Auf dem Weg in eine Tripolare Welt?

Das aktuelle politische Geschehen in Deutschland und der ganzen Welt sowie wichtige Ereignisse der Weltgeschichte.
mine'S^
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Mi 27. Aug 2008, 14:45 - Beitrag #21

Ich meinte menschlich i.S.v. humanwerte-ethisch, was dir sicher auch bewusst war. Allerdings ist das nicht als Moralkeule aufzufassen sondern als mögliches (und weltweit offiziell allgemein anerkanntes) Fundament einer interventionalistischen Außenpolitik.

Die Fragen ist aber werden in Tibet derzeit Menschen getötet, (nur) weil sie Tibeter sind? Und wurden in Tibet Menschen getötet allein, weil sie Tibeter sind.
Für mich deutet da nichts in die Richtung.


Wenn du dich nicht detailliert mit der Thematik beschäftigen möchtest reicht ein Blick auf Wiki und die entsprechende Diskussion dazu. Ich bin sicher die Berichte zu zwangsweiser Sterilisation von Tibetern, weil sie Tibeter sind, von Folter, von Hunderttausenden die man hat verhungern lassen et cetera sind alle nicht aussagekräftig genug um von Genozid zu sprechen, weil ein Historiker aus NY (der v. Dänikken des Tibet-Konflikts) sagt das ist alles nicht so.

Ipsissimus
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Mi 27. Aug 2008, 16:03 - Beitrag #22

selbstverständlich war ich mir dessen bewußt, mineS ^^ der kleine Exkurs erschien mir dennoch sinnvoll, um auf das Problem hinter all den Problemen zu verweisen. Du tust in deiner Argumentation so, als hievten die Humanwerte-Ethiken, auf die du dich berufst, automatisch alle diejenigen, die sich darauf berufen, in die moralisch überlegene Position; du löst dabei - probates Mittel europäischer Philosophie seit Jahrtausenden - die Problemlösung von den angeblich Problemlösenden ab. Überall in der Welt wird gesehen, was alle möglichen Nationen - und da ganz genau so die Europäer und Amerikaner wie alle anderen - sich in ihrer Geschichte erlaubten und bis heute erlauben. Und überall auf der Welt wird "uns" (den Amerikanern und Europäern) trotz all unserer Propagandaversuche - die hauptsächlich nur heimische Patrioten glauben - der Stinkefinger gezeigt ob unseres Versuches, durch das Winken mit irgendwelchen Konventionen - denen "wir" größtenteils selbst gar nicht entsprechen - uns selbst freizusprechen und alle, die nicht nach unseren Maßgaben spielen, zu verdammen.

Ich denke schon, dass Maglor mit seiner Reminiszenz an den Kosovo den Nagel einigermaßen auf den Kopf getroffen hat

Lykurg
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Mi 27. Aug 2008, 16:37 - Beitrag #23

Zumindest trifft Maglor den Geschmack der Russen, die bei der Annektion (Verzeihung, "Anerkennung" der Souveränität - daß die Wörter aber auch so ähnlich klingen^^) ähnliches verlautbarten. Nur daß die schon im Tschetschenien-Konflikt gezeigt haben, wieviel sie auf den Willen und die Rechte von ethnischen Minderheiten - oder in ihrem Gebiet eben sogar Mehrheiten - geben: einen Scheißdreck, wenn es ihnen nicht gerade in den Kram paßt (wie eben in Georgien der Fall). Da kommt ihnen die Retourkutsche Kosovo natürlich gerade recht. Aber wo liegen beim Kosovo-Konflikt die für einen Vergleich erforderlichen wirtschaftlichen Interessen? Strebte die EU die Vorherrschaft über den albanischen Waffen- und Drogenmarkt an? Bild

Ich stimme dahingehend zu, daß es sich bei der Anerkennung des Kosovo unter Verletzung der serbischen Souveränität um eine Handlung entgegen den zuvor üblichen Gepflogenheiten handelte, und daß das russische Vorgehen in Georgien teilweise diesem Muster folgt. Allerdings hat Rußland in diesem Konflikt offensichtlich von Anfang an das Ziel verfolgt, sich die Territorien einzuverleiben (etwa durch die Aushändigung russischer Pässe), und generelles Abweichlertum der Kaukasusstaaten gegen russische Interessen durch eine Art "Strafexpedition" zu sanktionieren. Dieser zur Schau gestellte reine Machiavellismus mag ehrlicher wirken als das Verfahren nach ethischen Prinzipien, aus denen auch eigene Vorteile entspringen. Berechtigter ist er deshalb aber nicht.

Darüber hinaus wäre es natürlich eine praktische Vorgehensweise, aus der behaupteten Unvollkommenheit und inkonsequenten Umsetzung humanitärer Konventionen ihre Unsinnigkeit abzuleiten. Nur verbesserte sich dadurch am status quo nichts außer der Selbstsicht (in der dann diese Unstimmigkeiten als fremdverschuldet abgelehnt werden könnten). Ein mehr oder weniger geschlossenes argumentatives System. - Das geschieht hier so zum Glück nicht, die Konventionen werden nur als ein beliebiges Requisit zur Untermauerung von Machtansprüchen abgetan. Nur ist ihr intrinsischer Wert damit letztlich ebenso erledigt wie er es im Fall des anderen Vorgehens wäre.

mine'S^
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Mi 27. Aug 2008, 19:24 - Beitrag #24

Du tust in deiner Argumentation so, als hievten die Humanwerte-Ethiken, auf die du dich berufst, automatisch alle diejenigen, die sich darauf berufen, in die moralisch überlegene Position


Es gibt imo keine moralisch überlegene Position, ich bin nicht der Meinung man müsse den Tibetern zu Hilfe eilen, weil sie den Chinesen moralisch überlegen seien, oder dass der Westen dem asiatischen Raum moralisch überlegen sei. Ich bin der Meinung, dass es nicht reicht tolle Floskeln von unantastbarer Menschenwürde und überpositiven Rechten und Blumland zu proklamieren und diese dann nur dort einzufordern, wo die Umsetzung keine Opfer und keinen Aufwand erfordert. Entweder ich bin für die Unantastbarkeit der Menschenwürde und glaube an richtig und falsch, was wir als Nation angeblich tun, dann muss ich entsprechend handeln, oder ich stehe offen dazu, dass mich die Anderen einen Dreck interessieren und Menschenwürde nur eine hohle Phrase ohne realer Entsprechung ist, dann ignoriere ich die Verbrechen der chinesischen Diktatur und treibe weiter fröhlich Handel und grinse den Vertretern selbiger auf rotem Teppich ins Gesicht. Mit beiden Optionen kann ich sehr gut leben.

Ich frage mich ob Maglor und dir das auch so geht, oder ob ihr doch nicht ganz so losgelöst von den Konventionen seit, gegen die ihr argumentiert, indem ihr eine universelle Gültigkeit -die es nicht gibt und nie geben wird - als Vorraussetzung für ihre Anwendbarkeit einfordert. Ich habe erhebliche Zweifel, ob ihr in dem Staat leben wolltet, der sich aus konsequenter Anwendung dieser Maxime ergäbe.

Und überall auf der Welt wird "uns" (den Amerikanern und Europäern) trotz all unserer Propagandaversuche - die hauptsächlich nur heimische Patrioten glauben - der Stinkefinger gezeigt ob unseres Versuches, durch das Winken mit irgendwelchen Konventionen - denen "wir" größtenteils selbst gar nicht entsprechen - uns selbst freizusprechen und alle, die nicht nach unseren Maßgaben spielen, zu verdammen.



Und wer ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein... Gute Basis für jede Form der Rechtsstaatlichkeit, die mal eben das ganze Prinzip ad absurdum führt. Ich ziehe dann mal los und töte alle Brillenträger, danach kommen Behinderte, Zigeuner, Schwule, Juden und Neger, haben wir alles schon hinter uns, ergo kann man das keinem vorwerfen wenn der es jetzt auch mal probieren will. Hoffentlich produzieren die Russen weiterhin mehr Kaliber 7.62 als Nahrungsmittel, sonst geht mir bald die Mun aus.. Mal ganz davon abgesehen, dass ich mich nicht erinnern kann irgendwen freigesprochen oder verdammt zu haben.

Maglor
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Mi 27. Aug 2008, 20:58 - Beitrag #25

Divide et impera

Ipsissimus
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Do 28. Aug 2008, 00:53 - Beitrag #26

Lykurg und mineS, eure Argumentation wäre sehr viel überzeugender, wenn ihr sie nicht beständig an den klassischen westlichen Feindbildern festmachen wolltet, sondern hinsichtlich uns und unserer amerikanischen und europäischen Freunde und deren Freunden ebenso scharf argumentieren wolltet. Mit zweierlei Maß gemessen andernfalls. Aber wes Brot ich ess, des Lied ich sing, ist allgemeines Kulturgut, nehme ich mal an.

Du glaubst an richtig und falsch, mineS? Dass Staaten, wenigstens propagandistisch, sich in der Hybris ergehen, dies entscheiden zu können, ist nicht verwunderlich - Individuen könnten allerdings schon bei einem Minimum an unabhängigem Nachdenken auf die wesentlich bessere Idee kommen, dass diese Dichotomie zu simpel ist, um die Kompexität der realen Wirklichkeit auch nur einigermaßen adäquat abbilden zu können.

Im übrigen erweist die Realität, dass Menschenwürde eine hohle Phrase ohne jeden Gehalt IST, was nicht gleichbedeutend damit ist, dass jemandem, dem diese Feststellung evident ist, andere Menschen darüber notwendigerweise gleichgültig sein müssten. Mensch kann die Wirklichkeit sehen, ohne die Empathie zu verweigern.

Und diejenigen, die die Fratze der chinesischen Diktatur ignorieren, das sind wir, in Gestalt unserer "Elite"^^ unserer Geschäftsleute, unsere Politiker, die alle ganz gimpig darauf sind, den chinesischen Markt für sich zu sichern. Die vorneherum "schimpfe, schimpfe" sagen, und hintenherum die Verträge unterzeichnen. Das ist die entscheidende Stelle, an der du den wirklichen Wert der Menschenwürde erkennen kannst.

mine'S^
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Do 28. Aug 2008, 01:15 - Beitrag #27

Ich persönlich glaube weder an richtig und falsch noch an überpositive Rechte oder immanente Werte, aber die Nation Deutschland hat sich diese Werte auf die Agenda gekritzelt. Ich argumentiere auch an keiner Stelle für Unrecht durch den Westen, ich argumentiere gegen Unrecht durch China, welches Unrecht der Westen zur gleichen Zeit wo auch immer begeht ist zur Beurteilung des chinesischen Unrechts in Myanmar und Tibet komplett irrelevant. Ich sagte dass das chinesische Vorgehen in Tibet völkerrechtswidrig ist und nicht akzeptiert werden sollte, worauf du erwiderst, dass der Westen sich genau der gleichen Vergehen schuldig gemacht hat. Na und? Was hat das damit zu tun? Ist das chinesische "Unrecht" dadurch weniger "Unrecht", oder verbietet eigenes Fehlverhalten die Reaktion auf das gleiche Fehlverhalten bei Dritten? Das ist eine Ideologie, die Millionen Lichtjahre von praktikablem Vorgehen entfernt ist und nicht mal theoretisch Nutzen hätte.

Ich finde es auch bedenklich, dass wirtschaftliche Interessen die ethischen immer überlagern, obwohl es stets anders herum behauptet wird, trotzdem bin ich entweder für eine verantwortungsbewusste und nachhaltige interventionalistische Außenpolitik, oder außenpolitische Neutralität in Wort und Tat mit der Fiskalpolitik als einziger Motivation. (Das bedeutet keine Hilfe an Entwicklungsländer, keine Unterstützung bei Katastrophen, keine Auslandseinsätze der Bundesweher außer sie dienen ökonomischen Interessen, keine Mitgliedschaft in nutzlosen Organisationen, wie UN, EU et cetera)

janw
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Do 28. Aug 2008, 03:31 - Beitrag #28

Naja, das ist das klassische Stachel-im-Auge-Problem, und die Chinesen schlagen treffsicher mit dem Hinweis auf den Baumstammm in unseren Augen zurück. mines'S^, ich verstehe Dein Unbehagen und hege trotz allem viel Sympathie für Deine Argumente.
Letztlich läuft es aber darauf hinaus, daß mensch in unserem Land nicht weniger als die Helfershelfer der Chinesen erkennen muss, die zwar laut mit dem Finger wackeln, aber gleich danach Verträge unterzeichnen, die auf einen Fortbestand der Unterdrückung hinaus laufen.
Man muss auch IMHO sehen, daß die Architektur der UNO zentral jegliche Art von Unterdrückung stützt, wenn sie von Mitgliedern des Sicherheitsrates verübt wird - die erforderliche Einstimmigkeit bei Resolutionen bei gleichzeitigem ständigem Vetorecht der Mitglieder macht alle Erklärungen von Menschenrechten zu Makulatur.

Dazu sind "wir" noch extrem kurzsichtig, wenn "wir" solche Leute wie Saakaschwili unterstützen, Georgien in seiner bisherigen Form war ein Produkt Stalins, der die aufständischen Osseten und Abchasen durch Eingliederung in Georgien bezwingen wollte. Das einzige, was hier geholfen hätte, wäre abzuwarten, bis die abgespaltenen Völker merken, daß sie entweder alleine zurecht kommen oder daß sie eben doch kooperieren müssen, und ihnen dann zu einer Kooperation zu verhelfen. Und derweil Saakaschwili beruhigen.

So viel für den Moment...

Ipsissimus
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Do 28. Aug 2008, 10:12 - Beitrag #29

Ich argumentiere auch an keiner Stelle für Unrecht durch den Westen, ich argumentiere gegen Unrecht durch China, welches Unrecht der Westen zur gleichen Zeit wo auch immer begeht ist zur Beurteilung des chinesischen Unrechts in Myanmar und Tibet komplett irrelevant.


in der Tat eine zentrale Aussage (und - aus meiner Sicht - auch Frage).

Das Problem dabei besteht darin, dass weder du, noch ich, noch irgendjemand sonst diese oder ähnliche Aussagen aus der enthobenen Sphäre des reinen Beobachters heraus machen können. Wir sind als Angehörige einer der großen westlichen Industrienationen unmittelbar involviert.

Durch ein Weltwirtschaftssystem, das die Weichen der Ressourcenflüsse zu unseren Gunsten stellt; dadurch dass woanders Menschen real leiden und oft genug auch sterben müssen, damit bei uns die Preise für bestimmte Nahrungsmittel, Textilien und vieles mehr stabil auf niedrigem Niveau bleiben können; durch unsere historischen Verfehlungen, die an vielen Stellen der Welt z.B. infolge bösartiger, zumindest unangemessener Grenzziehungen während der Kolonialzeiten überhaupt erst dazu führten, dass Konflikte persistieren konnten, gegen die wir heute die Keule der Menschenrechtskonvention schwingen, um uns - Motiv im Hinterkopf - damit wieder nur die alte Einflussnahme zu sichern.

Wir Europäer sind nicht die hehren Beobachter, wir sind Mitschuldige. Und nun sagt der Gorilla zum Schimpansen "Affe". Der Gorilla, der gerade mal 100 Jahre zuvor anlässlich des Boxeraufstands dem Schimpansen selbst noch den Kopf abgerissen hat, es zumindest versuchte, will heute dem Schimpansen sagen, er solle sich nicht so aufführen wie ein Affe. In der gleichen Zeit sind unsre israelischen Freunde mit einen echten Ausrottungsfeldzug gegen Unerwünschte und unsere amerikanischen Freunde mit der Vorbereitung für die Invasion des nächsten Schurkenstaates ohne jede Handhabe beschäftigt, und das ist gerade mal zwei Sätze am Rande wert, gegeißelt wird da nichts. Wie soll mensch das denn nennen außer "mit zweierlei Maß gemessen"?

Der ganze Sinn hinter diesem politischen Einprügeln auf China besteht lediglich darin, China ein bisschen unter Druck zu setzen, damit wir bessere Konditionen für die Verträge bekommen, Tibet ist uns - mit Ausnahme der paar Deutschtibeter und ein paar Kagyü-Anhängern - völlig gleichgültig.

Maglor
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Do 28. Aug 2008, 10:38 - Beitrag #30

Der bekannte US-Stratege Zbigniew Brzenski behauptet die Destabilisierung der russischen Südgrenze wäre die derzeitige Taktik der USA. Der Krieg in Afghanistan bot zumindest einen Anlass sich im ein oder anderen GUS-Staat festzusetzen.
Bild
Also wenn hier jemand offensiv vorgegangen ist, dann... :rolleyes:
Wenigstens ist Deutschland auf der richtigen Seite. :crazy:
Da kann es doch nur sinnvoll sein, wenn Russland versucht das Virus der Westbindung irgendwie einzuschränken oder sich wenigstens mit den noch verbleibenden Nicht-US- und EU-Klientelstaaten ein Bündnis zu schmieden, um der Taiwanisierung Asiens die Stirn zu bieten: Die Shangai Cooperation Group
Für mich klingt das ganze eher nach ein dipolaren Welt. Interessant ist die Zusammensetzung der gegnerischen Mannschaft, die offenbar alte Kriegsbeile begraben hat.
MfG Maglor :rolleyes:

janw
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Do 28. Aug 2008, 13:06 - Beitrag #31

Zitat von Ipsissmus:In der gleichen Zeit sind unsre israelischen Freunde mit einen echten Ausrottungsfeldzug gegen Unerwünschte und unsere amerikanischen Freunde mit der Vorbereitung für die Invasion des nächsten Schurkenstaates ohne jede Handhabe beschäftigt, und das ist gerade mal zwei Sätze am Rande wert, gegeißelt wird da nichts.

Ja...und wir tragen durch unsere Stümperei in Georgien noch dazu bei, daß der Block derer gestärkt wird, die wir kritisieren.

Zitat von Lykurg:Wo, was, wie? Versuchst du die Goldgräbergreuel als staatliches Handeln darzustellen, oder was meintest du damit?

Nun, IWF und Weltbank gaben Kredite für Transamazonica und Staudämme. Eine ungesteuerte Einwanderung aus Nordostbrasilien war die Folge mit einer Lawine an Waldrodungen, Amazonien wurde so für die Goldsucher geöffnet.
Das wurde bekannt, trotzdem gaben IWF und Weltbank Geld für weitere Staudämme und Straßen. Ende der 80er Jahre forderte der IWF Indonesien auf, seine Wälder zur Tilgung seiner Schulden einzusetzen. Es setzte ein turbulenter Ausverkauf der Wälder ein, riesige Flächen wurden da zum Spottpreis verkauft, und sehr schnell wurde bekannt, daß diese Wälder nicht einfach nur "Brachland" waren, das "in Wert gesetzt" werden musste, auch nicht nur wertvolle Naturressource, sondern seit Jahrtausenden Lebensraum von Menschen. Trotzdem setzte der IWF seine Politik fort, nichts wird unternommen gegen die jetzige Entwicklung, den Wald in Rekordzeit abzuräumen und danach Ölpalmen zu pflanzen.
Der Schutz von Minderheiten interessiert wirklich nur, wenn damit ein aus anderen Gründen irgendwie erwünschter Druck auf den betreffenden Staat ausgeübt werden kann.

Ipsissimus
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Mo 1. Sep 2008, 11:44 - Beitrag #32

wie fragte Lykurg schon vor einiger Zeit im Rahmen einer ganz ähnlichen Diskussion (Gedächtniszitat)? "Ist es denn wirklich verwerflich, wenn man ein bisschen was verdienen möchte?"

janw
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Mo 1. Sep 2008, 22:38 - Beitrag #33

Nein, ein bisschen was verdienen zu wollen, ist sicher nicht verwerflich, insbesondere wenn es um die Leute aus dem Sertao geht, die ja nun wirklich vom Nichts eine ganze Menge haben.
Das Problem ist aber IMHO, daß diese Projekte letztlich nur "uns" dienen, von den Kreditzinsen bis zur Umsetzung der Maßnahmen, die meist von westlichen Firmen erbracht werden. In den Ländern verdienen meist nur die, die eh schon viel haben, Politiker, Verwaltung, Großgrundbesitzer,... während die Leute, die den Straßen in den Wald gefolgt sind, dort nach wenigen Jahren auch wieder nur nichts haben, einfach weil Brandrodungsfeldbau in den tropischen Wäldern nach etwa drei Jahren nichts mehr einbringt. Damit bleiben dann zerstörte Landschaften, zerstörte Lebensräume, vertriebene Indios, Penan und Dayak übrig, und die Palmöl-Geschichte in Indonesien wird in wenigen Jahren auch stranden, fürchte ich.
Auch die Staudämme sind nur begrenzt lebensfähig, schon jetzt werden die Turbinen durch das saure Wasser angegriffen, die Seen kippen um und vergiften die Flüsse.
All das war aber absehbar, und man hätte etwas wirklich wirksames gegen die Probleme tun können, eine Landreform zum Beispiel, ein Schulsystem, sexuelle Aufklärung, nachhaltige Nutzungsformen einführen, usw.
Gut, ich weiß, "wir" leben ein anderes Entwicklungsmodell vor...aber in meinen Augen können wir dies nicht einfach so auf andere überstülpen - ich hab den Eindruck, daß die Weltbank nicht nur auf vorhandene Wünsche eingeht, sondern aktiv die Länder drängt, "unseren" Weg einzuschlagen.

Ipsissimus
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Di 2. Sep 2008, 09:46 - Beitrag #34

All das war aber absehbar, und man hätte etwas wirklich wirksames gegen die Probleme tun können, eine Landreform zum Beispiel, ein Schulsystem, sexuelle Aufklärung, nachhaltige Nutzungsformen einführen, usw.


das einzige, was wirklich geholfen hätte, wäre gewesen, alle Länder mit Ureinwohnerschaft zum Sperrgebiet für Nicht-Ureinwohner zu deklarieren. Das hätte spätestens gegen 2500 vuZ erfolgen müssen (dann wäre uns die Bibel erspart geblieben)^^

eine Landreform im Amazonasgebiet bedeutet bereits die Anwendung eines Konzeptes von besitzbarem Boden (für Indianer ursprünglich ein Unding), ein Schulsystem bedeutet Überstülpung eines kulturellen Systems, nachhaltige Nutzungsformen bedeuten Nutzung jenseits des aktuellen lokalen Bedarfs, und sexueller Aufklärung bedarf es eigentlich nur dann, wenn eh schon alles den Bach herunter gegangen ist^^ aber da ich einsehe, dass eh schon alles den Bach herunter gegangen ist, sind die Vorschläge zwar nicht im Sinne von Problemlösungen, aber vielleicht im Sinne von Symptomlinderungen begrüßenswert. Allerdings würden sie natürlich postwendend als Alibi umfungiert, nach dem Motto "ist doch alles gar nicht so schlimm"^^

und natürlich besteht das Problem beim "ein bisschen was verdienen" nicht darin, dass diejenigen, die so gut wie gar nichts haben, ein Minimum an materieller Grundausstattung für ihre essentiellen Bedürfnisse verdienen, sondern es besteht darin, dass diejenigen, die ohnehin schon mehr als genug haben, den Schlund nicht voll bekommen können

Maglor
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Mi 3. Sep 2008, 19:18 - Beitrag #35

Ein bisschen ethnische Säuberung hier und da ist doch der Weg in die Zivilisation.
Wenn die Georgier mit den Osseten und Abchasiern abgerechnet haben, können sich natürlich in den Klub der freien Völker eintreten. :crazy:

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das hast du falsch verstanden, Maglor^^ wenn ein freies Land sowas macht - also eines, in dem freie Marktwirtschaft nach Maßgabe internationaler Großkonzerne (der Begriff "Trust" ist in diesem Kontext derzeit verpönt^^) herrscht oder herrschen soll - dann ist sowas immer fucking for virginity ... äh ... fighting for freedom, Freude und Völkerverständigung meinte ich politisch korrekt^^ wenn ein unfreies Land oder gar ein Schurkenstaat sowas macht - also ein Land, das sich der Notwendigkeit wiedersetzt, amerikanische ... äh, internationale Firmen nach deren Gutdünken mit seinen einheimischen Bodenschätzen verfahren zu lassen - dann ist das eine ethnische Säuberung, Menschenrechtsverletzung und Grund für viele Tränen und Traurigkeit bei denen, die demnächst so ein Land angreifen werden^^

mine'S^
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Do 4. Sep 2008, 14:57 - Beitrag #37

Fast schon erheiternd, wie hier im Zynismus gebadet wird, ohne die Natur des Menschen, die diese ach so schreckliche Welt erst zu dem macht was sie ist, in die Kritik an einige Vertreter der Gattung einzubeziehen. Ach die bösen Anderen. Es urteilt so leicht mit hohen Worten, wer nie mit der Realitätsferne der eigenen Ethik konfrontiert wird.

Ipsissimus
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Do 4. Sep 2008, 15:30 - Beitrag #38

wie kommst du auf die Idee, mineS, ein derartiger, aus Verzweiflung geborener Zynismus könne sich formulieren ohne auf ein tiefgreifendes Verständnis von der Natur des Menschen zurückzugreifen? Viel schwieriger ist es doch, einen Weg zu finden, entlang dessen ein solches Verständnis nicht zu diesem trauervollen Zynismus führt, gesetzt den Fall, dass mensch sich nicht in jener anderen Art von Zynismus ergehen möchte, dem Zynismus der Haie. Ah, ich sehe schon^^ das Engagement der Macher, derer, die "wenigstens was machen". Habe ich früher auch so gedacht. Mittlerweile sehe ich den bei weitem größten Teil dieses Personenkreises als Teil des Problems an, nicht als Teil der Lösung.

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