz ist. Wenn du anderer Meinung bist, würde mich die Begründung interessieren. Die ruhig etwas komplexer sein kann, als meine Gefühlswelt beim Betrachten unzensierter Nachrichten. Bild

Milena
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Fr 5. Jan 2007, 09:27 - Beitrag #30

...Anaeyon,^^
ich kann dich sehr gut verstehen,
aber Jan noch ein wenig mehr........
Ich bin prinzipiell gegen die Todesstrafe,
egal wer oder was er getan hat....
Böses darf nicht mit Bösem vergolten werden...
der Mensch hat kein Recht, über den Tod eines anderen zu verfügen,
und in Gemeinschaft es legal ausführen zu können.
Ich weiss um die Schwere , die Hussein oder sonst ein Mensch begangen hat,
und doch wäre es mit lebenslanger Gefangenschaft gut gewesen,
gut zum einen,
weil die/seine Vergangenheit damit nicht wett gemacht werden kann,
zum anderen,
weil wir Menschen sind und nicht dümmer als die Tierwelt daherkommen dürfen.

Anaeyon
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Fr 5. Jan 2007, 17:36 - Beitrag #31

Menschen nehmen sich seit jeher die Rechte, die sie brauchen.

Aber na gut, Todesstrafendiskussionen sind eh immer das selbe ^^

Ipsissimus
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Fr 5. Jan 2007, 18:24 - Beitrag #32

Schätzle, obwohl ich deine Argumentation kenne und nachvollziehen kann, stimme ich dir nicht zu, aus dem Grund, den schon Ana genannt hat: was Menschen sein sollen, hat sie noch nie daran gehindert, zu sein, was sie sein wollen, wenn sie nur mächtig genug dazu sind, es durchzusetzen. Ich stimme allerdings auch Ana nicht zu, weil es hier nicht um Menschen geht, sondern um Mächte, Nationen, in deren Spiel Menschen schon immer nur Marionetten waren, Hussein war zwar auch ein Mensch, er war aber in erster Linie ein politisches Subjekt von Bedeutung, und sein einziger Fehler als solches bestand zulettz darin, daß er verloren hat, etwas, das bei politischen Subjekten unverzeihlich ist, denn - dadurch werden sie wieder zu Menschen - also zu Marionetten. An denen getan wird, was immer die Macht zu tun beschlossen hat.

Daß das Ganze degoutant ist, und daß das Spiel von beschissenen Arschlöchern und Scheisskerlen gespielt wird - dies zu ermessen, bedarf es der Metaebene, die zwar gelegentlich in unseren Gehirnen, nie jedoch in der Wirklichkeit anzufinden ist.

Anaeyon
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Fr 5. Jan 2007, 18:42 - Beitrag #33

Was meinst du mit dem letzten Satz?

Gibt es eine "politischere" Anschauungsweise, die es.."moralisch"..verwerfbar machen würde (oder sinnlos), auf Hitlers Grab zu spucken? Oder lese ich an dir vorbei?

Ipsissimus
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Fr 5. Jan 2007, 18:51 - Beitrag #34

natürlich gibt es eine politische Ebene, die es verwerflich machen würde, auf Hitlers Grab zu spucken^^ warte ein bißchen, bis die (Neo)Nazis bei uns (wieder) die Macht haben^^

aber eigentlich meinte ich es umgekehrt. Daß etwas mit der Husseinermordung falsch ist, das ersiehst du nicht anhand des politischen Kalküls, denn da ist gut = nützlich. Es bedarf eines Korrektivs, um zu sehen, daß "nützlich" != gut, und dieses Korrektiv findet sich in politischen Vorstellungen nicht, jedenfalls nicht in solchen, die in der politischen Realität eine Rolle spielen

Milena
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Fr 5. Jan 2007, 20:06 - Beitrag #35

..verstehe deinen letzten Beitrag leider nicht....

und, ich weiss nicht,
Menschen sind keine Marionetten und ach so hilflos oder irgendjemandem oder irgendetwas ausgesetzt...
Menschen können sich wehren,
wenn sie wirklich wollten,
dagegen wehren, einfache Marionetten zu sein......
von dem her...^^

Ipsissimus
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Fr 5. Jan 2007, 20:28 - Beitrag #36

natürlich können sie sich wehren ... solange kein allzu achtsamer Blick der Macht auf ihnen liegt^^

Milena
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Fr 5. Jan 2007, 21:09 - Beitrag #37

..nein,
unabhängig davon....
das ist es ja gerade,
Merkel,
wenn sie nicht wirklich wollte, könnte alles hinschmeissen und hätte ihren Seelenfrieden.
Hussein,
der nicht wirklich selbst gewollt hätte,
hätte ebenso aufhören können,
egal wer oder was auf ihn schielte........
Hinter Menschen stehen lediglich Menschen,
nicht mehr und nicht weniger.

Anaeyon
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Fr 5. Jan 2007, 21:21 - Beitrag #38

Denke ich auch. Wenn man ein bisschen Werte relativiet, verpufft das Gedankenkonstrukt Staat/wai doch sehr schnell und übrig bleiben Menschen.

janw
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Fr 5. Jan 2007, 22:08 - Beitrag #39

Ana, Soldateska verträgt sich, Soldateska erschlägt sich, und Mitteleuropa bestätigt die Regel^^
Saddam war von den Diktatoren einer der schlimmsten, das steht außer Frage.
Das ändert aber nichts daran, daß seine Hinrichtung ein staatlicher Akt war, für die ein formaler Rahmen gelten sollte, ein Rahmen, der die prinzipelle Würde des immer_noch Menschen, um den es da ging, wahren sollte und den religiös-kulturellen Rahmen, in dem das stattfand. Spontane Beschimpfungen dessen, der da in dem Moment - man möchte den Leuten da Stefan Zweig(1) ans Herz legen - durch die Hölle ging, sollten darin keinen Platz haben - sicher eine Herausforderung für jene Anwesenden, die zugleich in irgendeiner Weise Opfer waren, mit deren Überforderung in dem Moment ich aber auch durchaus mitfühlen kann.
Trotzdem wäre es mir lieber, dieser eben spontan ungeordnete Ablauf - der ja so weit ging, daß der Staatsanwalt den Vorgang beinahe abgebrochen hätte - wäre als solcher verlautbart worden, ohne daß diese Bilder entstanden wären.
Dann blieben der Welt auch jene unappetitlichen Kommentare erspart, welche z.B. bei YouTube zu lesen sind. Man muss den Tieren, zu denen manche Menschen bisweilen werden, nicht alles zum Fraße vorwerfen...

Ana, :) ohne die ersten drei Buchstaben würd es mir schon genügen^^
Sicher tun Menschen das, und ihr Bewußtsein von Rechtsverstoß und Intention macht sie zu Menschen.
Letztlich ist aber der Zen und der Existentialismus im Irak noch nicht so recht angekommen, und so muss mit Pascal, aufbauend auf Montaigne, angenommen werden:
[...] ein dritter schließlich meint, daß die Gerechtigkeit in den jeweils geltenden Gewohnheiten ihr Wesen hat. Diese Meinung ist wohl jene, die am ehesten zutrifft: folgt man nämlich der Vernunft, gibt es nichts, was von sich aus gerecht ist. Alles gerät mit der Zeit in Bewegung. Weil sie übernommen wird, bestimmt die Gewohnheit gänzlich das Wesen der Gerechtigkeit: das ist der mystische Grund ihrer Autorität (ihrer Anerkennung und ihres Ansehens). Wer sie auf ihr Prinzip zurückführt, zerstört sie.(2)

Nimmt man das Geschehene als Ausdruck der aktuellen Gewohnheit im Irak, so ist dort offenbar Rache in jeder Form der als gerecht empfundene Weg zur Konfliktlösung. Nicht, daß dies unbekannt wäre^^, aber ich fürchte, das Ende Saddams wird somit dieser Ära nicht zum Ende gereichen, sie eher verstetigen.
Das Ziel des Tages, die Etablierung einer neuen Ära mit einem neuen, regelstaatlichen gewohnheitsmäßigen Algorithmensatz, durch die geordnet und einigermaßen würdewahrende Durchführung der Hinrichtung als konstitutiver Akt, wäre damit verfehlt. Eine chaotische Perspektive...

[EDIT:]
Ipsi, sicher trifft auf Saddam das Problem der "Vermenschlichung" zu, aber kann man wirklich jede Autonomie des Gerichts verneinen? Will sagen...ist es wirklich so, daß er sterben musste, weil "Macht" das wollte?

(1) Stefan Zweig: Sternstunden der Menschheit. [Darin ein Bericht über eine Hinrichtung]
(2) Pascal, zit. n. Jacques Derrida: Gesetzeskraft. Der "mystische Grund der Autorität". Edition Suhrkamp S. 24

Anaeyon
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Fr 5. Jan 2007, 23:01 - Beitrag #40

Gut. Ich dachte, du störst dich eher speziell an den Rufen, als an der Art wie es durchgeführt wurde und unter welchen Umständen Bild

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